Rede von
Oskar
Lafontaine
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist üblich, am Ende einer Legislaturperiode bei Haushaltsberatungen Bilanz zu ziehen. Es war zu erwarten, daß sich der Finanzminister redlich bemüht hat, die Lage in bunten Farben darzustellen und mitzuteilen, eigentlich sei doch alles auf bestem Wege.
Als er über den Arbeitsmarkt sprach, dachte ich, wenn er weiterredet, haben wir Vollbeschäftigung.
In einer solchen Situation muß man aber auch bei der Wahrheit bleiben; denn was Sie hier vorgetragen haben, hat mit der Wirklichkeit in unserem Lande nichts zu tun.
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
Vor einer Wahl ist es gerechtfertigt, die Wählerinnen und Wähler darauf hinzuweisen, was eine Regierung zu Beginn ihrer Amtszeit versprochen hat. Jeder in Deutschland weiß, daß diese Regierung zu Beginn ihrer Amtszeit versprochen hat, die Staatsschulden zu begrenzen oder zu senken, die Steuer- und Abgabenlast zu mindern sowie die Zahl der Arbeitslosen zu reduzieren. Und jeder in Deutschland weiß, daß das Gegenteil von all dem eingetreten ist:
Die Staatsschulden sind so hoch wie niemals zuvor. Die Steuer- und Abgabenlast ist nicht für alle, aber für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so hoch wie niemals zuvor. Die Arbeitslosigkeit ist bei 4,3 Millionen die höchste nach dem Kriege. - Das schönzureden ist im Grunde genommen nicht hinnehmbar. Die Wählerinnen und Wähler akzeptieren das auf Dauer auch nicht.
Als Helmut Kohl 1982 ins Amt gewählt wurde, sagte er wörtlich:
Die neue Regierung ist notwendig geworden, weil sich die alte, die bisherige Regierung als unfähig erwies, gemeinsam die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, das Netz sozialer Sicherheit zu gewährleisten und die zerrütteten Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen.
Wie schön wäre es, wenn wir heute noch die Zahlen des Jahres 1982 hätten.
In welchem Umfang haben Sie draufgesattelt, bei Arbeitslosigkeit, bei Staatsschulden, bei Steuer- und Abgabenbelastung!
Ihre Wirtschaftspolitik ist die eigentliche Ursache des Anstiegs der Massenarbeitslosigkeit, und wenn die Wählerinnen und Wähler Sie weiter mit der Regierungsverantwortung beauftragen, dann wird die Arbeitslosigkeit weiter steigen. Es ist nämlich nicht möglich, eine Wirtschafts- und Finanzpolitik zu betreiben, nach der, wie die Bischöfe zu Recht festgestellt haben, in Deutschland die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher geworden sind. Diese Wirtschaftspolitik rächt sich jetzt, weil wir seit Jahren eine viel zu schwache Binnennachfrage haben und weil ohne eine Stärkung der Binnennachfrage Wachstum und Beschäftigung nicht in Gang kommen können.
Daher bieten wir den Wählerinnen und Wählern eine andere Steuerpolitik an, als Sie sie bisher angeboten haben. Es war ja doch überraschend, was Sie jetzt hier vorgetragen haben, Herr Bundesfinanzminister. Es ist mir irgendwie bekannt vorgekommen: Eingangssteuersatz zunächst in die Nähe von 20 Prozent, der Höchststeuersatz zunächst einmal bei 48 Prozent, damit es nicht auffällt, daß es 49 Prozent sein sollen, und dann wird man weitersehen. Es soll ein Entlastungsvolumen von 10 Milliarden DM angeboten werden. Genau das hat Ihnen die SPD doch jahrelang angeboten! Warum kommen Sie jetzt kurz vor der Wahl auf unser Konzept, zumindest beim Tarif?
Allerdings muß ich sagen, daß Sie wieder nicht genau geworden sind bei der Gegenfinanzierung. Da liegt ja dann bekanntlich die Schwierigkeit. Wenn Sie von 20 Milliarden DM als Gegenfinanzierungsvolumen sprechen, dann haben Sie das alles nicht durchgerechnet. Ich muß das hier noch einmal in aller Klarheit sagen: Einen solchen Tarif - ich sage es noch einmal: Eingangssteuersatz in der Nähe von 20 Prozent und oben bei 48 Prozent - mit einem Volumen von 20 Milliarden DM gegenzufinanzieren ist nicht möglich.
