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    Plenarprotokoll 13/245 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 245. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1998 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, für die Aktuelle Stunde sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 31. August 1998 22823 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 22823 A Zusatztagesordnungspunkt 9: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Förderung der Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen und anderer Formen der Vermögensbildung der Arbeitnehmer (Drittes Vermögensbeteiligungsgesetz) (Drucksachen 13/ 10012, 13/10527, 13/10918, 13/11201) . 22823 D Tagesordnungspunkt 5 c: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Erwin Marschewski, Wolfgang Zeitlmann und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Dr. Max Stadler und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes (Drucksachen 13/10790, 13/11159) 22824 A Manfred Kanther, Bundesminister BMI 22824 B Günter Graf (Friesoythe) SPD 22825 C Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22826 B Dr. Max Stadler F D P. 22827 B Ulla Jelpke PDS 22828 B Wolfgang Zeitlmann CDU/CSU . . . 22829 A Hans-Peter Kemper SPD 22830 A Tagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes (Drucksachen 13/10155, 13/11172) 22831 C Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU 22831 C Brigitte Lange SPD 22832 D Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22834 A Uwe Lühr F.D.P 22834 D Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22835 D Dr. Heidi Knake-Werner PDS 22836 B Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . . 22837 B Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 22838 A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22838 D Namentliche Abstimmung 22839 C Ergebnis 22841 B Tagesordnungspunkt 19 n: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Vorschriften über die repräsentative Wahlstatistik bei der Wahl zum Deutschen Bundestag und bei der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Wahlstatistikaufhebungsgesetz) (Drucksachen 13/10533, 13/11157) 22839 C Zusatztagesordnungspunkt 10: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache a) bis i) Sammelübersichten 370, 371, 372, 373, 374, 376, 378, 379 und 380 zu Petitionen (Drucksachen 13/11188, 13/11189, 13/11190, 13/11191, 13/11192, 13/11194, 13/11196, 13/11197 und 11198) . 22840 B Zusatztagesordnungspunkt 11: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes (Drucksache 13/10832) . . . 22841 A Tagesordnungspunkt 17: Debatte zur Einheit Deutschlands a) Unterrichtung durch die Bundesregierung Perspektivbericht der Bundesregierung „Vorrang für Aufbau Ost" (Drucksache 13/11073) 22843 C b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 1998 (Drucksache 13/10823) 22843 D c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Michael Luther, Gerhard Schulz (Leipzig), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Jürgen Türk, Paul K. Friedhoff und der Fraktion der F.D.P. Mangelnde Zahlungsmoral verbessern (Drucksachen 13/10794, 13/11166) . . 22843 D d) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft - zu dem Antrag der Abgeordneten Norbert Otto (Erfurt), Dr. Hermann Pohler, Gerhard Schulz (Leipzig) und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Jürgen Türk und der Fraktion der F.D.P. Absatzförderung für Produkte aus Ostdeutschland - zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Ilte, Ernst Bahr, Tilo Braune und weiterer Abgeordneter Absatzförderung für Produkte aus Ostdeutschland (Drucksachen 13/9385, 13/8080, 13/ 11167) 22844 A e) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft - zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. Wachstums- und Beschäftigungspolitik für die neuen Länder fortsetzen - zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Schwanitz, Anni Brandt-Elsweier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Neuorientierung des wirtschaftlichen Aufbaukonzeptes für Ostdeutschland - zu dem Antrag der Gruppe der PDS Beschäftigungs- und bildungspolitisches Sofortprogramm für die neuen Bundesländer (Drucksachen 13/10821, 13/10436, 13/ 10290, 13/11165) 22844 B f) Große Anfrage der Gruppe der PDS Zur Lage in Ostdeutschland (Drucksachen 13/8369, 13/10809) 22844 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Sabine Kaspereit, Ernst Schwanhold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Bekämpfung des Zahlungsverzuges im Handelsverkehr (Drucksache 13/11144) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Werner Schulz (Berlin), Gerd Poppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Fortschritte beim Aufbau Ost durch politische Erneuerung (Drucksache 13/11161) 22844 C Dr.-Ing. Paul Krüger CDU/CSU 22844 C Rolf Schwanitz SPD 22846 D Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22850 B Jürgen Türk F.D.P 22853 A Dr. Gregor Gysi PDS . . 22854 B, 22877 B, 22886 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler 22857 B, 22879 D Rudolf Scharping SPD . . 22864 C, 22875 D, 22881 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 22868 B, 22876 B, 22878A, 22879 A Jörg-Otto Spiller SPD 22874 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 22878 B Joschka Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22882 C Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 22884 B Anke Fuchs (Köln) SPD 22887 C Nächste Sitzung 22890 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 22891* A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes (Tagesordnungspunkt 5 c) Dr. Burkhard Hirsch FD P. 22891* C Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P. 22892* A Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 8) Dr. Burkhard Hirsch F D P. 22892' B Christel Hanewinkel, Arne Fuhrmann, Bernd Reuter, Ulrike Mascher, Dr. Konstanze Wegner, Dr. Angelica Schwall-Düren, Berthold Wittich, Adelheid Tröscher, Uta Tietze-Stecher, Konrad Gilges, Uwe Hiksch, Gernot Erler, Christa Lörcher, Waltraud Lehn, Ulla Burchardt, Günter Rixe, Marlene Rupprecht, Angelika Graf (Rosenheim), Günter Oesinghaus, Uta Zapf, Helga Kühn-Mengel, Hildegard Wester, Adolf Ostertag, Detlev von Larcher, Klaus Barthel, Michael Müller (Düsseldorf), Horst Kubatschka (alle SPD) 22893* A Anlage 4 Erklärung nach 3 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Wahlstatistikaufhebungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 19n) Maritta Böttcher PDS 22893* C Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Antje-Marie Steen (SPD) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag: Anerkennung der deutschen Gebärdensprache und der Gehörlosen-Gemeinschaft (vgl. 244. Sitzung, Seite 22730 B) 22894* B Anlage 6 Auslastung von Kinderkureinrichtungen, insbesondere in den neuen Bundesländern, mit Patienten z. B. aus Polen und Tschechien MdlAnfr 13, 14 - Drs 13/11089 - Rosel Neuhäuser PDS SchrAntw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 22895* B Anlage 7 Amtliche Mitteilungen 22895* C Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 245. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1998 22823 245. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1998 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 25. 6. 98 * Bindig, Rudolf SPD 25. 6. 98 * Bläss, Petra PDS 25. 6. 98 Blunck, Lilo SPD 25. 6. 98 * Borchert, Jochen CDU/CSU 25. 6. 98 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 25. 6. 98 * Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 25. 6. 98 Peter Harry Dempwolf, Gertrud CDU/CSU 25. 6. 98 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 25. 6. 98 * Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 25. 6. 98 Dr. Gerhardt, Wolfgang F.D.P. 25. 6. 98 Horn, Erwin SPD 25. 6. 98 * Jäger, Renate SPD 25. 6. 98 Kraus, Rudolf CDU/CSU 25. 6. 98 Krautscheid, Andreas CDU/CSU 25. 6. 98 Kriedner, Arnulf CDU/CSU 25. 6. 98 Leidinger, Robert SPD 25. 6. 98 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 25. 6. 98 * Erich Marten, Günter CDU/CSU 25. 6. 98 * Dr. Paziorek, Peter CDU/CSU 25. 6. 98 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 25. 6. 98 Probst, Simone BÜNDNIS 25. 6. 98 90/DIE GRÜNEN Regenspurger, Otto CDU/CSU 25. 6. 98 Rennebach, Renate SPD 25. 6. 98 Rübenkönig, Gerhard SPD 25. 6. 98 Schaich-Walch, Gudrun SPD 25. 6. 98 Scheel, Christine BÜNDNIS 25. 6. 98 90/DIE GRÜNEN Schloten, Dieter SPD 25. 6. 98 * von Schmude, Michael CDU/CSU 25. 6. 98 * Schuhmann (Delitzsch), SPD 25. 6. 98 Richard Schwanhold, Ernst SPD 25. 6. 98 Terborg, Margitta SPD 25. 6. 98 * Teuchner, Jella SPD 25. 6. 98 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 25. 6. 98 Türk, Jürgen F.D.P. 25. 6. 98 Zierer, Benno CDU/CSU 25. 6. 98 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes (Tagesordnungspunkt 5 c) Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Dem Gesetzentwurf kann ich nicht zustimmen. Ich lehne ihn aus folgenden Gründen ab: 1. Die gegenwärtige Fassung des BGS-Gesetzes stammt vom 7. Juli 1997. Sie soll heute geändert werden, obwohl sie noch nicht einmal ein einziges Jahr in Kraft ist, und obwohl in diesem Jahr keine grundsätzlichen Neuigkeiten oder Neuerkenntnisse aufgetreten sind. Das eigentliche Ziel des Gesetzentwurfes ist nicht etwa die Lösung neuer Probleme bei der Grenzkontrolle. Es sollen vielmehr die allgemeinen Zuständigkeiten des BGS ausgedehnt und politischer Druck auf die Bundesländer ausgeübt werden, auch für ihre Landespolizeien die sogenannte „anlaßlose Personenkontrolle" einzuführen, die mit dem irreführenden Begriff „Schleierfahndung" bezeichnet wird. 2. Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen vom 22. Juni 1998 zum bisherigen Entwurf bedeutet zwar eine gewisse Verbesserung gegenüber der ursprünglichen Fassung. Zwar soll die Personenkontrolle auf Bahnanlagen im gesamten Bundesgebiet ermöglicht werden. Es soll aber „auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen" sein, daß die Bahnanlage zur unerlaubten Einreise genutzt wird. Für eine solche Annahme werden aber offensichtlich keinerlei Tatsachen gefordert, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten. Das zeigt ein Vergleich mit § 23 Abs. 4 desselben Gesetzes. Es handelt sich also nicht etwa um eine ernsthafte, justitiable Einschränkung, sondern es bleibt in der polizeilichen Wirklichkeit bei der praktisch freien Entscheidung des Polizeibeamten, ob er einen Bürger kontrollieren will oder nicht. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um einen Bürger handelt, der nach seinem Äußeren ein Ausländer sein könnte. Es ist im übrigen weder aus dem Gesetz noch aus irgendwelchen sonstigen Rechtstatsachen erkennbar, warum die Rechte des BGS zur Identitätsfeststellung aus konkretem Anlaß gemäß § 23 BGS-Gesetz nicht ausreichen sollen. 3. Ich halte eine Regelung für verfassungwidrig, die es zuläßt, jeden beliebigen Bürger ohne äußeren tatsächlichen Anlaß als potentiellen Rechtsbrecher zu behandeln. Ich halte es für verfassungswidrig, dabei eine Diskriminierung ausländisch wirkender Bürger nicht nur in Kauf zu nehmen, sondern bewußt herbeizuführen. Ich halte es für verfassungswidrig, dem Bundesgrenzschutz allgemeine präventive Aufgaben im gesamten Inland zu übertragen, weil der Bundesgesetzgeber dafür keine verfassungsmäßige Kompetenz besitzt. 4. Ich lehne den Gesetzentwurf aber nicht nur aus diesen verfassungsrechtlichen Überlegungen ab. Je weiter sich die Tätigkeitsbereiche des Bundesgrenzschutzes und der jeweiligen Landespolizei überschneiden, um so schwieriger wird in der Wirklichkeit ihre Zusammenarbeit und urn so undurchsichtiger wird es für den Bürger, wer eigentlich was tun darf. Der immer weitere Ausbau der Zuständigkeiten des Bundesgrenzschutzes wird die Zusammenarbeit nicht erleichtern, sondern erschweren, und darum die Sicherheit in unserem Lande nicht fördern. Es ist im übrigen für die freiheitliche Substanz unserer Gesellschaft verheerend, wenn wir uns ohne zwingende Not gesetzgeberisch so verhalten, als ob der Belagerungszustand ausgerufen werden müßte. Das Preußische Polizeirecht von 1851 ist kein Vorbild für einen freiheitlichen Rechtsstaat, auch nicht im Vorfeld von Landtags- und Bundestagswahlen. Sabine Leutheusser-Schnarrenberg (F.D.P.): Ich stimme dem Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes nicht zu. Ich lehne ihn aus folgenden Gründen ab: Trotz der nach der Anhörung im Innenausschuß des Deutschen Bundestages vorgenommenen Änderungen habe ich erhebliche völkerrechtliche Bedenken wegen offensichtlichen Verstoßes gegen das Schengener Übereinkommen, das in diesem Umfang Kontrollen im Grenzstreifen der Schengen-Staaten durch Grenzschutzbeamte nicht mehr erlaubt. Will man generell mehr Kontrollen an Orten ermöglichen, an denen man illegal Eingereiste oder Kriminelle vermutet, muß man der Polizei diese Aufgaben auf Länderebene übertragen. Dies ist nicht die Aufgabe des Bundesgrenzschutzes. Die Mitteilung der Europäischen Kommission, die Mitgliedstaaten könnten Kontrollen überall auf ihrem Territorium ausüben, legitimiert nicht die Ausdehnung des Bundesgrenzschutzes, der die Außengrenzen zu sichern hat, sondern die Mitteilung stellt nur Selbstverständliches fest, nämlich daß die Polizeigesetze der Mitgliedstaaten zulässige Kontrollen und deren Voraussetzungen festlegen. Der Bundesgrenzschutz ist aber keine Bundespolizei. Werden in Schleswig-Holstein künftig nach diesem Gesetz Grenzschutzbeamte auf den Bahnhöfen, in Zügen, in 30-kmGrenzbereichen und nach Lageeinschätzung darüber hinaus tätig, gibt es kaum noch nicht kontrollierte Orte im Innern dieses Bundeslandes. Es wird offensichtlich, daß es sich nicht mehr um grenzbezogene Tätigkeiten handelt, und deshalb bestehen nach wie vor Bedenken gegen die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Der Gesetzentwurf insgesamt enthält Widersprüchlichkeiten zum geltenden Bundesgrenzschutzgesetz. Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 8) Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Dem Gesetzentwurf kann ich auch in der nun vorliegenden abgemilderten Fassung nicht zustimmen. Ich lehne ihn aus folgenden Gründen ab: 1. Der Gesetzentwurf will soziale Leistungen soweit absenken, wie „dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist". Die Verwaltung entscheidet allein, was der Flüchtling und seine Familie zu essen bekommen, ob und wann er medizinisch versorgt wird und ob er auch nur einen Pfennig zur Erfüllung der dringendsten Bedürfnisse bekommt. Es ist unwürdig, einen Menschen und seine Familie ausschließlich zum Objekt der Verwaltung zu machen und ihn ihrem Ermessen auszuliefern. Es ist auch unklug. Denn er wird versuchen, einen Asylantrag zu stellen, auch wenn er völlig aussichtslos ist, und wird versuchen, in die Schwarzarbeit auszuweichen. Eine gesetzliche Regelung dieser Art ließe sich allenfalls mit äußerster wirtschaftlicher Not noch entschuldigen. Der Gesetzgeber müßte eigentlich sagen, daß er in bestimmten Fällen die Sozialleistungen auf ein Viertel oder ein Zehntel des Existenzminimums reduziert. Das tut er nicht. Statt dessen überläßt er den Flüchtling und die Unannnehmlichkeiten des Einzelfalles der Entscheidung der Verwaltung. 2. Der Gesetzentwurf will mit der absoluten Leistungsbeschränkung den Willen von Menschen brechen, ohne zwingenden Grund in der Bundesrepublik bleiben zu können. Als Beispiel werden dafür diejenigen genannt, die ihre Ausweispapiere vernichten und ihre Identität verschleiern, um nicht abgeschoben werden zu können. Das klingt einleuchtend. Aber unabhängig von der Vorstellung der Verfasser geht der Gesetzentwurf in seinem Wortlaut darüber hinaus. Er erfaßt alle diejenigen, „bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können". Was heißt das? Der Gesetzentwurf erfaßt in seinem Wortlaut offenbar auch Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die aber danach durch politische Betätigung in der Bundesrepublik einen sogenannten Nachfluchtgrund geschaffen haben, der sie bei einer Abschiebung in ihr Heimatland an Leib und Leben gefährden würde. Nach dem reinen Wortlaut des Gesetzes würde auch derjenige Flüchtling darunter fallen, der sich aktiv an einem Bürgerkrieg beteiligt hat und dann geflohen ist. Denn Bürgerkrieg und die aktive Teilnahme an ihm ist ein Asylgrund, und der Flüchtling hätte seine Abschiebungsprobleme selbst verschuldet. Möglicherweise bekommt der Flüchtling eine Duldung, aber die Absenkung der Leistung tritt natürlich während der gesamten Dauer des Verfahrens ein, in dem die Verwaltung überlegt und prüft, ob der Flüchtling geduldet werden muß. Der Gesetzentwurf erfaßt auch die Familienangehörigen des Flüchtlings, die gar keine andere Wahl haben, als ihm zu folgen. Ich zweifle also, ob wir mit der vorgelegten Fassung des Gesetzes tatsächlich nur Mißbrauchsfälle erfassen. In der Abschiebungshaft haben sich bisher mehr als 50 Menschen das Leben genommen. Waren das alles Mißbrauchsfälle? 3. Es ist nicht zu erkennen, warum ein Gesetzentwurf mit äußerster Eilbedürftigkeit behandelt wird, obwohl er erst zum 1. Januar 1999 in Kraft treten sollte. Die durch ihn zu erzielenden Ersparnisse konnten auch nicht andeutungsweise geschätzt werden. Nichts stünde im Wege, die bestehenden Probleme, belegte Mißbrauchsfälle in den kommenden Wochen sorgfältig mit den Vertretern des UNHCR, der Kirchen und der caritativen Organisationen zu besprechen und einen Gesetzentwurf sachgerecht zu formulieren, wenn er sich als notwendig erweisen sollte. Er könnte dann vor dem 14. Bundestag, der im Oktober dieses Jahres zusammentritt, noch rechtzeitig verabschiedet werden. Selbst der dann zusammentretende Bundestag hätte für eine Beratung noch mehr Zeit, als dem gegenwärtigen Bundestag eingeräumt wird. Die außerordentliche Dringlichkeit liegt also nicht in einem möglichen Einspareffekt begründet, sondern in anderen Überlegungen. Auch ich will keinen Mißbrauch fördern. Ich bin aber nicht bereit, ohne die Möglichkeit sorgfältigster Prüfung Menschen in äußerste Not zu stürzen. Christel Hanewinkel, Arne Fuhrmann, Bernd Reuter, Ulrike Mascher, Dr. Konstanze Wegner, Dr. Angelica Schwall-Düren, Berthold Wittich, Adelheid Tröscher, Uta Titze-Stecher, Konrad Gilges, Uwe Hiksch, Gernot Erler, Christa Lörcher, Waltraud Lehn, Ulla Burchardt, Günter Rixe, Marlene Rupprecht, Angelika Graf (Rosenheim), Günter Oesinghausen, Uta Zapf, Helga Kühn Mengel, Hildegard Wester, Adolf Ostertag, Detlev von Larcher, Klaus Barthel, Michael Müller (Düsseldorf), Horst Kubatschka (alle SPD): Wir lehnen den Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes ab. Bis zum Asylkompromiß erhielten alle bei uns lebenden Menschen, die sich nicht selbst versorgen konnten, Sozialhilfe. Damit soll ihnen nach § 1 BSHG korrespondierend mit Art. 1 Grundgesetz ein Leben in Würde ermöglicht werden. Mit dem Asylbewerberleistungsgesetz wurde 1993 erstmalig eine Unterscheidung zwischen der Menschenwürde von Deutschen und Ausländern getroffen. Seit dem 1. November 1993 erhielten Asylbewerber nur noch die um 20 Prozent gekürzte Sozialhilfe, vorrangig als Sachleistung. Was zuerst nur für 12 Monate gedacht war, wurde bei der ersten Änderung des Gesetzes 1997 auf 36 Monate verlängert. Der nun vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet die völlige Abkehr vom Bedarfsdeckungsprinzip. Erstmalig gibt es die Möglichkeit, Asylbewerbern lebensnotwendige Leistungen zu entziehen, ohne daß sie abgeschoben werden. Die Formulierungen des Gesetzentwurfes lassen zudem weite Interpretationsspielräume zu. Der Kreis der Betroffenen bleibt ebenso unklar wie die in Zukunft zu zahlenden Leistungen. Die Sozialbehörden haben künftig die undankbare Aufgabe, festzustellen, wer nur nach Deutschland gekommen ist, um mißbräuchlich Leistungen zu kassieren, und wer eigenhändig seinen Paß vernichtet hat. Es ist zu befürchten, daß die Sozialämter bei knappen Kassen die Leistungen zum Lebensunterhalt und zur medizinischen Versorgung vollständig versagen, wenn unterstellt wird, die Betroffenen hätten sich in den Geltungsbereich des Gesetzes begeben, um Leistungen zu erlangen. Die unpräzise Bestimmung kennzeichnet auch den zweiten Ausschlußtatbestand, der Ausländer betrifft, deren Ausreise wegen von ihnen zu vertretender Gründe nicht vollzogen werden kann. Mit der Prüfung der Frage, ob der Betroffene das Nichtvorhandensein seines Passes selbst verschuldet hat, sind die Sozialbehörden schlicht überfordert. Was der vorliegende Gesetzentwurf bedeutet, macht die Stellungnahme des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesärztekammer deutlich. Schon die bisherige Regelung, nach der nur akute Erkrankungen und Schmerzzustände behandelt werden dürfen, sei ethisch kaum zu vertreten. Die Formulierung des „unabweisbar Notwendigen" ist, weiß man oft erst am Ende der Diagnose, die es nun oft gar nicht mehr geben wird. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Wahlstatistikaufhebungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 19 n) Maritta Böttcher (PDS): Ich will kurz zu meinem Abstimmungsverhalten zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung über die endgültige Abschaffung der repräsentativen Wahlstatistik schon zur nächsten Bundestagswahl Stellung nehmen. Die Gruppe der PDS hat, wie die Fraktionen sicher auch, dringende Appelle von Wissenschaftlern erhalten, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Der Tenor aller Schreiben läßt sich so, wie ich es sehe, dahingehend zusammenfassen: Die repräsentative Wahlstatistik ist zur wissenschaftlichen Erforschung von Wahlen insbesondere an den staatlichen Universitäten dringend erforderlich. Ohne diese Forschung wäre es staatlichen Einrichtungen nicht möglich, wissenschaftlich validierbare Aussagen über das politische Verhalten der Bürgerinnen und Bürger, über das Verhältnis der Bürgerinnen und Bürger zur Politik überhaupt oder etwas über die Bedeutung sozialer Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten für dieses Verhalten und Verhältnis zu machen. Die amtliche Wahlforschung dient somit fundamentalen Interessen des Staates und auch den Parteien. Überzeugt hat mich auch das Argument dieser Wissenschaftler, daß die Begründung der Abschaffung repräsentativer Wahlstatistik als Teil der Schaffung des schlanken Staates letztlich nichts anderes bedeutet, als die Durchführung einer - dann erheblich verkürzten - Wahlstatistik und Wahlforschung privaten Unternehmen vorzubehalten, wodurch die weitere Wahlforschung auch für die staatlichen Einrichtungen wie Universitäten so überteuert wird, daß für diese eine weitere Wahlforschung kaum noch möglich sein wird. Wir kennen solche Konsequenzen der Schaffung eines schlanken Staates auch für andere Bereiche, nicht zuletzt haben wir sie im krassen und ungerechten Sozialabbau der Bundesregierung zu sehen. Unsere Gruppe hat dennoch die Wissenschaftler noch einmal gebeten, insbesondere zu dem Argument ausführlicher Stellung zu nehmen, die repräsentative Wahlstatistik könne unter bestimmten Umständen die Ermittlung des Wahlverhaltens konkreter Wählerinnen und Wähler ermöglichen. Zu diesem Punkt waren sich alle Wissenschaftler, die uns geschrieben haben, darin einig, daß bereits in der jetzigen Praxis der repräsentativen Wahlstatistik eine solche Ermittlung des konkreten Wahlverhaltens einzelner Wählerinnen und Wähler unmöglich ist, daß sich diese Praxis durch konkrete Veränderungen im Gesetz nur weiter so bestimmen ließe, daß solche Gefahren völlig ausgeschlossen werden, etwa dadurch, daß Sonderauszählungen nicht in den entsprechenden Bezirken stattfinden und daß die repräsentative Wahlstatistik überhaupt nur in solchen Stimmbezirken durchgeführt wird, die mehr als 500 Wahlberechtigte aufweisen. Ich bin nach allem davon überzeugt, daß die Beseitigung der staatlichen repräsentativen Wahlstatistik allein mit dem Argument eines schlanken Staates geschehen soll, was letztendlich - ob Zweck oder nicht - die Wahlstatistik privatisiert und damit erheblich für wissenschaftliche Forschung und auch für die Parteien einschränkt. Ich lehne deshalb den Gesetzentwurf der Bundesregierung strikt ab. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Antje-Marie Steen (SPD) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag: Anerkennung der deutschen Gebärdensprache und der Gehörlosen-Gemeinschaft (vgl. 244. Sitzung, Seite 22 730 B) Seit 1988 besteht die Forderung des EU-Parlaments nach Anerkennung der Gebärdensprache als eigenständiger, vollwertiger Sprache. Danach wird gefordert, sie auf nationaler Ebene anzuerkennen, das Recht auf Benutzung ihrer Sprache den Gehörlosen zu bestätigen, den Beruf des Gebärdendolmetschers als vollwertigen Beruf anzuerkennen, Fernsehnachrichten, politische wie auch kulturelle Sendungen zu untertiteln oder in Gebärdensprache zu dolmetschen, Einrichtung von Gebärdensprachkursen, Ausarbeitung von Gebärden-Lexika zu unterstützen, Gehörlose an der sie betreffenden Politik zu beteiligen. Dieser Entschließungsantrag ist am 17. Juni 1988 einstimmig vom Europäischen Parlament angenommen worden. Die vorliegende Beschlußempfehlung kommt diesen Forderungen nach, es ist auch als politisches Signal überfällig, daß gehörlosen Menschen endlich die ihnen nach dem Art. 3 (3) GG zustehenden Bürgerrechte erfüllt werden. In der Bundesrepublik leben etwa 80 000 Gehörlose, die tagtäglich erfahren müssen, daß sie von Kommunikation, Bildung, autonomer Lebensführung, Informationen und weitgehend auch Berufstätigkeit ausgeschlossen sind. Mit dem Erwerb der Gebärdensprache wäre ein Teil der Ausgrenzungstatbestände korrigierbar, über Nachteilsausgleiche und Hilfen zur Selbsthilfe den Ansatz zur gleichberechtigten Teilhabe in der Gesellschaft und der besseren Informationen zu verbessern. Das Diskriminierungsverbot in Art. 3 (3) GG greift leider nicht so, wie es für die Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache nötig wäre, da sich eine Verpflichtung des Staates zur Anerkennung nicht ableiten läßt. So die Aussage der Bundesregierung auf die große Anfrage 13/5595 (Grüne). So wie in vielen anderen Fällen, in denen es an der materiellen Ausgestaltung der entsprechenden Einzelgesetze im Sinne der Gleichstellung Behinderter mangelt, ist auch hier nur eine Verlängerung bzw. Anerkennung der Gebärdensprache im Rahmen eines Gesetzes möglich. Die Beschlußempfehlung ist also nur als konsequent und als notwendige Maßnahme zu begrüßen, wenn es der Deutsche Bundestag ernst meint mit der Ausfüllung des von der Verfassung geforderten Gleichbehandlungsgebotes. Schon seit geraumer Zeit hat die SPD-Fraktion Aktivitäten entwickelt, die neben der grundsätzlichen Forderung nach Anerkennung der Gebärdensprache auch auf die Ausformung eines Ausbildungsmodells für den Beruf der Gebärdendolmetscherin und des Gebärdendolmetschers und dem Einsatz von Gebärdendolmetschern im Deutschen Bundestag und bei allen Fernsehanstalten im Zusammenhang mit wichtigen Debatten drängen, und Anträge zur Früherkennung von Hörschäden bei Neugeborenen gestellt. Zu letzterem ist inzwischen auch ein positiver interfraktioneller Beschluß erfolgt. Der Bundesrat bzw. die Regierungschefs der Länder haben Initiativen ergriffen, die Anlaß zur Hoffnung geben, daß die Anerkennung der Gebärdensprache von ihnen aktiv unterstützt bzw. vorbereitet wird. Ich verweise auf das Ergebnisprotokoll der Ministerpräsidenten der Länder vom 18. März 1998 in Berlin. Gleichfalls weise ich auf ein Schreiben an den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg als Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, Herrn Erwin Teufel, hin, in dem die ASMK auf Beschlüsse der Kultusminister- und Finanzministerkonferenz Bezug nimmt und ebenfalls auf die Notwendigkeit der Anerkennung und