Rede von
Dr.
Irmgard
Adam-Schwaetzer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte ist eine Bilanz der Menschenrechtsarbeit des Deutschen Bundestages der vergangenen vier Jahre am Ende dieser Legislaturperiode. Wir haben mit der Bundesregierung nicht nur einen intensiven Dialog geführt, sondern durch eine Fülle eigener Initiativen immer wieder dem wachsenden Interesse vor allen Dingen seitens der jungen Generation, aber auch seitens vieler engagierter Bürger der Bundesrepublik Deutschland an Menschenrechtsfragen Rechnung getragen. Ich muß feststellen, daß das Interesse des Deutschen Bundestages an diesen Fragen bedauerlicherweise zu gering ausgefallen ist.
Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage aller Fraktionen dieses Hauses zum Thema „Umsetzung des Schlußdokuments der 2. Menschenrechtsweltkonferenz 'Wiener Erklärung und Aktionsprogramm' vom Juni 1993" macht deutlich, daß die Menschenrechtsarbeit auch in der Bundesregierung einen deutlich höheren Stellenwert gefunden hat. Es hat eine Entwicklung der Integration der Menschenrechtspolitik nicht nur in die Außenpolitik, sondern auch in die Entwicklungspolitik stattgefunden, die wir nur begrüßen können. Zu fordern ist jedoch, daß die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung auch mit anderen Ressorts - hier nenne ich speziell das Innenministerium - verbessert wird. Allerdings halte ich, Frau Kollegin Dietert-Scheuer, die Ausführungen, die Sie gerade gemacht haben, für überzogen und ziemlich daneben, was die Menschenrechtslage in der Bundesrepublik Deutschland anbelangt.
Einen weiteren Wunsch habe ich an die Bundesregierung: Es geht mir für die nächste Legislaturperiode um eine intensivere Abstimmung mit Fragen des Außenhandels. Auch dieses Instrument kann zur Durchsetzung von Zielen eingesetzt werden; denn wir haben festgestellt, daß wir zwar eine Fülle von Instrumenten gerade auf der internationalen Ebene, im Bereich der Vereinten Nationen entwickelt haben, uns dann aber gegenüber bestimmten Ländern doch wieder die Hände gebunden sind.
Als Beispiel hierfür nenne ich Nigeria. Über viele Jahre haben wir uns auch in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages überlegt, wie wir den Diktator - ich glaube, man kann ihn auch als Schlächter bezeichnen - Abacha dazu bringen können, Menschenrechte in seinem Land besser zu beachten. Durch seinen plötzlichen Tod ist dort eine Veränderung möglich geworden. Wir werden heute ja auch
Dr. Irmgard Schwaetzer
einen Antrag verabschieden, der nicht nur die Freilassung von General Obasanjo begrüßt, sondern auch die Freilassung des Wahlsiegers von 1993, Herrn Abiola, fordert. Hier ist noch einiges zu tun.
Lassen Sie mich noch etwas zum Instrumentarium sagen: Die Wiener Menschenrechtserklärung von 1993 ist nach der Erklärung, deren 50jährige Wiederkehr wir in diesem Jahr feiern, das wichtigste Dokument, weil sie, auch was ihr Aktionsprogramm angeht, von allen Staaten anerkannt und bis heute von keinem Staat außer Kraft gesetzt worden ist. Sie ist die Berufungsgrundlage für alle Staaten, die sich in Sachen Menschenrechte anderen Staaten gegenüber engagieren. Nicht nur ist in der Erklärung von 1993 die Universalität der Geltung der Menschenrechte festgeschrieben worden, um deren Anerkennung wir allerdings immer wieder kämpfen müssen, sondern es ist auch festgeschrieben worden, daß es sich bei der Verletzung von Menschenrechten nicht um innere Angelegenheiten handelt. Dieser Punkt wird immer wieder diskutiert, derzeit wieder im Hinblick auf den Kosovo. In diesem Zusammenhang muß ich uns alle aber daran erinnern, daß wir uns auch in Fragen der Wahrnehmung von Menschenrechtsverletzungen - auch wenn es noch so schwerfällt - immer an unsere eigenen rechtsstaatlichen Grundlagen halten müssen.
