Rede von
Cem
Özdemir
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Da das Handy of-
fensichtlich in unseren Reihen geklingelt hat, nehme ich
diese Kritik gerne an. Ich muß allerdings dazusagen:
Das Handy war nicht von uns. Das Problem, daß das
Handy so lange geklingelt hat, war, daß zwei technisch
unbegabte junge Männer in der ersten Reihe gesessen
haben und nicht wußten, wie man das Handy ausschal-
tet.
Aber ich verspreche hiermit: Wir werden uns in dieses
Thema einarbeiten und zukünftig dafür sorgen, daß das
nicht wieder passiert.
Aber jetzt zum eigentlichen Thema. Eine grundsätzli-
che Bemerkung vorweg: Egal wann und egal unter wel-
cher Regierungskonstellation wir das Thema Parteienfi-
nanzierung diskutieren, dieses Thema wird in der öf-
fentlichen Diskussion nicht gerade positiv besetzt sein.
Im Gegenteil, der Vorwurf der Selbstbereicherung wird
erhoben – manchmal vorschnell; in diesem Fall, so
glaube ich, mit Sicherheit vorschnell. Allerdings war es
in der Vergangenheit manchmal sicherlich auch so, daß
wir Anlaß zu Mißtrauen gegenüber den Parteien geboten
haben. Wir sind gut beraten, wenn wir mit dem Thema
sensibel umgehen. Ich glaube, die Debatte heute zeigt,
daß diese Diskussion sehr sensibel geführt wird, daß wir
die Sorgen und Ängste, die in der Bevölkerung da sind –
und zum Teil auch geschürt werden –, ernst nehmen und
versuchen wollen, die Bürger im Diskurs mit ihnen von
der Notwendigkeit dieser Erhöhung zu überzeugen.
Es gibt auch ein strukturelles Problem. Das struktu-
relle Problem liegt darin, daß wir quasi in eigener Sache
entscheiden sollen. Das führt natürlich immer zu Miß-
trauen in der Bevölkerung, weil man sich von einer ge-
wissen Befangenheit nicht ganz freimachen kann, wenn
wir in eigener Sache über die Finanzierung der Parteien
entscheiden sollen.
Man muß allerdings eines klarmachen: Irgendwelche
informellen Zirkel sind mit Sicherheit nicht dazu geeig-
net, diese Entscheidung zu treffen. Von daher ist es
richtig, daß wir als Parlament selber entscheiden. Wir
sagen der Öffentlichkeit ganz klar: Unser Arbeitgeber ist
Dr. Rupert Scholz
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1998 667
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(D)
der Steuerzahler, ist die Steuerzahlerin. Wir stehen zur
Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit. Deshalb
heute die öffentliche Debatte: Wir wollen Transparenz,
wir wollen, daß das Für und Wider dieser Entscheidung
debattiert wird. Hier ist der Ort, wo die Entscheidung
getroffen werden muß.
Meine Fraktion hat sich – das wissen Sie – in der
Vergangenheit immer für mehr Transparenz in der
Frage der Parteienfinanzierung eingesetzt. Manchmal
mußten wir dazu bis vor das Bundesverfassungsgericht
gehen. So wurden auf Grund unserer Klage die steuer-
abzugsfähigen Spenden von Unternehmen drastisch zu-
rückgefahren, die jahrelang für eine unseres Erachtens
nicht gerade unproblematische Form der Parteienfinan-
zierung gesorgt haben.
Ein Stück mehr Transparenz hat sicherlich auch das
neue Parteiengesetz geschaffen, das seither vorsieht,
daß sowohl die Bilanz als auch Einnahmen und Ausga-
ben sowie Spenden in Höhe von mehr als 20 000 DM
veröffentlicht werden müssen und so für jeden zugäng-
lich sind. Jeder Bürger kann also selber entscheiden,
inwiefern die Parteien mit dem Geld sachverständig,
sinnvoll umgehen oder nicht. Der Bürger selber kann
sich davon ein Bild verschaffen, was sie mit dem Geld
machen.
Demokratie braucht allerdings funktionsfähige Par-
teien – darin sind wir uns, so glaube ich, im gesamten
Haus einig –, die nicht abhängig sind von Zahlungen
oder Spenden großer Unternehmen und Interessen-
verbände. Zur Funktionsfähigkeit gehört auch, daß die
finanzielle Ausstattung mit der Preissteigerung Schritt
hält.
Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle ausdrück-
lich bei der Kommission unabhängiger Sachverständiger
zu Fragen der Parteienfinanzierung bedanken, die eine
Vorlage gemacht hat, die von uns allen mitgetragen
wird. Schon im letzten Jahr hat sie eine maßvolle Erhö-
hung der im Parteiengesetz verankerten absoluten Ober-
grenze vorgeschlagen, so daß wir diese jetzt von 230 auf
245 Millionen DM anheben können. Ich halte diese An-
hebung sowohl für sinn- als auch für maßvoll, auch
wenn ich weiß, daß dies in Kreisen der Öffentlichkeit als
„anmaßend“ kritisiert wird, so die „Frankfurter Rund-
schau“ von heute. Ich weiß, daß auch das Kindergeld
nur maßvoll erhöht wird und wir daran gemessen wer-
den. Aber Demokratie kostet etwas, sie hat ihren Preis.
Wir müssen die Funktionsfähigkeit der Parteien ge-
währleisten. Ob die Parteien sparsam gewirtschaftet ha-
ben – wie hier verschiedentlich anklang –, wird, wie ge-
sagt, der Bürger entscheiden müssen.
Ich freue mich darüber, daß wir diese Entscheidung
hier im Einvernehmen treffen. Ich bedauere es, daß die
PDS dem nicht zustimmt. Allerdings hat sich die PDS
im Innenausschuß der Stimme enthalten. Auch dies ist
ein wichtiges Signal, das man anerkennen sollte.
Vielen Dank.