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    Plenarprotokoll 13/246 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 246. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 2. September 1998 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Doris Odenthal, Siegfried Hornung, Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Manfred Opel, Ernst Kastning, Richard Schuhmann (Delitzsch) und Volkmar Schultz (Köln) 22897 A Erweiterung der Tagesordnung 22897 B Zur Geschäftsordnung Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22897 C Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . 22898 C Achim Großmann SPD 22899 B Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 22900B Klaus-Jürgen Warnick PDS 22901 A Begrüßung der Präsidentin des Bundesrechnungshofes, Frau Dr. von Wedel . . 22991 D Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1999 (Haushaltsgesetz 1999) (Drucksache 13/11100) 22902 B b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 1998 bis 2002 (Drucksache 13/11101) 22902 B c) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses - zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1995 - Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes (Jahresrechnung 1995) - - zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1996 - Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes (Jahresrechnung 1996) - - zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1997 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung des Bundes 1995 und 1996) (Drucksachen 13/5141, 13/7352, 13/8550, 13/10904) 22902 C d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Lebenssituation von Kindern und die Leistungen der Kinderhilfen in Deutschland - Zehnter Kinder- und Jugendbericht - mit der Stellungnahme der Bundesregierung (Drucksache 13/11368) 22902 D Jürgen Koppeln F.D.P. (zur GO) . . . 22902 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 22903 B Karl Diller SPD 22907 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 22912 D Dr. Norbert Blüm CDU/CSU . 22916C, 22926 D Dr. Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident (Sachsen) 22921 A Siegmar Mosdorf SPD . . . . 22926B, 22927 A Ingrid Matthäus-Maier SPD 22927 C Rolf Schwanitz SPD 22929B, 23002 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22929 D Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . . 22933 A Dr. Christa Luft PDS 22937 C, 22945 B Hans-Peter Repnik CDU/CSU 22940B, 22947 A Hans Georg Wagner SPD 22945 D Helmut Rauber CDU/CSU 22946 C Karl Diller SPD 22947 B Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 22949 D Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . . . 22951 C Ernst Schwanhold SPD 22952 C Dr. Barbara Höll PDS 22953 C Paul K. Friedhoff F.D.P 22955 C Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 22957 B Rudolf Dreßler SPD 22959 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 22963 A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22967 B Dr. Gisela Babel F.D.P 22969 D Petra Bläss PDS 22971 C Ottmar Schreiner SPD 22973 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . 22976 B, 22979 C Ottmar Schreiner SPD 22973 B Dr. Edith Niehuis SPD 22977 D Dr. Angela Merkel CDU/CSU 22981 D Dr. Christine Bergmann, Senatorin (Berlin) 22982 B Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . 22984 A Dr. Barbara Höll PDS 22980 C Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22986 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P 22987 D Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 22988 D Edelgard Bulmahn SPD 22992 A Dr. Gerhard Friedrich CDU/CSU . . 22996 C Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 22997 B Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23000 C Johannes Singhammer CDU/CSU . 23001 A Anke Fuchs (Köln) SPD 23001 C Wolfgang Dehnel CDU/CSU 23004 D Dr. Angela Merkel CDU/CSU 23007 A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23009 B Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 23010 C Dr. Wolfgang Weng (Gerligen) F.D.P. . 23013 A Vizepräsidentin Michaela Geiger . . . 22967 A Tagesordnungspunkt 2: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, auf Staatsangehörige von Drittländern (Drucksachen 13/9819 Nr. 2.29, 13/10598) . . 23015 A b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission Aktionsplan zur Förderung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Drucksachen 13/9668 Nr. 2.44, 13/10599) . . . 23015 B c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung - zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung - zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Edelgard Bulmahn, Tilo Braune, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bundesbericht Forschung 1996 (Drucksachen 13/4554, 13/7128, 13/ 9744, 13/9746, 13/11096) 23015 C d) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung - zu dem Antrag der Abgeordneten Günter Rixe, Klaus Barthel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Jugend braucht Zukunft - Ausbildungsoffensive jetzt verwirklichen - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Berufsbildungsbericht 1998 (Drucksachen 13/10665, 13/10651, 13/ 11097) 23015D e) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Heidemarie Wieczorek-Zeul, Gerd Andres und weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD Sicherung der Arbeitsplätze bei der Hoechst Marion Roussel Deutschland GmbH (Drucksachen 13/10028, 13/ 11110) 23016B f) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Dietmar Schütz (Oldenburg), Marion Caspers-Merk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Klimaschutz durch Minderung von Stand-by-Verlusten bei Elektrogeräten (Drucksachen 13/9254, 13/11121) . . 23016 B g) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr - zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Gila Altmann (Aurich), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Novellierung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm - zu dem Antrag der Abgeordneten Monika Ganseforth, Elke Ferner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm (Drucksachen 13/6346, 13/7498, 13/ 11140) 23016 C h) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Gila Altmann (Aurich), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vorlage eines Gesetzes zum Schutz vor Verkehrslärm an Straßen und Schienen (Drucksachen 13/6958, 13/8925) . 23017 A i) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Abgeordneten Gabriele Iwersen, Achim Großmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Vorlage eines Vierten Berichtes über Schäden an Gebäuden (Drucksachen 13/10449, 13/11145) 23017 A j) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union (Drucksachen 13/ 10588 Nr. 2.21, 13/11160) 23017 B k) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 375 zu Petitionen (Drucksache 13/11193 [neu]) . . . . 23017 C 1) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 377 zu Petitionen (Gesetzliche Nichtigkeitserklärung aller NS-Unrechtsgesetze und -urteile) (Drucksache 13/11195) 23017 C m) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 381 zu Petitionen (Überführung der Ansprüche der Beschäftigten der ehemaligen Deutschen Reichsbahn in die gesetzliche Rentenversicherung) (Drucksache 13/11330) . 23017 D Zusatztagesordnungspunkt 1: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Drucksachen 13/11118, 13/ 11381) 23018A Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. Bürgerkrieg und humanitäre Situation im Süd-Sudan (Drucksache 13/11387) 23018 B Tagesordnungspunkt 3: Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 1998 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 06 29 - Bundesanstalt Technisches Hilfswerk - Titel 532 03 - Hilfsmaßnahmen außerhalb des Bundesgebietes - bis zur Höhe von 12 340 TDM (Drucksachen 13/10929, 13/11122, lfd. Nr. 1.3, 13/11389) 23018 C Nächste Sitzung 23018 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 23019* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1999) Rolf Kutzmutz PDS 23019* B Anke Fuchs (Köln) SPD 23021* C Dr. Barbara 11611 PDS 23022* C 246. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 2. September 1998 Beginn: 10.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Becker-Inglau, Ingrid SPD 2. 9. 98 Behrendt, Wolfgang SPD 2. 9. 98 * Blunck, Lilo SPD 2. 9. 98 * Brunnhuber, Georg CDU/CSU 2. 9. 98 Eßmann, Heinz Dieter CDU/CSU 2. 9. 98 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 2. 9. 98 * Gysi, Andrea PDS 2. 9. 98 Irber, Brunhilde SPD 2. 9. 98 Jung (Limburg), Michael CDU/CSU 2. 9. 98 Lattmann, Herbert CDU/CSU 2. 9. 98 Müller (Berlin), PDS 2. 9. 98 Manfred Walter Nelle, Engelbert CDU/CSU 2. 9. 98 Peters, Lisa F.D.P. 2. 9. 98 Reichard (Dresden), CDU/CSU 2. 9. 98 Christa Rupprecht, Marlene SPD 2. 9. 98 Schaich-Walch, Gudrun SPD 2. 9. 98 Scheel, Christine BÜNDNIS 2. 9. 98 90/DIE GRÜNEN Schulte (Hameln), Brigitte SPD 2. 9. 98 Stiegler, Ludwig SPD 2. 9. 98 Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 2. 9. 98 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1999) Anke Fuchs (Köln) (SPD): Wirtschaftspolitische Kompetenz ist gefragt, wenn es in diesem Land wieder aufwärts gehen soll. Das wird niemand bestreiten. Diese Erkenntnis ist aber gleichzeitig Aufforderung zur Abwahl dieser Bundesregierung. Wer wirtschaftspolitische Kompetenz auf der Regierungsbank will, muß dafür sorgen, daß Gerhard Schröder Bundeskanzler wird. Nur so können wir einen Aufbruch nach vorne schaffen. Heribert Prantl schreibt in der „Süddeutschen Zeitung" vom 29./30. August 1998 zu Recht: In letzter Not hat Kohl seinen alten Gegner Lothar Späth als Helfer engagiert. Er hätte das vor vier Jahren machen müssen. Damals wäre die Zeit gewesen, eine spektakuläre neue Mannschaft zu präsentieren. Neuerdings stellt der Kanzler auch mißbilligend fest, daß die Wirtschaft den Standort Deutschland schlechtredet. Das fällt ihm zu spät auf. Vor zwei Jahren hat Kohl sich das törichte Agitieren der Wirtschaftsfunktionäre zu eigen gemacht und das Bündnis für Arbeit platzen lassen - es war sein kapitalster Fehler. Auf diese Weise gerieten die Reformen seiner Amtszeit in die Konfrontation, standen die Kirchen gegen die Sozialpolitik der Regierung auf - und damit gewannen die Gewerkschaften neue Legitimation. Die Regierung Kohl hat den Konsens geopfert, weil sie sich von der vulgärliberalen Arroganz der Industrieführer vom Schlage Henkel & Co. anstecken ließ. So etwas kann sich allenfalls eine Klientelpartei wie die F.D.P. leisten, nicht aber eine Volkspartei. Die CDU ist durch die konfrontative Sozialpolitik geschwächt worden, und dann leidet sie und ihr Wahlkampf. Die Partei ist also doppelt geschwächt: Durch nachwirkende Fehler und durch die Unklarheiten an der Spitze. Für den Stillstand ist an erster Stelle der Bundeskanzler selbst verantwortlich. Er hat das von den Gewerkschaften angebotene Bündnis für Arbeit ausgeschlagen. Das hat viele Arbeitsplätze gekostet. Das war ein immenser Zeitverlust für die notwendige Modernisierung unseres Landes. Der Kanzler hätte es besser wissen müssen. Denn sozialer Konsens und gesellschaftlicher Zusammenhalt waren in der gesamten Geschichte der Bundesrepublik eine wichtige Produktivkraft. Und wenn die Herren an der Spitze der Unternehmensverbände auch meinen, Wahlkampf für diese Regierung machen zu müssen, so sage ich Ihnen: An ihrer eigenen Basis sieht es anders aus. Dort ist Dialogbereitschaft statt Drohgebärde. Darauf setzen wir, und spätestens nach der Bundestagswahl müssen auch die Herren an der Spitze aus dem Abseits heraus. Wir Sozialdemokraten werden ein Bündnis für Arbeit verwirklichen. Wir vertrauen auf die Konsensbereitschaft im eigenen Lande. Damit knüpfen wir aber auch an die Erfahrungen an, die europäische Nachbarstaaten - wie zum Beispiel die Niederlande und Dänemark - gesammelt haben. Die Arbeitslosigkeit konnte in den Niederlanden gesenkt werden, weil sich Politik, Arbeitgeber und Gewerkschaften an einen Tisch gesetzt und gemeinsam nach Lösungen gesucht haben. Dänemark ist auf dem Weg zur Vollbeschäftigung, weil neben mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt der Staat aktiver mit Beschäftigungsmaßnahmen neue Arbeitsplätze geschaffen hat. Das ist der richtige Ansatz: Arbeitsplätze schaffen statt Arbeitslosigkeit finanzieren. Die Wachstumsschwäche in unserem Land und die hohen Arbeitslosenzahlen sind auch Folge der verfehlten Finanzpolitik. Es ist eine Binsenweisheit: Prozyklische Finanzpolitik in Abschwungphasen kann nicht auf Wachstumskurs führen. Das ist lange bekannt. Wer die Binnennachfrage abwürgt, kann noch so viel Angebotspolitik betreiben: Ohne Absatzchancen bleiben Erweiterungsinvestitionen aus, ohne Erweiterungsinvestitionen entstehen keine neuen Arbeitsplätze. Wir Sozialdemokraten setzen auf Verläßlichkeit und Stetigkeit in der Finanzpolitik. Das ist im übrigen eine der wichtigsten Voraussetzungen, damit Unternehmen und Investoren verläßliche Rahmenbedingungen vorfinden. Bei dieser Bundesregierung konnte man sich nur darauf verlassen, daß das nächste Haushaltsloch größer wird als das vorherige. Damit komme ich zu Ihnen, Herr Rexrodt. Sie haben in den vergangenen Jahren im Blindflug den Kurs der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik eingeschlagen. Seit Ihrem Amtsantritt haben Sie den automatischen Piloten angestellt und gehofft, daß er den Weg alleine finden wird. Aber das Steuerungsprogramm war falsch. Statt im Azorenhoch sind Sie im Islandtief gelandet. Jetzt wollen Sie uns weismachen, wir hätten die warmen Gefilde einer Trendwende am Arbeitsmarkt erreicht, weil es in Island auch schon mal kälter gewesen ist. Das ist die Lage. Erst treibt die Bundesregierung die Arbeitslosigkeit mit Attentismus und falschen Strategien auf 4,8 Millionen hoch. Dann redet sie bei mehr als 4 Millionen Arbeitslosen von einer Trendwende. Das ist keine Trendwende, das ist der Offenbarungseid der Bundesregierung in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Herr Rexrodt, jahrelang haben sie den Standort Deutschland schlecht geredet und den Menschen die Globalisierung als Schreckgespenst an die Wand gemalt. Lohnzurückhaltung und Sozialabbau waren Ihr Credo. Sie haben die Arbeitnehmer zum Kostenfaktor degradiert. Damit muß endlich Schluß sein. Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist nämlich gut, weil wir eine gute Infrastruktur haben, weil wir qualifizierte Arbeitnehmer haben und weil die Menschen leistungsbereit sind und nach vorne schauen wollen. Die SPD wird nach der Bundestagswahl die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit konsequent in den Vordergrund stellen. Für die Wirtschaftspolitik heißt das: Stärkung der Wachstumskräfte für eine dynamische wirtschaftliche Entwicklung, die Arbeitsplätze schafft. Dafür brauchen wir kurzfristig Maßnahmen für eine schnellstmögliche Entlastung am Arbeitsmarkt. Darüber hinaus müssen wir mittel- und langfristig mit einem Strukturwandel durch Innovation Wirtschaft, Staat und Gesellschaft modernisieren. Der Export boomt noch. Das zeigt: Die deutsche Wirtschaft ist wettbewerbsfähig. Ursache der Wachstumsschwäche ist die fehlende Binnennachfrage. Deshalb brauchen wir eine Steuerreform, die Arbeitnehmer und Familien entlastet und damit die Binnennachfrage stärkt. Außerdem brauchen wir eine Senkung der Unternehmenssteuern und eine Senkung der Lohnnebenkosten, um Investitionsanreize zu schaffen. Wir machen aber keine haltlosen Versprechen. 30 Milliarden Mark Nettoentlastung sind nicht finanzierbar. Das unterscheidet uns von dieser Bundesregierung. Für uns steht nicht die Entlastung der Spitzenverdiener im Vordergrund. Denn wir wissen: Die Steuerlast ist in unserem Lande ungerecht verteilt. Die Belastung der Arbeitnehmer mit Steuern und Abgaben ist ständig gestiegen, die Steuererträge aus Unternehmertätigkeit und Vermögen sind gesunken. In der Arbeitsmarktpolitik kommt es darauf an, Arbeitsplätze zu schaffen statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Vordringlich geht es darum, den Jugendlichen wieder eine Perspektive zu geben. Wir werden sofort nach der Bundestagswahl 100 000 neue Stellen für Jugendliche schaffen. Das geht, wie das Beispiel Dänemark zeigt. Schauen Sie sich die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit dort an. Sie ist drastisch gesunken, und das ist nicht als Geschenk vom Himmel gefallen. Dort ist die Wirtschaftspolitik ihrer Gestaltungsaufgabe nachgekommen, statt Parolen von der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik zu dreschen. Mittel- und langfristig brauchen wir Innovationen in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft. Die Bundesregierung hat die Modernisierung unseres Landes verschlafen. Sie haben die vergangenen Jahre doch nur von Kostensenkung gesprochen. Aber unser Land ist mit Gütern und Dienstleistungen der Spitzentechnologie stark geworden. Die SPD setzt deshalb auf die Zukunftstechnologien. Wir werden zum Beispiel mit einem Hunderttausend-Dächer-Programm die Solartechnik zur Marktreife bringen. Das schafft neue Arbeitsplätze und trägt zu einer umweltschonenden Energieversorgung bei. In diesem Zusammenhang steht auch unser Konzept für eine ökologische Steuerreform. Wir wollen damit die Lohnnebenkosten senken, den umweltschädlichen Energieverbrauch belasten und Anreize für technologische Innovationen zur Energieeinsparung setzen. Das ist moderne Wirtschaftspolitik: Innovationsanreize schaffen, um in der Verkehrstechnologie an der Spitze des Fortschritts zu stehen und die Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft zu stärken. Den Energieverbrauch senken, weil Wirtschaftswachstum nicht gleichbedeutend sein muß mit höherem Energieverbrauch. Die Umwelt schonen, um die natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren und keinen Raubbau an der Zukunft zu betreiben. Dafür werden wir die marktwirtschatlichen Anreize setzen. Wir werden schrittweise und berechenbar vorgehen, damit sich Bürger und Unternehmen darauf einstellen können. Wirtschaftspolitik für mehr Arbeitsplätze hat als zentrale Aufgabe die Förderung des Mittelstandes. Kleine und mittlere Unternehmen schaffen Arbeitsplätze, und sie tragen die Hauptlast der beruflichen Bildung. Da reicht es nicht, nur von der Mittelstandsförderung zu reden. Die Bilanz der Bundesregierung ist erschreckend: Die Zahl der Unternehmenskonkurse steigt. 