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ID1400303800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/3 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 3. Sitzung Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 I n h a l t : Gedenkworte für die Opfer der Naturka- tastrophe in den vier mittelamerikanischen Staaten El Salvador, Honduras, Guatemala und Nicaragua ................................................ 47 A Begrüßung des Beauftragten der OSZE für Medienfreiheit, Herrn Freimut Duve.............. 67 C Begrüßung des neuen Direktors beim Deut- schen Bundestag, Dr. Peter Eickenboom ..... 67 C Verabschiedung des Direktors beim Deut- schen Bundestag, Dr. Rudolf Kabel ............. 67 C Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Bundeskanz- lers mit anschließender Aussprache........... 47 C in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 2: Antrag der Bundesregierung Deutsche Beteiligung an der NATO- Luftüberwachungsoperation über den Kosovo (Drucksache 14/16)....................... 47 C Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 47 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ................. 67 D Dr. Peter Struck SPD ....................................... 80 A Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN............................................. 85 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 91 A Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 96 D Michael Glos CDU/CSU ................................. 102 B Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD ............ 102 D Hans-Peter Repnik CDU/CSU..................... 103 A Joseph Fischer, Bundesminister AA................ 107 C Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 112 B Dr. Helmut Haussmann F.D.P. ........................ 115 B Volker Rühe CDU/CSU .................................. 116 C Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ....................................................... 119 A Wolfgang Gehrcke PDS .................................. 121 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 122 D Jürgen Koppelin F.D.P.. .............................. 123 B Gernot Erler SPD............................................. 124 D Rudolf Bindig SPD.......................................... 127 A Nächste Sitzung ............................................... 128 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten .......... 129 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 47 (A) (C) (B) (D) 3. Sitzung Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 Beginn: 9.00 Uhr
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    Rudolf Bindig Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 129 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Carstensen (Nordstrand), Peter Harry CDU/CSU 10.11.98 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 10.11.98 Hartnagel, Anke SPD 10.11.98 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 10.11.98 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 10.11.98 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 10.11.98 Reichard (Dresden), Christa CDU/CSU 10.11.98 Schulte (Hameln), Brigitte SPD 10.11.98 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.11.98 Vaatz, Arnold CDU/CSU 10.11.98 Verheugen, Günter SPD 10.11.98 130 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. November 1998 (A) (C) (B) (D)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Helmut Haussmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident!
    Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zwischenbilanz
    der bisherigen Diskussion ist klar: Deutschland hat die
    Abwahl eines international anerkannten Staatsmannes
    und eines hervorragenden Bundeskanzlers, eines exzel-
    lenten Außenministers und eines anerkannten Finanz-
    ministers nicht verdient.

    Was haben wir heute erlebt? Einen Bundeskanzler,
    für den Außen- und Europapolitik eben keine Herzens-
    angelegenheit ist. Ich will nur einmal zwei Belege nen-
    nen, wie Herr Schröder denkt: Vor seiner Wahl war er
    gegen den Euro und vertrat in bezug auf die Osterweite-
    rung die Auffassung, daß sie nicht mehr im nächsten
    Jahrzehnt stattfinden werde. Das sind Tatsachen.


    (Jörg van Essen [F.D.P.]: Genau das ist es!)

    Wir haben einen Außenminister, der sich nicht nur äu-
    ßerlich, sondern auch innerlich schnell umgestellt hat,
    hochflexibel ohne politische Tradition in der grünen
    Partei, ohne Basis in Krisenzeiten. Wir haben einen Fi-
    nanzminister, der eigentlich der heimliche Vizekanzler
    und Außenminister ist und beginnt, den Euro schwach
    zu machen. Und wir haben einen Verteidigungsminister
    wider Willen, weil er das gar nicht werden wollte; aber
    die Rede von Herrn Struck weckte nicht nur bei uns,
    sondern auch in der Opposition die Sehnsucht nach ei-
    nem Fraktionsvorsitzenden Scharping.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Herr Außenminister Fischer, Sie sollten sich – Sie

    werden noch darauf zurückkommen müssen – am An-
    fang einer solchen Debatte nicht nur förmlich bei Herrn
    Kohl oder bei Herrn Kinkel bedanken, sondern Sie soll-
    ten sich auch darüber im klaren sein, daß Sie nur deshalb
    einen guten Start hatten, über den ich mich im Interesse
    Deutschlands freue, weil Sie auf eine exzellente Außen-,
    Europa- und Sicherheitspolitik aufbauen konnten,


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    zu der Ihre eigenen Leute bisher überhaupt nichts bei-
    getragen haben.