der bundeseinheitlichen Regelung hinweist. Die Anerkennung der Gebärdensprache als eigene visuelle Sprache mit umfangreichem Vokabular und ausdifferenzierter Grammatik ist für Gehörlose ein wichtiger Schritt aus ihrer unfreiwilligen Isolation in unserer Gesellschaft und bildet die Brücke zur Integration und die notwendige Hilfe zur Kommunikation mit anderen Menschen, so bestätigt es auch die Bundesregierung in ihrem 4. Bericht über die Lage der Behinderten (13/9541) . Unser Beschluß heute unterstützt auch die Aktivitäten und Maßnahmen der Bundesländer, die bereits ihren festen Willen bekundet haben, die formelle An- erkennung der Deutschen Gebärdensprache zu vollziehen. Nun ist es möglich, dieses bundeseinheitlich zu regeln, um in jedem Bundesland die gleichen Voraussetzungen für den Erwerb der Sprache, aber auch für die Förderung und die Ausbildung von Gebärdendolmetschern voranzubringen. Wir alle wissen, daß Maßnahmen zur Prävention im Vordergrund stehen bleiben und alle Anstrengungen in der Frühförderung unternommen werden sollten, soweit wie möglich den Erwerb lautsprachlicher Kompetenz zu erreichen. Hier sind wir nach wie vor in der Pflicht, zur Erfüllung des Art. 3 GG alle Maßnahmen zu ergreifen, um Ausgrenzung und Isolation behinderter Menschen zu verhindern. Der vorliegende Antrag 13/9217 ist also die richtige Entscheidung, den Belangen gehörlosen und hörgeschädigten Menschen zu entsprechen und die bundeseinheitliche Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache einzuleiten. Ich danke allen Kollegen und Kolleginnen der CDU/CSU, F.D.P. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die Mitarbeiter und die Bereitschaft, mit der Zustimmung zur Beschlußempfehlung die ersten wichtigen Schritte zur Anerkennung der deutschen Gebärdensprache einleiten zu wollen. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Heinrich L. Kolb auf die Fragen der Abgeordneten Rosel Neuhauser (PDS) (Drucksache 13/11089 Fragen 13 und 14): Gibt es Erkenntnisse oder Initiativen der Bundesregierung, die vorhandenen Kinderkureinrichtungen, besonders in den neuen Bundesländern, über Patienten aus den benachbarten Ländern (z. B. Polen und Tschechien) besser auszulasten? Mit welchen Versicherungsträgern gibt es dazu Vereinbarungen, und sind bei nicht Vorhandensein solcher Vereinbarungen Gespräche angedacht? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über Initiativen oder Vereinbarungen von Versicherungsträgern vor, die besonders in den neuen Bundesländern vorhandenen Kinderkureinrichtungen über Patienten aus den benachbarten Ländern (z. B. Polen und Tschechien) besser auszulasten. Die Kinderkureinrichtungen in den neuen Bundesländern befinden sich in privater bzw. gemeinnütziger Trägerschaft und akquirieren eigenständig ihr Patientenaufkommen. Das können auch ausländische Patienten sein, wenn die Kostenübernahme im einzelnen geklärt ist. Der Bundesregierung sind allerdings keine sozialleistungsrechtlichen internationalen Abkommen bekannt, die eine Kostenerstattung durch die zuständigen Versicherungen des Herkunftslandes für Rehabilitationsmaßnahmen regeln würden. Vor dem Hintergrund von Übernachtungsrückgängen im Bereich der Sozialpatienten bemühen sich demzufolge jetzt viele Kurkliniken verstärkt um private Gäste aus dem In- und Ausland. Die Bundesregierung begrüßt diese Initiativen und unterstützt zudem im Zusammenwirken mit den Gesundheits- und Tourismusverbänden eine mehrjährige Marketingkampagne im Ausland sowie ein Kuratorium zur Förderung deutscher Medizin- und Rehabilitationsleistungen. Ziel ist, die ausgezeichneten deutschen Gesundheitsdienstleistungen auf spezifischen Auslandsmärkten besser bekannt zu machen. Es steht allen Kliniken offen, sich an diesen Maßnahmen zu beteiligen, um mehr selbstzahlende private Gäste aus dem Ausland zu akquirieren. Anlage 7 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 727. Sitzung am 19. Juni 1998 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 Grundgesetz nicht zu stellen: - Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 39 GG) - Gesetz zur Umsetzung der EG-Einlagensicherungsrichtlinie und der EG-Anlegerentschädigungsrichtlinie - Gesetz zur Umwandlung der Deutschen Genossenschaftsbank (DG Bank-Umwandlungsgesetz) - Zweites Gesetz zur Änderung des Patentgesetzes und anderer Gesetze (2. PatGÄndG) - Neunzehntes Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (19. BAföGÄndG) - Gesetz über die Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege und von Sterilisationsentscheidungen der ehemaligen Erbgesundheitsgerichte - Gesetz zu der Vereinbarung vom 19. Dezember 1995 zur Durchführung des Abkommens vom 8. Dezember 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit - Gesetz zu dem Abkommen vom 24. September 1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit - Gesetz zu dem Abkommen vom 24. November 1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit - Gesetz zu dem Abkommen vom 17. Dezember 1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bulgarien über Soziale Sicherheit - Gesetz zu dem Abkommen vom 24. Oktober 1996 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Tschechischen Republik über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes - Gesetz zu dem Protokoll vom 7. November 1996 zum Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen von 1972 - Gesetz zur Ausführung des Protokolls vom 7. November 1996 zum Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen von 1972 - Gesetz zu dem Abkommen vom 16. Juni 1995 zur Erhaltung der afrikanisch-eurasischen wandernden Wasservögel - Gesetz zu dem Zusatzabkommen vom 6. Oktober 1997 zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der im Königreich der Niederlande stationierten deutschen Truppen einschließlich des ergänzenden Protokolls und zu dem Abkommen vom 6. Oktober 1997 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Königreichs der Niederlande über die Rahmenbedingungen für das I. (Deutsch-Niederländische) Korps und dem Korps zugeordnete Truppenteile, Einrichtungen und Dienststellen (Gesetz zu dem Vertragswerk über die deutsch-niederländische militärische Zusammenarbeit) - Gesetz über eine Versorgungsrücklage des Bundes (Versorgungsrücklagegesetz- VersRücklG ) - Ausführungsgesetz zum Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichlung vom 3. Dezember 1997 - Gesetz zu dem Abkommen vom 26. November 1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kasachstan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen - Gesetz zu den Verträgen vom 14. September 1994 des Weltpostvereins - Gesetz zu dem Vertrag vom 24. September 1996 über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen - Ausführungsgesetz zu dem Vertrag vom 24. September 1996 über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen - Gesetz zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger (Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz - MHbeG) - Drittes Gesetz zur Änderung des Rechspflegergesetzes und anderer Gesetze - Gesetz zu dem Übereinkommen vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zu dem Übereinkommen von 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht sowie zu dem Ersten und dem Zweiten Protokoll über die Auslegung des Übereinkommens durch den Gerichtshof - Gesetz zu dem Übereinkommen vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof Der Vorsitzende des folgenden Ausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Wirtschaft - Unterrichtung durch die Bundesregierung Siebenundzwanzigster Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" für den Zeitraum 1998 bis 2001 (2002) - Drucksachen 13/9992, 13/10486 Nr. 1- - Unterrichtung durch die Bundesregierung Beschäftigungspolitischer Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland (April 1998) - Drucksache 13/10510 - Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 13/10263 Nr. 2.14 Drucksache 13/9819 Nr. 2.30 Drucksache 13/9819 Nr. 2.34 Drucksache 13/9819 Nr. 2.41 Drucksache 13/9819 Nr. 2.45 Drucksache 13/10588 Nr. 1.6 Drucksache 13/10588 Nr. 2.1 Drucksache 13/10588 Nr. 2.2 Drucksache 13/10588 Nr. 2.4 Drucksache 13/10588 Nr. 2.5 Drucksache 13/10588 Nr. 2.6 Drucksache 13/10588 Nr. 2.7 Drucksache 13/10588 Nr. 2.8 Drucksache 13/10588 Nr. 2.9 Drucksache 13/10588 Nr. 2.10 Drucksache 13/10588 Nr. 2.11 Drucksache 13/10588 Nr. 2.12 Drucksache 13/10588 Nr. 2.13 Drucksache 13/10588 Nr. 2.14 Drucksache 13/10588 Nr. 2.15 Drucksache 13/10588 Nr. 2.16 Drucksache 13/10588 Nr. 2.17 Drucksache 13/10588 Nr. 2.18 Drucksache 13/10588 Nr. 2.24 Drucksache 13/10588 Nr. 2.32 Drucksache 13/10588 Nr. 2.33 Drucksache 13/10588 Nr. 2.35 Drucksache 13/10588 Nr. 2.37 Drucksache 13/10588 Nr. 2.38 Drucksache 13/10588 Nr. 2.40 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 13/8615 Nr. 2.24
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Gerhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Fischer, ich beobachte jetzt schon in einer Folge von Plenarsitzungen, daß Sie stets bestimmte Ereignisse und auch die Leistungen des Bundeskanzlers hinterher würdigen. Als die jeweiligen Entscheidungen anstanden, waren Sie aber immer komplett dagegen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das ist doch dummes Zeug!)