1997 hatten wir wieder einen neuen traurigen Pleitenrekord. Die Eigenkapitalausstattung der kleinen und mittleren Unternehmen sinkt beständig. Der Anteil des Selbständigen ist im internationalen Vergleich zu gering. Die SPD wird die Mittelstandspolitik nach der Bundestagswahl in den Vordergrund stellen. Gerhard Schröder hat sein Mittelstandsprogramm vorgelegt. Es ist auf der Basis zahlreicher Diskussionen und Foren erarbeitet worden, die wir in allen Teilen des Landes mit Handwerkern und Managern, mit Verbänden und Kammern, mit Wissenschaftlern und Unternehmensberatern geführt haben. Dabei hat sich gezeigt: Der Mittelstand fühlt sich durch diese Bundesregierung nicht mehr vertreten. Unser Angebot zum Dialog ist auf breite Resonanz gestoßen, und wir werden diesen Dialog mit dem Mittelstand fortsetzen, um unsere Politik an den Bedürfnissen der Praxis messen zu lassen. Wir werden die Mittelstandsförderung bündeln und damit eine Schneise in den Dschungel der unübersichtlichen Vielzahl von Förderprogrammen schlagen. Wir werden für einen besseren Zugang des Mittelstandes zu öffentlichen Aufträgen sorgen. Wir werden die Außenwirtschaftspolitik stärker auf den Mittelstand ausrichten. Die Förderung von Existenzgründungen steht dabei ganz oben auf der Tagesordnung. Jede Existenzgründung schafft im Schnitt 2 bis 6 Arbeitsplätze. Für den Start in die Selbständigkeit fehlt es in der Regel nicht an den Ideen, sondern am Startkapital. Dabei ist genügend Anlagekapital vorhanden. Wir Sozialdemokraten sagen deshalb: Besser in neue Ideen und Unternehmen investieren als in Beton und Boden. Die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von Wagniskapital müssen deshalb verbessert werden. Es ist höchste Zeit, sich der Gestaltungsaufgabe in der Wirtschaftspolitik zu stellen. Die SPD-geführte Bundesregierung wird dies nach der Bundestagswahl tun. Politik im nationalen Rahmen reicht dafür nicht aus. Heute werden etwa 70 Prozent aller wirtschaftsrelevanten Vorschriften in Brüssel erlassen. Deshalb möchte ich noch mal bekräftigen, was Oskar Lafontaine gesagt hat: Wir brauchen eine stärkere Kooperation auf internationaler Ebene. Diese Erkenntnis setzt sich durch, viele reden davon, Regelwerke müßten her, neue Spielregeln, Kooperation. Das ist wichtig für Europa und seine Chancen, einen Beitrag zu fairem Welthandel zu leisten. Die Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik auf europäischer Ebene muß verbessert werden. Wir werden die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den Mittelpunkt der Europapolitik stellen. Wer wie Herr Rexrodt einer nationalen Beschäftigungspolitik das Wort redet, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Rolf Kutzmutz (PDS): Wir haben vorhin einen mehr oder weniger überzeugenden Wahlkampf auftritt vernommen. Aber, Herr Minister Rexrodt, liegt es wirklich nur am mangelnden Verständnis vieler Menschen für ihre Politik oder sind es deren Ergebnisse, die nach einem Politikwechsel verlangen lassen? Ich erinnere Sie an das Sprichwort: Der Ruhm vieler Propheten beruht auf dem schlechten Gedächtnis ihrer Zuhörer. Das gilt für den Bundeswirtschaftsminister und seinen Kabinettskollegen, deren Wachstumsprognosen - und damit deren Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Steuern und Staatsausgaben - sich bekanntlich seit Jahr und Tag in ihrer Wahrscheinlichkeit mit denen der DDR-Plankommission messen können. Die tatsächlichen Ergebnisse der praktischen Politik beider Gremien will ich gar nicht erst vergleichen. Das gilt allerdings auch für die Sozialdemokraten. Vor genau elf Monaten war ein von mir ansonsten sehr geschätzter Kollege von seiner Fraktionsspitze verdonnert worden, hier einen grundlegenden wirtschaftspolitischen Antrag der PDS rhetorisch zu demontieren. So geißelte er unsere Zweifel an der allgemeinen Euphorie über die Globalisierung und beschwor für die SPD - unter dem Beifall der F.D.P. - deren Willen zur Internationalisierung der Waren- und Kapitalströme, weil - ich zitiere aus dem Plenarprotokoll - „wir der festen Überzeugung sind, daß die komparativen Kostenvorteile und die komparativen Vorteile unterschiedlicher Standorte genutzt und umgesetzt werden müssen". Ob er diesen Schwur - zumindest auf die Kapitalströme bezogen - heute wiederholen würde, wage ich zu bezweifeln. Schließlich ist die momentane Entwicklung an den Börsen schon mehr als eine Korrektur; das ist in der Nähe eines Crashs, meint zumindest der in diesen Dingen gewiß kompetente Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter. Dem vorhin zitierten verehrten Kollegen Hiksch gestehe ich in diesem Zusammenhang ja gern zu, daß er in der erwähnten Debatte sich für die Idee einer Tobin-Steuer stark machte, sie als fortschrittliche, also sozialdemokratische, Wirtschaftspolitik bezeichnete. Nur scheint der SPD jener Fortschritt in den letzten elf Monaten abhanden gekommen zu sein. Das Projekt Tobin Tax findet sich in keinem der zahlreichen sozialdemokratischen Programme seit letztem Oktober. Ja, selbst die SPD bügelte eine solche Initiative der PDS - die Bündnisgrünen zogen dann bekanntlich auch noch nach - im Bundestag sogar noch ab. Wenn ein Kanzler Schröder aber mit den morschen Krücken eines Kanzlers Kohl auf das bebende weltwirtschaftliche Parkett will, dann kann ich nur sagen: Hals- und Beinbruch! Wenn wir demokratische Sozialistinnen und Sozialisten im Vorjahr wie auch heute wieder anmahnen, Regionalisierung des Wirtschaftens in den Mittelpunkt der Politik - von den Steuern bis zur Fördermittelvergabe - zu stellen, dann fühlen wir uns natürlich durch die Börsen bestätigt. Viel wichtiger ist aber, daß nur so dauerhafte neue Arbeitsplätze tatsächlich entstehen, daß nur so die Binnennachfrage als wichtigstes Lebenselexier jeder Volkswirtschaft angekurbelt und daß nur so der mit Rücksicht auf die künftigen Generationen überlebenswichtige ökologische Umbau endlich ernsthaft begonnen wird. Mit Aufmerksamkeit habe ich registriert, daß die Sozialdemokraten für ihre Version des heute anberatenen Bundeshaushaltes ein 100 000-SonnendächerProgramm versprechen. Ich erinnere mich noch allzu gut daran, daß in den vergangenen Haushaltsberatungen solche Vorschläge, die Arbeit bringen und Umwelt schonen, keineswegs zum Repertoire sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik, wohl aber dem der PDS gehörten. Im Gegenteil: Noch für den Haushalt 1998 vereinten Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, bei der von uns vorgeschlagenen drastischen Aufstockung der Fördermittel zur Nutzung erneuerbarer Energien trotz gesicherter Gegenfinanzierung in ihrer Ablehnung zur übergroßen Koalition mit CDU/CSU und F.D.P. Damit Sie nach dem 27. September nicht an programmatischem Gedächtnisschwund leiden, werden wir von der PDS Ihnen dann aber gern auf die Sprünge helfen. Und den Bündnisgrünen sicher auch - falls sie dann, anders als im Vorjahr, im Ausschuß mal da sein sollten. Diese Hilfestellung durch uns scheint mir auch bei einem weiteren unverzichtbaren Projekt der beiden selbsternannten Garanten für einen Wechsel vonnöten: dem Ausstieg aus der Atomenergie. Herr Schröder will zwar nur im Konsens, Herr Fischer und die Seinen zwar erst mal nur über Länderhoheit beim Atomgesetz - aber immerhin versprechen beide, damit zu starten. Wenn es ihnen ernst ist - und zumindest für die Bündnisgrünen dürfte es ja eine Existenzfrage sein -, dann starten sie nicht nur, sondern landen sie gleich: beim sofortigen Ausstieg. Nimmt man alle AKW vom Netz, so geht in Deutschland wegen der vorhandenen Überkapazitäten dennoch keine Lampe aus. Andererseits müßte mittlerweile jeder begriffen haben, daß beispielsweise Transrapid und Expo 2000 wirtschaftlich folgen-, aber finanziell bodenlose Prestigeprojekte sind. Statt solche weiter zu päppeln, nehmen Sie 7 bis 11 Milliarden Mark, und finden Sie damit die Stromgiganten ab! Mehr können diese nach seriösen Untersuchungen, zum Beispiel des DIW, auch im schlimmsten Falle nicht als Entschädigung verlangen. Mit diesen maximal 11 Milliarden Mark öffentlicher Gelder würden schließlich zugleich rund 100 Milliarden privaten Kapitals mobilisiert - zum Abbau und konventionellen Ersatz für die dann 26 Atomruinen in Deutschland. So hätten nicht nur die gigantischen, bisher steuerfreien Rückstellungen der Energiekonzerne endlich ihren Sinn gefunden. Das wäre vor allem ein weiteres echtes Zukunftsinvestitionsprogramm, in Arbeitsplätze und Umwelt gleichermaßen. Darüber hinaus mit einer Effizienz von Steuergeldern, die - gemessen an Ostseewerften Lenna oder Dow Chemical - geradezu traumhaft günstig ist. Schlagen Sie bei dieser Aufgabe also nicht nur Schaum - machen Sie Nägel mit Köpfen! Allerdings habe ich sowohl nach dem wohlfeilen Verlautbarungswahlkampf der letzten Wochen als auch nach dem heutigen Tag allerdings meine Zweifel. Es nützt weder das „Weiter so" der Koalition noch ein „Vieles wird neu - aber nichts wird anders" der SPD. Arbeit und soziale Gerechtigkeit sind ohne Umverteilung auch des Reichtums nicht zu machen. Dr. Barbara Höll (PDS): Die heutige Debatte wird ihrem Anspruch gerecht: Wir diskutieren den letzten Kohl/Waigel-Haushalt, sprich kw-Haushalt. Das bedeutet in der Kürzelsprache des Haushalts „kann wegfallen" . Die Debatte hat eindeutig belegt, daß die Vertreter der CDU/CSU und F.D.P. nur verbal die Grundprobleme der bundesdeutschen Gesellschaft zur Kenntnis nehmen. Sie habe heute nicht eine neue Idee zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit, der Beseitigung der Lehrstellenmisere und der zunehmenden sozialen Ungerechtigkeit vorgestellt. Ihre alten Konzepte, an denen sie krampfhaft festhalten, können Sie noch so schön-färberisch versuchen darzustellen, es wird immer deutlicher, Ihre Politik bedient die wirklich Vermögenden und spaltet die Gesellschaft immer stärker in oben und unten, in arm und reich. Da wir als demokratische Sozialistinnen und Sozialisten in den letzten Jahren bereits vielfältige Vorschläge zu den angesprochenen Hauptproblemen in den Bundestag eingebracht haben und diese auch über die Konzepte von SPD und Bündnisgrünen hinausgehen, möchte ich mich jetzt auf unser Konzept zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit konzentrieren. Die PDS fordert zum einen die substantielle Verkürzung der Arbeitszeit. Heute und in Zukunft wächst die Produktivität dank moderner Technologien so schnell, daß immer weniger Menschen in immer kürzerer Zeit immer mehr Produkte und bezahlte Dienstleistungen herstellen können. Diese Entwicklung kann niemand aufhalten. Sie ist sogar eine große Chance. Aber wir ziehen daraus die Folgerung: Wenn dem so ist, dann sollen alle mehr Freizeit haben - nicht die einen steigenden Leistungsdruck, massenhaft Überstunden und die anderen Arbeitslosigkeit oder unsichere und nicht sozialversicherte stundenweise Jobs. Die moderne Entwicklung verlangt geradezu nach einer gerechteren Verteilung der Arbeit. Das geht nur über Arbeitszeitverkürzung. Die PDS hält es zum anderen in absehbarer Zeit selbst bei Arbeitszeitverkürzung für unmöglich, daß die Privatwirtschaft und der öffentliche Dienst in der Lage sind, fünf bis sieben Millionen Arbeitsplätze - so viele fehlen in Deutschland - zusätzlich zu schaffen. Daraus ziehen wir die Folgerung: Neben Privatwirtschaft und Staatsdienst wird in der Wirtschaft ein dritter Sektor gebraucht, nicht mit ABM, sondern mit normalen Beschäftigungsverhältnissen. Das ist ein Wirtschaftssektor, in dem nicht der Profit das eigentliche Ziel ist - die Amerikaner nennen so etwas Nonprofit-sector -, sondern in dem viele der humanitären, ökologischen, kulturellen, sozialen Aufgaben bewältigt werden, die heute zum großen Teil unerledigt bleiben. Die Unternehmen dieses Sektors müßten 25 bis 30 Prozent Zuschuß zu dem erhalten, was sie selbst erwirtschaften. Aber damit wäre das Geld weit sinnvoller angelegt als gegenwärtig zur Finanzierung von Arbeitslosigkeit, die jährlich 180 Milliarden DM verschlingt. Die PDS drängt zum dritten darauf, die sogenannten Lohnnebenkosten durch eine Wertschöpfungsabgabe zu ersetzen. Gegenwärtig ist es so, daß die Unternehmen die Lohnnebenkosten nach der Zahl der Beschäftigten und der Höhe der Bruttolöhne zu zahlen haben. Je weniger Mitarbeiter und je geringere Bruttolöhne, desto weniger werden sie zur Kasse gebeten. Anders gesagt: Entlassungen und Lohnminderungen werden belohnt. Wir wollen, daß die Unternehmen nach der Höhe des Betriebsergebnisses, des Gewinns und der Wertschöpfung ihren Beitrag leisten sollen, unabhängig von der Zahl der Beschäftigten und der Bruttolöhne. Betriebe mit hoher Wertschöpfung und wenig Beschäftigten - Banken, Versicherungen, hochautomatisierte Fabriken - müßten dann mehr zahlen als bisher, Klein- und Mittelbetriebe mit relativ geringer Wertschöpfung und vielen Mitarbeitern dagegen weniger. Das wäre gerechter als die bisherige Lösung und würde vor allem die Schaffung von Arbeitsplätzen und nicht ihre Vernichtung belohnen. Beispielsweise könnte der Kleinhändler an der Ecke leichter eine Verkäuferin einstellen, ohne befürchten zu müssen, daß ihn die Lohnnebenkosten überfordern. Das sind nur drei wichtige Aspekte des PDS-Konzepts zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit. Es geht dabei natürlich auch um die gerechte Verteilung der Arbeit zwischen Männern und Frauen, um Ökologie, um die Wende zu einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Wirtschaft, kurz: um das Anpacken der wichtigsten Probleme, die von der modernen Entwicklung der Produktivkräfte aufgeworfen werden. Die PDS steht für soziale Gerechtigkeit ohne Wenn und Aber. Wir wollen Armut bekämpfen, indem wir Reichtum begrenzen, nicht Arme ausgrenzen. Dazu bedarf es natürlich des politischen Willens zu einer gerechten Umgestaltung des Steuer- und Abgabensystems, unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Wir haben diesen Willen und sind deshalb auch nicht wie die anderen Parteien pessimistisch, die wegen angeblicher Sachzwänge den gegenwärtigen Zustand für alternativlos halten. Wir sehen klare Alternativen. Das betrifft nicht nur die Überzeugung, daß Massenarbeitslosigkeit und soziale Unsicherheit überwunden, eine sozial-ökologische Wende zur Nachhaltigkeit eingeleitet werden können. Das drückt sich auch direkt in den Forderungen für die Jugend aus, genauer gesagt, in den Forderungen der Jugend, die sich die PDS insgesamt zu eigen gemacht hat. Wir vertreten konkrete Vorschläge für die Überwindung von Ausbildungsplatzmangel und Jugendarbeitslosigkeit, für das verfassungsmäßige Recht auf berufliche Erstausbildung, für die Modernisierung der Berufsausbildung, für gleiche Bildungschancen aller Kinder und Jugendlichen, egal welcher Herkunft, aus welchen sozialen Verhältnissen. Wir wollen eine demokratisch reformierte Hochschule ohne Studiengebühren und Zwangsexmatrikulationen. Wir fordern Räume und Freiräume für die Jugendlichen, zum Beispiel ganz konkret für jeweils 1000 Jugendliche einen Jugendclub, den sie selbst gestalten können. Vor allem aber: Junge Menschen sollen selbst Politik machen, ihre Sichtweisen einbringen, ihre Interessen wahrnehmen. Deswegen unterstützt die PDS Kinder- und Jugendparlamente mit realen Mitwirkungsrechten, Jugendinitiativen und alternative Jugendprojekte. Die PDS ist die einzige Partei, die konsequent und umfassend ostdeutsche Interessen und ostdeutsches Selbstbewußtsein vertritt. Wir jammern nicht, und wir fordern nicht, daß Ostdeutschland noch mehr Geld bekommen müßte. Wir fordern, daß die Ostdeutschen endlich mehr geben können: durch mehr Arbeitsmöglichkeiten, dadurch, daß der große Wert ihrer anderen Lebensläufe und anderen Erfahrungen für die ganze Republik genutzt wird, durch Gleichberechtigung und durch reale Mitwirkungsmöglichkeiten an der Gestaltung des Gemeinwesens. Wir wollen nicht, daß die neuen Bundesländer zur Peripherie Deutschlands werden, zu einer Art Süditalien, mit Massenarbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit für Frauen und junge Leute, vermindertem Eigentumsschutz, diskriminierenden Rentenregelungen und Einstellungsbarrieren. Wir wollen, daß der Osten endlich als Chance begriffen wird. Dabei geht es uns nicht nur um die Region, sondern um dauerhaften Nutzen für das ganze Land. Denn wenn der Osten nicht auf eigene Füße kommt, wird der Westen schnell in Atemnot geraten. Es zeigt sich doch immer deutlicher: Die Schwierigkeiten des Ostens sind nur die zugespitzten Probleme des Westens. Bisher war der Osten das Experimentierfeld für Sozialabbau, Einschränkung demokratischer Rechte, Knebelung der kommunalen Selbstverwaltung. Wir sagen: Wenn schon Experimentierfeld, warum dann nicht für den Einstieg in eine neue, sozial gerechte und ökologisch verantwortliche Politik, ohne die es ohnehin für ganz Deutschland keine lebenswerte Perspektive gibt! Deshalb schlägt die PDS für die neuen Bundesländer mit dem „Rostocker Manifest" ein Pilotprojekt Ost „Gerechtigkeit und Entwicklung" vor. Es ist das einzige wirklich alternative, umfassende Programm, das von der Wirtschaft über die Eigentumsfragen bis zu modernen Demokratievorstellungen und zur Wissenschaft und Kultur den gesamten gesellschaftspolitischen Bereich erfaßt, dem Nutzen der ganzen Republik dient und die Chance bietet, die neuen Bundesländer zu einer europäischen Zukunftsregion zu entwickeln. All das hat nichts mit Ostalgie zu tun. Unser Verhältnis zur Vergangenheit, zur DDR ist klar: Wir werden nicht zulassen, daß die Leistungen der Menschen in der DDR gering geschätzt, ihre Biographien verachtet werden. Wir werden aber auch jeder Verklärung der DDR entgegentreten; denn schließlich ist sie wegen ihrer großen Defizite an Demokratie und Emanzipation gescheitert, und niemand will dorthin zurück. Die SED hat früher alles in der DDR hochgejubelt. Die Bundesregierung versucht heute, alles in den Dreck zu treten. Wir bleiben bei einer differenzierten Bewertung und werden uns weiter darum bemühen. Die demokratischen Sozialistinnen und Sozialisten erwiesen sich als die konsequenteste Opposition der Regierung Kohl. Die konsequent kritische Haltung werden wir beibehalten. Egal, ob rotgrüne oder große Koalition, kritischer Druck von links ist auch im 14. Deutschen Bundestag bitter nötig. Wir werden uns dieser Aufgabe stellen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Lieber Herr Diller, wenn Sie einen guten Berater gehabt hätten, dann hätte er Ihnen dringend von dieser Intervention abgeraten.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Denn wenn er eine Erblast ist, dann bringe ich ihn doch nicht zusammen mit einer bescheidenden Ergänzung wieder ein, sondern lehne ihn ab und bringe einen eigenen Haushalt ein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Nein, meine Damen und Herren, Sie beweisen damit, daß wir die Zahlen auf realistischer Basis darstellen und dies das Programm für die Zukunft ist.

