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    Plenarprotokoll 13/236 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 236. Sitzung Bonn, Freitag, den 8. Mai 1998 Inhalt: Nachrufe auf die ehemaligen Mitglieder des Deutschen Bundestages, Bundesminister a. D. Theodor Oberländer und Bundesminister a. D. Dr. Erich Mende . . . 21673 B Tagesordnungspunkt 7: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes (Drucksachen 13/9960, 13/10544, 13/ 10583) 21673 D b) Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD Wehrsolderhöhung (Drucksachen 13/ 10191, 13/10544) 21674 A c) Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Angelika Beer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Beseitigung von Ausbildungshindernissen und Benachteiligungen im Rahmen der Wehrpflicht (Drucksachen 13/8706, 13/9727) 21674 A Paul Breuer CDU/CSU 21674 B Dr. Dagmar Enkelmann PDS 21676 D Kurt Palis SPD 21677 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 21679 C Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . . 21681 A Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . . 21683 A Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . 21683 B Peter Zumkley SPD 21684 B Ulrich Junghanns CDU/CSU . . 21685 D, 21688 C Walter Kolbow SPD 21687 B Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 21688 D, 21692 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 21690D Rudolf Scharping SPD 21691 D Klaus-Jürgen Warnick PDS 21693 A Tagesordnungspunkt 17: a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag des Abgeordneten Gunnar Uldall und der Fraktion der CDU/CSU Investieren in Deutschland (Drucksachen 13/8047, 13/10182) 21694 A b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Beschäftigungspolitischer Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland (April 1998) (Drucksache 13/10510) . . . . 21694 B Gunnar Uldall CDU/CSU 21694 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 21694 D Siegmar Mosdorf SPD 21697 A Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21700 A Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . 21700 D Siegmar Mosdorf SPD 21701 A Paul K. Friedhoff F.D.P 21702 D Dr. Christa Luft PDS 21704 D Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 21707 C Ernst Schwanhold SPD 21709 D Dr. Burkhard Dreher, Minister (Branden- burg) 21711 B Dr. Christian Ruck CDU/CSU 21713 D Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21715 C Dr. Dietrich Sperling SPD 21717 B Walter Hirche F.D.P 21718A, 21730 A Kurt J. Rossmanith CDU/CSU . . . . 21720 D Dr. Gisela Babel F.D.P 21722 C Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21723 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 21723 C Ottmar Schreiner SPD 21726 C Norbert Blüm CDU/CSU 21727 C Karl-Josef Laumann CDU/CSU . 21730C, 21732 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 21732 A Tagesordnungspunkt 18: a) - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zerlegungsgesetzes (Drucksachen 13/10152, 13/10636) . . . . 21733 A - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (Kraftfahrzeugsteueränderungs- und -ergänzungsgesetz 1997) (Drucksachen 13/10151, 13/10636) . 21733 A b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Datenvermittlung für den Verteilungsschlüssel des Gemeindeanteils am Umsatzsteueraufkommen (Drucksachen 13/10343, 13/10635) 21733 B Tagesordnungspunkt 21: Große Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Ulrich Adam, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Paul K. Friedhoff, Jürgen Koppelin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P. Wirtschaftliche Entwicklung des Ostseeraumes (Drucksachen 13/8674, 13/10140) 21733 D Nächste Sitzung 21734 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 21735* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 17 (a - Antrag: Investieren in Deutschland, b - Beschäftigungspolitischer Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland - April 1998 -) Gerhard Schulz (Leipzig) CDU/CSU . . . 21736* A Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 18 (Entwurf eines Zerlegungsgesetzes - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes) Heinz-Georg Seiffert CDU/CSU . . . 21737* B Detlev von Larcher SPD 21739* B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21740* B Carl-Ludwig Thiele F.D.P 21740* D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 21741* D Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 21 (Große Anfrage zur wirtschaftlichen Entwicklung des Ostseeraumes) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . 21742* B Jelena Hoffmann (Chemnitz) SPD . . . . 21744* D Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 21747* A Lisa Peters F.D.P. 21747* D Rolf Kutzmutz PDS 21748* C Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 21749* B Anlage 5 Amtliche Mitteilungen 21750* A 236. Sitzung Bonn, Freitag, den 8. Mai 1998 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Altmann (Aurich), Gila BÜNDNIS 8.5.98 90/DIE GRÜNEN Augustinowitz, Jürgen CDU/CSU 8.5.98 Becker-Inglau, Ingrid SPD 8.5.98 Behrendt, Wolfgang SPD 8.5.98 * Berger, Hans SPD 8.5.98 Bierstedt, Wolfgang PDS 8.5.98 Blunck, Lilo SPD 8.5.98 * * Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 8.5.98 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 8.5.98 Peter Harry Dempwolf, Gertrud CDU/CSU 8.5.98 Dörflinger, Werner CDU/CSU 8.5.98 Dr. Dregger, Alfred CDU/CSU 8.5.98 Duve, Freimut SPD 8.5.98 Engelmann, Wolfgang CDU/CSU 8.5.98 Eßmann, Heinz Dieter CDU/CSU 8.5.98 Eymer, Anke CDU/CSU 8.5.98 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 8.5.98 * Haack (Extertal), SPD 8.5.98 * Karl Hermann Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 8.5.98 Hauser (Rednitzhembach), CDU/CSU 8.5.98 Hansgeorg Heistermann, Dieter SPD 8.5.98 Hempelmann, Rolf SPD 8.5.98 Heyne, Kristin BÜNDNIS 8.5.98 90/DIE GRÜNEN Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 8.5.98 Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 8.5.98 Jacoby, Peter CDU/CSU 8.5.98 Janssen, Jann-Peter SPD 8.5.98 Kanther, Manfred CDU/CSU 8.5.98 Keller, Peter CDU/CSU 8.5.98 * Dr. Knake-Werner, Heidi PDS 8.5.98 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 8.5.98 Kröning, Volker SPD 8.5.98 Kronberg, Heinz-Jürgen CDU/CSU 8.5.98 Lengsfeld, Vera CDU/CSU 8.5.98 Dr. Leonhard, Elke SPD 8.5.98 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 8.5.98 Erich Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Mascher, Ulrike SPD 8.5.98 Matschie, Christoph SPD 8.5.98 Mehl, Ulrike SPD 8.5.98 Neumann (Berlin) Kurt frak- 8.5.98 tionslos Neumann (Bramsche), SPD 8.5.98 Volker Nitsch (Rendsburg), BÜNDNIS 8.5.98 Egbert 90/DIE GRÜNEN Dr. Ortleb, Rainer F.D.P. 8.5.98 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 8.5.98 Philipp, Beatrix CDU/CSU 8.5.98 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 8.5.98 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 8.5.98 * * Reinhardt, Erika CDU/CSU 8.5.98 Reschke, Otto SPD 8.5.98 Dr. Rochlitz, Jürgen BÜNDNIS 8.5.98 90/DIE GRÜNEN Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 8.5.98 Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 8.5.98 Schily, Otto SPD 8.5.98 Schmalz-Jacobsen, F.D.P. 8.5.98 Cornelia Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 8.5.98 Andreas Schöler, Walter SPD 8.5.98 Schönberger, Ursula BÜNDNIS 8.5.98 90/DIE GRÜNEN Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 8.5.98 90/DIE GRÜNEN Schütz (Oldenburg), SPD 8.5.98 Dietmar Schulz (Berlin), BÜNDNIS 8.5.98 Werner 90/DIE GRÜNEN Schumann, Ilse SPD 8.5.98 Seehofer, Horst CDU/CSU 8.5.98 Terborg, Margitta SPD 8.5.98 Weis (Stendal), Reinhard SPD 8.5.98 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 8.5.98 Gert Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 8.5.98 Zwerenz, Gerhard PDS 8.5.98 * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 17 (a - Antrag: Investieren in Deutschland, b - Beschäftigungspolitischer Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland - April 1998-) Gerhard Schulz (Leipzig) (CDU/CSU): Ich möchte mich auf „Investieren in Ostdeutschland" beschränken. Gehen wir zurück in das Jahr 1990, dem Jahr der Wiedervereinigung: Die Ostmark wurde durch die D-Mark ersetzt. Die Kaufkraft der Bevölkerung östlich der Elbe stieg rapide an, doch davon profitierte nicht das ostdeutsche Gewerbe. Die gestiegene Kaufkraft floß in den Westen ab, weil überwiegend westdeutsche Produkte gekauft wurden. 