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ID1400305400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/3 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 3. Sitzung Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 I n h a l t : Gedenkworte für die Opfer der Naturka- tastrophe in den vier mittelamerikanischen Staaten El Salvador, Honduras, Guatemala und Nicaragua ................................................ 47 A Begrüßung des Beauftragten der OSZE für Medienfreiheit, Herrn Freimut Duve.............. 67 C Begrüßung des neuen Direktors beim Deut- schen Bundestag, Dr. Peter Eickenboom ..... 67 C Verabschiedung des Direktors beim Deut- schen Bundestag, Dr. Rudolf Kabel ............. 67 C Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Bundeskanz- lers mit anschließender Aussprache........... 47 C in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 2: Antrag der Bundesregierung Deutsche Beteiligung an der NATO- Luftüberwachungsoperation über den Kosovo (Drucksache 14/16)....................... 47 C Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 47 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ................. 67 D Dr. Peter Struck SPD ....................................... 80 A Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN............................................. 85 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 91 A Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 96 D Michael Glos CDU/CSU ................................. 102 B Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD ............ 102 D Hans-Peter Repnik CDU/CSU..................... 103 A Joseph Fischer, Bundesminister AA................ 107 C Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 112 B Dr. Helmut Haussmann F.D.P. ........................ 115 B Volker Rühe CDU/CSU .................................. 116 C Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ....................................................... 119 A Wolfgang Gehrcke PDS .................................. 121 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 122 D Jürgen Koppelin F.D.P.. .............................. 123 B Gernot Erler SPD............................................. 124 D Rudolf Bindig SPD.......................................... 127 A Nächste Sitzung ............................................... 128 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten .......... 129 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 47 (A) (C) (B) (D) 3. Sitzung Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 Beginn: 9.00 Uhr
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    Rudolf Bindig Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 129 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Carstensen (Nordstrand), Peter Harry CDU/CSU 10.11.98 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 10.11.98 Hartnagel, Anke SPD 10.11.98 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 10.11.98 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 10.11.98 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 10.11.98 Reichard (Dresden), Christa CDU/CSU 10.11.98 Schulte (Hameln), Brigitte SPD 10.11.98 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.11.98 Vaatz, Arnold CDU/CSU 10.11.98 Verheugen, Günter SPD 10.11.98 130 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 (A) (C) (B) (D)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Gernot Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr ver-
    ehrten Damen und Herren! In der Debatte war mehrfach
    von dem Grundkonsens in der Außen- und Sicher-
    heitspolitik die Rede. Ich möchte eines hier klarstellen:
    Man kann sich mit der Interpretation von verschiedenen
    Teilen des Hauses nicht einverstanden erklären, daß
    ein solcher Grundkonsens etwa signalisiere, daß es einer
    neuen Regierung an Innovation und an Ideen mangele
    oder daß sie pauschal alles, was bisher gewesen ist, gut-
    heiße.

    Aus meiner Sicht ist ein möglichst breiter Grundkon-
    ses in der Außen- und Sicherheitspolitik ein Signum ei-
    nes zivilisierten, demokratischen Staatswesens.


    (Beifall bei der SPD)


    Angelika Beer






    (A) (C)



    (B) (D)


    Es lohnt sich, auf jeden Fall große Anstrengungen zu
    unternehmen, um daran festzuhalten. Ich will eines
    gleich anfügen: Das Bemühen um diesen Grundkonsens
    ist wesentlich auch Aufgabe der Opposition. Darum ha-
    ben wir uns in den letzten Jahren in der Opposition be-
    müht. Es gibt jetzt auch eine Bringschuld von Ihnen,
    sich um diesen Grundkonsens zu bemühen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Kontinuität besteht nicht nur in der Arbeit um Ver-

    trauen im Ausland; vielmehr gibt es auch Spielräume
    – auch das steht in der Koalitionsvereinbarung – in der
    Kontinuität für neue Initiativen und für neue Impulse.