    (Hannelore Rönsch [Wiesbaden] [CDU/ CSU]: Da hat er recht!)

    Bei der regionalen Wirtschaftsförderung stehen zusammen mit Ländermitteln und Strukturfondsmitteln der Europäischen Union für Neuzusagen 1999 knapp 6 Milliarden DM zur Verfügung. Mit rund 3,2 Milliarden DM werden die Bereiche Wissenschaft, Forschung und Bildung in Ostdeutschland unterstützt.
    Der Aufbau Ost gehört schon heute zu den beeindruckenden Erfolgsgeschichten unseres Jahrhunderts. Das denkt nicht nur das Ausland, das denken auch die Menschen in den neuen Ländern.
    Meine Damen und Herren, es bewegt mich immer tief, wenn ich mit den Menschen in Ostdeutschland spreche und sehe, wie viele auf mich zukommen und sich bei allen deutschen Steuerzahlern für die großartige Leistung bedanken, die gerade in den neuen Ländern erbracht worden ist. Das wird selten transportiert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Bürger in den neuen Ländern können auf ihre Aufbauleistung und die Bürger im Westen können auf ihre Solidarität stolz sein. Die Menschen in Ost und West haben in den letzten acht Jahren bewiesen: Wir Deutsche sind ein Volk.
    1992 hat Herr Schröder bei der fortdauernden Aufbauhilfe Ost vor einem Aufstand im Westen gewarnt. Er hat etwas bemerkenswert Zynisches gesagt, wörtlich: „Wir können die ja schließlich nicht an Polen abtreten" - so in der „Leipziger Volkszeitung" vom 15. Januar 1996.
    Wer 1992 und 1996 noch so etwas von sich gegeben hat, hat im Jahr 1998 jedes Recht verwirkt, uns zu kritisieren und in den neuen Bundesländern zu sagen, es sei zuwenig geschehen und das, was geschehen sei, sei nicht richtig. Das lassen wir uns nicht gefallen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ein weiterer Schwerpunkt des Haushaltsentwurfs 1999 ist Bildung, Wissenschaft und Forschung. Die Mittel in diesem Bereich steigen von 14,9 Milliarden DM im Jahr 1998 auf 15,4 Milliarden DM im Jahr 1999 und damit um 3,4 vom Hundert. Im Mittelpunkt