Deshalb, meine Damen und Herren: Sie können nicht Steuerpolitik machen, die hinten und vorne nicht stimmt; damit werden Sie niemals durchkommen.
Ich will Ihnen jetzt sagen, was unsere Position ist. Unsere Position ist, daß ein Teil Ihrer Gegenfinanzierungsmaßnahmen, die ich noch einmal in Erinnerung rufen muß, nicht akzeptabel sind. Da wird vorgeschlagen, die Schichtarbeiter zu besteuern. Ich muß den Wählerinnen und Wählern hier noch einmal sagen: Das halten wir für falsch, weil wir Leute brauchen, die am Wochenende arbeiten oder Nachtschichten fahren; sie wollen wir weiterhin steuerlich begünstigen. Wenn Sie das anders sehen, ist das Ihre Sache.
Da wird vorgeschlagen, die Kilometerpauschale abzuschaffen. Das halten wir für falsch in einem Land, in dem auf Grund struktureller Verwerfungen viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen langen Anfahrtsweg haben. Deshalb werben wir im Interesse mobiler Arbeitnehmer für den Erhalt der Kilometerpauschale bei einem langen Arbeitsweg.
Sie schlagen vor, Versicherungen und Renten zu besteuern. Vielen ist das vielleicht in Vergessenheit geraten. Gleichzeitig wollen Sie die Renten kürzen. Wem wollen Sie denn das alles noch erklären? Ich mache Sie auf noch etwas aufmerksam, denn vielleicht haben Sie Ihre eigenen Programme nicht gelesen. Sie wollen jetzt Ihre Rentenkürzungen auch wieder zurücknehmen. Aber - da kann man fast den ganzen Unterschied der Politik ausmachen - Sie wollen die Rentenkürzungen nur für diejenigen zurücknehmen, die 45 Versicherungsjahre haben, also relativ hohe Renten haben. Sehen Sie, da ist einfach die Trennlinie. Wer bei solchen Kürzungsmaßnahmen, wenn sie unpopulär werden, oben anfängt, die Grausamkeiten zu beseitigen, und nicht an diejenigen denkt, die am Rande des Existenzminimums leben,
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
der gehört abgewählt, und so wird es sein, meine Damen und Herren.
An dieser Stelle kritisiere ich ausdrücklich die Wirtschaftsverbände, die allmählich als Gesprächspartner unglaubwürdig werden, wenn sie auf der einen Seite bei der SPD die Pläne zur Rücknahme der Rentenkürzung kritisieren, Rücknahmepläne bei der CDU aber überhaupt nicht erwähnen. Das ist unseriös. Wer als Gesprächspartner ernst genommen werden will, der muß, bitte schön, mit gleichen Maßstäben messen.
Wir wollen - das haben Sie richtig zitiert - Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durchschnittlich um 2 500 DM entlasten. Wir wissen, daß das ein anspruchsvolles Versprechen ist, weil wir eben nicht der Gefahr erliegen wollen, Versprechen zu geben, die wir nicht einhalten können.
Sehen Sie, genau das ist Ihr Problem. Ich konnte vorhin fast nicht mehr zuhören, als Sie sagten, daß Sie bei der Wahrheit bleiben,
Sie, die Sie 1990 versprochen haben: keine Steuer- und Abgabenerhöhungen. Helmut Kohl steht dafür in ungezählten Anzeigen in diesem Land. Dann haben Sie die Steuern und Abgaben, auf das Jahr gerechnet, um 120 Milliarden DM erhöht. Sie wollen hier etwas von Wahrheit erzählen? Glauben Sie, die Menschen in Deutschland vergessen alles? - Ist es nicht wahr?