    Ich möchte hier drei Felder nennen, die mir sehr
    wichtig erscheinen: Das erste ist das, was ich den ge-
    samteuropäischen Integrationsprozeß nennen möchte,
    bestehend aus dem Erweiterungsprozeß der Europäi-
    schen Union und dem der westlichen Allianz, der
    NATO. Was noch nicht alle genügend gespürt haben, so
    glaube ich, ist, daß 1998 in dem gesamteuropäischen
    Integrationsprozeß eine neue Phase begonnen hat. Defi-
    nitiv geht eine Phase zu Ende, in der es möglich und
    auch üblich war, in die Hauptstädte der Transformati-
    onsstaaten zu fahren und dort wohlwollende Bekennt-
    nisse abzugeben. Dadurch konnte man sehr preiswert
    Zustimmung und populäre Erfolge erringen, aber ohne
    eine dahinterstehende Substanz. Diese Phase geht defi-
    nitiv zu Ende, denn seit mehreren Monaten läuft die
    Vorverhandlungsphase. Jetzt – buchstäblich heute – be-
    ginnt offiziell die Verhandlungsphase gleich zu solch
    wichtigen Themen wie Telekommunikation, Bildung,
    Wissenschaft, Forschung, Industriepolitik und anderem,
    insgesamt zu sieben verschiedenen Kapiteln.

    Ende letzter Woche sind uns die ersten der soge-
    nannten Fortschrittsberichte der Europäischen
    Kommission vorgelegt worden. Das heißt, jetzt wird die
    Frage der Anpassungsleistung der Transformationsstaa-
    ten objektiviert. Das ist eine neue Phase, denn jetzt wird
    das konkret gemessen, was man Strukturreife nennt. Das
    ist eine immense Arbeit dieser Transformationsstaaten,
    die, was ihre marktwirtschaftliche Reife angeht, ord-
    nungspolitische Kriterien vorweisen müssen, die zeigen
    müssen, ob sie es schon geschafft haben, die 200 000
    Seiten Text der Rechtsangleichung mit mehr als 14 000
    Rechtsakten übernommen und an ihre Gesellschaft an-
    gepaßt zu haben, und die zeigen müssen, ob sie gesamt-
    wirtschaftliche und monetäre Stabilität haben – sogar in
    Richtung der Maastricht-Kriterien.

    Diese Fortschrittsberichte zeigen erhebliche Fort-
    schritte der betroffenen Länder, aber eben auch erhebli-
    che Entwicklungsrückstände, die sehr ernst zu nehmen
    sind. Dazu nur eine Zahl: Die fünf in der ersten Reihe
    stehenden mittel- und osteuropäischen Staaten, mit de-
    nen jetzt konkret verhandelt wird, bringen bisher mit
    180 Milliarden Ecu 2,8 Prozent des Bruttoinlandspro-
    dukts der Europäischen Union auf. Sie stellen aber
    gleichzeitig 62,6 Millionen Menschen und damit
    16,8 Prozent der Bevölkerung der Europäischen Union.
    In diesen Zahlen liegt eine enorme Spannung, denn
    darin spiegelt sich der riesige Abstand des Lebens-
    niveaus, das sich aus Pro-Kopf-Einkommen und Kauf-

    kraft definiert. Noch immer liegen alle Beitrittsaspiran-
    ten aus Mittel- und Osteuropa weit hinter den schwäch-
    sten Mitgliedern der Europäischen Union. Estland zum
    Beispiel, ein vielgelobtes Reformland, erreicht nicht
    mehr als 22 Prozent des Durchschnittsniveaus der EU,
    Slowenien nicht mehr als 59 Prozent. Das heißt, daß ein
    Aufholen dieser Einkommensrückstände notwendig und
    wichtig ist, weil in der EU bis heute das Prinzip der
    Struktur- und Kohäsionsfonds gilt, das greifen muß,
    wenn die Abstände bei Regionen weniger als 75 Pro-
    zent, bei Ländern sogar weniger als 90 Prozent betragen.

    In den letzten beiden Jahren wurden für diese Fonds
    durchschnittlich 35 Milliarden Ecu aufgewandt. Man hat
    ausgerechnet, daß, wenn heute die erste, die fortge-
    schrittene Gruppe, mit der im Moment verhandelt wird,
    der EU beitreten würde, Ausgleichszahlungen von 20
    bis 45 Milliarden Ecu notwendig wären. Das ist eine
    Verdoppelung dieses Etats – völlig unrealistisch und
    politisch auch gar nicht durchsetzbar.