1992 brach die Sowjetunion zusammen, und der osteuropäische Markt ging für die ostdeutschen Betriebe verloren. Die Folge war: in Osteuropa keine Absatzmärkte, in Westeuropa nicht konkurrenzfähig. Das führte allein im verarbeitenden Gewerbe zu einem Rückgang von zwei Dritteln der industriellen Produktion. Das Ergebnis kennen wir alle: ein immenser Beschäftigungsabbau. Das ist ein praktisches Beispiel: Die Stärkung der Massenkaufkraft gleich zu Beginn der Wiedervereinigung durch den Währungsumtausch und die Stabilisierung dieser Massenkaufkraft durch die soziale Absicherung der von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen hat nicht zur Schaffung von Arbeitsplätzen geführt. Die Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes in Ostdeutschland belegt eindeutig: Nachfrageorientierte Wirtschaft ist nicht geeignet, Beschäftigungszuwachs herbeizuführen. Neben der notwendigen sozialen Absicherung der Menschen hat die Bundesregierung wirtschaftspolitisch auf eine breite Investitionsförderung gesetzt, sie hat eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik betrieben. Daß wir noch nicht am Ziel sind, hat seine Ursachen darin, daß die Umstrukturierung der Ostwirtschaft, das Entwickeln neuer marktfähiger Produkte und die Eroberung der Märkte lange dauert - länger als erwartet, aber wir kommen voran. Das zeigen die vom Abbruch des Baubooms überdeckten zweistelligen Steigerungsraten im verarbeitenden Gewerbe. Gründe für diese Steigerungsraten sind zum Beispiel: die Sonderabschreibungen und Investitionszulagen, die mit einem Bundesanteil von 28 Milliarden DM bis Ende 1997 Investitionen in neue Betriebs- und Mietwohngebäude, in neue Maschinenparks und Eigenheime in einer Höhe von 510 Milliarden DM angeschoben haben - ich wiederhole: 510 Milliarden DM! Das ist mehr als das 18fache! Durch die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsförderung werden Großbetriebe mit bis zu 35 %, kleine und mittlere Betriebe mit bis zu 50 % der Investitionskosten gefördert. Bund und Länder stellten bis Ende 1997 insgesamt 63 Milliarden DM an GA-Mitteln zur Verfügung, davon 38 Milliarden DM für Projekte in der gewerblichen Wirtschaft und 25 Milliarden DM in der wirtschaftsnahen Infrastruktur. Diese 63 Milliarden DM indizierten ein Investitionsvolumen in Höhe von 220 Milliarden DM, das ist fast das Dreieinhalbfache. Damit konnten 535 000 Arbeitsplätze gesichert und 596 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Förderbanken, namentlich die MW und die DtA, gaben zinsgünstige Kredite für die Förderung von Existenzgründungen, für die Förderung des Mittelstandes, von Betriebsbeteiligungen, von Wohnraum- und Plattenbaumodernisierung und den Aufbau der Infrastruktur. So erteilte die KfW bis 1997 Kreditzusagen in Höhe von 121 Milliarden DM. Davon konnten 65 000 Unternehmen profitieren, und es wurden 2,5 Millionen Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert. 3,3 Millionen Wohnungen, darunter 800000 Plattenbauten - das sind 40 Prozent des Gesamtbestandes -, wurden modernisiert und 80 000 neue Wohnungen gebaut. Es gibt keinen Wohnraummangel mehr - ein Ziel, das die SED jahrelang propagierte, aber nie erreichte, nie erreichen konnte! Darüber hinaus wurden 4 000 Infrastrukturprojekte, überwiegend in der Abwasserreinigung und im Wasserbau, unterstützt. Die DtA bewilligte von 1990 bis 1997 in 357 000 Fällen Existenzgründungsmittel in Höhe von rund 47 Milliarden DM. Diese Mittel wurden für Investitionen in die Betriebe verwendet und schufen insgesamt 590 000 Arbeitsplätze. Wir haben innerhalb von acht Jahren den Strukturwandel von einer sozialistischen Monowirtschaft in eine stark mittelständisch geprägte Marktwirtschaft vollzogen. Wir sind noch lange nicht am Ende unseres Ziels, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Und auch die Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern muß differenziert betrachtet werden, um nicht die falschen Schlüsse zu ziehen. Bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen liegt die Arbeitslosenquote in den neuen Ländern jetzt bei 19,4 Prozent. Das ist vollkommen unakzeptabel, da sind wir uns alle einig. Aber beim genauen Hinschauen stellt man fest, daß die Arbeitslosenquote in den Städten Dresden und Leipzig erheblich unter dem ostdeutschen Durchschnitt liegt. In Leipzig betrug sie, bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen, rund 16,5 Prozent, in Dresden 15,2 Prozent. Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Auch das ist viel zuviel. Aber wenn man die Gründe für diese positive Abweichung analysiert, stellt man fest, daß diese beiden Städte sich auszeichnen erstens durch einen überdurchschnittlichen Anteil von Existenzgründungen und Ansiedlungen von Zukunftsbranchen und zweitens durch eine überdurchschnittlich hohe Investitionstätigkeit. Die gezielte Ansiedlung von sogenannten Schlüsselbranchen - in Dresden die Chipindustrie und Mikroelektronik, in Leipzig die Medien und Dienstleistungen - setzt Impulse für viele kleine und mittlere Unternehmen. Alleine im Bezirk der Handwerkskammer Leipzig hat sich deshalb der Betriebsbestand von 1989 bis heute um über 4 000 Betriebe erhöht. Diese Betriebe haben über 100 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Auch das muß man zur Kenntnis nehmen. Diese Entwicklung belegt: Nur Investitionen schaffen neue Arbeitsplätze, nur wenn in Betriebe investiert wird, die vor Ort produzieren, entstehen langfristig sichere Beschäftigungsverhältnisse. Nicht den Leuten Geld in die Hand zu geben, damit sie sich billige Produkte aus Fernost kaufen, schafft Arbeitsplätze. Die Förderung von Investitionen ist der richtige Weg zur mehr Wachstum und Beschäftigung. Was müssen wir in der Zukunft tun, damit der richtige Weg auch zum Ziel führt? Erstens: Wir brauchen schnellstens die große Steuerreform. Sie ist gerade für Investitionen in Ostdeutschland immens wichtig. So hervorragend die verbesserte Ostförderung ab 1999 ist, jedes Unternehmen, das sich beim Aufbau seiner Produktionsstandorte europaweit orientiert - und das wird nach der Einführung des Euro noch mehr geschehen als jetzt -, wird eine andauernd niedrigere Gewinnbesteuerung dem Einmaleffekt einer Investitionszulage immer vorziehen. Zweitens: Notwendig ist eine verstärkte Forschungs- und Innovationsförderung zur Entwicklung neuer Produkte und Technologien in den neuen Ländern. Drittens: Es muß verstärkt Absatz- und Exportförderung betrieben werden. Nur bei genügend Absatz macht eine Produktion Sinn. Bei beiden Punkten, Forschung und Exportförderung, muß verstärkt Geld in die Hand genommen werden. Das ist aber erst vorhanden, wenn die große Steuerreform erfolgreich abgeschlossen wurde. Viertens: Beibehaltung der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Die Finanzierung von Arbeit statt Arbeitslosigkeit, die in Form der produktiven Lohnkostenzuschüsse bereits letztes Jahr deutliche Erfolge aufweisen konnte und auch in diesem Jahr zur Entlastung des Arbeitsmarktes beitragen wird, muß fortgesetzt werden. Nur Investitionen schaffen Arbeitsplätze, nur der Aufbau von Produktion in den neuen Ländern wird den Arbeitsmarkt dort auch entlasten. In diesem Sinne müssen und werden wir unsere Investitionsförderpolitik fortsetzen und sie mit einer Umsetzung der großen Steuerreform unterstützen. Wir könnten da schon sehr viel weiter sein, wenn die Sozialdemokraten die bereits im Bundestag beschlossene Reform im Bundesrat nicht blockiert hätten. Die SPD blockiert aus reinem Machtkalkül und Parteiegoismus Wachstum und Beschäftigung in den neuen Ländern. Den Menschen in den neuen Ländern ist damit wenig geholfen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 18 (Entwurf eines Zerlegungsgesetzes, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes) Heinz-Georg Seiffert (CDU/CSU): In der heutigen Debatte beschäftigen wir uns mit dem Zerlegungsgesetz und dem Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz. Wir haben diese Gesetzentwürfe zusammengefaßt, weil beide vom Bundesrat kommen. Außerdem beraten wir den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Datenermittlung für die zukünftige Umsatzsteuerverteilung. Beide Gesetzentwürfe berühren den sensiblen Bereich der Steuersystematik und den schwierigen Ausgleich zwischen Steuervereinfachung und -entlastung einerseits und den Steuererwartungen der öffentlichen Hand andererseits. Daher ist diese Debatte notwendig und sinnvoll. Ich will mit dem Verteilungsgesetz zur Umsatzsteuer beginnen: Hier ist die Ausgangslage eindeutig: wir haben die arbeitsplatzschädliche Gewerbekapitalsteuer abgeschafft - also müssen wir den Gemeinden auch den versprochenen Anteil in Höhe von 2,2 Prozent an der Umsatzsteuer geben. Dafür brauchen wir verläßliche Daten für den Verteilungsschlüssel - und die haben wir bisher nicht. