Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist verständlich, daß innenpolitische Fragen in Wahlkampfzeiten gerade in einer Haushaltsdebatte so stark im Vordergrund stehen. Es ist auch verständlich, daß wir uns in der Nachkriegszeit und vor allem in der Zeit nach der Wiedervereinigung sehr stark unter anderem auch mit innenpolitischen Fragen und Problemen beschäftigt haben. Vielleicht haben wir uns manchmal, vor allem in der Zeit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, auch zu sehr auf innenpolitische Probleme fokussiert.
Das Schicksal Deutschlands entscheidet sich aber in der Außenpolitik. Unser Land steht vor großen außenpolitischen Herausforderungen. Man konnte in den letzten Monaten den Eindruck haben, als würden die außen- und sicherheitspolitischen Fragen vor allem im Wahlkampf nicht die Rolle spielen, die ihnen eigentlich zukommt. Wenn ich mir jetzt aber die Krisen der Welt - im Kosovo, in Rußland, in Asien, im Kongo, die Hungerkatastrophe im Sudan und den internationalen Terrorismus - anschaue, dann muß ich feststellen: Wir haben wahrhaftig keine Verschnaufpause.
Am 15. März 1998 hat Jürgen Trittin in der „Welt am Sonntag" erklärt: „Die Diskussion um die Außenpolitik interessiert vor allem die Leitartikler. " Schön wär's! So kann man wirklich schnell danebenliegen.
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
Nein, Deutschland kann sich keine außenpolitischen Traumtänzereien und Irrlichtereien leisten. Wir sind nämlich ein großer Tanker und kein kleines Beiboot. Deutschland ist bevölkerungsmäßig das zwölftgrößte Land der Welt. Deutschland ist die drittgrößte Wirtschaftsnation der Welt. Deutschland ist die zweitgrößte Exportnation der Welt. Deutschland ist nach der Wiedervereinigung das mit weitem Abstand größte Land in der Europäischen Union. Es hat rund 24 Millionen Einwohner mehr als die nächstgrößeren Länder: Großbritannien, Frankreich und Italien. Nach wie vor sind wir auch das wirtschaftsstärkste Land in der Europäischen Union.
Wir genießen großes Vertrauen in der Welt, in der Nachkriegszeit errungen, unter anderem vor allem durch liberale Außenminister, aber auch durch alle Bundeskanzler und alle Regierungen, die dazu beigetragen haben. Dieses Vertrauen ist unser wichtigstes Kapital, das wir überhaupt besitzen. Deshalb müssen sich vor allem die Grünen schon ein klein wenig anhören, wie die Welt auf das reagiert, was in der letzten Zeit nach außen und nach innen zu hören war.
Das gilt auch für Herrn Schröder als Kanzlerkandidaten der SPD. Was er zu manchen außenpolitischen Fragen gesagt hat,
hat nicht gerade dazu beigetragen, das Vertrauen zu erhöhen. Wer die NATO-Öffnung ablehnt und die Auflösung der NATO anstrebt, wer sich letztlich dem Vertrag von Amsterdam verweigert, wer die Bundeswehr verleumdet,
der muß sich sagen lassen, daß er das Vertrauen verspielt und daß er außen- und sicherheitspolitische Verantwortung für dieses Land nicht übernehmen darf.
Genauso wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, mache ich im Augenblick viel Wahlkampf. Ich habe das Gefühl, daß die Menschen vor grüner Verantwortung in der Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik zunehmend Angst haben. Und ich habe das Gefühl, daß auch im Ausland, bei meinen Partnern und Freunden, mit denen ich rede, etwas sorgenvoll auf den 27. September in Deutschland gesehen wird.
Wir haben unsere Verantwortung als Koalition bisher darin gesehen, Deutschlands Gewicht für Frieden, Sicherheit und Wohlstand in ganz Europa in die Waagschale zu werfen. Was Krieg, Gewalt und Zerstörung anrichten, haben wir in Bosnien erlebt, und das erleben wir im Augenblick wieder im Kosovo. Ich war vor drei Tagen wieder - das zwölfte Mal - in Sarajevo, um ein neues Werk von VW mit zu eröffnen.