    Das heißt, wir haben eine neue Phase. Denn jetzt geht
    es darum, zu fragen: Wie greifen die konkreten Anpas-
    sungshilfen, zum Beispiel die aus dem Heranfüh-
    rungstopf von 22 Milliarden Ecu? Was tun wir denn
    konkret, um in der sogenannten Beitrittspartnerschaft
    auch in der zweiten Fünfergruppe die Anpassung mit der
    sogenannten Aufholfazilität zu unterstützen, die schon
    viel bescheidener ist, nämlich 100 Millionen Ecu für
    zwei Jahre? Man hört leider, daß sich diese Programme
    trotz dieser Bemühungen verzögern. Da habe ich eine
    andere Auffassung als Sie, Herr Rühe. Ich glaube nicht,
    daß man Herrn Fischer raten sollte, mit neuen, erfunde-
    nen Beitrittszahlen zu operieren. Diese Zeit geht zu En-
    de. Statt gebetsmühlenhaft abstrakte Unterstützung zu
    versichern und dafür kostenlos Beifall einzuheimsen,
    müssen wir jetzt zeigen, daß wir bereit sind, die Ärmel
    in der Europäischen Union aufzukrempeln, um die Län-
    der auf diesem schwierigen Weg zu Gleichrangigkeit
    und vor allen Dingen Wettbewerbsfähigkeit konkret zu
    unterstützen. Das – nicht die abstrakte Nennung von
    Beitrittsdaten – ist die Herausforderung des Tages.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Dazu gehört übrigens auch, daß endlich – dazu muß

    die Bundesrepublik einen konkreten Beitrag leisten – die
    Hausaufgaben der Europäischen Union gemacht werden.
    Es ist noch gar nicht erreicht, daß wir selber, die 15, tat-
    sächlich integrationsfähig sind. Hier muß noch vieles in
    den Entscheidungsgremien geändert werden. Zum Bei-
    spiel muß der ganze Bereich des Agrarmarkts geändert
    und reformiert werden; sonst besteht dort keinerlei Inte-
    grationsfähigkeit. Das Ziel muß dabei sein, daß neue
    Grenzziehungen durch Europa verhindert werden. Der
    Abstand im Geleitzug bei der europäischen Integration
    darf nicht zu groß werden. Die Warnsignale aus Südost-
    europa teilen uns mit, wie wichtig das ist.

    Ein zweiter Punkt, wo neue Impulse notwendig sind:
    Ich glaube, wir müssen unsere Politik gegenüber der
    Russischen Föderation kritisch überprüfen. Die Bezie-
    hungen müssen eine breitere Grundlage bekommen. Das
    sagen uns auch viele Fachleute. Ich will hier nicht die
    alte Frage aufwerfen, wie wichtig ganz persönliche Be-

    Gernot Erler






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    ziehungen zwischen zwei ganz wichtigen Personen wa-
    ren und sind. Sie hatten sehr positive Seiten. Aber jetzt
    ist es an der Zeit, die Beziehungen zu diesem wichtigen
    Nachbarn auf eine andere, auf eine breitere Grundlage
    zu stellen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wir müssen die Stimmen derjenigen, die aus der

    Staatsduma und aus dem Föderationsrat kommen, auf-
    greifen, die sagen, daß sie gerne engere Beziehungen
    mit dem Deutschen Bundestag, vor allen Dingen auf der
    fachlichen Ebene, haben wollen. Wir müssen auch zur
    Kenntnis nehmen, daß es heute ganz andere wirtschaftli-
    che und gesellschaftliche Kräfte mit großem Einfluß in
    einem sich ändernden politischen System in Rußland
    gibt, die uns herausfordern. Wir müssen aber auch die
    Politik der internationalen Finanzorganisationen, von
    IWF und Weltbank, auf ihren Sinn und ihre Wirksam-
    keit überprüfen. Da erscheinen gerade in diesem Jahr
    große Fragezeichen.