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    steht neben der verstärkten Förderung des Hochschulbereichs eine effiziente Forschungs- und Technologieförderung einschließlich der Stärkung einer leistungsfähigen Forschungsinfrastruktur. Auch die Ansätze für das Meister-BAföG werden erhöht. Zum Besten, was uns in dieser Legislaturperiode gelungen ist, gehört, daß künftig der Geselle, der Meister werden will, genauso BAföG-Leistungen bekommt wie der Abiturient, der auf die Hochschule oder auf die Universität geht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Danke, Theo!)

    Dem SPD-Kanzlerkandidaten geht die Anhebung der Mittel für die Bereiche Bildung, Forschung und Technik nicht weit genug. Er schlägt eine Verdoppelung der Ausgaben innerhalb von fünf Jahren vor. Sehr gut! Von der Sache her würde man da eigentlich kaum zu widersprechen wagen. Fraglich ist nur die Glaubwürdigkeit der Schröderschen Versprechen.

    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Hat er in Niedersachsen alles schon geübt!)

    Denn Tatsache ist: Der Ministerpräsident Schröder hat die Unterrichtsversorgung im Land Niedersachsen massiv vernachlässigt.

    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Bildungsurlaub ! )

    Niedersachsen verfügt über die schlechteste Unterrichtsversorgung aller Bundesländer.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

    Bereits im Jahr 1994 wies der Landeselternrat darauf hin - ich zitiere aus der Pressemitteilung des Landeselternrats vom 12. Dezember 1994 -:
    Die Eltern des Landes Niedersachsen verfolgen fassungslos die Entwicklung der Schul- und Bildungspolitik Niedersachsens. Das Vertrauen in ein verantwortungsbewußtes Handeln der Landesregierung ist zutiefst erschüttert.
    Meine Damen und Herren, Herr Schröder sollte doch endlich im eigenen Land das tun, was er tun könnte, bevor er hierherkommt und uns Lehren erteilt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Forschungsausgaben des Landes Niedersachsen wurden nämlich zusammengestrichen, und die Mittel für die Technologieförderung wurden von 80 Millionen DM im Jahre 1990 auf nur noch 50 Millionen DM im Jahr 1998 reduziert.
    Diese Entwicklung zeigt mit aller Deutlichkeit, wie man mit Fakten die Glaubwürdigkeit von jemandem beweisen kann. Der Vergleich dieser Daten erweist, daß der SPD-Kanzlerkandidat nicht glaubwürdig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wichtig für den Standort Deutschland ist eine moderne Infrastruktur.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So etwas!)