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll es einen endgültigen, fortschreibungsfähigen Verteilungsschlüssel ab dem Jahre 2003 geben. Damit werden natürlich auch Regelungen für die Übergangsjahre zwischen 2000 und 2002 nötig. Um Schlüsselmerkmale definieren und Daten bestimmen zu können, müssen das Gemeindefinanzreformgesetz und das Steuerstatistikgesetz angepaßt werden. Problematisch in den Beratungen war, daß von der Gewerbesteuer befreite oder unter dem Freibetrag von 48 000 DM liegende Betriebe nicht statistisch erfaßt und miteinbezogen wurden. Dies schien aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung vertretbar. Der Bundesrat hat dies allerdings zum Anlaß genommen, zu fordern, als Korrektiv zu den übrigen Schlüsselmerkmalen die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den Verteilerschlüssel aufzunehmen. Die Bundesregierung und auch die Mehrheit des .Finanzausschusses stimmen diesem Wunsch des Bundesrates zu, obwohl so die Beschäftigten am Ort dann praktisch doppelt im Verteilungsschlüssel erfaßt sind: zum einen über die Löhne und Gehälter und jetzt außerdem über die Beschäftigtenzahl. Das kann man akzeptieren, weil ohnehin erst die Modellberechnungen, die notwendig für die endgültige Entscheidung über den Verteilungsschlüssel sind, zeigen werden, wie wir zu sachgerechten Lösungen kommen. Wir stimmen diesem Gesetz zur Datenermittlung für die Umsatzsteuerverteilung also zu. In dieser verbundenen Debatte ist weiterhin das Zerlegungs- und Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz unser Thema. Die Änderung des Zerlegungsgesetzes wurde notwendig, weil es im wesentlichen aus dem Jahr 1951 stammt. Weder sind darin bisher die Änderungen der Abgabenordnung 1977 enthalten, noch sind die Auswirkungen des Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahrens seit 1977 auf die Bagatellgrenze des Zerlegungsgesetzes berücksichtigt. Dies kann zu irregulären Ergebnissen bei der Zerlegung führen und bedarf daher einer Änderung. Im Endeffekt handelt es sich also vornehmlich um eine Angleichung der technischen Abwicklung an seit Jahren praktizierte Vor- gänge. Deshalb will ich das Thema nicht weiter vertiefen. Von wesentlich größerer Bedeutung und Brisanz ist das Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz. Durch die Kraftfahrzeugsteuerreform wurden zum 25. 4. 1997 bis dahin zulassungsfreie Fahrzeuge, die sowohl ein amtliches Kennzeichen als auch eine Betriebserlaubnis haben müssen, steuerpflichtig. Betroffen sind selbstfahrende Arbeitsmaschinen mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 20 km/h bzw. Arbeitsmaschinen als Anhänger mit einer Höchstgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h, aber auch Leichtkrafträder und Spezialanhänger zur Beförderung von Sportgeräten oder Tieren für Sportzwecke. Im Gesetzgebungsverfahren Anfang 1997 sind - das bekenne ich offen - die Auswirkungen dieser Aufhebung der Steuerbefreiung, die von den Ländern gefordert wurde, nicht ganz überschaut worden. Übrigens auch von den Betroffenen und ihren Verbänden nicht! Es ist damals gesagt worden, steuersystematische Gründe, die Beseitigung von Ausnahmetatbeständen und Steuervereinfachung würden diese Verbreiterung der Bemessungsgrundlage notwendig machen. In der Praxis hat sich nun aber schnell gezeigt, daß die finanzielle Belastung in Einzelfällen viel schlimmer ist als erwartet. Es sind echte Härtefälle eingetreten, die wir alle nicht wollten und die wir nicht verantworten können. Ich möchte zwei Gruppen von Betroffenen herausgreifen: Die Halter von selbstfahrenden Arbeitsmaschinen und die Nutzer von Spezialanhängern für den Transport von Sportgeräten und Sporttieren. Zu den selbstfahrenden Arbeitsmaschinen nenne ich ein ganz konkretes und typisches Beispiel: Ein Ziegeleibesitzer, der einige Lehmgruben betreibt, muß nach der Aufhebung der Steuerbefreiung für jeden seiner Radlader - und er hat vier davon -3 500 DM Steuern zahlen. Er hat diese Radlader bisher mit einem grünen Kennzeichen zum Straßenverkehr zugelassen, damit sie über öffentliche Straßen zu Wartungs- und Reparaturarbeiten ins oder zu Baumaßnahmen im nahen Umfeld gefahren werden konnten. Eine der Maschinen ist im Jahr zwischen 50 und 250 km auf öffentlichen Straßen gefahren. Umgerechnet auf den Kilometer ergibt sich damit eine Kfz-steuerliche Belastung zwischen 14 und 70 DM pro km! Dies halte ich für unmoralisch! Das ist im Verhältnis zu PKWs mit durchschnittlicher Kilometerleistung oder auch zu Transport-LKWs mit normaler Auslastung, die fast ausschließlich öffentliche Straßen benutzen, nicht zu rechtfertigen. Da liegt die Kfz-Steuerbelastung zwischen 1 und 2 Pfennigen pro gefahrenen Kilometer. Hinzu kommt, daß der Ziegeleibesitzer für jeden seiner Radlader jährlich etwa 25 000 DM für Mineralölsteuer ausgibt, obwohl das Gerät zu 95 Prozent nicht auf der öffentlichen Straße, sondern in der Grube fährt. Es ist ganz offensichtlich: Dieser mittelständische Unternehmer - und er ist einer von vielen - wird bereits jetzt über die Maßen steuerlich belastet. Wennwir diese neue Belastung durch die Kfz-Steuer nicht wieder zurücknehmen, so kostet dies weitere Arbeitsplätze! Ich meine, gerade im Baubereich wäre dies - wenn man die Lage kennt - schlimm. Und noch eines: Es gibt - selbst wenn man den Finanzbedarf der Länder kennt - auch eine moralische Grenze für den Steuer-Staat! Meine Damen und Herren, das Gleiche gilt für Spezialanhänger zur Beförderung von Sportgeräten oder Tieren für Sportzwecke. Denn auch im Bereich des Sports gibt es zahllose Beispiele, daß die steuerliche Befreiung für Anhänger zum Transport von Sportgeräten dringend wieder kommen muß. Es geht hier nicht in erster Linie um Leute, die komfortable Segelboote und teure Rennpferde transportieren. Es geht hier nicht um die steuerliche Förderung von Luxussportarten! Sondern es geht hauptsächlich um den Breitensport und mehr noch um den Jugendsport. Es geht darum, daß wir mit dieser Steuer das ehrenamtliche Engagement und den Vereinssport bestrafen. Das kann doch nicht unsere Politik sein! Von Kanu- und Kajakfahrern über die Rodel- und Bobvereine bis zu den Radrennfahrern sind ungleich viele Vereine betroffen. Und wer mit Reitsport und Segelfliegen nur Profisport und reiche Leute verbindet, sollte einmal zu einem ländlichen Reitturnier fahren oder sich in einer Uni-Stadt die studentischen Segelflugvereine ansehen. Es trifft also den Breitensport, dem wir bei jeder Gelegenheit - auch Sie von der Opposition tun dies ja bei jedem Anlaß - unsere Sympathie und Unterstützung versichern. Fazit: Die Steuerbefreiung für diese betroffenen Sport-Anhänger muß wieder eingeführt werden! Weil uns bewußt ist, daß diese ungerechte Kfz-Steuer wieder korrigiert werden muß, hat der Deutsche Bundestag im Rahmen der großen Steuerreform bereits beschlossen, die Steuerbefreiung rückwirkend wiederherzustellen. Daß der SPD-geführte Bundesrat diese Steuerreform blockiert hat, ist für unser Land nicht nur wegen der Baumaschinensteuer und der für Sportanhänger ärgerlich und schädlich! Auch die Initiative des Landes Bayern ist vom Bundesrat abgelehnt worden. Und nun habe ich - seit der Stimmenthaltung der SPD im Finanzausschuß - echte Sorgen, daß dies ein Signal