Frau Kollegin
Schmidt, Sie haben mich persönlich angesprochen. Sie
haben gesagt, daß Sie einen Wohlfahrtsstaat
mit Rechtsansprüchen wollen und daß wir nach Ihrer
Meinung in den letzten Jahren zu viele Kürzungen vor-
genommen hätten.
Dazu möchte ich einfach einmal anmerken, daß wir nach
meiner tiefen Überzeugung in der Sozialpolitik das
Ganze nur gerecht und bezahlbar gestalten können,
wenn wir soziale Leistungen mit Eigenverantwortung
verbinden.
Deswegen haben wir in der letzten Wahlperiode zum
Beispiel gesagt: Außer beim Vorliegen bestimmter so-
zialer Voraussetzungen – Sozialklausel, Überforde-
rungsklausel – gibt es im Gesundheitssystem Zuzahlun-
gen. Das war richtig, denn die Leute müssen mit den
Leistungen des Gesundheitssystems sparsam umgehen.
Daß es richtig war, sehen wir jetzt auch an Ihrem Re-
formentwurf: Wenn Sie bei den Zuzahlungen eine Mark
wegnehmen, dann ist das, gemessen an der Ankündi-
gung, sie abzusenken, eher eine Lachnummer.
Sie werden Eigenverantwortung mit Sozialleistungen
verbinden müssen. Das ist richtig und wird an einem
Beispiel deutlich: Wenn ich vier Wochen zur Kur fahre,
muß ich dafür als Eigenverantwortungsteil eine Woche
Urlaub einbringen. Nur so kann das doch funktionieren.
Sie müssen immer eine Lösung finden, bei der die wirk-
lich Bedürftigen die Leistung bekommen, aber diejeni-
gen, die sie nicht unbedingt brauchen, sie nicht mit
Leichtigkeit erwerben können. Sie sind gut beraten,
wenn Sie an diesem Weg festhalten.
Noch ein Wort zu der Geschichte mit den Jugend-
lichen. Wir springen in der Debatte viel zu kurz, wenn
wir glauben, man könne durch ein Programm das Pro-
blem, daß 10 bis 15 Prozent der Jugendlichen nach zehn
Jahren Schule nicht ausbildungsfähig sind, lösen. Dieses
Problem hat ganz viele Ursachen. Das hängt mit Eltern-
häusern zusammen. Das hängt mit Sozialverhalten zu-
sammen. Das hängt mit der Art, wie die Schule organi-
siert ist, zusammen. Dazu habe ich heute vieles gesagt.
Ich glaube, wir sollten das einmal vernünftig anpacken,
um die Probleme schon dann zu lösen, wenn Menschen
im Alter von Kindern oder Jugendlichen sind. Am be-
sten würden wir das Problem lösen – davon bin ich
überzeugt; man muß diese Ansicht nicht teilen –, wenn
wir in unserer Gesellschaft wieder stärker zu einem
christlichen Wertekonsens finden würden.
Danke schön.