    Ich erinnere mich an eine Sitzung des Hessischen Landtages, in der Sie gesagt haben: „Vergessen Sie die Wiedervereinigung! " Nach Ihrem Redebeitrag trat meine Kollegin Babel ans Pult und sagte: „Wir vergessen die Wiedervereinigung nicht. " Das sage ich jetzt nicht so einfach daher, Herr Kollege Fischer. Ich meine damit, daß zur politischen Qualität eines Menschen gehört, daß er zu den Zeiten, zu denen Entscheidungen anstehen, die Entscheidungen trifft.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Als ich meine erste Rede hier als Vorsitzender der F.D.P. hielt, hatte ich die Gelegenheit, mit Ihnen über Bosnien zu sprechen. Sie redeten vor mir und warnten vor einer Militarisierung der deutschen Außenpolitik. Vier Wochen danach schrieben Sie Ihrer grünen Basis das, was ich hier für die F.D.P. vorgetragen hatte: daß der Einsatz notwendig sei. Ich erlebe Sie heute auf grünen Parteitagen als jemanden, der für die Menschenrechte und für internationale Friedenseinsätze der Bundeswehr eintritt. Aber, Herr Fischer, Sie kommen immer zu spät. Wenn entschieden werden muß, müssen Sie entscheiden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Sie wissen doch so gut wie ich, daß ein guter Teil Ihres Denkmilieus psychische Probleme mit der deutschen Einheit hatte; sie haben es als gerechte Strafe der deutschen Geschichte empfunden, daß dieses Land geteilt bleibt. Es gab ganze Denkkulturen, die es als Widerstreit gegen die Geschichte gesehen haben, wenn Deutschland vereinigt wird. Diese psychischen Verknotungen hat kein Volk der Welt, keine moderne Demokratie, weil es dazugehört, gemeinsame Kultur und gemeinsame Geschichte zusammenwachsen zu lassen und sie nicht künstlich zu trennen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Sie haben damals auch gemerkt, daß dies die Menschen gespürt haben. Sie haben den Deutschen Bundestag nicht erreicht, weil Sie zum Thema der deutschen Geschichte, des kulturellen Zusammenwachsens, der Einheit eines Volkes nichts hatten. Sie machen das jetzt in Europa ähnlich. Sie geben keine klare Antwort zur Außenpolitik.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Na!)