ist, daß sich die Bundesratsmehrheit dieser wichtigen Sache wieder verweigert! Dabei finde ich, daß die Begründung der Länder für ihr Verhalten nicht stichhaltig ist. Der Hinweis auf die Steuersystematik ist falsch. Denn eine Vereinfachung muß auch ökonomisch sinnvoll und gerecht sein. Die Belastung, die der Wirtschaft, aber auch die der Freizeitgesellschaft, ist aber ökonomisch nicht sinnvoll: Es wird mehr zerstört, als durch die Abschaffung von Ausnahmeregelungen in der Steuersystematik erreicht wird. Es geht den Ländern um's Geld - 170 Millionen DM Steuerausfall wird prognostiziert, wenn die Steuer für Baumaschinen, Sportanhänger und Kleinkrafträder wieder abgeschafft wird. Natürlich sind 170 Millionen DM viel Geld! Aber der Zweck allein heiligt nicht die Mittel. Sonst könnten wir gleich wieder zum Raubrittertum zurückkehren. Im übrigen bezweifle ich ganz ernsthaft die prognostizierte Höhe der Steuerausfälle. Zumindest bei den selbstfahrenden Arbeitsmaschinen bin ich sicher, daß die meisten Halter in der Lage sind, die Steuer zu vermeiden oder zu umgehen. Sie werden ihre Maschinen einfach ganz oder zeitweise abmelden. Und mein vorher genannter Lehmgrubenbetreiber wird den Transport zur Reparatur oder zu Außeneinsätzen eben mit einem Tieflader vornehmen. Und die Sportanhänger werden eben nur für wenige Monate angemeldet. Oder glaubt jemand, daß der Kanu-Club seine Bootsanhänger auch im Winterhalbjahr zuläßt?! Es wird also so oder so zu ganz erheblichen Steuerausfällen kommen. Die Frage ist nur, ob wir die Leute schikanieren oder nicht. Und jetzt komme ich zu Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD: In beiden mitberatenden Ausschüssen - also im Verkehrs- wie im Sportausschuß - haben Sie mit der Koalition gestimmt. Im federführenden Finanzausschuß dagegen haben Sie sich verweigert. Das ist schade und unverständlich! Es ist inkonsequent, weil die SPD damit gegen die Erhaltung von Arbeitsplätzen in der Bauwirtschaft und gegen die Unterstützung des Breitensports stimmt! Meine Damen und Herren von der SPD: Man kann nicht einerseits die Arbeitsplatzsituation im Baubereich beklagen und gleichzeitig der Bauwirtschaft eine solche Sonderlast zumuten. Und man kann nicht die soziale Bedeutung des Jugendsports betonen und mehr ehrenamtliches Engagement der Sportvereine fordern und ihnen gleichzeitig in die Tasche greifen! Deshalb sollten Sie heute zustimmen! Und ich hoffe auch, daß sich im Bundesrat mit seiner SPD-Mehrheit die Einsicht durchsetzt, daß das Interesse unserer Bauwirtschaft und unserer Sportvereine höher anzusetzen ist als die reine Steuersystematik bei zweifelhaftem finanziellen Aufkommen. Die CDU/CSU-Fraktion jedenfalls wird diesen Schluß heute ziehen und den beiden Gesetzen in der vorgelegten Form zustimmen. Detlev von Larcher (SPD): Die Beschlußempfehlung zum Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz, dokumentiert vor allem eines: Die rechte Seite dieses Hauses hat ihre hehren Grundsätze und Ziele über Bord geworfen. Immer wieder haben Sie verkündet, Ausnahmen im Steuerrecht beseitigen zu wollen - aber mit der Änderung des § 3 Nr. 1 werden so viele Ausnahmen wiedereingeführt, daß ich meine Redezeit überschreiten müßte, um sie alle aufzuzählen. (Deshalb nur ein paar Beispiele: selbstfahrende Teppichklopfmaschinen, ...). Gerade ein Jahr ist es her, daß diese Steuerbefreiungen mit dem Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz 1997 auf Initiative der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen gestrichen wurden. In der Begründung zur entsprechenden Formulierungshilfe des BMF heißt es unter anderem: „Nur auf diese Weise wird gewährleistet, daß wirtschaftlich und verkehrsrechtlich gleichartige Sachverhalte auch steuerlich gleichbehandelt werden." Mich würde jetzt interessieren, ob der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung für Sie nicht mehr gilt. Immer wieder haben Sie verkündet, Subventionen abbauen und die Marktkräfte walten lassen zu wollen. Aber heute muß ich feststellen: Die Staatsinterventionisten sitzen in den Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P. Erzählen Sie uns hier noch mal was von ordnungspolitischen Prinzipien! Ich will hier nicht falsch verstanden werden. Selbstverständlich begrüße ich Ihre Einsicht, daß die neoliberalen Heilslehren, die Sie sonst verkünden, keine Probleme lösen. Angesichts der schwierigen Lage der Bauwirtschaft spricht einiges für die Steuerbefreiung für selbstfahrende Arbeitsmaschinen. Auch spricht einiges dafür, die Sportanhänger nicht mit der Kraftfahrzeugsteuer zu belegen. Denn sie stehen die längste Zeit des Jahres im Schuppen oder auf dem Platz und werden nur selten auf der Straße bewegt. Und die Förderung des Sports ist ja eine wichtige Aufgabe auch des Gesetzgebers. Es ist auch richtig, daß die meisten der durch die Ausnahmeregelungen freigestellten anderen Fahrzeuge - also die selbstfahrenden Baumaschinen - nur geringe Strecken zurücklegen und daher die Straßen nur wenig in Anspruch nehmen. Das grundsätzliche Problem, daß die Kraftfahrzeugsteuer nicht fahrleistungsabhängig ist, kann man aber durch gutgemeinte Ausnahmeregelungen nicht zufriedenstellend lösen. Gegen Ausnahmen sprechen nicht nur grundsätzliche steuersystematische Überlegungen, nicht nur das Ziel, die steuerlichen Bemessungsgrundlagen zu verbreitern und dafür niedrigere Steuersätze zu erheben. Dagegen spricht auch, daß die Maßnahme dem Problem eigentlich nicht angemessen ist: Immer wieder haben Sie gefordert, daß Subventionen - wenn überhaupt - nur noch befristet gewährt werden sollen. Sie aber wollen hier erneut eine unbefristete steuerliche Subvention beschließen, und dies, um eine Branche zu unterstützen, die sich in einer konjunkturellen, also zeitlich begrenzten Krise befindet. Wenn das nichts mit den kommenden Bundestagswahlen zu tun hat! Vor lauter - berechtigter - Angst, die Macht zu verlieren, mißachten Sie die von Ihnen selbst immer wieder beschworenen Grundsätze. Allerdings sind wir das ja gewohnt: Grundsätze werden beschworen, wenn es gerade paßt. Aber im Zweifelsfall interessiert Sie Ihr Geschwätz von gestern sehr wenig. Wie war das doch mit dem Zweck und den Mitteln? Vielleicht sagen Sie uns heute noch, wie viele solcher Wahlgeschenke Sie noch in der Pipeline haben?! Auffällig finde ich außerdem, wie leicht Sie sich tun, wenn es darum geht, die Haushalte der Länder zu belasten. Das haben Sie ja auch schon in der Vergangenheit gerne getan. Die Lorbeeren für die „Wohltaten" wollen sie selbst haben. Aber hinterher zeigen Sie mit dem Finger auf die Länder, wenn sie aufgrund der Steuerausfälle mit großen Haushalts- löchern zu kämpfen haben. So geht es nicht, meine Damen und Herren Koalitionäre, das ist Heuchelei. Sie wissen, daß Sie mit so etwas nicht durchkommen können, und nur deswegen haben Sie das Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz mit dem Zerlegungsgesetz zusammengefaßt. Das ist schon eine skurrile Kombination, aber bei Ihnen heiligt der Zweck ja jedes Mittel. Sie wollen Ihre Fassung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes huckepack durch den Bundesrat bringen. Ein solches Verfahren ist nicht akzeptabel. Auch deshalb kann die SPD-Fraktion dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Wer sich die Stellungnahme der Bundesregierung zum Antrag des Bundesrates anschaut, stellt fest, daß die Bundesregierung zunächst vorhatte, den Bundesrat und die Bundesländer ordentlich zu behandeln. Denn sie fordert in dieser Stellungnahme den Bundesrat und damit die Bundesländer auf, selbst die Initiative in dieser Sache zu ergreifen. Und die Bundesregierung begründet diese Empfehlung selbst damit, daß es sich bei der Kraftfahrzeugsteuer um eine Ländersteuer handelt und daß die Bundesregierung deshalb nicht selbst handeln wolle. Das heißt, ursprünglich sollte das Verfassungsorgan Bundesrat ernst genommen werden. Aber nun sind auch diese Verfassungsgrundsätze nichts mehr wert. Nach dem Motto „Und bist Du nicht willig, so brauch ich Gewalt" wird jetzt dem Verfassungsorgan Bundesrat vom Verfassungsorgan Bundestag die Pistole auf die Brust gesetzt. Nicht nur beschließen wir heute