Rede von
Jürgen W.
Möllemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin!
Meine Kolleginnen und Kollegen! Jährlich im Dezem-
ber – es wird also in Kürze geschehen – wählt eine Jury
der Gesellschaft für deutsche Sprache das Wort des Jah-
res aus. Ich schlage im Blick auf die Diskrepanz zwi-
schen dem, was Sie, Herr Bundeskanzler, Ihre Ministe-
rin, die gerade hier gesprochen hat, und andere im
Wahlkampf gesagt haben, und dem, was in der der Re-
gierungserklärung steht, das Wort „Mogelpackung“ vor.
Es besteht – dieser Eindruck ist wohl nicht nur mein
persönlicher; ich werde darauf gleich noch kommen –
vielmehr im Hinblick auf das, was vor den Wahlen über
den großen Stellenwert von Bildung, Wissenschaft und
Forschung gesagt worden ist, und im Hinblick auf das,
was konkret in der Regierungserklärung steht, doch eine
erhebliche Diskrepanz.
In der Regierungserklärung steht der bemerkenswerte
Satz – Frau Bulmahn, Sie sprachen das Thema an –:
„Diese Regierung hat nichts gegen die Herausbildung
von Eliten.“ – Toll! Ich dachte, diese Regierung – so hat
es im Wahlkampf geheißen – hält Leistungseliten für
dringend erforderlich und will alles tun, damit sie geför-
dert und gefordert werden. Wie groß ist eigentlich der
ideologische Dissens in dieser rotgrünen Koalition,
wenn ein Kanzler hier nur noch halb entschuldigend sa-
gen kann: „Diese Regierung hat nichts gegen die Her-
ausbildung von Eliten.“ Das Schlimme ist, daß dort, wo
Sie agieren, etwa in Nordrhein-Westfalen – gestern hat
die dortige Schul- und Hochschulministerin, von der ich
weiß, daß sie sich der hohen Wertschätzung des dortigen
Ministerpräsidenten erfreut, ein beredtes Zeugnis davon
abgelegt – dort, wo konkret im Instrumentarium von
Schul- und Hochschulpolitik entschieden wird, was
man zur Förderung von Eliten tun kann, eben nichts ge-
schieht.