    Es gibt – auch das ist etwas, was wir als Regierung in
    der neuen Legislaturperiode übernommen haben – eine
    Baustelle, was die Erfüllung der sehr wichtigen NATO-
    Rußland-Grundakte angeht. Es gibt einen positiven
    Aspekt: Die Zusammenarbeit in dem Ständigen Ge-
    meinsamen Rat funktioniert gut. Aber in der Akte stand
    auch etwas über KSE und über eine neue Rolle der OS-
    ZE. Gerade das ist noch nicht erfüllt. Es handelt sich
    um ein dickes Paket von innovativen Aufgaben in
    der Außen- und Sicherheitspolitik für die nächsten
    Jahre.

    Ich komme zu einem dritten Punkt, den man unter
    dem Stichwort „präventive Friedenspolitik“ zusam-
    menfassen kann. Ich sage noch einmal: Das, was in
    Südosteuropa, was in Albanien, was jetzt im Kosovo
    passiert, zeigt eben leider, daß die Instrumente, die wir
    hier geschaffen haben, noch nicht ausreichen. Abrüstung
    ist auch heute noch kein Thema von gestern. Die Atom-
    waffentests in Indien und Pakistan waren für uns eine
    Warnung, daß Nichtverbreitungsziele und die Eigenver-
    pflichtung zu Abrüstung der offiziellen Atommächte
    siamesische Zwillinge sind und daß man dies gar nicht
    unabhängig voneinander behandeln kann.

    Es ist auch klar – das ist wichtig –, daß die Rüstungs-
    kontrolle und die Rüstungsexportpolitik einer strengen
    Kontrolle dieses Parlaments bedürfen. Ich kann die Aus-
    sage in der Koalitionsvereinbarung nur begrüßen, daß
    ein Instrument, mit dem wir bei der Abrüstung gute Er-
    fahrung gemacht haben, nämlich der Jahresabrüstungs-
    bericht, jetzt auch durch einen jährlichen Rüstungsex-
    portbericht ergänzt werden soll.

    Ich persönlich bin ein bißchen besorgt. Es ist gut, daß
    die NATO jetzt in der Kosovo-Krise innerhalb von we-
    nigen Wochen die Fähigkeit demonstriert hat, eine
    glaubwürdige Bedrohung gegenüber Herrn Milosevic
    aufzubauen, bis hin zur Einsatzfähigkeit von 450
    Kampfflugzeugen. Das hat nur wenige Wochen gedau-
    ert. Es ist gut, daß es diese Möglichkeit gibt. Aber der
    zweite Teil, den auch Sie, Herr Rühe, und andere hier
    angeführt haben und den auch Rudolf Scharping, der

    Verteidigungsminister, sehr ausführlich beschrieben hat,
    ist genauso wichtig. Es geht zum Beispiel um die Fähig-
    keit, die Einhaltung dieser Verträge zu beobachten und
    zu kontrollieren. Da stellen wir eben fest, daß die OSZE
    offensichtlich nicht die Möglichkeit hat, in kürzester
    Frist eine bescheidenere Aufgabe wahrzunehmen, näm-
    lich 2 000 Beobachter in Gang zu setzen. Hier wird also
    deutlich, daß wir die Fähigkeit der Organisation für Si-
    cherheit und Zusammenarbeit in Europa, solche Aufga-
    ben tatsächlich wahrzunehmen, bis hin zu den Instru-
    menten ausbauen müssen. Nur die Kombination dieser
    beiden Elemente führt schließlich zum Erfolg.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Hinsichtlich der Entwicklungszusammenarbeit, liebe

    Kolleginnen und Kollegen, kann ich mich kurz fassen,
    weil Frau Bundesministerin Wieczorek-Zeul schon eini-
    ges dazu gesagt hat. Bei der Entwicklungszusammenar-
    beit handelt es sich, sehen wir einmal von der Soforthil-
    fe ab, die in diesen Tagen wieder erforderlich wird,
    letztlich auch um die wirksamste globale präventive
    Friedenspolitik.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die Koalitionsvereinbarung bekennt sich – das betone
    ich noch einmal ausdrücklich auch in Richtung von
    Herrn Gehrcke, der hier Zweifel geäußert hat – zu dem
    Ziel, den Aufwand für die Entwicklungszusammenarbeit
    auf 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts anzuheben,
    und verspricht, die Verpflichtungsermächtigung konti-
    nuierlich zu erhöhen. Wir werden als Bundestag darauf
    achten, daß das auch so durchgesetzt wird.