über eine Ländersteuer, ohne mit den Ländern ins Einvernehmen gekommen zu sein. Nein, als Druckmittel werden zwei völlig sachfremde Regelungssachverhalte in einem Gesetz miteinander verkoppelt. Auch das war ursprünglich nicht vorgesehen. Dem Finanzausschuß lagen erst, wie es sich gehört, zwei verschiedene Gesetzentwürfe vor und erst in der Sitzung wurden sie miteinander verkoppelt, um dem Bundesrat die Anrufung des Vermittlungsausschusses schwieriger zu machen. Mit unserer Stimmenthaltung wollen wir signalisieren, daß wir nicht bereit sind, so mir nichts, Dir nichts in das Steueraufkommen der Länder einzugreifen. Es geht immerhin um 170 Millionen, das ist kein Pappenstiel. Eine Regelung sollten wir nur im Einvernehmen mit den Ländern beschließen. Dies ist heute nicht gegeben. Albert Schmidt (Hitzhofen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Was lange währt, wird endlich gut": Das stimmt oft, aber nicht immer. Und schon gar nicht bei der Bundesregierung: Da hat sie erst Jahre gebraucht, um das Kraftfahrzeugsteueränderungs - gesetz von 1997 auszubrüten, und dann dauert es kaum ein Jahr, bis man feststellt: Das Gesetz taugt nicht, es muß nachgebessert werden, „um praktikabel zu sein" . Zumal man sich auch noch gründlich verrechnet hatte. Zu den Fakten: Erstens. Zu Lasten der Länder wurde ein Steuerausfall von rund i Milliarde DM produziert, weil man die Zahl der Euro-4-Fahrzeuge völlig unterschätzt hat. Zweitens. Die betroffenen Autofahrer haben bei der „Umschlüsselung" ihrer Fahrzeugpapiere erhebliche Kosten zu tragen, weil die Euro-Normen, auf die das Gesetz zurückgreift, noch gar nicht festgelegt waren. Drittens. Bundesweit mußten - soweit überhaupt erfaßt - mindestens 500 000 fehlerhafte Steuerbescheide geändert werden. Und die Regelungswut des neuen Gesetzes ging gar so weit, daß sie selbst vor Mobil- und Autokränen, bereiften Baggern und Betonpumpen nicht halt machte, was zu einer massiven zusätzlichen Belastung der Bauindustrie geführt hat, die erst jetzt zurückgenommen werden soll, um nicht weitere Arbeitsplätze zu gefährden. Und der Vermittlungsausschuß muß sich jetzt mit der überragenden Frage beschäftigen, ob Sportanhänger steuerfrei sein sollen oder nicht - fürwahr eine Glanztat effizienten Regierungshandelns! Doch Bonn ist nicht Schilda - es ist schlimmer: Wir hatten die genannten Probleme der Bundesregierung vorhergesagt und schon im September 1995 in einer Pressemitteilung aufgefordert, auf die Änderung der Kraftfahrzeugsteuer zu verzichten, „damit die Beamtinnen und Beamten aus drei Ministerien, die immerhin schon seit 1990 an diesem Thema arbeiten, sich endlich sinnvolleren Aufgaben widmen können" . Ungleich einfacher wäre und ist es, die Kraftfahrzeugsteuer direkt auf die Mineralölsteuer umzulegen. Die Steuerbelastung wäre dann verbrauchsabhängig und verursachergerecht, vor allem aber ohne weiteren Aufwand zu erheben. Selbst eine Regierungspartei - die Drei-Punkte-Partei - hatte diese Vorteile erkannt und genau diese Umlegung jahrelang gefordert - um im entscheidenden Moment umzufallen. Das Desaster haben wir nun: eine Regierung, die kurz vor den Wahlen eingestehen muß, daß ihre eigenes Änderungsgesetz schon wieder geändert werden muß. Also noch einmal Nachhilfe für die Regierungskoalition: Das Gesetz zur Kraftfahrzeugsteuer muß nicht geändert, sondern diese Steuer sollte durch eine einfache Umlegung auf den Benzin- und Dieselpreis ersetzt werden, wobei die Länder selbstverständlich weiterhin ihre bisherigen Einnahmen erhalten müssen. 20 Pfennig zusätzliche Mineralölsteuer, dafür Abschaffung der Kraftfahrzeugsteuer - eine einfache Lösung. Rund 40 Millionen einzelne Steuerbescheide pro Jahr können damit eingespart werden, ebenso wie jede Menge Ärger für den einzelnen Bürger und Frust für 1500 unnütz beschäftigte Steuerbeamte. Der Versuch der Bundesregierung, mit ihrer merkwürdigen Kraftfahrzeugsteuer in eine Ökologisierung des Steuersystems einzusteigen, ist gescheitert: Offensichtlich brauchen Waigel & Co eine kreative Pause in der Opposition. Carl-Ludwig Thiele (F.D.P.): Wir beraten heute abschließend einen ganzen Bauchladen von Steuergesetzen, deren Bedeutung sich zumindest den Laien kaum erschließt. Wir erkennen an diesen Vorlagen, daß unsere Steuergesetze nicht nur in sich kompliziert sind. Offenbar wird auch, daß unser Steuersystem insgesamt sehr komplex ist. Die Ursache hierfür liegt unter anderem in unserem föderalen System mit den Steuergläubigern, Gemeinden, Ländern und dem Bund. Im Zuge der europäischen Einigung haben wir mit der EU mittlerweile einen vierten Steuergläubiger, der zwar keine Steuern erhebt, sie aber erhält. Die vorliegenden Entwürfe sind im Finanzausschuß ohne großen politischen Streit beraten und verabschiedet worden. Sie enthalten im Fall der Kraftfahrzeugsteuer Korrekturen eines Gesetzes. Beim Zerlegungsgesetz geht es um die überaus komplizierte Aufteilung der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Das dritte Gesetz schließlich mit dem nahezu unaussprechlichen Namen „Gesetz zur Datenermittlung für den Verteilungsschlüssel des Gemeindeanteils am Umsatzsteueraufkommen" versucht erneut, einen praktikablen und auch gerechten Schlüssel zu finden, mit dem die einzelnen Gemeinden einen fairen Ausgleich für den Wegfall der Gewerbekapitalsteuer erhalten. Ich glaube, daß mir niemand widerspricht, wenn ich feststelle, daß dies alles viel zu kompliziert ist. Für die Bürger, die von diesen Gesetzen betroffen sind, dürften die heute vorliegenden Gesetze nahezu unverständlich sein. Wenn wir diese Vorlagen heute verabschieden, geht es - jedenfalls in Teilen - um das berühmte „Korrigieren am System". Bei der Korrektur der Kraftfahrzeugsteuer habe ich im Finanzausschuß den Eindruck gewonnen, daß alle Kolleginnen und Kollegen diese Korrekturen für vernünftig erachten. Die Steuerfreiheit für selbstfahrende Baumaschinen wird wiederhergestellt. Das gilt auch für Anhänger zum Transport von Sportgeräten. Die Rücknahme der zusätzlichen Belastung der Bauwirtschaft ist angesichts der konjunkturellen Lage dieser Branche mehr als vernünftig. Zudem werden sich viele Freizeitsportler über diese Korrektur freuen. Deutlich wird, daß wir eine grundlegende Vereinfachung des Steuersystems brauchen. Das gilt für die einzelnen Gesetze, das gilt aber auch für die Anzahl der Steuern. Die Koalition hat in dieser Legislaturperiode mit der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer sowie der Vermögensteuer einen wesentlichen Beitrag zur Steuervereinfachung geleistet. Das ist uns trotz Ihres Widerstandes, meine Damen und Herren von der Opposition, gelungen. Auch Sie müssen darin zustimmen, daß die Reduzierung der Anzahl von Steuerarten eine Vereinfachung ist. Wir werden auf diesem Weg weitergehen. Abzuschaffen ist die Gewerbesteuer und auch der Solidaritätszuschlag. Das Kraftfahrzeugsteuergesetz, daß wir heute erneut ändern, ist nach Auffassung der F.D.P. ebenfalls abzuschaffen. Es ist bedauerlich, daß in den Beratungen nur Änderungen der Kraftfahrzeugsteuer erfolgt sind und daß es für den Vorschlag der Abschaffung der Kraftfahrzeugsteuer und der Umlegung auf die Mineralölsteuer auch seitens der Länder mit einer grünen Regierungsbeteiligung keine Unterstützung gegeben hat. Es ist doch für jeden einleuchtend: Würde die Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer umgelegt, muß nur der Bürger zahlen, der Auto fährt und damit die Umwelt belastet. Das ist einfach. Das ist verständlich. Das erspart viel Bürokratie. Die Vereinfachung gerade des viel zu komplizierten Einkommensteuergesetzes hat die SPD im letzten Jahr im Bundesrat verhindert. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, jetzt von der Notwendigkeit einer Steuerreform sprechen, grenzt das an Heuchelei. Sie wollen den Bürgern den Eindruck vermitteln, als ob Sie in der ablaufenden Legislaturperiode eine Steuerreform verwirklichen wollten. Genau das Gegenteil ist der Fall, Sie haben sie verhindert. Sie verweigern den Bürgern zum einen eine Nettoentlastung. Zum anderen haben Sie dafür gesorgt, daß unser Steuerrecht weiterhin viel zu kompliziert bleibt. Die F.D.P. wird an ihrem Modell festhalten. Wir wollen eine deutliche Nettoentlastung der Bürger und eine grundlegende Vereinfachung des Steuerrechts. Dabei verzichten wir darauf, den Schleier des Finanzierungsvorbehalts über unser Reformvorhaben zu legen. Genau das macht die SPD in ihrem Programm. Sie verspricht den Bürgern eine Nettoentlastung unter Finanzierungsvorbehalt. Gleichzeitig will sie die Reformen der Koalition rückgängig machen und neue Leistungen verteilen. Das heißt mehr Staat, das kostet viel Geld. Die nebulösen Versprechen an die Bürger können überhaupt nicht eingehalten werden. Eine Nettoentlastung wird es niemals geben. Die SPD will keine Nettoentlastung. Die SPD will, daß die Bürger und Wirtschaft weiter belastet werden. Die SPD will mehr und nicht weniger Staat. Die F.D.P. steht weiterhin für eine massive Nettoentlastung von Bürgern und Unternehmen. Die Bürger können wieder mehr Eigenverantwortung übernehmen. Die Unternehmen können mehr investieren. Auf diese Weise erreichen wir einen deutlichen Abbau der Arbeitslosigkeit. Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS): Der vorliegende Entwurf eines Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetzes - ein furchtbares Wort - wird wohl wieder einmal den Steuerdschungel in Deutschland verdichten. Die wirklichen ökologischen Probleme des Verkehrs aber bleiben weiterhin ungelöst. Statt dessen werden nur neue Einzelfallregelungen und Ausnahmen geschaffen. Die neue Regelung ist überflüssig wie ein Kropf. Sie wird daher keine Zustimmung bei der Gruppe der PDS finden. Die Bundesregierung ist offensichtlich auch bei der Kraftfahrzeugbesteuerung immer weniger in der Lage, anstehende Probleme zu lösen. Und Aussitzen angesagt ist bei ihr auch mit Bezug auf die Kommunalfinanzierung. Das belegt ebenfalls der vorliegende Regierungsentwurf über ein Gesetz zur Datenermittlung für den Verteilerschlüssel des Gemeindeanteils am Umsatzsteueraufkommen. Es klingt mir noch in den Ohren, wie die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft in der Anhörung zur Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer - einer traditionellen Einnahmequelle der Gemeinden - vollmundig verkündeten: Wenn diese Steuer erst abgeschafft ist, wird es keine Probleme geben, auch die notwendigen Zahlen zu erheben, die für einen Verteilerschlüssel zum Gemeindeanteil an der Mehrwert- steuer - faktisch als Ausgleich für die entfallene Gewerbekapitalsteuer - notwendig sind. Ich hatte bereits damals davor gewarnt, daß ohne fest fixierten, angenommenen Verteilerschlüssel für die Gemeindeanteile an der Umsatzsteuer die Gewerbekapitalsteuer nicht abgeschafft werden kann. Nun ist sie weggefallen. Die Spitzenverbände der Wirtschaft aber lassen die Bundesregierung mit den versprochenen Daten im Regen stehen. Leidtragende sind die Städte und Gemeinden. Plötzlich stellt sich heraus, daß die bisher für den Verteilerschlüssel vorgesehenen Daten nicht erhoben werden können. Also muß ein neues Gesetz her. Und wie solide wiederum diese Datenbasis dann sein wird, steht in den Sternen. Die jetzt vorgesehene Datenbasis wird zudem viel enger fixiert sein als die bisherige. So werden nun insbesondere Freiberufler nicht mehr in die Datenermittlung einbezogen. Speziell ostdeutsche kommunale Spitzenverbände haben diesbezüglich auf die Gefahr hingewiesen, daß aufgrund der Besonderheiten der Wirtschaftsstruktur in Neufünfland eine Benachteiligung der Gemeinden zu befürchten ist, da in den meisten ostdeutschen Gemeinden nach wie vor sehr wenig produzierendes Gewerbe, aber relativ viele Dienstleister, die häufig als Freiberufler arbeiten, angesiedelt sind. Damit spiegelt der von der Bundesregierung anvisierte Datenschlüsse die Wirtschaftsstruktur in Ostdeutschland nicht ausreichend wider. Eine weitere Verschlechterung der Finanzausstattung der mit Kreditmarktschulden von 190 Milliarden DM ohnehin arg gebeutelten Kommunen ist zu befürchten. Das ist mit der PDS aber nicht zu machen. Wir verlangen statt dessen, daß die Bundesregierung endlich Ernst macht mit einer umfassenden Reform der Kommunalfinanzierung, wofür konkrete Vorschläge der PDS vorliegen. Die Gemeindefinanzen müssen endlich vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 21 (Große Anfrage zur wirtschaftlichen Entwicklung des Ostseeraumes) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): In den letzten zehn Jahren haben sich die politischen Rahmenbedingungen der Ostseeregion stärker verschoben als in all den vier Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Für das Selbstverständnis der Region kann die Bedeutung dieser Entwicklung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Über eine ganze Epoche war die Ostsee politisch dreigeteilt. Deutschland hat sich als EU-Mitglied nach Westeuropa orientiert, die skandinavischen Länder Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland haben in der nordischen Zusammenarbeit eine eigene Alternative gesucht. Die östlichen Anrainer Estland, Lettland, Litauen, Polen und Rußland wurden durch das realsozialistische Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell geprägt. Sie waren fast ausschließlich auf die sowjetischen Interessen ausgerichtet. Innerhalb kürzester Zeit ist aus der aufgesplitterten Ostsee ein europäisches Binnenmeer geworden. Vier seiner Anrainer sind jetzt Mitglieder in der EU, zwei weiteren wurde die EU-Mitgliedschaft angetragen, die Hälfte seiner Bewohner sind schon jetzt EU-Bürger. Norwegen ist über den europäischen Wirtschaftsraum, Polen sowie die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sind über Europaabkommen mit der Union verbunden, Rußland über Partnerschaftsabkommen. Die Ostsee wird zu Recht als eine europäische Region betrachtet, an der die EU nicht mehr vorbeigehen kann. Doch nur zögernd nimmt Europa zur Kenntnis, daß es neben dem Mittelmeer noch über ein weiteres großes europäisches Binnenmeer verfügt. Die Großregion Ostsee weist in bezug auf ihre natürlichen Ressourcen, auf Produktion und Handel ein bedeutendes entwicklungsfähiges Potential auf. Für den Ostseeraum wurden im Zeitraum von 1990 bis 1994 insgesamt 4 534 Millionen ECU an internationalen Hilfen in Form von Zuschüssen oder Darlehen bereitgestellt. 517 Millionen ECU betragen dabei die Zuschüsse der Gemeinschaft. Für die Jahre von 1995 bis 1999 sind Mittel in Höhe von 4 655 Millionen ECU vorgesehen, darunter 950 Millionen ECU Gemeinschaftsgelder. Für den Mittelmeerraum wurde die fünffache Summe durch Brüssel ausgegeben. Dieses Ungleichgewicht war ein entscheidender Ansatzpunkt für die Bundesregierung, eine aktive Ostseekooperation mit dem Ziel einer Stärkung des Ostseeraumes als eigenständigem Wirtschaftsraum zu betreiben, den Blick der EU auf den Norden zu lenken. Hauptziel ist dabei neben der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Handel, Infrastruktur, Energie und Tourismus die Forcierung der Demokratisierung und Sicherung der politischen Stabilität. Eine Revitalisierung des alten Hanseraums ist durchaus möglich und machbar. Schon wird von einer „Blauen Banane" gesprochen, die zu einem Gebiet mit einer hohen Entwicklungsdynamik werden soll und neben der ,,Euro-Banane", die von Südengland über Benelux, Deutschland, das Pariser Becken bis nach Oberitalien reicht, ihren Eigenwert haben wird. Bedingt durch die politische Spaltung unseres Kontinents gab es in dieser Großregion wirtschaftliche Divergenzen wie nur in wenigen anderen Räumen der Welt. Auf der einen Seite stehen die hochentwickelten westlichen Industriestaaten, auf der anderen die ehemaligen Ostblockstaaten, die noch einen weiten Weg zurückzulegen haben, um den westlichen Staaten und Standards zu entsprechen. Im westlichen Teil ist die Pro-Kopf-Produktion, abgesehen einmal von Kalifornien in den USA, höher als sonst in der Welt. Das gilt aber auch für die Besteuerung und die Höhe der Sozialabgaben. Anders dagegen im östlichen Teil: Die Sozialleistungen sind niedrig, die Löhne ebenfalls, aber auch die Besteuerung. Überdurchschnittlich hoch sind dagegen Inflation und öffentliche Verschuldung. Die Ostseeregion gemeinsam erwirtschaftet pro Jahr ein Burttosozialprodukt von zirka 1 Milliarde US-Dollar. Geteilt