    Für Ausbau und Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur stehen 500 Millionen DM mehr als in diesem Jahr zur Verfügung. Mit insgesamt 42,9 Milliarden DM steigt der Verkehrsetat 1999 um 0,7 vom Hundert gegenüber dem Vorjahr an.
    Die Aufwendungen für die aktive Arbeitsmarktpolitik im Bundeshaushalt und im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit werden 1999 eine Größenordnung wie im laufenden Jahr erreichen. Der erforderliche Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit geht angesichts der Wende auf dem Arbeitsmarkt von 14,1 Milliarden DM im Jahr 1998 um 3,1 Milliarden DM auf 11 Milliarden DM im Jahre 1999 zurück. Dies zu kritisieren und zu beklagen, das ist schon ein starkes Stück. Das ist das Ergebnis einer günstigen Arbeitsmarktentwicklung. Dafür sollten wir dankbar sein und sollten es nicht kritisieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der Ansatz für Arbeitslosenhilfe bleibt allerdings mit 28 Milliarden DM im Jahr 1999 auf hohem Niveau. Hier macht sich die Verbesserung am Arbeitsmarkt erst allmählich bemerkbar.
    Die Gesamtaufwendungen des Bundes für die Altersversorgung der Arbeiter und Angestellten sowie die knappschaftlich Versicherten erhöhen sich dagegen um 14 Milliarden DM auf rund 104 Milliarden DM. Wenn ich dann noch Ausgaben für die landwirtschaftliche Alterskasse dazurechne, komme ich zu dem Ergebnis, daß wir mehr als 110 Milliarden DM im Bundeshaushalt für diesen Bereich ausgeben. Das sind weit mehr als 22 Prozent aller Bundesausgaben. Dies zeigt in aller Deutlichkeit: Wir stehen für die Freundschaft zwischen den Generationen. Wir stehen für die älteren Menschen ein; sie können sich auf uns verlassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ein Wort in diesem Zusammenhang zu den Pensionen der Postbeamten: Für die Pensionäre der Post kommt es nicht darauf an, ob in den einzelnen Jahren die Abführungen der Postnachfolgegesellschaften ausreichen oder nicht. Die Pensionen sind staatlich garantiert, und dafür stehe ich ein.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja, ja, ja!)

    Insgesamt ist ein Anstieg der Sozialausgaben im Bundeshaushalt auf rund 190 Milliarden DM zu verzeichnen. Das zeigt, wie inhaltsleer, wie töricht und wie falsch das Gerede vom Sozialabbau ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, in der Steuerpolitik hat die Bundesregierung frühzeitig und konsquent für die Zukunftsfähigkeit des Standorts Deutschland gesorgt. Wir haben eine dreistufige Reform der Unternehmensbesteuerung umgesetzt. Die dritte Stufe ist seit Jahresanfang in Kraft. Die arbeitsplatzvernichtende Gewerbekapitalsteuer wurde abgeschafft; in den neuen Bundesländern brauchte sie Gott sei Dank erst gar nicht eingeführt zu werden. Alle drei Stufen wurden gegenfinanziert, um die Erfolge unserer Haushaltskonsolidierung nicht zu gefährden.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Gezielt wurden Steuervergünstigungen und steuerliche Sonderregelungen im Unternehmensbereich abgebaut. In den letzten Jahren waren es insgesamt mehr als 50 Milliarden DM. Es ist absurd, wenn uns die SPD vorwirft, wir hätten die Unternehmen einseitig entlastet. Richtig ist: Mit dem Jahressteuergesetz 1996 haben wir das Existenzminimum verfassungskonform steuerfrei gestellt. Der Grundfreibetrag beträgt in diesem Jahr rund 12 400 DM und steigt ab 1999 auf rund 13100 DM. Immer mehr Arbeitnehmer mit geringem oder mittlerem Einkommen zahlen so weniger oder gar keine Einkommensteuer.
    Wir haben die finanzielle Situation der Familien nachhaltig verbessert. In diesem Jahr erreichen die steuerlichen Entlastungen und Geldleistungen für die Familien fast 77 Milliarden DM. Das sind fast 50 Milliarden DM mehr als 1982.
    Seit 1997 ist die Vermögensteuer weggefallen. Die Vermögensteuer belastete zu rund 60 Prozent Betriebsvermögen und damit vor allem die Arbeitsplätze. Eine weitere Arbeitsplatzvernichtungssteuer ist damit beseitigt. Außer den Sozialdemokraten in Deutschland gibt es niemanden mehr in Europa, der eine arbeitsplatzfeindliche Vermögensteuer einführen oder auch nur behalten wollte. Das stellt Sie, meine Damen und Herren von der SPD, doch ins Abseits.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Völliger Quatsch!)

    Mit dem Jahressteuergesetz 1997 haben wir dann die Erbschaft- und Schenkungsteuer wirtschafts- und sozialverträglich geregelt. Die private Vermögensteuer ist vor allem aus Gründen der Steuervereinfachung mit der Erbschaft- und Schenkungsteuer zusammengefaßt worden.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wie hängt das denn zusammen?)

    Die SPD will die private Vermögensteuer als Sozialneidsteuer wieder einführen. Das bringt nichts ein.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Doch!)

    Die Steuer zu erheben ist viel zu aufwendig, und sie führt zu kaum kontrollierbaren Tricksereien zwischen Privat- und Betriebsvermögen. Eine solche Alibisteuer, die nur schädlich für die Volkswirtschaft und die Arbeitsplätze wäre, lehnen wir ab.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der nächste steuerpolitische Schritt ist die große Steuerreform. Sie wird unmittelbar nach der Wahl kommen, eingebracht von dieser Koalition. Es ist auch möglich, durchzusetzen, daß es schon ab dem 1. Januar 1999 weniger Steuern geben kann. Im Blick auf den Investitionsstandort Deutschland soll eine erste spürbare Entlastung schon zum 1. Januar 1999 wirksam werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die verbleibenden Reformelemente können dann ab dem Jahr 2000 in Kraft treten. Dabei muß das Gesamtpaket in einem Gesetz verabschiedet werden.
    Mit dem zeitgleichen Signal zum 1. Januar 1999 unterstreichen wir: Deutschland geht als konkurrenzfähiger Steuerstandort in die Euro-Zukunft. Das wird die Investitionsentscheidungen ab sofort positiv beeinflussen. Wir schaffen vor allem Vorsorge für die Stärkung der inländischen Wirtschaftsentwicklung angesichts beachtlicher weltwirtschaftlicher Risiken und Gefahren, die vor allem von Asien und von Rußland ausgehen.
    Vorrangig zum 1. Januar 1999 sind folgende Elemente: Der Höchstsatz für gewerbliche Einkünfte und der Körperschaftsteuersatz für einbehaltene Gewinne sollen von 47 bzw. 45 Prozent auf 40 Prozent, der Körperschaftsteuersatz für ausgeschüttete Gewinne soll von 30 Prozent auf 28 Prozent gesenkt werden. Damit erreichen wir eine erhebliche Annäherung an das niedrigere internationale Niveau der betrieblichen Steuerbelastung, die für Standortentscheidungen von entscheidender Bedeutung ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der Eingangssteuersatz in der Lohn- und Einkommensteuer soll von derzeit knapp 26 Prozent auf nahe 20 Prozent und der Höchststeuersatz von derzeit 53 auf 47 bis 48 Prozent reduziert werden. Am unteren Ende der Einkommens- und Steuerskala wird damit der Anreiz zur Arbeit deutlich verstärkt und der Übergang vom Transfereinkommen erleichtert. Alle Steuerzahler werden von dieser Tarifanpassung profitieren.
    Die gleichgewichtige Entlastung im obersten Tarifbereich kappt die extrem hohe Belastung der Leistungsspitzen. Sie ist im übrigen unverzichtbar, um die Entlastung der gewerblichen Einkommen verfassungsgemäß sicherstellen zu können.
    Das gesamte Bruttoentlastungsvolumen von gut 20 Milliarden DM wollen wir zur Hälfte durch das Schließen von Steuerschlupflöchern und durch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage gegenfinanzieren. Damit verbleibt eine echte Nettoentlastung von rund 10 Milliarden DM, die allen Steuerzahlern - Privaten und Betrieben - zugute kommt.
    Wir wollen die günstige wirtschaftliche Entwicklung der letzten Monate nutzen, um diese Nettoentlastung ohne Erhöhung der Kreditaufnahme zu finanzieren. Art. 115 des Grundgesetzes und das Maastricht-Defizitkriterium bleiben unangetastet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das ist realistisch, weil die gute Wirtschafts- und die sich verbessernde Arbeitsmarktlage die öffentlichen Haushalte entlasten. Die deutlich entspannte Arbeitsmarktlage kann das Bundesdefizit bei rund 100 000 Arbeitslosen weniger um insgesamt rund 3 Milliarden DM senken. Das extrem niedrige Zinsniveau hält die Zinsausgaben gering. Die Steuereinnahmen haben sich wieder deutlich erhöht. Im übrigen wird die frühzeitige Steuerentlastung über verstärktes Wachstum zur Einpassung in die Konsolidierungslinie auch selbst beitragen.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Auf der Grundlage der bereits vorliegenden Reformgesetze wollen wir die Gesetzgebung möglichst vor dem 1. Januar 1999 abschließen. Wir wollen über die Verwirklichung der gesamten Petersberg-Reform in direktem Zusammenhang mit der ersten Stufe entscheiden.
    Wir wollen insgesamt eine Nettoentlastung von 30 Milliarden DM. Wir wollen nicht, wie die SPD, nur einen kleinen Personenkreis geringfügig entlasten, sondern alle, die Familien ebenso wie die Facharbeiter, Angestellte, Handwerker, Selbständige und Betriebe.
    Wir wollen nach Abschluß der Steuerreform einen Eingangsteuersatz von 15 Prozent, einen Körperschaftsteuersatz von 35 Prozent für einbehaltene und 25 Prozent für ausgeschüttete Gewinne, einen Steuersatz auf gewerbliche Einkünfte von 35 Prozent und einen Höchststeuersatz von 39 Prozent. Zahlreiche Steuervergünstigungen werden dafür wegfallen; für viele Steuersparmodelle bedeutet unsere Steuerreform das endgültige Aus.
    Meine Damen und Herren, wenn Sie es mit dem Standort Deutschland ernst meinen, wenn Sie etwas für die Arbeitslosen tun wollen und wenn Sie es mit der entscheidenden Rückführung der Arbeitslosigkeit ernst meinen, dann sind Sie aufgefordert, spätestens nach dem 27. September - dann werden Sie die Opposition, wir die Regierung sein - mit uns zusammenzuarbeiten, damit bereits zum 1. Januar 1999 ein entscheidender Schritt getan werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das sogenannte Steuerprogramm der SPD ist reiner Populismus. Es verspricht der Durchschnittsfamilie eine steuerliche Entlastung um jährlich 2 500 DM. Diese Größenordnung hätten wir mit dem Steuerreformgesetz schon längst erreicht. Eine Familie mit zwei Kindern und einem Bruttojahresverdienst von 70 000 DM wäre schon heute um diese Summe entlastet. Die SPD windet sich, wenn es um die Details und die Finanzierung geht. Darüber schweigt sie sich weiterhin beharrlich aus. Nur, das Spiel ist leicht zu durchschauen: Allen wird alles versprochen. Das Motto lautet: Bloß nicht konkret werden. Immer wenn der SPD-Kanzlerkandidat konkret wurde, dann fiel er voll auf die Nase. Lafontaine ist für die Entlastung der niedrigen Einkommen zuständig, die Zeche dafür sollen die Unternehmen zahlen; Schröder ist für den Schmusekurs mit den Unternehmen zuständig, die zuvor von Lafontaine geschröpft worden sind.
    Das Wahlprogramm der SPD enthält noch eine andere Nebenbedingung. Die SPD stellt ihr gesamtes Programm sowieso unter einen Finanzierungsvorbehalt. Wenn die SPD die knappen Mittel des Haushalts für neue Wohltaten, für Umverteilung oder für die Beseitigung der Defizite der Sozialversicherung braucht, fallen die Steuerversprechen der SPD allesamt wie ein Kartenhaus zusammen. Es paßt bei Ihnen nichts zusammen.