    Entscheidend ist, daß die Entwicklungszusammenar-
    beit nicht eine Art Wettbewerbsinstrument für bessere
    Außenwirtschaftsdaten der Bundesrepublik ist, sondern
    wirklich in den Kontext der Bildung einer gerechten
    Weltwirtschaftsordnung gesetzt wird. Die Lehre der
    Globalisierung heute heißt, daß es keine Inseln von Pro-
    sperität und Sicherheit mehr geben kann, sondern daß
    wir bei globalisierten Märkten davon abhängig sind, ob
    Gerechtigkeit überall herrscht oder nicht. Anderenfalls
    fällt die Ungerechtigkeit auf uns zurück: Wenn ganze
    Weltregionen marginalisiert werden, dann ist auch bei
    uns Marginalisierung nicht mehr aufzuhalten. Es stellt
    eine sehr große Herausforderung dar, diesen Zusam-
    menhang zu begreifen und in konkrete Politik umzuset-
    zen.

    Das sind nur drei Beispiele von gestalteter Kontinui-
    tät in der Außenpolitik.

    Auf dieser Seite des Hauses sitzen viele erfahrene
    Leute. Vorhin saß hier noch Herr Kinkel. Jetzt sitzt hier
    noch Herr Rühe. Ich sehe auch noch andere kompetente
    Leute, zum Beispiel den Kollegen Dr. Pflüger, mit dem
    wir und ich persönlich sehr gut in Abrüstungsfragen zu-
    sammengearbeitet haben. Ich greife die Bemerkungen
    über den Sinn eines Grundkonsenses in der Außen- und
    Sicherheitspolitik auf: Wir bieten Ihnen an, diese
    schwierigen Aufgaben gemeinsam anzunehmen, und
    wollen dabei auch sehr gerne von Ihren Erfahrungen und

    Gernot Erler






    (A) (C)



    (B) (D)


    Kenntnissen profitieren und in diesem Sinne zusammen-
    arbeiten.

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Als
letzter Redner hat der Kollege Rudolf Bindig von der
SPD das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rudolf Bindig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Verehrte
    Kolleginnen und Kollegen! In der Koalitionsvereinba-
    rung heißt es zum Thema Menschenrechtspolitik:

    Achtung und Verwirklichung der in der Allgemei-
    nen Erklärung der Menschenrechte proklamierten
    und in den Menschenrechtsverträgen festgeschrie-
    benen Menschenrechte sind Leitlinien für die ge-
    samte internationale Politik der Bundesregierung.

    Ich freue mich, daß aus den Reden mehrerer Regie-
    rungsmitglieder heute bereits hervorgegangen ist, daß
    sie ihre Politik wirklich unter diese Leitlinie stellen
    wollen. Das gilt für den Außenminister, für den Vertei-
    digungsminister und auch für die Entwicklungsministe-
    rin.

    Menschenrechtsarbeit erfordert sicherlich zunächst
    einmal Betroffenheit. Man muß sich darüber empören
    können, daß es Verfolgung und Unterdrückung gibt,
    aber auch darüber, daß es Armut und Not auf der Welt
    gibt. Der Satz, der heute hier schon mehrfach zitiert
    worden ist, gilt in besonderem Maße für die Menschen-
    rechte: Was du nicht willst, daß man dir tu‘, das füg‘
    auch keinem andern zu. Bei den Menschenrechten
    müßte es vielleicht besser heißen: Laß‘ nicht zu, daß an-
    dere gequält und unterdrückt werden, daß andere in Not
    und Elend leben müssen, denn so willst auch du nicht
    behandelt werden.