    Wer aber auf die zentralen Fragen eines Landes keine klaren Antworten geben kann, dem soll das Land keine Regierungsverantwortung übertragen. Das ist unsere Antwort darauf.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Dr. Gregor Gysi [PDS]: Das ist eine Debatte zur deutschen Einheit, nicht zu Fischer!)

    Wir bauen gemeinsam in Ost und West das Land wieder auf. Wir wenden uns Reformen zu. Wir müs-

    Dr. Wolfgang Gerhardt
    sen mutige Entscheidungen treffen. 17 Millionen Deutsche machen gewaltige Anstrengungen, um die neuen Länder wieder aufzubauen. Sie nehmen Risiken auf sich. Sie sind viel flexibler, als das eine lange eingeschlafene westdeutsche Gesellschaft war, die nur geglaubt hat, es gebe automatisch jährliche Wachstumsraten, und wir könnten das alles noch etwas verschönern.
    Im übrigen sollten wir bei allen Daten über die wirtschaftliche Entwicklung doch nicht den größten Erfolg vergessen: In Bautzen ist niemand mehr politisch inhaftiert, und die Menschen genießen zum ersten Mal seit 1933 die Menschenrechte.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Wenn wir eine Kultur der Freiheit in Deutschland herausbilden wollen und die Menschen unserer Debatte zusehen, dann muß ich den Menschen auch sagen, was qualitativ wertvoller ist. Ist es die Ungeduld, auch noch den letzten Autobahnkilometer gebaut zu haben oder die industriellen Zentren noch gegründet zu haben? 5000 Existenzgründungen haben wir. Das ist alles wichtig, aber daß niemand mehr mit der Todesstrafe bedroht ist, niemand mehr an der Mauer erschossen wird und die Menschen Zeitungen lesen können, das ist doch der Hauptgewinn der deutschen Einheit.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Deshalb ist die Diskussion darüber, wie weit der Aufbau Ost gediehen ist und was wir alles noch nicht geschafft haben, zweitrangig gegenüber dem Freiheitsgewinn für die Deutschen. Daß 17 Millionen zum ersten Mal seit 1933 die Menschenrechte genießen, ist der Gewinn der deutschen Einheit. Dann können sich die Aufbauleistungen auch sehen lassen.
    Im übrigen erinnere ich mich noch - ich war nicht Verhandlungsführer wie Wolfgang Schäuble, der es noch genauer weiß -, was mir damals über die deutsche Medienlandschaft von hervorragenden Repräsentanten aus Wirtschaft und Gesellschaft und Kolleginnen und Kollegen aus den neuen Ländern vermittelt wurde. Die beschrieben mir ein Bild darüber, welche Milliardenvermögen die DDR-Wirtschaft noch habe. Es wurde eher darüber diskutiert, daß dieses Vermögen an die 17 Millionen Deutsche verteilt wird. Es wurde den westdeutschen Verhandlungsführern eher der Vorwurf gemacht, man wolle sich dessen bemächtigen. Wer die Wortprotokolle des ZK der SED liest, weiß doch, wie marode die SED die Wirtschaft gemacht hatte. Sie hat doch die Menschen dort um ihre Lebensleistung betrogen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Dann sitzt hier eine PDS, zu der der Herr Bundespräsident, ohne sie zu nennen, eigentlich die richtigen Worte gefunden hat: Wir dürfen denen keine Chance geben, die unter Verbrämung der Geschichte ein falsches Wirgefühl entwickeln wollen.
    Die Wahrheit ist, daß nicht die Treuhand die Wirtschaft der DDR ruiniert hat, sondern die SED.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Nachdem diese Truppe die Menschen seelisch zerstört, die Landschaft ökologisch ausgebeutet und die Wirtschaft vernichtet hatte, treten ihre Nachfahren heute auf und machen sich zum Sachwalter der Leistungsbereitschaft von Menschen. Nein, das können wir nicht zulassen!