    (Widerspruch bei Ministerpräsident Oskar Lafontaine [Saarland])

    Der Bürger muß wissen: Wer SPD wählt, wählt am Ende Steuererhöhungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die SPD hat eine Mindeststeuer ins Gespräch gebracht. Alle Experten kommen zu demselben Schluß: Die Mindeststeuer ist ein völlig ungeeignetes Instrument zur Verbesserung der Steuergerechtigkeit. Diese Idee kann nur von jemandem kommen, der die Grundprinzipien des Steuerrechts in Frage stellen will. Mit dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Wahrung des objektiven Nettoprinzips hat eine Mindeststeuer nichts mehr zu tun. Das einzige Ergebnis ist eine unverantwortliche Komplizierung des Steuerrechts.
    Wer die Gestaltungsmöglichkeiten der sogenannten Abschreibungskünstler treffen will, muß das Problem an der Wurzel packen. Volkswirtschaftlich unsinnige Steuervergünstigungen und steuerliche Sondertatbestände müssen aufgehoben werden. Das entspricht dem Konzept der Petersberger Steuervorschläge.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Für die Besteuerung der gewerblichen Einkünfte schlägt die SPD ein sogenanntes Optionsmodell vor. Das ist nun wirklich ein ganz alter Hut aus der Mottenkiste, der bereits Anfang der 50er Jahre wegen praktischer Undurchführbarkeit abgeschafft werden mußte.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist wahr!)

    Rechtspraxis und Rechtsentwicklung der vergangenen Jahre sind offenbar an der SPD vorbeigegangen. In der Gesamtschau ist der Steuertorso der SPD - von einem Konzept kann man ja wohl nicht sprechen - völlig unbrauchbar, um in einer globalisierten Weltwirtschaft und in einem scharfen Wettbewerb zu bestehen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Einem Steuerdumping innerhalb der EU werden wir weiter energisch entgegentreten. Teilerfolge haben wir schon erreicht.

    (Zuruf von der SPD: O ja!)

    Auf unsere Initiative hin wurde am 1. Dezember 1997 ein Verhaltenskodex zur Bekämpfung unfairer Wettbewerbspraktiken im Bereich der Unternehmensteuern verabschiedet. Der faire Wettbewerb der Steuersysteme und damit die freie Standortwahl der Unternehmen bleiben erhalten, aber steuerliche Anreize zur bloßen Gewinnverlagerung werden verschwinden.
    Ganz anders steht es mit den Ideen Oskar Lafontaines und der SPD zu Absprachen in der Makro-, Struktur- oder Währungspolitik auf europäischer oder internationaler Ebene. Oskar Lafontaine fordert ein Festkurssystem zwischen Dollar, Yen und Euro. Im „Startprogramm" steht die nebulöse Idee von internationalen Übereinkünften in allen möglichen Bereichen: bei der Beschäftigung, im Sozial- oder im Umweltbereich. Aber ein globales Festkurssystem kann doch nicht funktionieren. Man stelle sich ein-

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    mal vor, die Europäische Zentralbank müßte mit massiven Interventionen den Yen-Wechselkurs stützen und würde dabei die Preisstabilität im Euro-Raum aufs Spiel setzen. Meine Damen und Herren von der SPD, Herr Lafontaine, an Ihnen ist die ganze internationale Wirtschaftspolitik der letzten zehn, fünfzehn Jahre vorübergegangen. Es geht darum, daß jedes Land seine Anpassungsprozesse vollzieht, daß die notwendige Konvergenz hergestellt wird. Sie können nicht mit Hilfe von Interventionen das wettmachen, was in bezug auf die Anpassung der Volkswirtschaften vorher nicht erfolgt ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich sage es hier noch einmal: Wir setzen auf eine Senkung der deutschen Nettobeiträge an die Europäische Union. Ich halte das für richtig und für vertretbar. Nicht nur die Länder, die davon betroffen sind, auch andere wie Luxemburg und die Kommission haben es zwischenzeitlich begriffen: Wir sind ein solidarisches Land in Europa und in der Welt; aber auf die Dauer kann und wird Deutschland nicht 60 Prozent der Nettobeiträge an die EU entrichten können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, um uns herum in der Welt brodelt es. Die Krise in Ostasien ist noch längst nicht überwunden. Japan befindet sich nicht nur in der Rezession, sondern in einer schweren Strukturkrise. Andere Regionen leben in akuter Anstekkungsgefahr. Die Vereinigten Staaten werden vom internationalen Terrorismus attackiert und konzentrieren sich natürlich auf ihre eigenen Aufgaben.
    Rußland wird nur mit erheblichen eigenen Anstrengungen wieder auf die Beine kommen. Deutschland hat ein unmittelbares Interesse an Rußlands politischer und wirtschaftlicher Stabilität. Nur wenn es gelingt, die russische Volkswirtschaft zu stabilisieren, wird Rußland auf Dauer als verläßlicher Partner an der Erhaltung des Friedens in Europa und der Welt mitwirken können. Rußland ist reich an Ressourcen. Es kann eine starke Wirtschaft aufbauen, wenn es entschlossen den Weg der marktwirtschaftlichen Reformen weitergeht. Wenn Rußland Reformen wirklich will, dürfen seine Anstrengungen nicht an mangelnder Unterstützung scheitern. Das ist die verantwortungsvolle Position der Bundesregierung, seit Präsident Jelzin 1992 in München erstmals am Wirtschaftsgipfel der G 7 teilgenommen hat.
    Meine Damen und Herren, wo stünden wir eigentlich, wenn die weltbewegenden Ereignisse seit 1990, die gerade von Helmut Kohl entscheidend mit herbeigeführt wurden, nicht stattgefunden hätten, wenn wir heute diese Beziehungen zu Rußland nicht hätten? Was wäre, wenn heute noch 500 000 oder 600 000 russische Soldaten mit all den Waffen hier ständen? Wie glücklich und wie gut ist es, daß wir diese Entwicklung in Deutschland und in Europa erreicht haben, in der EU, mit der NATO, daß es freundschaftliche Beziehungen zu Rußland, allen anderen europäischen Staaten und den Vereinigten Staaten gibt! Noch nie zuvor in seiner Geschichte war Deutschland von Freunden und Partnern umgeben und hatte mit fast allen wichtigen Mächten in Europa und in der Welt ein so gutes Verhältnis. Das ist die große Leistung von Helmut Kohl, von CDU/ CSU und F.D.P.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Großer Kohl, wir loben dich! Herr, wir preisen deine Stärke!)

    Noch geht es uns Deutschen und den Europäern trotz aller Probleme und Aufgaben besser als anderen. Dafür spricht nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung. Dazu kommt der Erfolg unserer Europapolitik. Die Euro-Zone ist schon jetzt zu einem Stabilitätspol geworden. Die Geldanleger stellen zu immer niedrigeren Zinsen Kapital in Europa zur Verfügung und erleichtern damit die Investitionen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das war aber nur ein kurzes Lob!)

    Hätten wir den Euro jetzt nicht, dann stiegen Preise und Zinsen, und die D-Mark geriete unter Aufwertungsdruck. All dies würde unseren Aufschwung gefährden.
    Meine Damen und Herren, daß heute die EuroZone, das Zentrum Europas, fast eine Insel der Stabilität und natürlich auch die Wachstumslokomotive in der Weltwirtschaft ist, ist darauf zurückzuführen, daß wir in den letzten Jahren unglaubliche Anstrengungen bei uns und nicht minder in den anderen Ländern unternommen haben, daß wir Konvergenz erreicht, Konsolidierungsmaßnahmen durchgesetzt, Strukturreformen durchgeführt und am 1. und 2. Mai dieses Jahres eine Entscheidung getroffen haben.
    Wo wären wir, wenn wir Herrn Schröder gefolgt wären, der den Euro als „kränkelnde Fehlgeburt" bezeichnet hat? Da zeigt sich, wie töricht dieser Mann geurteilt hat und daß er von den Dingen nichts, aber auch gar nichts versteht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Weltwirtschaftspolitik und Krisenbewältigung setzen internationale Erfahrung und marktwirtschaftliche Kompetenz voraus. Für sozialistische Experimente und rotgrüne Versuchsballons sind Deutschland und Europa zu schade.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Gebraucht werden Welterfahrung, klare Führung, Verläßlichkeit - kurz: ein Fels in der Brandung, ein Lotse, kein Segel, das sich nach jedem Lüftchen dreht -: Das, meine Damen und Herren, ist Helmut Kohl.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Lachen und Widerspruch bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

    Der Bundeshaushalt 1999 und der Finanzplan bis 2002 zeigen deutlich: Die Koalition von CDU/CSU und F.D.P. hat die richtigen finanzpolitischen Konzepte. Sie wird diese Konzepte in konkrete Politik zum Wohl unseres Landes umsetzen. Die Oppositi-

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    onsparteien, allen voran die SPD und der Kanzlerkandidat, können keine schlüssigen und erst recht keine finanzierbaren Konzepte vorweisen. Ihnen fehlt die Kraft und die Geschlossenheit, Reformen erfolgreich voranzubringen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, Deutschland steht vor der Wahl.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    - Ich sage Ihnen eins: Wahlen sind bisher immer beim Wahlgang und nicht bei Umfragen entschieden worden. Sie werden sich wundern.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das hat letztes Mal der Kanzler in einem Interview gesagt, wo hauptsächlich ihr euch gewundert habt!)

    Wir haben Sachargumente, Sie haben Slogans. Wir haben ein Programm, Sie machen PR. Wir haben konkrete Maßnahmen, Sie haben leere Worte. Wir haben einen Kanzler, Sie haben einen Kandidaten. Dabei bleibt es.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es geht um eine Richtungsentscheidung für das 21. Jahrhundert: Fortschritt oder Rückschritt, Stabilität oder Krise, Aufschwung oder Stagnation, Wachstum oder Umverteilung, Markt oder Staat.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Zukunft oder Untergang!)

    Das Vertrauen der Bürger gewinnt man durch Klarheit und Wahrheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. Lachen und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Reiner Kunze schreibt in seinem neuen Gedichtband: Wort ist Währung, je wahrer desto härter. Wir scheuen uns nicht, den Bürgern reinen Wein einzuschenken und die Probleme zu nennen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Reines Papiergeld! Meine Damen und Herren, wir legen hier einen Haushalt für das nächste Jahr vor. In Niedersachsen ist keiner vorgelegt worden. Wir sagen, was not tut, auch wenn die Medizin manchmal schmerzt. Wir sagen aber auch, welche Chancen wir im 21. Jahrhundert haben, wenn wir unsere Tugenden ausspielen. (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Sie haben keine!)