1994 geschah wiederum dasselbe. 1994 versprachen Sie, den Soli abzuschaffen. Sie versprachen diverse Steuersenkungen. Sie versprachen, die Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen. Das Gegenteil von all dem ist geschehen. Sie wollen hier etwas von Wahrheit erzählen, wo Sie eine solche Serie von gebrochenen Versprechen, wie ich sie nirgendwo in ganz Europa und in der Welt kenne, aufzuweisen haben?
Und dann sagen Sie hier mit Tremolo in der Stimme: „Wort ist Währung, je wahrer, desto härter." Mein lieber Herr Waigel, hängen Sie sich das übers Bett, aber erzählen Sie es nicht im Parlament, denn Sie fallen doch auf, wie kaum jemand aufgefallen ist, wenn er solche Ansprüche in diesem Hause erhebt!
Dann haben Sie etwas noch einmal gesagt, was mir auch bei anderen Sprechern schon öfter aufgefallen ist, nämlich wir wollten nur einen kleinen Personenkreis geringfügig entlasten. Sie als Bundesfinanzminister kennen die Systematik des Steuerrechts nicht!
Wenn wir beispielsweise den Grundfreibetrag anheben, dann werden alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler entlastet. Was reden Sie hier für einen Unsinn, Herr Bundesfinanzminister? Gucken Sie noch einmal ins Steuerrecht!
Wenn wir, wie Sie richtig zitiert haben, den Eingangssteuersatz senken, dann werden alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler entlastet, soweit sie Steuern zahlen. Soviel ich weiß, ist das ein ziemlich großer Personenkreis. Nur, das Problem ist, wenn man den Spitzensteuersatz senkt, dann kann man diese Aussage nicht aufrechterhalten und behaupten, alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler würden entlastet. Das ist die Systematik unseres Steuerrechts.
Deshalb sagen wir Sozialdemokraten angesichts stagnierender oder sinkender Reallöhne in den letzten Jahren, angesichts der Umverteilung, die die Bischöfe mit den Worten „Die Armen sind ärmer, und die Reichen sind reicher geworden" charakterisiert haben: Wir fangen von unten an, und wir entlasten zunächst einmal diejenigen, die das Geld brauchen. Das ist unsere Steuerpolitik. Die Wählerinnen und Wähler werden darüber entscheiden.
Im übrigen ist das nicht mehr nur ein Problem der Deutschen, es ist ein Problem in Gesamteuropa. Gott sei Dank - wir sind gar nicht so unfair, es nicht anzuerkennen, wenn Sie dazulernen - haben Sie jetzt gesagt: Der Steuersenkungswettlauf, Steuerdumping, in Europa muß begrenzt werden. Vor Jahren haben Sie darüber noch gespottet. Wenn Sie das jetzt ebenfalls fordern, dann ist das anerkennenswert. Vor Jahren haben Sie noch versucht, diese Idee lächerlich zu machen.
Was ist in Europa geschehen? Ich wiederhole es: Im Sinne des Standortwettbewerbs versuchte das Land A, die Unternehmensteuern zu senken. Da sagte das Land B: Dann senken wir sie noch weiter. Dann erklärte das Land C: Wir senken noch weiter. Das war dann der Wettbewerb an dieser Stelle. Bei der Vermögensteuer galt dasselbe: Zunächst die Vermögensteuer senken, dann sie weiter senken und dann ganz abschaffen. Dasselbe galt auch bei den Steuern auf die Gelderträge: Zunächst sie senken, dann Abschlagsbeträge festlegen. Doch mittlerweile hatten sich viele schon verflüchtigt und ihr Geld auf Konten in andere Länder gebracht.
Die Leidtragenden dieses falschen Konzeptes, dem Sie anhängen, sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ganz Europa, die mit immer höheren Abgaben, mit immer höheren Lohnsteuern und im-
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
mer höheren Verbrauchsteuern diesen Wettbewerb bezahlen müssen.
- Sie streiten das immer wieder ab, verehrter Herr Bundesfinanzminister. Sie haben nur das Problem, daß uns alle führenden Leute, die wir in Europa kennen, das so sagen und bestätigen. Tun Sie doch nicht so, nachdem Sie die Quellensteuer hier zuerst eingeführt und dann wieder abgeschafft haben, als seien Sie in Europa der Vorreiter bei der Einführung der europaweiten Quellensteuer gewesen. Sie haben sie abgeschafft und damit einen Ansatz der Harmonisierung zerstört. Stellen Sie sich dieser Verantwortung!