ist diese Region nicht nur in ihren Besiedlungsschwerpunkten, sondern auch in der Bevölkerungsstruktur. Während in Skandinavien und Deutschland die Überalterung der Gesellschaft zunimmt, weisen die baltischen Staaten und Polen eine überdurchschnittlich junge Bevölkerung auf. Die fehlende Konvertibilität und die Unterschiedlichkeit der Währungen behindern den Handel und erhöhen die Transaktionskosten. Die Unterschiedlichkeit der Rechtssysteme und der Märkte ist trotz aller Anstrengungen noch enorm groß und wird als erhebliche Belastung empfunden. Mit diesen unterschiedlichen Voraussetzungen zu einem Gemeinsamen Markt zu kommen, stellt die Ostseeanrainer vor eine große Herausforderung. Handel und Wirtschaft haben auf die politischen Veränderungen in Nordosteuropa in den 90er Jahren prompt reagiert und sich an die Schaffung eines gemeinsamen Marktes gewagt, denn eines war klar: Ein Europa, das auf Dauer durch Gräben der Armut geteilt wäre, würde kein stabiles Europa sein können. Der sich dynamisch entwickelnde „Home-Market", wie die Schweden den Ostseeanrainerhandel bezeichnen, setzt Maßstäbe für eine grenzüberschreitende, regionale Kooperation. Im Nordosten Europas vollzieht sich ein Integrationsprozeß, der Modellcharakter für das Zusammenwachsen Gesamteuropas annimmt. Alle Anrainerstaaten der Ostsee - ohne Ausnahme - haben dabei die Nutzung und den Ausbau der Wirtschaftsregion Ostsee fest im Visier. Der Ostseeraum gewinnt als Exportziel Nummer eins für fast alle Nachbarn zunehmend an Bedeutung. In den drei baltischen Staaten ist dieser Aufschwung bereits spürbar; die Exportbilanzen von Polen, Dänemark, Finnland, Schweden und Rußland verzeichnen die höchsten Zuwachsraten im Ostseehandel. Spitzenreiter mit einem Exportumfang von 68 Millionen DM 1995 war Deutschland. Während die Ausfuhren der Bundesrepublik 1995 weltweit um 5,4 Prozent zulegten, konnte der Ostseehandel um mehr als 10 Prozent gesteigert werden. Sowohl die Länder mit einer niedrigen Lohnstruktur als auch die Hochlohnländer sind Gewinner dieser Kooperation. Hier kann die Europäische Union ihr Meisterstück vollenden, weil das verbindende Meer niedrige Transportkosten sichert, Land- und Luftverkehr sowie die Energieversorgung hervorragende Voraussetzungen bietet, wie sie nur in wenigen Regionen der Welt vorhanden sind. 100 Universitäten und Lehranstalten rund um das „Mare Balticum" garantieren ein Forschungspotential sondergleichen, ein wissenschaftliches Reservoir mit großen Zukunftsperspektiven. Das noch vorhandene erhebliche Wohlstandsgefälle mit Destabilisierungstendenzen durch einen anhaltenden Abwanderungsdruck von Ost nach West läßt sich jedoch nicht durch optimistische Perspektiven für die Zukunft abbauen, sondern durch Fortentwicklung der begonnenen wirtschaftlichen Dynamik, die eine noch engere Kooperation voraussetzt. Die politische und wirtschaftliche Interessenlage der beteiligten Staaten des Ostseeraumes ist unterschiedlich. Für die nordischen Staaten geht es um die „Wiedergewinnung" des anderen Teiles der Ostsee für ihre Sicherheit, ihren Handel und ihre Wirtschaftsentwicklung. Für Deutschland geht es um die Zusammenarbeit mit einem nachbarschaftlichen Raum, der unserer Wirtschaft, vor allem der unserer Küstenländer, gute Chancen bietet und die Herausforderungen im Sicherheits- und Ökologiebereich gemeinsam bestehen läßt. Für die vier Reformstaaten geht es um die Unterstützung durch die fortschrittlichen Volkswirtschaften im Westen und Norden, doch auch um Gewinnung demokratischer Stabilität und militärischer Sicherheit. Für Rußland geht es um die Teilhabe an der Entwicklung des Ostseeraumes, um Mitsprache und Einflußnahme, um einige der Interessen zu kennzeichnen. Doch allen gemeinsam ist das Wissen um die Chancen durch die Ostseenachbarschaft, einem Markt mit 52 Millionen Menschen. Das „Binnenmeer" Ostsee weist 4 Millionen Fährpassagen pro Jahr auf. Der Seeverkehr ist das Rückgrat des Transportsystems im Ostseeraum. Die Anbindung des Hinterlandes an die Häfen ist besonders im Osten unbefriedigend. Während der Straßenverkehr im östlichen Teil noch unzureichend angebunden ist, verläuft die Entwicklung im Flugverkehr wesentlich besser. Eine „Via Baltica" besteht als Idee, die feste Anbindung der nordischen Länder an Dänemark ist mit der Großen-Belt- und der Öre-SundQuerung begonnen worden. Eine besondere Herausforderung für alle Anrainerstaaten stellt der kritische Zustand der Ostsee dar. Die Umweltverschmutzung erfolgt hauptsächlich durch den Mangel an Klär- und Reinigungsanlagen im Osten des Raumes sowie durch die unkontrollierte Einleitung von Nitraten, Phosphaten und anderen gefährlichen Stoffen. Mit einer Ausdehnung von 415 000 Quadratkilometern und einem Volumen von 22 000 Kubikkilometern stellt die Ostsee, die durch die Meerenge mit der Nordsee verbunden ist, eines der größten Brackwassermeere der Welt dar. Das Ökosystem Ostsee ist durch seinen geringen Wasseraustausch stärker gefährdet als die Nordsee. Im Einzugsgebiet seiner Hauptzuflüsse leben etwa .80 Millionen Menschen. Die Zunahme der Verschlechterung des ökologischen Zustandes war in den letzten Jahrzehnten unverkennbar. Doch deutlich wird gerade seit Anfang der 90er Jahre, daß die seit der Helsinki-Konvention 1974 getroffenen Maßnahmen zu wirken beginnen. Die Kosten für das auf die nächsten 20 Jahre ausgelegte Programm zur Verbesserung der Wasserqualität werden auf 40 Milliarden DM geschätzt. Zu den Folgen der Verschmutzung gehört auch der Rückgang der Fischpopulation mit entsprechenden Folgen für die Fischerei. Mit der Unabhängigkeit der MOE-Staaten eröffneten sich Chancen für eine Vielzahl von Initiativen und Aktivitäten. In etwa 70 verschiedenen Organisationen der Ostseekooperation wird derzeit auf den unterschiedlichsten Gebieten zusammengearbeitet. Eine ordnende Kooperation findet noch nicht statt, soll aber in Zukunft durch ein Informationsbüro der EU übernommen werden. Mit der Ostsee-Gipfelkonferenz der Regierungschefs der elf Staaten und des Präsidenten der EUKommission am 3. Mai 1996 in Visby wurde erstmals die europäische Bedeutung und Eigenständigkeit dieser Großregion herausgestellt und anerkannt, ein Verdienst besonders des deutschen Bundeskanzlers. Auf der im Januar 1998 folgenden Stockholmer Konferenz wurde in erster Linie der Ausbau der grenzübergreifenden Infrastruktur, wie Telekommunikations-, Stromverbund- und Verkehrsnetze, sowie der Kampf gegen die Kriminalität behandelt. Diese Zukunftsregion steht in den kommenden Jahren noch vor großen Herausforderungen, die die Kooperation erschweren. Der Hernesmiemi-Report von 1996 nennt insbesondere die fehlende Sicherheit der Gesetzgebung und Rechtsprechung, die kriminellen Aktivitäten und die schwach entwickelte Geschäftsethik, die mit Schmuggel, Bestechung und mafiosen Strukturen einhergehen, dazu die Schwäche der Unternehmen in den Reformländern, die fehlende Privatisierung und der Mangel an Eigenkapital. Und: Noch gibt es zu viele Hindernisse beim Warentransport, bei den Grenzübergängen und bei der Zollabfertigung. Doch alle diese Probleme sind durch eine verstärkte Zusammenarbeit und die Mithilfe der EU lösbar. Die Konferenzen von Visby und Stockholm haben mit starker Unterstützung der EU ein deutliches Signal des Aufbruchs für den Wirtschaftsraum Ostsee gegeben. Seine Bedeutung als eigenständige, zukunftsträchtige Region tritt immer mehr ins Licht und ins Bewußtsein, und die Perspektiven ermutigen. Der Ostseeraum hat Zukunft. Nach Angaben des Kieler Instituts für Weltwirtschaft wird für Polen und die baltischen Staaten bereits in zehn bis zwölf Jahren eine Kaufkraftqualität erreicht sein, wie sie die mediterranen Länder der EU besitzen. Nach den vorliegenden wissenschaftlichen Szenarien wird in spätestens 15 Jahren Deutschland - gefolgt von Schweden - führend im Ostseehandel sein. Dabei setzt man eine anhaltende Modernisierung der Infrastruktur durch EU-Förderung voraus. Wer aber Projekte wie zum Beispiel die A 20, die als baltische Magistrale von zentraler Bedeutung ist, torpediert, untergräbt damit auch die Aufschwungbemühungen der östlichen Ostseeanrainer. Ohne optimale Verkehrsverbindungen