Rede von
Dr.
Heidi
Knake-Werner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Dramaturgie dieser Debatte ist ein bißchen eigenwillig. Deshalb, Herr Außenminister, werden Sie erlauben, daß sich unser Kollege Wolf nachher mit Ihnen beschäftigen wird.
Ich werde zur Innenpolitik zurückkommen, weil der Bundeskanzler - wie Sie - eben gesagt hat, daß es am 27. September einen Richtungsentscheid geben wird. Ich finde, da hat er ausnahmsweise einmal recht.
Am 27. September wird nämlich darüber entschieden, ob die von Bundeskanzler Kohl 16 Jahre lang verfolgte Richtung fortgesetzt wird oder die Chance für einen Richtungswechsel gewahrt bleibt. Bei der Bundestagswahl wird nämlich darüber entschieden, ob weiterhin Millionen von Menschen bis weit in das nächste Jahrhundert hinein ohne Arbeit sind, ob für Zehntausende von Jugendlichen der Einstieg ins Erwerbsleben einem Lotteriegewinn gleichkommt, ob bei Arbeitslosen, Kranken, Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und Flüchtlingen weiterhin gnadenlos der Rotstift angesetzt wird und immer mehr Menschen in diesem Land von Armut und Obdachlosigkeit bedroht sind.
Ich sage Ihnen: Am 27. September wird auch noch über etwas anderes entschieden, nämlich darüber, ob die Gewinne der großen Unternehmen und die Vermögen der Reichen weiter wachsen
- ich finde, Herr Präsident, Sie könnten mir jetzt bei der ersten Reihe der SPD etwas Gehör verschaffen - oder ob sich die soziale Spaltung in diesem Lande vertieft. In Wahrheit nämlich, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, sind Sie die Spalter dieser Gesellschaft und nicht wir.
Natürlich haben Sie mit Ihrer Politik auch Erfolge aufzuweisen; das ist unbestritten. Sie haben die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Unternehmen durch Deregulierung und Sozialabbau erfolgreich verbessert. Sie haben staatliche Unternehmen privatisiert, und Sie haben in der Tat der deutschen Exportwirtschaft in die Gewinnzone verholfen. Das Problem aber ist, daß diese Erfolge von dramatischen Folgeerscheinungen für die Mehrheit der Menschen begleitet werden.
Bei der Rentenreform, die der Bundeskanzler auf seiner Habenseite verbucht hat, hat er leider unterschlagen, daß die Rentenüberleitung allein den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern aufgehalst wurde, statt sie aus dem Steueraufkommen zu finanzieren. Das hat, wie Sie genau wissen, dramatische Folgen für die Leistungsfähigkeit des Sozialsystems. Es ist auch unredlich, die Renten von Männern und Frauen in Ostdeutschland einfach zu addieren und zu sagen, ihnen gehe es so gut. Nein, hier wird die Lebensleistung von zwei Menschen bewertet. Das könnten Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen.
Sie hätten auch sagen sollen, was die Erhöhung des Rentenalters der Frauen für diese bedeutet. Was Sie damit erreicht haben, ist zutiefst unsozial, frauen-
und jugendfeindlich.