    Sie haben es wohl vergessen: Sie waren gegen die
    Nachrüstung, gegen den Euro und gegen den Vertrag
    von Maastricht. Es gab Stimmenthaltungen zum Vertrag
    von Amsterdam und vor kurzem noch gegen friedenser-
    haltende Einsätze. Das ist die Ausgangsbasis, und inso-
    fern, Herrr Fischer, sollten Sie sich über eines im klaren
    sein: Ein guter Start bedeutet noch nicht belastbare Au-
    ßenpolitik. Deshalb sollten Sie sich mit der Opposition
    sehr gut stellen, Sie werden uns noch brauchen. Das sa-
    ge ich Ihnen voraus.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Aus unserer Sicht gibt es drei große konzeptionelle

    Fragen, an denen wir Sie und Herrn Schröder messen
    wollen. Die erste betrifft die globale Verantwortung.
    Sie sind dem Thema, das Herr Kinkel für uns exzellent
    vorbereitet hat – Beteiligung an friedensschaffenden
    Maßnahmen und Sitz im UN-Sicherheitsrat –, ausgewi-
    chen. Sie haben hier nichts dazu gesagt. Vor Journali-
    sten haben Sie gesagt, das sei jetzt nicht so wichtig, der-
    zeit kein Thema, um dem Konflikt mit Ihrer Fraktion
    auszuweichen. Wenn jetzt nach einer so guten Vorarbeit
    vom deutschen Außenminister das Signal gegeben wird,
    das ist nicht vorrangig, nicht wichtig, verliert damit ein
    wichtiges Symbol der gestiegenen globalen Mitverant-
    wortung bei der Lösung von Krisen an Bedeutung.


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Bundesminister Rudolf Scharping






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Die zweite Frage – wir werden noch darüber diskutie-
    ren – betrifft das Verhältnis zu den Vereinigten Staa-
    ten von Amerika. Es ist interessant, daß Sie dieses
    Thema in Ihrer Rede am kürzesten abgehandelt haben.
    Das ist zuwenig. Das, was Herr Schröder heute morgen
    vorgetragen hat, ist natürlich ein latenter Protektionis-
    mus. Ich kann nur sagen: Die wichtigste Frage im Ver-
    hältnis zu den Vereinigten Staaten wird sein: Wie wird
    Deutschland als führendes Land in Europa so wettbe-
    werbsfähig, daß es den Wettbewerb mit den Vereinigten
    Staaten von Amerika durchhält?

    Herr Außenminister Fischer, alle Konflikte in der
    Vergangenheit waren nicht so sehr außenpolitische Kon-
    flikte, sondern es waren Konflikte, die in der Handels-
    politik begannen. Ich will Ihnen zwei Beispiele nennen.
    Erstens. Sie haben in die Koalitionsvereinbarung locker
    hineingeschrieben, die WTO müsse dringend mit Um-
    welt- und Sozialstandards angereichert werden. Sie ste-
    hen damit einsam in der Landschaft.


    (Zurufe bei der SPD: Nein!)

    Das gehört nicht in die WTO. Das gehört in die ILO,
    meine Damen und Herren. Sie werden isoliert sein.


    (Widerspruch bei der SPD)

    – Ich sage Ihnen die Diskussion mit den Vereinigten
    Staaten von Amerika voraus. Sie werden sich isolieren.

    Zweitens. Mit diesem Reformrückschritt – keine
    echte Steuerreform, keine Arbeitsmarktreform, Schwä-
    chung des Euro – werden Sie Deutschland und damit
    Gesamteuropa im Wettbewerb schwächen.


    (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.])


    Sie werden erleben, daß am Ende Ihrer Politik – im
    Verein mit Herrn Jospin – ein latenter Protektionismus,
    ein Festungsdenken in Europa herrschen wird. Das wird
    zu einem der ganz großen Konflikte, wenn Sie nicht
    zumindest die Politik von Herrn Blair verfolgen, wozu
    Sie nicht bereit sind. Herr Blair hat vor kurzem auf einer
    Konferenz der Sozialisten gesagt: Meine sehr verehrten
    Parteigenossen, Amerikanismus und Globalisierung dür-
    fen keine Fremdworte bei uns werden.