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Christina Schenk [PDS]: Ich würde den Mund nicht so voll nehmen!)

    Zum Wiederaufbau gehört auch ein Stück Bewältigung der Freiheit, Bewältigung der Demokratie, Risikobereitschaft, Verantwortungsbereitschaft. Zum Wiederaufbau gehört nicht eine falsche Darstellung geschichtlicher Abläufe. Ich fordere auch Verantwortliche in den neuen Ländern auf, das ihren Landsleuten, mit denen sie die gleichen Lebensbiographien teilen, endlich zu sagen. Der allererste Appell geht an Reinhard Höppner und an Manfred Stolpe und auch an Regine Hildebrandt. Das war kein Land, das die Menschen mit Freiheit segnete. Das war ein Land, in dem die Staatssicherheit alles überwucherte, in dem die Menschen unterdrückt wurden, in dem sie um den Lohn ihrer Leistungen gebracht worden sind.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Das heute so darzustellen, als sei das die kleine Welt, das kleine Biedermeier, die kleine Nische gewesen, ist falsch. Wir haben Schwierigkeiten; Freiheit ist unbequem - aber sie gibt Menschen allemal mehr Lebenschancen, als sie in der Vergangenheit, die man ihnen zugemutet hat, hatten.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Deshalb müssen wir auf den Kern zurück. Wir wollen, daß die Menschen mehr Lebenschancen erhalten. Wir wissen, daß das nur mit einer Beschäftigungspolitik geht, die Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt schafft, die durch Produkte oder Dienstleistungen dauerhaft gestützt sind.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wir wollen, daß Jugendliche Chancen auf einen Ausbildungsplatz erhalten. Das erreichen wir aber' nur, wenn wir die mittleren und kleinen Unternehmen stärken und sie im Wettbewerb nach vorne bringen, weil sie 85 Prozent der Jugendlichen ausbilden. Wir werden nur dann dauerhafte Lebenschancen erreichen, wenn wir dort eine Wissenschafts-, Qualifizierungs- und Forschungslandschaft aufbauen. Wir wollen nämlich nicht, daß es dort nur eine verlängerte Werkbank von Produkten West gibt. Wir brauchen eine eigene Kraft zur Produktinnovation Ost. Das ist unser Ziel.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Das können wir nicht jährlich mit Haushaltsbudgets untermauern, die außerhalb jeder finanziellen Verantwortung stehen. Die Richtung stimmt aber doch.

    Dr. Wolfgang Gerhardt
    Zudem müssen wir uns gemeinsam bemühen, daß diese wirtschaftliche Entwicklung, die Demokratie, die Schwierigkeit, die Risikobereitschaft und auch das Risiko, scheitern zu können, überall zu den Qualitätsmerkmalen einer freiheitlichen Gesellschaft gehören. Deshalb müssen die Deutschen in West und Ost eine Denkkultur abstreifen, nach der man immer nur glaubt, der Staat könne die Probleme lösen, der Staat solle die Probleme lösen, der Staat müsse die Probleme lösen, der Staat müsse der Wegbegleiter von der Wiege bis zur Bahre sein, der Staat müsse ein permanenter Interventionsstaat sein, der Staat müsse eine große Bürokratie haben und Hilfe in allen Lebenslagen bieten. Nein, eine Demokratie ist nur so stabil, wie die vitale gesellschaftliche Kraft, die hinter der Demokratie steht.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Erst wenn dieser Aufbau gelungen ist, gibt es ein inneres Zusammenwachsen. Dann ist zusammengewachsen, was zusammengehört.
    Die westdeutsche Gesellschaft hat dazu Zeit gebraucht. Wir erinnern uns, daß nach 1945 nicht innerhalb von zwei Jahren alles so war, wie man es gerne gehabt hätte. Auch wir hatten es mit radikalen Parteien zu tun. Erinnern Sie sich an die Sozialistische Reichspartei, die den Westdeutschen damals mit hohen Generälen aus der Wehrmacht vorgegaukelt hat, im Dritten Reich wäre das alles nicht so gewesen? Damals sind viele Verführer aufgetreten. Es ist aber geschafft worden, dieser Kultur Einhalt zu gebieten. Man hat sich daran gemacht, und zwar mit großem Aufwand, mit Innovation und mit Leistungs- und Risikobereitschaft, Deutschland wieder aufzubauen. Nur diese beiden Felder - ökonomischer und kulturell-gesellschaftlicher Wiederaufbau - führen ein Land zusammen.
    Wir sind auf dem richtigen Weg. Sicher, wir erleiden Rückschläge, aber wir haben einiges zustande gebracht. Das hat diese Koalition damals mit mutigen Entscheidungen möglich gemacht. Sie hat den Prozeß begonnen. Er muß auch nach der Wahl fortgesetzt werden. Wir werden die Wahlen gewinnen, weil die Menschen spüren, daß es mit uns nach vorne geht und mit anderen nur rückwärts.
    Danke schön.


Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Kollege Dr. Gysi, PDS.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Andrea Lederer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt gibt es eine Verlängerung der Redezeit, so daß Sie auch mich noch einmal anhören müssen. Sie sollten eines nicht vergessen: Ihr Fraktionsvorsitzender und Ihr Bundeskanzler haben Ihnen heute mehrfach gesagt, daß Sie die Ergebnisse der Einheit begrüßen und auf die Folgen stolz sein sollen. Ein Ergebnis der Einheit besteht darin, daß ich heute hier stehe. Also haben sie Ihnen gesagt, Sie sollten auch darauf stolz sein und nicht immer mit Häme reagieren, wenn ich zum Rednerpult komme.

    (Beifall bei der PDS)

    Zum Entscheidenden. Herr Gerhardt, Sie haben gerade einen langen Vortrag über Ihre Politik in den neuen Bundesländern und darüber gehalten, wie erfolgreich die ist. Ehrlicherweise hätten sie dann aber auch hinzufügen müssen, daß die dort offenbar nicht sehr viel Anklang findet, denn Sie sind in keinem einzigen Landtag in den neuen Bundesländern mehr vertreten. Das sollte zu selbstkritischem Nachdenken führen und nicht nur zur Selbstgerechtigkeit.

    (Beifall bei der PDS Detlef Kleinert [Hannover] [F.D.P.]: Das hängt mit dem Wolf und den Geißlein zusammen!)

    Sie haben hier in einer übertriebenen Art und Weise über die PDS gesprochen und versucht, sie zu delegitimieren, und haben es als den entscheidenden historischen Sündenfall betrachtet, wenn man überhaupt irgend etwas mit der PDS zu tun hat. Das war der Herr Bundeskanzler, und das war auch der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU. Ich will Ihnen dazu etwas sagen. Ich habe überhaupt nichts dagegen, daß Sie die SED scharf kritisieren, daß Sie die PDS scharf kritisieren und auf das Unrecht hinweisen, das durch die SED verursacht worden ist. Das ist alles wahr.
    Nur, diese Art von Übertreibung, diese Art von Dämonisierung, die Sie betreiben, fällt auf Sie zurück. Es gibt doch ein Problem. Je mehr Sie das Unrecht der SED ausmalen, desto mehr waren daran natürlich auch die Parteien, mit denen Sie fusioniert haben, beteiligt. Die haben von 1949 bis 1990 mit der SED koaliert, und zwar dauerhaft. Sie haben alles mitentschieden.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Das nimmt der SED nicht die Hauptverantwortung. Aber wenn Sie dann durch Ihren Regierungssprecher so weit gehen, zwischen SED und NSDAP ein Gleichheitszeichen zu setzen, dann bedeutet das doch, daß die Parteien, mit denen Sie fusioniert haben, 40 Jahre lang mit einer Partei, die man mit der NSDAP gleichsetzen kann, koaliert haben. Sie haben keine Sekunde gezögert, ohne jede Aufarbeitung von Geschichte sie zu übernehmen. Sie müssen sich doch einmal die Folgen dessen, was Sie hier erzählen, überlegen.
    Herr Schäuble hat auf seinen Freund Lothar de Maizière hingewiesen. Lothar de Maizière war Stellvertreter von Hans Modrow. Daß Hans Modrow etwas mit der SED und deren Geschichte zu tun hatte, kann doch niemand leugnen. In dem Maße, wie Sie ihn dämonisieren, machen Sie es praktisch auch Lothar de Maizière unmöglich, zu seiner eigenen Biographie und damit zu seiner Stellvertretung von Hans Modrow zu stehen.
    Ich finde diesen ganzen Ansatz völlig falsch. Die berechtigte Kritik soll geäußert werden, aber die Dämonisierung fällt auf Sie zurück; denn wenn das alles so schlimm gewesen wäre, wie Sie es darstellen, hätten Sie mit den daran Beteiligten niemals fusionieren dürfen. Aber da haben Sie keine Sekunde gezögert. Deshalb sage ich Ihnen: Die Geschichte der DDR, ob Sie es wollen oder nicht, ist dadurch auch zu Ihrer

    Dr. Gregor Gysi
    Geschichte geworden. Dazu müssen Sie erst einmal stehen.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Der Bundeskanzler hat natürlich recht. Die internationalen Vorgänge des Jahres 1990 waren komplex und höchst kompliziert. Aber es gibt Thesen, die Sie immer in den Raum stellen, von denen ich schon gerne wissen möchte, wie die eigentlich bewiesen werden sollen. Zum Beispiel sagen Sie immer: Damals die deutsche Einheit, sonst wäre sie nie gekommen. Glauben Sie im Ernst, Jelzin hätte sie später verhindern können? Ich glaube nicht daran, daß es nur diesen einen Zeitpunkt in der Geschichte gab, wie ich überhaupt nicht glaube, daß es nicht mehrere Möglichkeiten im Verlauf der Geschichte gibt.
    Glauben Sie, es ist mir damals in der Volkskammer leichtgefallen, gegen die Währungsunion zu stimmen? Was glauben Sie, was ich mir damals draußen in der DDR habe anhören müssen: daß ich den Leuten angeblich das Intershop-Geld nicht gönne. Ich habe nur darauf hingewiesen, welche Folgen eine Aufwertung von 450 Prozent hat. Ich habe darauf hingewiesen, daß selbst die rentable Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland eine solche Aufwertung niemals verkraften würde. Ich habe darauf hingewiesen, welche Arbeitslosigkeit die Folge sein wird. Da haben die CDU-Abgeordneten mich in der Volkskammer nicht nur beschimpft, sondern auch erklärt: Es wird deshalb keine Arbeitslosen in der damaligen DDR geben. Das Gegenteil war richtig.
    Das ist immer das Problem: Selbst wenn Sie es als politisch richtig empfinden, machen Sie keine differenzierte Politik. Sie weisen in Wahlkämpfen nicht auf Schwierigkeiten, auf Mißerfolge hin, sondern nur auf scheinbare Erfolge. Schönfärberei - das müssen Sie von den Blockparteien gelernt haben -, das war auch die Tradition der SED. Ich dachte eigentlich, das sei endlich vorbei, und ich stelle fest, es setzt sich hier nahtlos fort.

    (Beifall bei der PDS)

    In diesem Zusammenhang ärgern mich auch andere Bemerkungen. Wenn Fischer sagt, wir sind ein Traditionsverein, würde ich schon gerne wissen, Herr Fischer: Welche Tradition meinen Sie eigentlich? Ich stelle bei Ihnen nur fest, daß Sie jede Woche eine Tradition neu über Bord werfen. Ob das so besonders gut ist, weiß ich auch nicht.

    (Beifall bei der PDS Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie ist das mit der Siegerjustiz?)

    Wenn Ihr Herr Schulz sagt, die bunte Truppe von Gysi hätte keinen Farbtupfer in diesen Bundestag gesetzt, und Sie im gleichen Atemzuge einen Antrag einbringen, der zu 70 Prozent von uns abgeschrieben ist - das kann ich Ihnen nachweisen; selbst die Fehler haben Sie mit abgeschrieben -,

    (Beifall bei der PDS)

    dann ist das ziemlich billig. Aber deshalb können wir auch zustimmen, weil zirka 70 Prozent von uns sind.

    (Beifall bei der PDS)