    Aber Menschenrechtsarbeit darf nicht bei der Betrof-
    fenheit und der Kritik stehenbleiben. Menschenrechtsar-
    beit muß sich insbesondere darauf ausrichten, zu überle-
    gen, wo wir denn, wenn die Situation so schlecht ist, wie
    sie ist, Ansatzpunkte finden können, um etwas zu verän-
    dern und zu verbessern. Da müssen immer wieder neue
    Initiativen ergriffen werden.

    Zwei wichtige Neuerungen hat es im Zusammenhang
    mit der Bildung dieser Koalition gegeben, für die wir
    lange Jahre gearbeitet haben. Es wurde beschlossen, im
    Deutschen Bundestag einen ordentlichen Ausschuß für
    Menschenrechte und humanitäre Hilfe einzusetzen.
    Damit wird deutlich, daß wir dem Menschenrechtsbe-
    reich wachsende Bedeutung zumessen. Bis 1987 sind
    diese Fragen zusammen mit der Außenpolitik, mit der
    Innen- und bei Rechtspolitik diskutiert worden. Von
    1987 bis 1998 hat es einen Unterausschuß für Men-
    schenrechte und humanitäre Hilfe des Auswärtigen Aus-
    schusses gegeben. Jetzt richten wir diesen ordentlichen
    Ausschuß ein.

    Wir haben damit diesen Bereich im Deutschen Bun-
    destag als einen eigenständigen Politikbereich etabliert;
    dennoch müssen hier Querschnittsaufgaben wahrge-
    nommen werden. Das ist wichtig. Das genaue Aufga-
    benfeld für diesen Ausschuß wird sich aus der prakti-
    schen Arbeit ergeben. Ich kann mir gut vorstellen, daß er
    sich mit Fragen der Weiterentwicklung der internatio-
    nalen und nationalen Instrumente des Menschenrechts-
    schutzes und der deutschen Menschenrechtspolitik im
    multilateralen und bilateralen Rahmen, mit den men-
    schenrechtsrelevanten Aspekten der Außen- und Sicher-
    heitspolitik, der Wirtschafts- und Außenwirtschaftspoli-
    tik sowie der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, aber
    auch mit den menschenrechtsrelevanten Aspekten der
    Asyl- und Flüchtlingspolitik und schließlich mit Fragen
    der humanitären Hilfe beschäftigt.

    Eine zweite Maßnahme wurde beschlossen: Die Bun-
    desregierung soll die Einrichtung eines politisch unab-
    hängigen und organisatorisch eigenständigen Men-
    schenrechtsinstituts in Deutschland unterstützen. Die
    alte Mehrheit konnte sich dazu noch nicht durchringen.
    Sie wollte einen Koordinierungsrat gründen. Wir haben
    dagegen gesagt, daß schon im Vorfeld, um eine bessere
    Zuarbeit zu erhalten, ein Instrument geschaffen werden
    muß, welches mit den Nichtregierungsorganisationen
    zusammenarbeiten und Politikberatung vornehmen
    kann. Dieses wird jetzt geschaffen werden.


    (Beifall bei der SPD)

    Eine operativ angelegte Menschenrechtspolitik ist un-

    serer Auffassung nach Ausdruck der Bereitschaft zur
    globalen zivilen Verantwortung. Wir müssen die Men-
    schenrechtsfrage mit der Globalisierungsdebatte verbin-
    den. Menschenrechte sind das globale Ethos, nach dem
    immer gefragt wird. Was in der Allgemeinen Erklärung
    der Menschenrechte und in den internationalen Men-
    schenrechtspakten festgelegt ist, kann der Maßstab für
    eine wertorientierte Zielsetzung der gesamten interna-
    tionalen Friedenspolitik werden.