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dazu gehören Primärtugenden und Sekundärtugenden.
    Meine Damen und Herren, Eugen Biser hat einmal angemerkt - ich nehme an, Sie werden dem nicht widersprechen, Herr Ministerpräsident -, daß Zeiten der Erschütterung immer auch die Chance beinhalten, daß die Erschütterung an der Oberfläche mit einer positiven Entwicklung im Untergrund einhergeht. Heute geht es darum, Angst zu überwinden und Vertrauen zu schaffen. Die Politik der letzten 16 Jahre, vor allen Dingen die Politik der letzten neun Jahre hat in Deutschland und Europa Angst weggenommen. Das ist eine ganz wichtige Voraussetzung für die Zukunft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir haben Vertrauen in die Grundwerte von Staat und Gesellschaft, in die Freiheit und Demokratie in einer offenen Gesellschaft, in die eigene Kraft und in die Möglichkeit, diese Zukunft zu gestalten.
    Es ist die Politik unter diesem Vorzeichen, die uns gestern stolz an 50 Jahre Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland erinnert hat. Diese Verfassungsgeschichte ist mehr als nur eine Auseinandersetzung um Wettbewerbsföderalismus, so wichtig er auch ist. Es ist eine stolze Verfassungsgeschichte, die wir mit Leben erfüllt haben. Es ist dies die Politik, die die deutsche Einheit möglich und den Aufbau der neuen Länder in Gang gebracht hat. Es ist diese Politik, die ein Europa in Frieden, Freiheit und Demokratie entscheidend vorangebracht hat. Dafür stehen wir bei den Bürgern ein, heute und morgen.
    Die Regierungskoalition von CDU/CSU und F.D.P. wird den Haushalt 1999 nach der Bundestagswahl verabschieden.
    Ich danke Ihnen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Es spricht jetzt der Ministerpräsident des Saarlandes, Oskar Lafontaine.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Oskar Lafontaine


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist üblich, am Ende einer Legislaturperiode bei Haushaltsberatungen Bilanz zu ziehen. Es war zu erwarten, daß sich der Finanzminister redlich bemüht hat, die Lage in bunten Farben darzustellen und mitzuteilen, eigentlich sei doch alles auf bestem Wege.
    Als er über den Arbeitsmarkt sprach, dachte ich, wenn er weiterredet, haben wir Vollbeschäftigung.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    In einer solchen Situation muß man aber auch bei der Wahrheit bleiben; denn was Sie hier vorgetragen haben, hat mit der Wirklichkeit in unserem Lande nichts zu tun.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Vor einer Wahl ist es gerechtfertigt, die Wählerinnen und Wähler darauf hinzuweisen, was eine Regierung zu Beginn ihrer Amtszeit versprochen hat. Jeder in Deutschland weiß, daß diese Regierung zu Beginn ihrer Amtszeit versprochen hat, die Staatsschulden zu begrenzen oder zu senken, die Steuer- und Abgabenlast zu mindern sowie die Zahl der Arbeitslosen zu reduzieren. Und jeder in Deutschland weiß, daß das Gegenteil von all dem eingetreten ist:

    (Beifall bei der SPD)

    Die Staatsschulden sind so hoch wie niemals zuvor. Die Steuer- und Abgabenlast ist nicht für alle, aber für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so hoch wie niemals zuvor. Die Arbeitslosigkeit ist bei 4,3 Millionen die höchste nach dem Kriege. - Das schönzureden ist im Grunde genommen nicht hinnehmbar. Die Wählerinnen und Wähler akzeptieren das auf Dauer auch nicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Als Helmut Kohl 1982 ins Amt gewählt wurde, sagte er wörtlich:
    Die neue Regierung ist notwendig geworden, weil sich die alte, die bisherige Regierung als unfähig erwies, gemeinsam die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, das Netz sozialer Sicherheit zu gewährleisten und die zerrütteten Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen.
    Wie schön wäre es, wenn wir heute noch die Zahlen des Jahres 1982 hätten.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    In welchem Umfang haben Sie draufgesattelt, bei Arbeitslosigkeit, bei Staatsschulden, bei Steuer- und Abgabenbelastung!

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Ihre Wirtschaftspolitik ist die eigentliche Ursache des Anstiegs der Massenarbeitslosigkeit, und wenn die Wählerinnen und Wähler Sie weiter mit der Regierungsverantwortung beauftragen, dann wird die Arbeitslosigkeit weiter steigen. Es ist nämlich nicht möglich, eine Wirtschafts- und Finanzpolitik zu betreiben, nach der, wie die Bischöfe zu Recht festgestellt haben, in Deutschland die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher geworden sind. Diese Wirtschaftspolitik rächt sich jetzt, weil wir seit Jahren eine viel zu schwache Binnennachfrage haben und weil ohne eine Stärkung der Binnennachfrage Wachstum und Beschäftigung nicht in Gang kommen können.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Daher bieten wir den Wählerinnen und Wählern eine andere Steuerpolitik an, als Sie sie bisher angeboten haben. Es war ja doch überraschend, was Sie jetzt hier vorgetragen haben, Herr Bundesfinanzminister. Es ist mir irgendwie bekannt vorgekommen: Eingangssteuersatz zunächst in die Nähe von 20 Prozent, der Höchststeuersatz zunächst einmal bei 48 Prozent, damit es nicht auffällt, daß es 49 Prozent sein sollen, und dann wird man weitersehen. Es soll ein Entlastungsvolumen von 10 Milliarden DM angeboten werden. Genau das hat Ihnen die SPD doch jahrelang angeboten! Warum kommen Sie jetzt kurz vor der Wahl auf unser Konzept, zumindest beim Tarif?

    (Beifall bei der SPD)

    Allerdings muß ich sagen, daß Sie wieder nicht genau geworden sind bei der Gegenfinanzierung. Da liegt ja dann bekanntlich die Schwierigkeit. Wenn Sie von 20 Milliarden DM als Gegenfinanzierungsvolumen sprechen, dann haben Sie das alles nicht durchgerechnet. Ich muß das hier noch einmal in aller Klarheit sagen: Einen solchen Tarif - ich sage es noch einmal: Eingangssteuersatz in der Nähe von 20 Prozent und oben bei 48 Prozent - mit einem Volumen von 20 Milliarden DM gegenzufinanzieren ist nicht möglich.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Deshalb, meine Damen und Herren: Sie können nicht Steuerpolitik machen, die hinten und vorne nicht stimmt; damit werden Sie niemals durchkommen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich will Ihnen jetzt sagen, was unsere Position ist. Unsere Position ist, daß ein Teil Ihrer Gegenfinanzierungsmaßnahmen, die ich noch einmal in Erinnerung rufen muß, nicht akzeptabel sind. Da wird vorgeschlagen, die Schichtarbeiter zu besteuern. Ich muß den Wählerinnen und Wählern hier noch einmal sagen: Das halten wir für falsch, weil wir Leute brauchen, die am Wochenende arbeiten oder Nachtschichten fahren; sie wollen wir weiterhin steuerlich begünstigen. Wenn Sie das anders sehen, ist das Ihre Sache.

    (Beifall bei der SPD)

    Da wird vorgeschlagen, die Kilometerpauschale abzuschaffen. Das halten wir für falsch in einem Land, in dem auf Grund struktureller Verwerfungen viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen langen Anfahrtsweg haben. Deshalb werben wir im Interesse mobiler Arbeitnehmer für den Erhalt der Kilometerpauschale bei einem langen Arbeitsweg.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie schlagen vor, Versicherungen und Renten zu besteuern. Vielen ist das vielleicht in Vergessenheit geraten. Gleichzeitig wollen Sie die Renten kürzen. Wem wollen Sie denn das alles noch erklären? Ich mache Sie auf noch etwas aufmerksam, denn vielleicht haben Sie Ihre eigenen Programme nicht gelesen. Sie wollen jetzt Ihre Rentenkürzungen auch wieder zurücknehmen. Aber - da kann man fast den ganzen Unterschied der Politik ausmachen - Sie wollen die Rentenkürzungen nur für diejenigen zurücknehmen, die 45 Versicherungsjahre haben, also relativ hohe Renten haben. Sehen Sie, da ist einfach die Trennlinie. Wer bei solchen Kürzungsmaßnahmen, wenn sie unpopulär werden, oben anfängt, die Grausamkeiten zu beseitigen, und nicht an diejenigen denkt, die am Rande des Existenzminimums leben,

    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    der gehört abgewählt, und so wird es sein, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    An dieser Stelle kritisiere ich ausdrücklich die Wirtschaftsverbände, die allmählich als Gesprächspartner unglaubwürdig werden, wenn sie auf der einen Seite bei der SPD die Pläne zur Rücknahme der Rentenkürzung kritisieren, Rücknahmepläne bei der CDU aber überhaupt nicht erwähnen. Das ist unseriös. Wer als Gesprächspartner ernst genommen werden will, der muß, bitte schön, mit gleichen Maßstäben messen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir wollen - das haben Sie richtig zitiert - Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durchschnittlich um 2 500 DM entlasten. Wir wissen, daß das ein anspruchsvolles Versprechen ist, weil wir eben nicht der Gefahr erliegen wollen, Versprechen zu geben, die wir nicht einhalten können.

    (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sehen Sie, genau das ist Ihr Problem. Ich konnte vorhin fast nicht mehr zuhören, als Sie sagten, daß Sie bei der Wahrheit bleiben,

    (Zustimmung bei der SPD)

    Sie, die Sie 1990 versprochen haben: keine Steuer- und Abgabenerhöhungen. Helmut Kohl steht dafür in ungezählten Anzeigen in diesem Land. Dann haben Sie die Steuern und Abgaben, auf das Jahr gerechnet, um 120 Milliarden DM erhöht. Sie wollen hier etwas von Wahrheit erzählen? Glauben Sie, die Menschen in Deutschland vergessen alles? - Ist es nicht wahr?

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    1994 geschah wiederum dasselbe. 1994 versprachen Sie, den Soli abzuschaffen. Sie versprachen diverse Steuersenkungen. Sie versprachen, die Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen. Das Gegenteil von all dem ist geschehen. Sie wollen hier etwas von Wahrheit erzählen, wo Sie eine solche Serie von gebrochenen Versprechen, wie ich sie nirgendwo in ganz Europa und in der Welt kenne, aufzuweisen haben?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Und dann sagen Sie hier mit Tremolo in der Stimme: „Wort ist Währung, je wahrer, desto härter." Mein lieber Herr Waigel, hängen Sie sich das übers Bett, aber erzählen Sie es nicht im Parlament, denn Sie fallen doch auf, wie kaum jemand aufgefallen ist, wenn er solche Ansprüche in diesem Hause erhebt!

    (Beifall bei der SPD)

    Dann haben Sie etwas noch einmal gesagt, was mir auch bei anderen Sprechern schon öfter aufgefallen ist, nämlich wir wollten nur einen kleinen Personenkreis geringfügig entlasten. Sie als Bundesfinanzminister kennen die Systematik des Steuerrechts nicht!

    (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zuruf von der CDU/CSU: Aber Sie!)