- Ich bin öfter dort gewesen als Sie, Herr Verheugen, und habe auch mehr bewegt als Sie. Freundliche Grüße! -
Welch ein Unterschied zu der ersten Reise dorthin im Januar 1995! Wir sind damals in einer ukrainischen UNPROFOR-Maschine mit Panzerwesten und Stahlhelmen auf dem Kopf geflogen. Ich werde niemals die Eindrücke von der ersten Fahrt in die Stadt vergessen: Ruinen, Trümmer, frische Gräber. Gut zweieinhalb Jahre nach Dayton haben wir Grund zu vorsichtigem Optimismus. Die geschundene Stadt Sarajevo blüht - allerdings langsam - wieder auf und kommt wieder voran. Das Land ist militärisch stabil, und wir Deutschen haben Entscheidendes dazu beigetragen. Wir können stolz auf den Einsatz unserer Soldaten sein, denen ich ausdrücklich noch einmal danken möchte.
Sie haben die Schmähreden von Herrn Trittin wirklich nicht verdient.
Wir können stolz auf die deutschen Nichtregierungsorganisationen, auf die humanitären Organisationen und auf sehr viel Privatengagement sein. Wenn ich als Außenminister dieses Landes in Gebiete der Welt komme, wo es schwierig und kompliziert ist, wo Not und Elend herrschen, treffe ich auf deutsche Nichtregierungsorganisationen, die dort vorbildlich tätig sind - egal, ob das in Ruanda oder Burundi ist, egal, ob es auf dem Balkan, in Lateinamerika oder in vielen Krisengebieten Afrikas ist. Die Arbeit der deutschen Nichtregierungsorganisationen und der humanitären Einrichtungen und das private Engagement von Deutschen in den Elends- und Notgebieten der Welt sind vorbildlich. Herzlichen Dank!
Madeleine Albright war zeitgleich mit mir in Sarajevo. Unsere Aufenthaltszeit hat sich allerdings nur eine halbe Stunde überschnitten. So haben wir vereinbart, uns nicht zu treffen, um uns nicht gegenseitig die kurze Zeit, die uns beiden für den Besuch zur Verfügung stand, „wegzunehmen". Aber als ich hörte, was sie als amerikanische Außenministerin zur Frage der Rückführung von Flüchtlingen aus Deutschland gesagt hat, habe ich dem massivst widersprochen. Ich gebe dem Bundeskanzler recht: Wir haben von niemandem Belehrungen über die Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern anzunehmen.
Wir tragen auch jetzt, was die Aufnahme von Kosovo-Albanern als Asylbewerber in Deutschland anbelangt, die mit Abstand größte Last. Auch da gebührt den Deutschen Dank. Wir waren human bei der Aufnahme und werden human bei der Rückführung bleiben. Aber Deutschland kann sich nicht allein alle Not und alles Elend auflasten. Das müssen wir den Bürgern und auch unseren Partnern und
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
Freunden sagen, die jetzt womöglich mit dem Finger auf uns zeigen. Hätten sie uns mal Lasten abgenommen, anstatt uns anzuklagen, daß wir bei der Rückführung inhuman seien! Das sind wir nicht. Wir lassen uns da von niemandem etwas sagen.
Meine Damen und Herren, unser Land muß - es ist notwendig, dies zu sagen - ab 1. Januar 1999, also direkt nach der Bundestagswahl, außen-, sicherheits- und wirtschaftspolitisch eine Verantwortung schultern, wie es sie in der Nachkriegszeit in der Form nie zu schultern gab. Wir haben die Präsidentschaft in der Europäischen Union inne. Zentrale Fragen stehen an: der Euro, die Erweiterung. Wir brauchen ein neues europäisches Finanzsystem. Wir brauchen eine Agrarstrukturreform. Wir müssen die in Amsterdam nicht geregelten Fragen institutioneller Art lösen. Hiermit gekoppelt - das hat es auch noch nie gegeben - haben wir die Präsidentschaft in der Westeuropäischen Union und - das ist angesichts der derzeitigen Weltlage fast noch wichtiger - die Präsidentschaft unter den G-8-Staaten. Bei G 8 sind auch noch die Japaner und Rußland dabei. Im ersten Halbjahr 1999 haben wir einen ersten europäischen Lateinamerikagipfel. Wir haben die Mittelmeerkonferenz Barcelona III, einen EU-ASEM-Gipfel und einen EU-
ASEAN-Gipfel.