Ein zweiter Punkt ist: Sie haben sich mit dem Kollegen Diller in unfairer Weise auseinandergesetzt. Natürlich kann man den von Ihnen aufgestellten Haushalt nicht ohne weiteres zur Seite legen. Sie wissen doch, wie sich bei Ihnen die Schulden in den letzten Jahren entwickelt haben: Die Schulden sind in Ihrer Amtszeit um über 1000 Milliarden DM gestiegen. Wir würden das zwar gerne zur Seite legen und weglegen, aber wir können das leider nicht.
Insofern ist Ihre Replik auf den Kollegen Diller leider sehr ungeschickt. Wir würden das im Interesse der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und kommender Generationen gerne weglegen, aber die Hypothek ist da; wir müssen sie zahlen. Wir werden in den nächsten Jahren 25 Prozent der Steuereinnahmen auf Grund Ihrer verfehlten Finanzpolitik für Zinsen ausgeben müssen - 25 Prozent!
- Ich würde Ihnen raten, ehe Sie „Saarland" dazwischenrufen, sich einmal zu informieren. Sie haben ja entsprechende Leute hier sitzen. Ich will Ihnen noch einmal die Zahlen vortragen. Die können Sie ja überprüfen. Ich habe von einer CDU/F.D.P.- Regierung eine Zinssteuerquote von 19 Prozent geerbt. Sie liegt jetzt bei 21 Prozent. Damit bin ich unzufrieden. Aber Sie haben 1982 eine Zinssteuerquote - das ist die entscheidende Kennziffer - von 12 Prozent übernommen; jetzt beträgt sie 26 Prozent. An Ihrer Stelle
würde ich den Mund nicht so voll nehmen, Herr Waigel.
Ich könnte Ihnen auch etwas zur Entwicklung der Arbeitslosenzahlen sagen. Sie können das alles durchaus so weitertreiben. Ich sage Ihnen nur eines: Über die Qualität einer Politik urteilen nicht Sie und nicht wir, sondern die Wählerinnen und Wähler. Der Kollege Schröder hat zweimal die absolute Mehrheit - jetzt sogar eine ganz starke - erreicht, weil die Wählerinnen und Wähler seine Politik anerkannt haben. Ihr Geschwätz prallt ab, meine Damen und Herren. Wo haben Sie denn noch solche Ergebnisse?
Meinen Sie wirklich, wenn Sie schon das Saarland ansprechen, ich hätte dort dreimal die absolute Mehrheit erreicht, weil ich mit meinen Freunden eine so schlechte Politik dort gemacht habe? Glauben Sie das tatsächlich, und sind Sie so überheblich? Wenn Sie jetzt bei den Meinungsumfragen unter 40 Prozent hängen, liegt das nicht daran, daß Sie so gut waren, wie Sie selber meinen, sondern daran, weil die Wählerinnen und Wähler sagen, Sie haben schlecht gearbeitet. So ist das in einer Demokratie.
Sagen Sie offen, bei wem und wo Sie abkassieren wollen: nämlich bei den Schichtarbeitern, bei den Pendlern, bei den Rentnern, bei denen, die Versicherungspolicen abgeschlossen haben. Sie wollen die Mehrwertsteuer erhöhen, die bekanntlich nach allen Berechnungen die Haushalte mit geringen Einkommen trifft. Das steht alles in Ihrem Steuerkonzept. Auch wir sagen ja: Wir kassieren Steuersubventionen und werden teilweise diejenigen treffen, die bisher in großem Umfang von Steuersubventionen Gebrauch gemacht haben. Das ist richtig. Die Wählerinnen und Wähler werden entscheiden, wer das bessere Konzept hat. So ist das in einer Demokratie.
