Rede von
Gunnar
Uldall
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Herr Minister, mein Kollege Fried-
rich Merz, der sich leider entschuldigen mußte und Ih-
nen das auch mitgeteilt hatte – er mußte einer anderen
Verpflichtung nachkommen –, hat in seiner Rede Bezug
genommen auf Ihr Interview vom 7. November 1998 im
„Tagesspiegel“ in dem Sie gesagt hatten:
Diese Klage halte ich für berechtigt. Industrie,
Handwerk und Mittelstand müssen von dieser Steu-
er so lange befreit werden, bis sie in der Europäi-
schen Union einheitlich eingeführt wird.
Herr Minister, gerade nach Ihrer Rede kann ich nur
fragen: Warum machen Sie in dieser Frage einen Rück-
zieher? Warum lassen Sie sich durch die anderen Kräfte
innerhalb der Koalition sozusagen überrollen? Warum
sind Sie nicht bei Ihrer ursprünglichen Meinung geblie-
ben? Sie sind der Minister, der bei uns in Deutschland
für die Ordnungspolitik im Bereich der Wirtschaft zu-
ständig ist.
Hier sollten Sie Rückgrat zeigen und sich nicht durch ir-
gendwelche ideologischen, ökologischen oder sonstigen
finanzpolitischen Überlegungen einbinden lassen.
Meine Damen und Herren, es gab einen guten Grund,
weswegen die Ordnungspolitik von Ludwig Erhard nicht
im Finanzministerium, sondern im Wirtschaftsministeri-
um angesiedelt wurde. Denn das Finanzministerium
steht immer unter dem Druck, unter tagespolitischen
Gesichtspunkten zu entscheiden und Geld zu beschaffen.
Der Ordnungspolitiker muß die langfristige Perspektive
im Blick haben.
Das wünschen wir uns sehr von Ihnen, Herr Minister.
Aufgabe eines Ordnungspolitikers ist, darauf zu ach-
ten, daß wir gleiche Wettbewerbsbedingungen in Europa
und für die unterschiedlichen deutschen Unternehmen
haben. Dies ist nicht gegeben. Unser Kollege Bury hat
soeben festgestellt, wie wichtig es sei, daß wir eine eu-
ropäische Harmonisierung erreichen.
Aber eine europäische Harmonisierung ist nicht vorhan-
den. Trotzdem werden solche Maßnahmen ergriffen.
Die von Ihnen vorgesehene Reform – das haben ver-
schiedene Beiträge gezeigt – entlastet eben nicht, son-
dern belastet. Der typische mittelständische Handelsbe-
trieb – das hat Kollege Michelbach an Hand seines eige-
nen Betriebes vorgerechnet – und der typische Hand-
werksbetrieb werden belastet, nicht entlastet.
Da Sie auf die Industrie Bezug nehmen, möchte ich
auf folgendes hinweisen: Ich habe heute ein Schreiben
von einem rohstoffverarbeitenden Betrieb bekommen,
der von den Schwankungen der Rohstoffpreise auf dem
Weltmarkt abhängig ist. Wenn die Weltmarktpreise
hoch sind, dann ist er nach Ihrer Definition nicht energie-
intensiv. Wenn die Weltmarktpreise niedrig sind – was
wir alle uns wünschen –, ist er energieintensiv und
müßte eigentlich entlastet werden.
Die Statistiken sind also zum falschen Zeitpunkt aufge-
stellt worden. Deswegen werden diese Betriebe jetzt mit
einer zusätzlichen Steuer belastet.
Meine Damen und Herren, diese neue gesetzliche
Regelung mit den vielen, vielen Ausnahmen ist ein gro-
ßer Schritt zu mehr Regulierung im Steuerrecht, ist ein
Schritt zu mehr staatlicher Lenkung. Aber was wir in
Deutschland brauchen, ist mehr Deregulierung und ein
freieres Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte. Dies si-
cherzustellen ist Aufgabe des für die Ordnungspolitik im
Bereich der Wirtschaft zuständigen Ministers.
Wir wünschen, Herr Minister, daß Sie in den kom-
menden Jahren in dieser Frage immer eine klare Position
beziehen und bei den Positionen bleiben, wie Sie sie ur-
sprünglich in dem „Tagesspiegel“-Interview vertreten
haben.