    Wenn wir beispielsweise den Grundfreibetrag anheben, dann werden alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler entlastet. Was reden Sie hier für einen Unsinn, Herr Bundesfinanzminister? Gucken Sie noch einmal ins Steuerrecht!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Wenn wir, wie Sie richtig zitiert haben, den Eingangssteuersatz senken, dann werden alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler entlastet, soweit sie Steuern zahlen. Soviel ich weiß, ist das ein ziemlich großer Personenkreis. Nur, das Problem ist, wenn man den Spitzensteuersatz senkt, dann kann man diese Aussage nicht aufrechterhalten und behaupten, alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler würden entlastet. Das ist die Systematik unseres Steuerrechts.
    Deshalb sagen wir Sozialdemokraten angesichts stagnierender oder sinkender Reallöhne in den letzten Jahren, angesichts der Umverteilung, die die Bischöfe mit den Worten „Die Armen sind ärmer, und die Reichen sind reicher geworden" charakterisiert haben: Wir fangen von unten an, und wir entlasten zunächst einmal diejenigen, die das Geld brauchen. Das ist unsere Steuerpolitik. Die Wählerinnen und Wähler werden darüber entscheiden.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Im übrigen ist das nicht mehr nur ein Problem der Deutschen, es ist ein Problem in Gesamteuropa. Gott sei Dank - wir sind gar nicht so unfair, es nicht anzuerkennen, wenn Sie dazulernen - haben Sie jetzt gesagt: Der Steuersenkungswettlauf, Steuerdumping, in Europa muß begrenzt werden. Vor Jahren haben Sie darüber noch gespottet. Wenn Sie das jetzt ebenfalls fordern, dann ist das anerkennenswert. Vor Jahren haben Sie noch versucht, diese Idee lächerlich zu machen.
    Was ist in Europa geschehen? Ich wiederhole es: Im Sinne des Standortwettbewerbs versuchte das Land A, die Unternehmensteuern zu senken. Da sagte das Land B: Dann senken wir sie noch weiter. Dann erklärte das Land C: Wir senken noch weiter. Das war dann der Wettbewerb an dieser Stelle. Bei der Vermögensteuer galt dasselbe: Zunächst die Vermögensteuer senken, dann sie weiter senken und dann ganz abschaffen. Dasselbe galt auch bei den Steuern auf die Gelderträge: Zunächst sie senken, dann Abschlagsbeträge festlegen. Doch mittlerweile hatten sich viele schon verflüchtigt und ihr Geld auf Konten in andere Länder gebracht.
    Die Leidtragenden dieses falschen Konzeptes, dem Sie anhängen, sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ganz Europa, die mit immer höheren Abgaben, mit immer höheren Lohnsteuern und im-

    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    mer höheren Verbrauchsteuern diesen Wettbewerb bezahlen müssen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Deshalb begrüßen wir es, wenn Sie jetzt einsehen, daß das so nicht weitergehen kann. Wir sagen aber, daß das unsere Politik ist, die wir konsequent umsetzen werden, und weisen darauf hin, daß Initiativen auf europäischer Ebene in den letzten Jahren ich denke einmal an die Quellensteuer von Ihnen nicht gerade positiv begleitet worden sind. (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Das ist doch nicht wahr!)

    - Sie streiten das immer wieder ab, verehrter Herr Bundesfinanzminister. Sie haben nur das Problem, daß uns alle führenden Leute, die wir in Europa kennen, das so sagen und bestätigen. Tun Sie doch nicht so, nachdem Sie die Quellensteuer hier zuerst eingeführt und dann wieder abgeschafft haben, als seien Sie in Europa der Vorreiter bei der Einführung der europaweiten Quellensteuer gewesen. Sie haben sie abgeschafft und damit einen Ansatz der Harmonisierung zerstört. Stellen Sie sich dieser Verantwortung!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ein zweiter Punkt ist: Sie haben sich mit dem Kollegen Diller in unfairer Weise auseinandergesetzt. Natürlich kann man den von Ihnen aufgestellten Haushalt nicht ohne weiteres zur Seite legen. Sie wissen doch, wie sich bei Ihnen die Schulden in den letzten Jahren entwickelt haben: Die Schulden sind in Ihrer Amtszeit um über 1000 Milliarden DM gestiegen. Wir würden das zwar gerne zur Seite legen und weglegen, aber wir können das leider nicht.

    (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Saarland!)

    Insofern ist Ihre Replik auf den Kollegen Diller leider sehr ungeschickt. Wir würden das im Interesse der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und kommender Generationen gerne weglegen, aber die Hypothek ist da; wir müssen sie zahlen. Wir werden in den nächsten Jahren 25 Prozent der Steuereinnahmen auf Grund Ihrer verfehlten Finanzpolitik für Zinsen ausgeben müssen - 25 Prozent!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Zurufe von der CDU/CSU: Saarland!)

    - Ich würde Ihnen raten, ehe Sie „Saarland" dazwischenrufen, sich einmal zu informieren. Sie haben ja entsprechende Leute hier sitzen. Ich will Ihnen noch einmal die Zahlen vortragen. Die können Sie ja überprüfen. Ich habe von einer CDU/F.D.P.- Regierung eine Zinssteuerquote von 19 Prozent geerbt. Sie liegt jetzt bei 21 Prozent. Damit bin ich unzufrieden. Aber Sie haben 1982 eine Zinssteuerquote - das ist die entscheidende Kennziffer - von 12 Prozent übernommen; jetzt beträgt sie 26 Prozent. An Ihrer Stelle
    würde ich den Mund nicht so voll nehmen, Herr Waigel.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich könnte Ihnen auch etwas zur Entwicklung der Arbeitslosenzahlen sagen. Sie können das alles durchaus so weitertreiben. Ich sage Ihnen nur eines: Über die Qualität einer Politik urteilen nicht Sie und nicht wir, sondern die Wählerinnen und Wähler. Der Kollege Schröder hat zweimal die absolute Mehrheit - jetzt sogar eine ganz starke - erreicht, weil die Wählerinnen und Wähler seine Politik anerkannt haben. Ihr Geschwätz prallt ab, meine Damen und Herren. Wo haben Sie denn noch solche Ergebnisse?

    (Beifall bei der SPD)

    Meinen Sie wirklich, wenn Sie schon das Saarland ansprechen, ich hätte dort dreimal die absolute Mehrheit erreicht, weil ich mit meinen Freunden eine so schlechte Politik dort gemacht habe? Glauben Sie das tatsächlich, und sind Sie so überheblich? Wenn Sie jetzt bei den Meinungsumfragen unter 40 Prozent hängen, liegt das nicht daran, daß Sie so gut waren, wie Sie selber meinen, sondern daran, weil die Wählerinnen und Wähler sagen, Sie haben schlecht gearbeitet. So ist das in einer Demokratie.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Sagen Sie offen, bei wem und wo Sie abkassieren wollen: nämlich bei den Schichtarbeitern, bei den Pendlern, bei den Rentnern, bei denen, die Versicherungspolicen abgeschlossen haben. Sie wollen die Mehrwertsteuer erhöhen, die bekanntlich nach allen Berechnungen die Haushalte mit geringen Einkommen trifft. Das steht alles in Ihrem Steuerkonzept. Auch wir sagen ja: Wir kassieren Steuersubventionen und werden teilweise diejenigen treffen, die bisher in großem Umfang von Steuersubventionen Gebrauch gemacht haben. Das ist richtig. Die Wählerinnen und Wähler werden entscheiden, wer das bessere Konzept hat. So ist das in einer Demokratie.

    (Beifall bei der SPD)

    Dann wäre es noch ganz schön, wenn Sie bei den Heldentaten, die Sie hier aufzählen, immer auch sagen würden, welche Heldentaten eher auf unser, welche eher auf Ihr Konto gehen und welche wir nur gemeinsam umsetzen konnten. Wenn Sie sich hier brüsten, Sie hätten die Familien bei den Steuerverhandlungen bessergestellt - das ist wirklich eine Frechheit -,

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So ist es!)

    dann ist das angesichts der Tatsache, daß wir lange gekämpft haben und mit dem Scheitern der Steuerverhandlungen drohen mußten, um die Besserstellung der Familien durchzusetzen, schlicht und einfach unfair, Herr Waigel, wie Sie hier auftreten.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Der Gipfel ist - man kann gar nicht alles ansprechen -, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen: Wir haben das Meister-BAföG wieder eingeführt.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Wie kann man die Menschen so belügen? Ich will Ihnen sagen, wie das mit dem Meister-BAföG war. Ihre Koalition hat es abgeschafft. Das ist die Wahrheit; das kann jeder überprüfen und nachlesen. Daraufhin kamen die Handwerksmeister und haben gesagt, daß es einen deutlichen Rückgang bei den Anträgen zur Zulassung zur Prüfung gibt. Dann haben wir gesagt: Wir müssen etwas machen. Dann kam der Bund und hat gesagt: Wir haben das bisher allein bezahlt, jetzt sollen die Länder mitzahlen. Dazu haben einige Ministerpräsidenten - auch ich - gesagt: Das machen wir nicht. Dann kam Gerhard Schröder ins SPD-Präsidium und hat gesagt: Stellt euch nicht so stur, macht das mit, es geht um die Sache. Dann haben wir das Gesetz im Bundesrat passieren lassen. Sie tun dem Mann unrecht, wenn Sie hier über ihn so reden, Herr Kollege Waigel. Ohne ihn hätten Sie das Meister-BAföG so nicht - um das hier in aller Klarheit zu sagen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir werden die Achsen der Republik wieder hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit verschieben. Das ist unser Anspruch. Deshalb ist das Trio Henkel, Stihl und Hundt auch so gegen unsere Politik. Aber das beeindruckt uns nicht sonderlich. Wer nur drei Wörter kennt: Lohnzurückhaltung, Unternehmensteuersenkung und Sozialkürzung, der macht keine überzeugenden Vorschläge zur Wirtschaftspolitik. Wir wissen, was diese Herren jeden Tag, jedes Jahr und immer wieder sagen werden: Lohnzurückhaltung, Unternehmensteuersenkung und Sozialabbau.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wenn Sie, Herr Kollege Waigel, dann hier sagen, das Gerede vom Sozialabbau sei törichtes Gerede, müssen sich das alle Wählerinnen und Wähler auf der Zunge zergehen lassen. Wir haben durchaus das eine oder andere mitgetragen, weil wir - das haben Sie gesagt - vor große finanzielle Herausforderungen gestellt worden sind. Ich nenne beispielsweise die Umstellung der Rente, ich nenne die Abschaffung der üppigen Vorruhestandsregelung, ich nenne die Abschaffung der üppigen Anrechnung der Ausbildungszeiten und vieles andere. Ich will das aus Zeitgründen nicht alles erwähnen.
    Der Gesundheitsminister stand einmal hier und hat gesagt, wir seien mit den sozialen Kürzungen noch viel schlimmer als die Koalition. Sie können das alles nachlesen. Sie werden sich vielleicht noch daran erinnern, wie es war, als Sie hier standen.
    Wir haben eine Reihe von unpopulären Entscheidungen mitgetragen. Aber die Frage ist, wo der Ausgleich ist. Als Norbert Blüm seine Bilanz aufgestellt und hier stolz vorgetragen hat, er habe bei Rentnern und Arbeitslosen aufs Jahr gerechnet 98 Milliarden DM gespart, habe ich ihm gesagt: Sag doch einmal, was ihr den Vermögenden und Beziehern hoher Einkommen in der gleichen Zeit zugeschustert habt. Das wäre eine wahrheitsgemäße, eine ehrliche Bilanz. Darüber würden wir gern diskutieren.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Dr. Norbert Blüm [CDU/ CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    - Herr Bundesminister, bitte beruhigen Sie sich, selbstverständlich haben Sie Gelegenheit - -