    Wichtig ist neben der Entwicklung der politischen In-
    strumente aber auch die Förderung der Verrechtlichung
    der Menschenrechte. Im System des Europarates ist hier
    ein wichtiger Fortschritt erreicht worden. Ab November
    arbeitet der Europäische Gerichtshof für Menschen-
    rechte als ständiger Gerichtshof mit hauptamtlichen
    Richtern. Die bisherige Mischung eines politisch admi-
    nistrativen Verfahrens mit einem rechtlichen Verfahren
    weicht einem hauptsächlich rechtlichen Verfahren. Dies
    ist ein Durchbruch im Völkerrecht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Es ist wirklich ein historisches Ereignis gewesen, daß
    sich 40 Länder direkt und unmittelbar der Rechtspre-
    chung eines übernationalen Gerichtes unterwerfen.

    Bis es beim Internationalen Strafgerichtshof soweit
    ist, wird es noch einige Zeit dauern. Hier geht es jetzt
    darum, die Ratifizierung voranzubringen. Wir werden
    uns darum intensiv bemühen müssen. Wir wollen auch
    UN-Institutionen weiter stärken: den UN-Hochkommis-
    sar für Menschenrechte und das Menschenrechtszentrum

    Gernot Erler






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    in Genf. Hier geht es vor allen Dingen darum, Feld-
    operationen wie die Einrichtung von Menschenrechts-
    büros zu unterstützen. Im Rahmen des Europarates geht
    es darum, das Mandat des Kommissars für Menschen-
    rechte zu definieren und festzuschreiben und diese
    Institution dann auch mit den ausreichenden Mitteln zu
    versehen. Es hat keinen Zweck, Einrichtungen im in-
    ternationalen Bereich zu schaffen, die dann dahinküm-
    mern müssen, weil sie nicht in der Lage sind, ent-
    sprechend zu arbeiten. Natürlich ist es wichtig, zuerst
    das Instrument zu schaffen; wenn es dann aber da ist,
    bedarf es der Unterstützung. Wir hoffen, daß es gelingt,
    auch von Deutschland aus diese Unterstützung voran-
    zubringen.

    Wir hoffen, in den UN aus Anlaß des 50. Jahrestages
    der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte eine
    Resolution zum Schutz der Menschenrechtsverteidi-
    ger und der Menschenrechtsaktivisten zuwege zu
    bringen. Es ist leicht, sich in einer Demokratie, in der
    man sicher lebt, für die Menschenrechte einzusetzen,
    aber ich respektiere immer ganz besonders diejenigen,
    die unter Einsatz ihres eigenen Lebens bereit sind, für
    Menschenrechte und Demokratie zu kämpfen. Sie zu
    unterstützen und einen Schutzschirm aufzubauen ist ein
    wichtiges Ziel.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Im operativen Bereich können wir sicherlich noch ei-
    niges tun, um dafür zu sorgen, daß wir dann, wenn die
    internationalen Organisationen – sei es die OSZE, der
    Europarat oder die UN – Experten brauchen, die in die
    Länder gehen, um Wahlbeobachtungen zu machen oder
    Verifizierungsaufgaben wahrzunehmen, auch Fachleute
    zur Verfügung stellen können. In Kanada gibt es eine
    bemerkenswerte Einrichtung, die Personal zur Verfü-
    gung stellt: Canadem. Das ist ein Kunstwort aus „Cana-
    da“ und „democracy“. Vielleicht können wir etwas
    Ähnliches bei uns schaffen.

    Auch nach innen gerichtet wollen wir uns um die
    Menschenrechte kümmern. Da gibt es noch einige
    Grenzbereiche im Asyl- und Flüchtlingsbereich. Ich
    möchte das Flughafenverfahren nennen. Ebenso sollten
    wir uns die Bereiche noch einmal genau ansehen, in de-
    nen Menschen, insbesondere Ausländer, in Gewahrsam
    sind.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wir sollten auch überlegen und prüfen, ob es nicht
    Möglichkeiten gibt, im Zivildienst für Menschenrechte
    tätig zu werden. Eine weitere Aufgabe ist die Förderung
    der Menschenrechtserziehung in Deutschland.

    Es gibt also eine Menge zu tun. Einiges haben wir be-
    reits eingeleitet, anderes haben wir uns vorgenommen.
    Es ist ein anstrengendes und anspruchsvolles Programm.
    Wir werden uns gemeinsam bemühen, es umzusetzen.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)