Ich wiederhole noch einmal: In der Nachkriegszeit hat es keine Situation mit vergleichbarer Verantwortung gegeben. Ich meine schon, daß nicht so ganz von der Hand zu weisen ist, worauf wir von seiten der Koalition mit Recht hinweisen: daß in dieser Zeit - wie bei einem großen Tanker - erfahrene Leute am Ruder stehen sollten und nicht politische Leichtmatrosen, wie es zumindest die Grünen in außen- und sicherheitspolitischen Fragen sind.
Deutsche Außenpolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist Friedenspolitik für ganz Europa. Dazu gehört natürlich auch, daß wir uns im Kosovo engagieren. Vertreibungen und Gewalt müssen dort endlich ein Ende haben. Es gibt keine andere Möglichkeit, als auf eine politische Lösung zuzusteuern, die eine umfassende Autonomie beinhalten muß. Wir werden kein unabhängiges Kosovo schaffen können. Das müssen wir allen Beteiligten sagen. Deswegen müssen beide Seiten - das ist im Augenblick äußerst schwierig - in einen Dialog eintreten, der im Ergebnis zu einer möglichst weitgehenden Autonomielösung führen muß. Diese muß dann allerdings militärisch abgesichert werden. Es wird so wie in Bosnien gehen müssen; anders wird es nicht möglich sein. Die NATO hat sich dazu ja auch bereit erklärt. Zunächst sind ein Waffenstillstand und ernsthafte Gespräche zwischen beiden Parteien notwendig. Wir müssen deshalb den Druck auf Belgrad noch weiter verstärken. Denn klar muß sein: Die Hauptverantwortung trägt Herr Milosevic.
Unabhängig davon bereiten uns jetzt auch die Kosovo-Albaner in Gestalt der UCK gewaltige Probleme, weil sie sich nicht am Dialogprozeß beteiligen. Aber sie sind über Jahre kujoniert, drangsaliert und unterjocht worden. Sie haben versucht, ihr Schicksal selber in die Hand zu nehmen. Jetzt können wir ihnen nicht vorwerfen, daß sie so agieren, wie sie agieren. Wir müssen sie vielmehr zur Vernunft zurückbringen. Das muß jetzt außenpolitisch erreicht werden. Und Herr Milosevic muß wissen: Die Staatengemeinschaft wird eine humanitäre Katastrophe nicht noch einmal hinnehmen. Er muß ferner wissen: Wir können und wir werden auch militärisch reagieren, wenn es zu keiner politischen Lösung kommt. Dazu sind wir fest entschlossen.
Ich will noch einmal etwas zu Herrn Trittin sagen, weil er hinsichtlich der Außenpolitik der Mann im Hintergrund ist. Wenn es um außenpolitisch wichtige Fragen im Deutschen Bundestag ging, saß der Kollege Fischer - sonst nicht gerade zurückhaltend - stets mit verquälter Miene in der ersten Reihe. Er hat aber zu diesen Themen nicht gesprochen, sondern hat jeweils andere sprechen lassen müssen. Diese Tatsache muß man den Deutschen noch einmal in Erinnerung rufen. Sonst ist Herr Fischer um kein freches Wort verlegen. Aber in diesen Debatten hat er geschwiegen. Als es um die NATO-Erweiterung ging, saß er mit verquältem Gesicht in der ersten Reihe - keine Stellungnahme. Als es um die Verträge von Amsterdam ging, saß er mit verquältem Gesicht in der ersten Reihe, später sich nach hinten verziehend - keine Stellungnahme. Als es um den SFOR-Einsatz - früher - ging, saß er ebenfalls mit verquältem Gesicht in der ersten Reihe - keine Stellungnahme.
