Herr Präsident! Liebe
Kollegen und Kolleginnen! Vielleicht gleich einmal ei-
nes zur Richtigstellung: Was in der EU beschlossen
wird, ist, jedenfalls in diesem Bereich, auf Einstimmig-
keit angewiesen, das heißt, die Bundesrepublik hat na-
türlich ein Wörtchen mitzureden. Insofern haben wir da
schon Einfluß.
Einen zweiten Punkt möchte ich aufgreifen; Herr
Thiele hat ihn hier angesprochen. Ich finde, er hatte
recht, als er gesagt hat, die Belastungsgrenze, was Steu-
ern anbelangt, sei in Deutschland erreicht oder sogar
überschritten. Aber wem haben wir das zu verdanken?
Was hat dazu geführt, daß die Belastungsgrenze erreicht
ist? Sie können sich doch nicht hier hinstellen und so
tun, als wären Sie für die heutigen Zustände nicht ver-
antwortlich.
Weil wir diese Erblast vorfinden, bringen wir ein
Steuerentlastungsgesetz ein, das diesem Mißstand ent-
gegenwirken soll und das versucht, herbeizuführen, was
dringend nötig ist, nämlich daß die unteren Einkommen
und der Mittelstand entlastet werden.
Ich möchte aber diese Aktuelle Stunde, mit der Sie
mir dazu Gelegenheit geben, nutzen, über die ökologi-
sche Steuer- und Abgabenreform zu sprechen und Ihnen
das Konzept, das Sie anscheinend nicht verstanden ha-
ben, noch einmal zu erklären.
Ich erinnere daran, daß wir vor etwa einem Jahr hier de-
battiert haben, als es darum ging, daß die Rentenversi-
cherungsbeiträge und die Lohnnebenkosten durch Ihre
Politik noch einmal erhöht werden sollten. Die Gefahr
bestand, aber sie ist dann durch die Erhöhung der
Mehrwertsteuer zum 1. April gebannt worden. Haben
Sie denn das alles vergessen, was unter Ihrer Regierung
passiert ist?
Wir sprechen heute darüber, wie wir die Lohnneben-
kosten senken und daß die Rentenversicherungsbeiträge
um 0,8 Prozentpunkte gesenkt werden sollen. Eine Ab-
senkung in dieser Höhe hat es seit langer, langer Zeit
nicht gegeben.
Heidemarie Ehlert
654 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1998
(C)
Sie wird nicht etwa durch eine Anhebung der Mehrwert-
steuer finanziert, sondern wir schaffen den Einstieg in
die ökologische Steuer- und Abgabenreform.
Die ökologische Steuerreform wird seit sehr langer
Zeit diskutiert. Es gibt Vorschläge und Modellrechnun-
gen, zum Beispiel 1988 von dem Umwelt- und Progno-
se-Institut Heidelberg und 1990 durch den BUND. Die
SPD ist mit dem Programm „Fortschritt 90“ in den
Wahlkampf 1990 gezogen.
– Herr Schäuble, wenn Sie jetzt dazwischensprechen,
muß ich Ihnen sagen: Auch Sie haben vor einem halben
Jahr das Konzept entdeckt und hier propagiert. Aber es
nützt nichts, nur darüber zu reden und es zu propagieren,
sondern man muß es auch machen, und das tun wir jetzt.
Ich möchte gerade der F.D.P. sagen: Wir nutzen end-
lich marktwirtschaftliche Instrumente für den Umwelt-
schutz.
Sie haben in Ihrer Regierungszeit Umweltschutz über-
wiegend durch das Ordnungsrecht, durch Grenzwerte,
durch Verbote und Gebote, vorangetrieben und verges-
sen, daß es ein sehr wirksames Instrument gibt, nämlich
die Marktwirtschaft.
Vielleicht ist Ihnen das entgangen, und vielleicht sind
Sie deswegen so aggressiv: Wir werden in moderaten
Schritten die Entwicklung anstoßen, die den Verbrau-
cherinnen und Verbrauchern, aber auch den Unterneh-
men Anreize gibt, sich freiwillig in die richtige Richtung
zu bewegen, den Energieverbrauch zu senken und Ener-
giespartechniken anzuwenden.
Es wird in den Köpfen und in der Realität zu einer
Änderung kommen, indem man nicht nur mit Verboten
und Geboten sowie Grenzwerten arbeitet, sondern dies
auch über Preise und über marktwirtschaftliche Instru-
mente zu erreichen versucht. Über die Ausgestaltung
kann man im einzelnen reden, und das sollen wir auch.
Wir werden unsere Vorschläge zur ersten Stufe in einer
Anhörung zur Diskussion stellen und dann umsetzen.
Ich will, da Sie die Mineralölsteuererhöhung anspre-
chen, aber auch noch sagen: Sie haben in Ihrer Zeit das
Instrument Mineralölsteuererhöhung extensiv genutzt.
Vor zehn Jahren lag die Mineralölsteuer auf Benzin bei
48 Pfennig; sie ist in den letzten zehn Jahren um über 50
Prozent gestiegen.
Dies gilt für unverbleites Benzin, und beim verbleiten ist
sie noch deutlicher gestiegen und auch beim Dieselkraft-
stoff.
Dies geschah aber ohne jede ökologische Komponente,
sondern dies diente nur dem Stopfen von Haushaltslö-
chern zur Verbesserung der Einnahmesituation.
die einerseits mit der immer weiteren Belastung der Ar-
beits- und Lohnnebenkosten Schluß macht und auf der
anderen Seite marktwirtschaftliche Anreizinstrumente
zum Schutz der Umwelt beinhaltet.
Wir sind mit diesem Konzept in den Wahlkampf ge-
zogen, und wir haben dafür eine Mehrheit bekommen.
Unsere Wählerinnen und Wähler – nicht Ihre, sondern
unsere – erwarten,
daß wir das umsetzen. Und wir tun das.
Schönen Dank.