Zurück zum Instrumentarium: Mit der Wiener Erklärung ist nicht nur das Amt des Hochkommissars eingeführt worden, der allerdings immer noch ein etwas kümmerliches Dasein im System der Vereinten Nationen führt und besser ausgestattet werden muß, es ist auch das Amt der Sonderberichterstatterin für Frauenfragen eingeführt worden. Dies sehe ich als einen Durchbruch der vergangenen Jahre an, ist uns doch viel zu lange vorgehalten worden, es gebe keine frauenspezifischen Menschenrechtsverletzungen. Dies ist glücklicherweise überwunden, und auf dem Weg der Beachtung frauenspezifischer Rechte müssen wir weitergehen.
Im Bereich der Abkommen ist noch einiges zu tun. Es gibt noch kein UN-Abkommen gegen Folter und andere grausame und unmenschliche Strafen. Das Abkommen innerhalb der Europäischen Union kann und muß hier sicherlich Beispiel sein. Aber die Tatsache, daß Folter und Todesstrafe weltweit massiv zugenommen haben, wir aber im Bereich der Vereinten Nationen noch kein Instrument in Form eines Abkommens haben, um dagegen vorzugehen, macht deutlich, wo wichtige Bereiche zukünftiger Arbeit liegen.
Wir haben einen interfraktionellen Antrag zur Abschaffung der Todesstrafe verabschiedet. Ich begrüße an dieser Stelle, daß mit der Aufnahme in den Europarat viele osteuropäische Länder nicht nur ein Moratorium für die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe zugesagt haben und einhalten, sondern auch beginnen, ihre Gesetze zu ändern. Hier wird innerhalb des Europarates Nachdruck nötig sein.
Wir werden allerdings auch - hierzu fordere ich die Bundesregierung ausdrücklich auf, aber auch uns selber in der Auseinandersetzung mit Kollegen des Kongresses der Vereinigten Staaten - das Bewußtsein dafür schärfen müssen, daß Todesstrafe eine erniedrigende Strafe ist, die in einem demokratischen Rechtsstaat keine Berechtigung findet.
Die Zunahme der Zahl der Vollstreckungen der Todesstrafe in den Vereinigten Staaten ist für uns nicht akzeptabel. Vor allen Dingen ist nicht akzeptabel, daß diese bereits an Kindern vollstreckt wird. Wir müssen einer alten traditionellen Demokratie wie den Vereinigten Staaten, die weltweit eine Signalfunktion innehaben, versuchen zuzureden, von dieser Praxis abzuweichen.
Der Völkermord in Ruanda und der Krieg in Bosnien haben uns klargemacht, daß Strafgerichtshöfe und die Aufarbeitung der Verbrechen eine wichtige Voraussetzung dafür sind, daß innerer Frieden auch nach Bürgerkriegen wachsen kann. Deswegen ist die Bundesregierung in ihrem Bemühen zu unterstützen, die Verhandlungen über einen internationalen Strafgerichtshof fortzuführen und auf einen glücklichen Abschluß hinzuwirken. Dabei ist es meines Erachtens wichtig, daß dieser Strafgerichtshof überhaupt zustande kommt. Erst in zweiter Linie wäre mir wichtig, daß er ein möglichst breites Spektrum von Verbrechen behandelt. Ich denke, daß Bosnien hier beispielgebend sein könnte.
Noch ein letztes Wort zu frauenspezifischen Menschenrechtsverletzungen - die Redezeit ist bereits abgelaufen -: Wir haben einen interfraktionellen Antrag gegen die Beschneidung von Frauen verabschiedet. Ich denke, daß wir auch innenpolitisch gefordert sind, klarzumachen, daß es sich hierbei um einen strafrechtlich relevanten Tatbestand handelt; denn es ist nicht nur eine Menschenrechtsverletzung, sondern eine schwere Körperverletzung.
Wir sollten aber vor allen Dingen international darauf hinwirken, daß die Staaten ihre Verpflichtung aus der Pekinger Erklärung ernst nehmen und nicht nur Beschneidungen verbieten, sondern Beschneider auch innerstaatlich verfolgen. Dies hat nichts mit Tradition zu tun. Es geht vielmehr darum, die Universalität von Menschenrechten einzufordern.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir zu dem Thema „Glaubwürdigkeit in der Menschenrechtspolitik" in der vergangenen Legislaturperiode wichtige Diskussionen geführt haben. Ich hoffe, daß wir auf diesem Weg in der nächsten weitermachen können.
Danke schön.