    Wie wird darüber bei uns diskutiert? Wie wird über
    die Unabhängigkeit der Zentralbank diskutiert? Wie
    wird über die Zielzonen debattiert? Reden Sie einmal
    mit einem Amerikaner über Wechselkurszielzonen. Sie
    laufen völlig ins Leere und begeben sich in die Gefahr,
    daß Sie das entscheidend wichtige Verhältnis zu den
    Vereinigten Staaten von Amerika von der falschen Seite
    her – durch Protektionismus, falsche Währungszusam-
    menarbeit und ein fehlendes klares Bekenntnis zur Un-
    abhängigkeit von Notenbanken – schwächen.


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Die dritte Frage betrifft die Europapolitik, Herr Fi-

    scher. Sie ist nicht nur Baustein einer Vision, sondern in
    der Europapolitik braucht man Visionen, man muß
    Emotionen haben. Ich sehe weder bei Herrn Schröder
    noch bei Ihnen jemanden, der in der Lage wäre, hier
    nicht nur gute Reden zu halten, sondern die eigene Par-

    tei, die Bevölkerung in große Projekte mitzunehmen.
    Meine Damen und Herren, wer hat denn die Debatte
    über die Währungsunion geführt? Wo war denn Rot-
    grün?


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Jetzt lehnt man sich zurück und profitiert von unserer

    Arbeit. Aber in der Europapolitik bedarf es der Visionen
    und eines langen Atems sowie der Unterstützung durch
    die eigene Partei, die eigene Fraktion. Meine Damen
    und Herren, die haben Sie nicht. Insofern ist es zwar
    schön, wenn Sie gute Reden halten, wenn Sie gut ange-
    zogen sind, wenn Sie im Ausland gut ankommen. Nur,
    die Bewährungsprobe – mehr Emotion, mehr Vision,
    mehr Überzeugung in der Bevölkerung – müssen Sie
    erst noch bestehen.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Etwas mehr Emotion bitte, Herr Fischer!)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das
Wort hat der Kollege Volker Rühe.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Volker Rühe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Liebe
    Kolleginnen und Kollegen! Beide Minister dieser Bun-
    desregierung, der Außenminister und der Verteidi-
    gungsminister – auch ich muß mich erst daran gewöh-
    nen –,


    (Heiterkeit)

    haben von Kontinuität und Berechenbarkeit gespro-
    chen. Das ist gut so, und das ist ja auch ein Kompliment
    für die Politik, die vorher gemacht worden ist. Aber,
    Herr Fischer und Herr Scharping, die Politik, in deren
    Kontinuität Sie sich stellen, mußte irgendwann im
    Kampf durchgesetzt werden – hier und auch internatio-
    nal. Das ist doch der entscheidende Punkt. Deswegen:
    Die eigentliche Bewährung wird erst dann kommen,
    wenn neue Fragestellungen auf Sie zukommen, ob auch
    Sie dann etwas im Kampf durchsetzen können, was den
    deutschen Interessen dient und was eine vernünftige in-
    ternationale Politik ist. Das ist die eigentliche Bewäh-
    rungsprobe.

    Nehmen Sie das Beispiel – Herr Fischer, Sie haben
    gesagt, das sei ganz wichtig –, daß Europa jetzt zusam-
    menwächst. Aber die Öffnung Westeuropas von der Si-
    cherheit her auch für die Polen, die Tschechen, die Un-
    garn, die Öffnung der NATO, das ist im Kampf durch-
    gesetzt worden, hier in Deutschland gegen Sie und auch
    international. Wo sind die Politiker in der neuen Regie-
    rung, die in der Lage sind, wichtige Weichenstellungen
    auch in der Zukunft durchzusetzen und sich nicht nur in
    eine Kontinuität hineinzustellen?