Dann wäre es noch ganz schön, wenn Sie bei den Heldentaten, die Sie hier aufzählen, immer auch sagen würden, welche Heldentaten eher auf unser, welche eher auf Ihr Konto gehen und welche wir nur gemeinsam umsetzen konnten. Wenn Sie sich hier brüsten, Sie hätten die Familien bei den Steuerverhandlungen bessergestellt - das ist wirklich eine Frechheit -,
dann ist das angesichts der Tatsache, daß wir lange gekämpft haben und mit dem Scheitern der Steuerverhandlungen drohen mußten, um die Besserstellung der Familien durchzusetzen, schlicht und einfach unfair, Herr Waigel, wie Sie hier auftreten.
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
Der Gipfel ist - man kann gar nicht alles ansprechen -, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen: Wir haben das Meister-BAföG wieder eingeführt.
Wie kann man die Menschen so belügen? Ich will Ihnen sagen, wie das mit dem Meister-BAföG war. Ihre Koalition hat es abgeschafft. Das ist die Wahrheit; das kann jeder überprüfen und nachlesen. Daraufhin kamen die Handwerksmeister und haben gesagt, daß es einen deutlichen Rückgang bei den Anträgen zur Zulassung zur Prüfung gibt. Dann haben wir gesagt: Wir müssen etwas machen. Dann kam der Bund und hat gesagt: Wir haben das bisher allein bezahlt, jetzt sollen die Länder mitzahlen. Dazu haben einige Ministerpräsidenten - auch ich - gesagt: Das machen wir nicht. Dann kam Gerhard Schröder ins SPD-Präsidium und hat gesagt: Stellt euch nicht so stur, macht das mit, es geht um die Sache. Dann haben wir das Gesetz im Bundesrat passieren lassen. Sie tun dem Mann unrecht, wenn Sie hier über ihn so reden, Herr Kollege Waigel. Ohne ihn hätten Sie das Meister-BAföG so nicht - um das hier in aller Klarheit zu sagen.
Wir werden die Achsen der Republik wieder hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit verschieben. Das ist unser Anspruch. Deshalb ist das Trio Henkel, Stihl und Hundt auch so gegen unsere Politik. Aber das beeindruckt uns nicht sonderlich. Wer nur drei Wörter kennt: Lohnzurückhaltung, Unternehmensteuersenkung und Sozialkürzung, der macht keine überzeugenden Vorschläge zur Wirtschaftspolitik. Wir wissen, was diese Herren jeden Tag, jedes Jahr und immer wieder sagen werden: Lohnzurückhaltung, Unternehmensteuersenkung und Sozialabbau.
Wenn Sie, Herr Kollege Waigel, dann hier sagen, das Gerede vom Sozialabbau sei törichtes Gerede, müssen sich das alle Wählerinnen und Wähler auf der Zunge zergehen lassen. Wir haben durchaus das eine oder andere mitgetragen, weil wir - das haben Sie gesagt - vor große finanzielle Herausforderungen gestellt worden sind. Ich nenne beispielsweise die Umstellung der Rente, ich nenne die Abschaffung der üppigen Vorruhestandsregelung, ich nenne die Abschaffung der üppigen Anrechnung der Ausbildungszeiten und vieles andere. Ich will das aus Zeitgründen nicht alles erwähnen.
Der Gesundheitsminister stand einmal hier und hat gesagt, wir seien mit den sozialen Kürzungen noch viel schlimmer als die Koalition. Sie können das alles nachlesen. Sie werden sich vielleicht noch daran erinnern, wie es war, als Sie hier standen.
Wir haben eine Reihe von unpopulären Entscheidungen mitgetragen. Aber die Frage ist, wo der Ausgleich ist. Als Norbert Blüm seine Bilanz aufgestellt und hier stolz vorgetragen hat, er habe bei Rentnern und Arbeitslosen aufs Jahr gerechnet 98 Milliarden DM gespart, habe ich ihm gesagt: Sag doch einmal, was ihr den Vermögenden und Beziehern hoher Einkommen in der gleichen Zeit zugeschustert habt. Das wäre eine wahrheitsgemäße, eine ehrliche Bilanz. Darüber würden wir gern diskutieren.
- Herr Bundesminister, bitte beruhigen Sie sich, selbstverständlich haben Sie Gelegenheit - -