Jetzt dreht ausgerechnet Herr Trittin sozusagen eine Last-minute-Kurve in der Avus und erklärt, daß die Grünen plötzlich für die Bundeswehr und sogar für einen verlängerten Einsatz in Bosnien sind. Dazu kann ich nur sagen: Hoffentlich merken die Deutschen, um was es am 27. September an den Wahlurnen geht.
Und wie man hört, sind die Grünen - das muß man der bundesrepublikanischen Bevölkerung ebenfalls sagen - auch gegen Maßnahmen zur Friedenserzwingung. Herr Trittin nennt diese Maßnahmen „militaristisches Abenteurertum" und „interventionistische Großmachtpolitik". Wer so redet, leidet unter Realitätsverlust.
Im übrigen möchte ich auf einen Punkt hinweisen, der in Deutschland vergessen zu sein scheint: Wir waren nicht in der Lage? uns selber vom Tyrannen zu befreien, nicht einmal diejenigen, die am 20. Juli 1944 einen ehrenhaften Versuch unternommen hatten. Es bedurfte gewaltsamer - genauer: militärischer - Aktionen, um uns sozusagen den Wiederaufbau, den Neubeginn in Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft zu ermöglichen. Hätte sich die freie Welt damals auf den heutigen Standpunkt der grünen Partei gestellt, würde die Welt heute anders aussehen. Dieser Punkt wird in Deutschland vergessen: Wir konnten uns vom Tyrannen nicht selber befreien.
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
Deshalb ist eine solche Haltung, die von vornherein eine Intervention, auch wenn sie vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen abgesichert ist, ausschließt, eine unmoralische und im übrigen auch eine fatale und geschichtslose Haltung. Das muß man deutlich und klar sagen.
Auf Grund der Gespräche gestern morgen in den Ausschüssen ist es meine Aufgabe, auch etwas über Rußland zu sagen. Wir schauen mit großer Sorge nach Rußland, insbesondere nach Moskau. Das Land befindet sich in ganz schwierigem Fahrwasser. Was dort geschieht, betrifft uns - ob wir wollen oder nicht - ganz unmittelbar. Europa wird es auf Dauer nur gut gehen, wenn es auch Rußland gut geht. So einfach ist der Zusammenhang. Rußland darf nicht kollabieren. Dieses Land steht vor Herkulesaufgaben. Es muß seine Währung und seine Finanzen stabilisieren. Es muß ausreichend Liquidität schaffen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Es muß die Strukturreformen anpacken. Es braucht eine Roßkur. Vor allem aber muß Rußland Vertrauen zurückgewinnen, denn ohne Vertrauen werden keine Investitionen kommen. Geld und Investitionen sind nun einmal wie ein scheues Reh. Sie gehen nur auf die Lichtung, wenn sie sicher ist. Deshalb ist die zentrale Aufgabe für Rußland, das Vertrauen zurückzugewinnen.
Rußland muß wissen: Partnerschaft und Freundschaft bedeuten für uns keine Schönwetterveranstaltung. Wir werden dieses große und wichtige Land auf seinem schwierigen Weg weiter begleiten. Aber die Last der Reformen kann Rußland niemand abnehmen. Wir wollen, daß ein stabiles, demokratisches und starkes Rußland den Platz in Europa und in der Welt einnimmt, der ihm gebührt - politisch und wirtschaftlich. Wir wollen Rußland weiterhin umfassend einbeziehen - durch eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa, durch die Zusammenarbeit mit der EU und durch die Zusammenarbeit im Rahmen der G 8. Weil wir ein besonderes Vertrauensverhältnis zu diesem großen und wichtigen Land entwickelt haben, kommt dabei gerade auf Deutschland in der nächsten Zeit sehr viel Verantwortung zu. Wir haben eine ganz wichtige Rolle, eine Rolle, die versucht, die Entwicklungen in der Balance zu halten. Das haben viele in Deutschland noch nicht wahrgenommen.
Meine Damen und Herren, das Grundgesetz verpflichtet unsere Außenpolitik auf die Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte. Unsere Außenpolitik tritt weltweit für Menschenrechte und Menschenwürde ein. Das muß auch in Zukunft so bleiben.