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Oder nehmen Sie das Beispiel Jugoslawien: Herr

    Scharping, ich will nicht die Kontroverse mit Ihnen.
    Aber es ist schon ein starkes Stück, wenn Sie sagen,
    man müsse die Krisen früher erkennen. Wer hat denn
    darauf gedrängt, dort hinzugehen und zu intervenieren,

    Dr. Helmut Haussmann






    (A) (C)



    (B) (D)


    Massaker und Krieg zu stoppen? Ich glaube, dieses
    Drängen ist nicht von der früheren Opposition gekom-
    men, sondern von der Regierung. Das haben wir durch-
    gesetzt. Sonst wären wir auch noch nicht so weit, wie
    wir heute sind.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Herr Fischer, Sie werden eine Bewährungsprobe be-

    kommen. Das ist der Irak. Da können Sie nicht sagen,
    das sei allein Sache der Amerikaner. Es geht auch uns
    an, ob es dort zur Produktion von Massenvernichtungs-
    waffen kommt. Dann ist auch die Frage an die deutsche
    Solidarität gestellt. Man kann nicht in Feiertagslaune –
    wie der Kanzler Schröder – hier über deutsch-
    amerikanische Freundschaft sprechen, aber in einer kon-
    kreten Situation sich verweigern und abtauchen. Damit
    werden Sie nicht durchkommen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Aber ich habe bei aller Kontinuität den Eindruck, daß

    man schon versucht, ein bißchen umzuinterpretieren.
    Herr Fischer, wenn Sie sagen, im Kosovo gehe es nur
    um den Einsatz von Zivilisten, die OSZE spiele dort die
    Hauptrolle, so – das muß ich Ihnen sagen – unterschla-
    gen Sie, daß die politischen Verhandlungen der Ameri-
    kaner nur deswegen Erfolg hatten, daß es den Einsatz
    der Zivilisten dort nur deswegen gibt, weil wir bereit
    waren, notfalls auch militärisch zu handeln – nur deswe-
    gen! Das darf nicht unterschlagen werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Herr Minister Scharping, an einem Punkt sollten Sie

    noch einmal nachdenken. Sie haben gesagt, wenn deut-
    sche Soldaten nach Mazedonien geschickt würden – ich
    meine jetzt nicht die Luftüberwachungsoperation; dafür
    haben Sie unsere Zustimmung, das ist klar; wir bleiben
    in der Kontinuität unserer Politik, Sie brauchen Ihre ei-
    genen Mehrheiten –, um notfalls im Kosovo einzugrei-
    fen, um diese Beobachter zu retten, dann sei das kein
    militärischer Einsatz. Ich muß Ihnen sagen: Es ist hoch-
    gefährlich, wenn man versucht, die kleinste gemeinsame
    Sprachregelung innerhalb der Koalition zu finden, um
    im Deutschen Bundestag eine Mehrheit für einen Ein-
    satz zu erzielen, der natürlich ein militärischer Einsatz
    ist. Was bedeutet dieser Einsatz? Sie schicken deutsche
    Soldaten nach Mazedonien. Im Ernstfall müssen sie ge-
    gen den Willen der Regierung der Bundesrepublik Jugo-
    slawien im Kosovo militärisch eingreifen, um Zivilisten
    aus dieser Region zu holen. Auch den Soldaten schulden
    wir es, daß die Gefahren einer solchen Mission nicht
    heruntergespielt werden, nur damit man in der Koalition
    verbal eine Einigung erzielt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn das gesagt?)


    Wenn es sich nicht um eine militärische Aktion handeln
    würde – das gilt für die Luftüberwachung und natürlich
    auch für die Mission einer Extraction Force –, müßte
    sich der Deutsche Bundestag nicht mit dieser Angele-
    genheit beschäftigen.

    Ich habe in der Koalitionsvereinbarung viel über die
    Zivilisierung der internationalen Beziehungen und ihre
    Verrechtlichung gelesen. Das sind alles schöne Worte.
    Es ist richtig: Das Militärische ist die Ultima ratio. Aber:
    Wenn politisches Verhandeln scheitert – es kann schei-
    tern – und wenn nicht die Bereitschaft besteht, notfalls
    auch mit militärischen Mitteln denen in den Arm zu fal-
    len, die nicht friedenswillig sind, dann würden Sie sich
    auf einen falschen Kurs begeben und sich von der Soli-
    darität der westlichen Gemeinschaft verabschieden.

    Herr Minister Fischer, Sie haben die Menschenrechte
    in den Mittelpunkt gestellt. Das ist richtig. Wir haben
    übrigens schon in der Zeit des kalten Krieges immer ge-
    sagt: Der Friede ist nichts Absolutes, sondern es gibt ihn
    nur in Verbindung mit Freiheit, Gerechtigkeit und Be-
    achtung der Menschenrechte. Sie haben gesagt: Es ist
    gut, daß die Kriegsverbrecher in Bosnien nach Den
    Haag kommen. Einer der übelsten Kriegsverbrecher ist
    nur durch das „Kommando Spezialkräfte“ der deutschen
    Bundeswehr nach Den Haag gekommen. Dagegen haben
    die Grünen massiv protestiert. Meine konkrete Frage ist:
    Sind Sie damit einverstanden, wenn auch in Zukunft
    Spezialkräfte der Bundeswehr dafür sorgen, daß Kriegs-
    verbrecher vor internationale Gerichte gebracht werden?


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie haben ferner gesagt, es erfülle Sie mit Genug-

    tuung, wenn ein Diktator wie Pinochet zur Rechenschaft
    gezogen wird.


    (Bundesminister Joschka Fischer: Vielleicht!)

    – „Vielleicht“, aber ich hoffe es trotzdem. – Ihre Hal-
    tung kann ich nachvollziehen. Ich – und vor mir Heiner
    Geißler und Norbert Blüm – war in Chile in den Ge-
    fängnissen, als unsere Freunde, die christlichen Demo-
    kraten, dort verfolgt, eingesperrt und gefoltert wurden.
    Deswegen kann ich Ihre Haltung nachvollziehen. Aber
    haben Sie bitte keine selektive Haltung. Es gibt immer
    noch politische Gefangene in Kuba und in anderen Ge-
    genden der Welt. Was machen Sie mit Fidel Castro?
    Lassen Sie uns also sehr sorgfältig darüber diskutieren,
    was es bedeutet, Menschenrechte durchzusetzen und zu
    verdeutlichen: Wer immer dagegen verstößt, muß damit
    rechnen, daß er auf internationalem Wege zur Verant-
    wortung gezogen wird. Es geht aber nicht an, daß es ei-
    nen selektiven Einsatz für die Beachtung der Menschen-
    rechte gibt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Abg. Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie gerade sagen!)


    Herr Minister Scharping, Sie haben als Verteidi-
    gungsminister das Richtige in bezug auf Ihre Amtszeit
    gesagt. Sie haben sich für die Wehrpflicht eingesetzt. In
    diesem Punkt haben Sie die volle Unterstützung unserer
    Fraktion.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie haben noch einen weiteren sehr richtigen Satz ge-

    sagt: Diejenigen, die Sicherheit produzieren, nämlich
    unsere Soldaten, haben selbst die Sicherheit ihres Ar-
    beitsplatzes verdient. Deswegen haben Sie sich klar ge-

    Volker Rühe






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    gen alle Vorstellungen der Grünen gewandt, im Rahmen
    der Koalition in die Strukturen der Bundeswehr einzu-
    greifen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie müssen wissen, daß Sie in diesen entscheidenden

    Punkten unsere Unterstützung haben, daß wir Sie aber
    auch an diesen Punkten messen werden. Es ist deswegen
    ganz wichtig, daß die Wehrstrukturkommission – Sie
    haben ja auch eine Rentenkommission; überall, wo Sie
    mit den Grünen uneins sind, werden Kommissionen ein-
    gesetzt – nicht sozusagen jahrelang ein Fragezeichen für
    die Bundeswehr bedeutet. Unsere Soldaten haben es
    nicht verdient, daß sie bezüglich ihrer Zukunft im unge-
    wissen gehalten werden,


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    zumal wir gleichzeitig von ihnen schwierige Einsätze
    verlangen müssen. Sie sollen wissen, daß eine Chance
    für einen Konsens in diesem Hause besteht. Was Wehr-
    pflicht und Umfang der Bundeswehr angeht, habe ich es
    einmal so gesagt: Sicherheit für die Produzenten der Si-
    cherheit, Sicherheit für unsere Soldaten. Wenn Sie sie zu
    internationalen Einsätzen schicken, dann können Sie
    nicht zu Hause die Kasernen anstecken, so wie die Grü-
    nen das immer wieder versucht haben.


    (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na! – Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Nicht anstecken!)


    – Entschuldigung, „Kasernen anstecken“ heißt natürlich,
    die Stationierungsorte der Bundeswehr in Frage zu stel-
    len. Das ist doch genau das, was Sie, Frau Kollegin
    Beer, tun. Sie wollen doch den Umfang der Bundeswehr
    halbieren. Das ist in einer solchen Situation unverant-
    wortlich.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer ist denn hier der Brandstifter?)