Dies gilt für das Beispiel der Landminen - das Ottawa-Abkommen hat geholfen -; das gilt jetzt für die Einrichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs, was - auch das muß man einmal sagen dürfen - mit ein Erfolg deutscher Diplomatie war.
Wir müssen deutlich und klar sagen, daß jemand, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht, nicht mehr ruhig schlafen darf, übrigens genausowenig wie all diejenigen, die Kinder sexuell mißbrauchen und damit auch noch Geschäfte machen.
Wir müssen international durchsetzen, daß Europol diesen Schweinereien durch Surfen im Internet entgegenwirken darf. Das ist das erste, was wir durchsetzen müssen.
Die menschenverachtenden Anschläge von Omagh, Nairobi und Daressalam haben uns schmerzhaft vor Augen geführt, daß die Geißel des Terrorismus uns alle bedroht. Wir müssen den Zynikern der Gewalt als Staatengemeinschaft entschlossen entgegentreten und die Quellen des Terrorismus austrocknen: ungelöste Konflikte, soziales Elend, ideologischer und religiöser Fanatismus. Für Terrorismus darf es kein Pardon geben.
Wir dürfen uns nicht in einen neuen Kampf der Kulturen einlassen. Wir brauchen vielmehr den Dialog der Kulturen, vor allem mit der Welt des Islam. Deshalb ist die Auswärtige Kulturpolitik so wichtig.
Und deshalb möchte ich zum Schluß noch etwas zum Kulturpapst in spe, Herrn Naumann, sagen: Manches von dem, was von ihm gesagt wurde, ist bisher nicht so richtig wahrgenommen worden.
Zunächst zur Auswärtigen Kulturpolitik und den Goethe-Instituten: Die Reaktion auf seine Intervieworgie war eindeutig und klar. Die Mitgliederversammlung der Goethe-Institute hat einstimmig erklärt, solch einen Blödsinn wollten sie nicht.
Aber ich habe noch etwas viel Gefährlicheres anzusprechen, was Herr Naumann wohl am allerwenigsten überlegt hat. Vor ein paar Jahren habe ich, damals noch mit Herrn Kosyrew und Herrn Sidorow, die Verhandlungen über die Rückführung der Kulturgüter aus Moskau begonnen. Herr Naumann erklärt nun, darauf sollten wir verzichten - obwohl Rußland völkervertragsrechtlich, wegen unserer Vereinbarungen in Sachen Kultur sowie wegen des deutsch-russischen Vertrages, verpflichtet ist, diese zurückzugeben. Herr Naumann hat völlig übersehen - daran sieht man, wie flach und oberflächlich Leute damit umgehen, die, zumindest was die praktische Politik anbelangt, von Tuten und Blasen keine Ahnung haben -, daß Präsident Jelzin vor dem Verfassungsgericht in Moskau zwei Klagen eingereicht hat, die unsere Position unterstützen. Herr Naumann fällt dem russischen Präsidenten in den Rücken!
Und er hat noch ein Zweites übersehen, was viel schlimmer ist: Er hat nämlich vergessen, daß ein nicht unwesentlicher Teil der Kulturgüter, um die es hier geht - ich weiß das, weil ich mir das im Puschkin-Museum in Sankt Petersburg angesehen habe -,
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
von Eichmann geraubter jüdischer Besitz ist. Angesichts dessen möchte ich doch die Frage stellen, ob Herr Naumann als selbsternannter Kulturpapst in spe - der alles weiß, der kam, sah und siegte - sich genau überlegt hat, was er da gesagt hat.
Meine Damen und Herren, am 27. September geht es um eine klare Entscheidung. Sie lautet: Soll in Zukunft Verläßlichkeit oder Wankelmut, Geradlinigkeit oder Irrlichterei in der Außenpolitik die Weichen stellen? Die Menschen in Deutschland haben - ich wiederhole das - zumindest große Sorge, wenn nicht gar Angst vor von Grünen mitbestimmter Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik. Ich bin sehr sicher, daß ich mich da nicht täusche.