    Gestatten Sie mir noch eine kurze Bemerkung zur Eu-
    ropapolitik. Es gab ja nach den Besuchen des Kanzlers
    und des Außenministers in Polen die Diskussion, ob wir
    für die EU-Osterweiterung eine zeitliche Perspektive
    brauchen. Ich glaube, daß man noch einmal einen Mo-
    ment darüber nachdenken sollte, was die richtige Politik
    ist. Herr Schröder, der Bundeskanzler, hat gesagt, er ha-
    be nicht soviel Phantasie, ein Datum zu nennen.

    Ich muß Ihnen sagen: Wenn Sie ein Datum setzen –
    2002 wäre realistisch –, ist es viel einfacher, die schwie-
    rigen Entscheidungen im jeweiligen Lande durchzuset-
    zen. Ich weiß, daß die EU-Erweiterung nicht vergleich-
    bar ist mit der NATO-Erweiterung. Die EU-Erweiterung
    ist viel schwieriger umzusetzen. Mitglied der NATO
    können Sie auch mit alten Flugzeugen und alten Panzern
    werden. Mitglied der Europäischen Union aber können
    Sie mit einer veralteten Landwirtschaft und einer veral-
    teten Wirtschaft nicht werden. In dem Moment, in dem
    ein Zieldatum im Hinblick auf den Beitritt zur NATO
    genannt wurde, hat es unglaubliche Anstrengungen der
    Ungarn, der Polen und der Tschechen gegeben, weil sie

    gewußt haben: Die Anstrengungen lohnen sich; es gibt
    ein konkretes Zieldatum.

    Deswegen würde ich der Bundesregierung raten, zu
    versuchen, gemeinsam mit Polen und den anderen Staa-
    ten ein Zieldatum zu entwickeln und zu sagen: Wir je-
    denfalls werden, was die Reformen innerhalb der Euro-
    päischen Union angeht, alles tun, daß ihr 2002 Mitglie-
    der werden könnt. Wenn ihr dann noch auf eurer Seite
    die notwendigen Reformen durchsetzt, dann ist der Bei-
    tritt zu einem solchen Datum machbar.

    Es muß möglich sein, hier eine gemeinsame Strategie
    zu entwickeln, damit Deutschland auch weiterhin Motor
    im Hinblick auf das Zusammenwachsen in Europa ist.

    Die letzte Bemerkung möchte ich auf die baltischen
    Staaten beziehen. Ich glaube, jeder spürt, daß sie mehr
    als manch andere zur Familie der europäischen Staaten
    gehören – sie haben in diesem Jahrhundert ein besonders
    schlimmes Schicksal gehabt –, daß aber der Weg in die
    Sicherheitsgemeinschaft der NATO sicherlich noch ein
    langer Weg ist. Um so offener sollten wir dafür sein –
    das war auch bei Klaus Kinkel, dem früheren
    Außenminister, der Fall –, sie so schnell wie möglich in
    die Europäische Union aufzunehmen.


    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Als Gruppe und nicht getrennt!)


    – Natürlich, alle drei als Gruppe. Denn sie alle haben
    nicht das Gewicht, daß sie auf Grund irgendwelcher sta-
    tistischer Abweichungen und auf Grund der Probleme,
    die es in diesen Staaten noch gibt, die Europäische Uni-
    on ruinieren könnten.

    Nachdem sich Estland qualifiziert hat und Lettland
    anerkanntermaßen Fortschritte gemacht hat – Außen-
    minister Kinkel hat immer deutlich gemacht, daß die
    Möglichkeit bestehen muß, auch zwischenzeitlich auf-
    genommen zu werden –, liegt es in der Verantwortung
    der Bundesregierung, Lettland und Litauen in den euro-
    päischen Integrationsprozeß mit aufzunehmen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Herr Kollege Fischer, wenn Sie das in Angriff nehmen
    würden, dann würden Sie wirklich einen weiteren Schritt
    für den Aufbau eines gemeinsamen Europas leisten und
    im übrigen selbst eine Politik durchsetzen, angesichts der
    Sie mit einem Konsens in Deutschland rechnen können.
    Zeigen Sie also einmal, daß Sie nicht nur wie ein Außen-
    minister gekleidet sind, sondern daß Sie sich auch in einer
    wichtigen Frage durchsetzen können.

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)