zu Land, zu Wasser und in der Luft, so die Auffassung der Experten, zerplatzen alle Prognosen wie Seifenblasen. Das dann weiter bestehende extreme Ungleichgewicht würde einen Abwanderungsdruck erzeugen, der zu einer ernsthaften Krise im Ostseeraum führen könnte. Falsch wäre es, nur im Osten die Entwicklungsnotwendigkeit für den Ostseeraum festzumachen. Neben dem Ausbau von Bahn und Straße muß den Häfen als Schnittstelle von See- und Hinterlandverkehr in den westlichen Ländern mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Allein von deutschen Ostseehäfen aus betrug das Gütervolumen 400 Millionen Tonnen und im Personenverkehr 23 Millionen Fahrgäste bei etwa 35 ständigen Fährlinien. Der von der Bundesregierung erarbeitete Entwurf eines nationalen Hafenkonzeptes, angeregt vom Gesprächskreis Küste der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ist eine überzeugende Antwort auf die oben formulierte Forderung. Aber unabhängig von jeder geographischen Einordnung haben alle Anrainerstaaten dafür zu sorgen, daß das Wesenselement dieser gemeinsamen Region, das Wasser in seiner Qualität weiter verbessert und weniger gefährdet wird. Mitte der 80er Jahre noch wurden Touristen und Feriengäste durch Horrorschlagzeilen über den kritischen Zustand der Ostsee abgeschreckt. Zehn Jahre später, so macht die Antwort der Bundesregierung deutlich, konnte die Verschmutzung und Beeinträchtigung dieses Meeres beträchtlich reduziert werden. Daran haben alle Länder ihren Anteil. Aber besonders die Bundesrepublik hat die Helsinki-Konvention von 1974 unter großem finanziellen Einsatz beispielhaft umgesetzt. 40 Milliarden DM sind für die kommenden 20 Jahre vorgeschlagen, um das Ökosystem Ostsee weiter zu entlasten. Ein erheblicher Teil dieser Mittel kommt aus dem EU-Programm. Die Vorbeitritts- und Beitrittskosten in den Jahren 2000 bis 2006 für die Länder Polen, Estland, Lettland und Litauen betragen 41,8 Milliarden Euro, also etwa 83,6 Milliarden DM. Doch damit ist es nicht getan. Diese Großregion benötigt zu ihrer Stabilisierung bereits mittelfristig eine Aufnahme weiterer Ostseeanrainer in die EU. Wer Estland will, darf an Lettland und Litauen nicht vorbeigehen, denn er würde sonst neue Ungleichgewichte schaffen. Mit der Bildung des Ostseerates ist zwar eine Konzentration politischer Interessenwahrnehmung eingeleitet worden; doch wenn es nicht gelingt, mehr praktische Beispiele, beispielsweise auch kommunale Nachbarschaften, zu gründen, bleiben die fast 70 Kooperationen, die durchweg aktiv tätig sind, ohne einen Unterbau. Anregen möchte ich eine Jugendkampagne für die Ostseekooperation, ein Ostsee-Jugendprogramm, das über die bisherigen eher bilateralen Begegnungen hinausgeht und jungen Repräsentanten aus den neun Anrainerstaaten die Chancen gibt, für eine Revitalisierung des Hansegedankens tätig zu werden. Die Sprachenvielfalt, die immer wieder als mögliches Handelshemmnis im Ostseeraum genannt wird - immerhin gehören die Sprachen vier sehr unterschiedlichen Sprachfamilien an -, wäre hierbei als Chance für ein vertieftes Verständnis füreinander begriffen worden. Die Parlamente der Ostseestaaten sollten als Träger dieses Hanse-Jugendaustausches auftreten, um damit dieser Idee einen offiziellen Stellenwert zu übertragen. Jelena Hoffmann (Chemnitz) (SPD): Als „NochOpposition" darf ich es nicht unterlassen, die Bundesregierung zu kritisieren und in die Pflicht zu nehmen. Deshalb sage ich: Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU und F.D.P.-Koalition zur wirtschaftlichen Entwicklung im Ostsee-Raum ist ein Ablenkungsmanöver, um Versäumnisse der Regierung zu verschleiern. Die Große Anfrage und die weitschweifige Antwort der Bundesregierung darauf wird den Aufga- ben und Problemen des Ostseeraumes nicht gerecht. Stellenweise nimmt die Antwort den Charakter einer Landeskunde für Berufsschulen an. Da werden brav Wirtschaftsdaten und Bevölkerungsdaten aufgelistet, Organisationen genannt, die sich um den Ostseeraum kümmern, und deren Satzungen zitiert. Wichtige Probleme werden ausgeklammert. Wenn man die Antworten der Bundesregierung liest, fragt man sich: Wozu diese Fragen? Aber selbst diese Darstellung ist nicht frei von Widersprüchen. Da wird einmal zum Ostseeraum eine Einwohnerzahl von 46 Millionen Menschen genannt, ein anders Mal wird die Region mit ihren direkten und indirekten Verflechtungen auf eine Bevölkerungszahl von 300 Millionen Menschen ausgedehnt. Letzteres ist die überwiegende Zahl der Bewohner der Europäischen Union. Das zeigt, diesem Bericht fehlt es an der erforderlichen präzisen Bestandsaufnahme, um daraus die entsprechenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen ableiten zu können. Letztlich fehlt der Bundesregierung ein tragfähiges Konzept als Mit-Ostsee-Land. Insofern sind die langen Aufzählungen von Wirtschaftsdaten und Organisationen ein Ablenkungsmanöver der Bundesregierung, um von unangenehmen Richtungsentscheidungen abzulenken. Der Kanzler selbst hat Deutschlands Rolle im Ostseeraum, insbesondere auch in ökonomischer Hinsicht, in den vergangenen Jahren entscheidend beschränkt, und zwar aus rein politischen Gründen. Weder Rußland noch Frankreich sollten verärgert werden durch voreilige Integration der Ostseeländer, insbesondere der baltischen Staaten. Eine Politik, welche die baltischen Staaten sowohl aus der militärischen Integration als auch aus der wirtschaftlichen heraushalten will, ist aber auf Dauer nicht durchzuhalten. Die Strategie der Bundesregierung, politische Spannungen durch wirtschaftliche Zusammenarbeit abzubauen, ist grundsätzlich richtig. Ich begrüße das hier ausdrücklich. In diesem Zusammenhang ist auch die besondere Einbindung Rußlands in den Ostseerat ein wichtiges und richtiges Element. Die Bundesregierung muß aus dieser richtigen Strategie aber auch die richtigen Konsequenzen ziehen. Das bedeutet, daß vor allem für die Politik der Osterweiterung wichtige Weichenstellungen unumgänglich sind. Es ist für den Ostseeraum, insbesondere für die osteuropäischen Länder, auf Dauer nicht hinnehmbar, über die Bedingungen und Modalitäten der Aufnahme in die Europäische Union im ungewissen gelassen zu werden. Ein verbindlicher Zeitplan mit definierten Schritten ist wesentlich wichtiger als eine schnelle Aufnahme. Vor allem die französische Forderung, zunächst die Institutionen der EU zu reformieren, bevor konkrete Verhandlungen mit den neuen Beitrittskandidaten aufgenommen werden, ist für die osteuropäischen Ostseeländer eine wirtschaftliche Katastrophe. So wichtig die Reform der europäischen Institutionen ist, so wichtig ist aber auch eine konkrete Schrittfolge von Maßnahmen zu definieren und zu vereinbaren, die den osteuropäischen Ostseeanrainern eine Chance zur schrittweisen Integration gibt. Als zweites möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, daß die Entwicklungsunterschiede im Ostseeraum ernst genommen werden müssen. Zwischen den Ländern des Ostseeraums herrscht ein zum Teil absurdes Entwicklungs- und Wohlstandsgefälle. Vor allem die Unterschiede im Entwicklungsniveau, die sich in Problemen wie fehlende Rechtssicherheit, unzureichende Rechtsordnung und Rechtspflege sowie wachsende organisierte Kriminalität niederschlagen, müssen vordringlich beseitigt werden. Dazu ist es erforderlich, vor allem den osteuropäischen Ostseeanrainerstaaten in wesentlich größerem Umfang als bisher institutionelle Hilfen zu geben. Der Aufbau von Institutionen und die Ausbildung entsprechenden Fachpersonals, die finanzielle Unterstützung beim Aufbau der staatlichen Infrastruktur sind wesentliche Elemente, um das Entwicklungsgefälle des Ostseeraumes zu verringern. Die strukturell bedingten Entwicklungsunterschiede der Staaten sind auch Mitursache für das große Wohlstandsgefälle. Bei einem Wohlstandsunterschied von 1 : 10 zwischen Polen und Dänemark wird ein Anreiz für die organisierte Kriminalität geschaffen, der durch keine polizeiliche Maßnahme beseitigt werden kann. Die einzige Lösung besteht darin, den Aufholprozeß der osteuropäischen Länder soweit wie möglich zu beschleunigen. Die Antworten der Bundesregierung hierzu fallen aber verhältnismäßig dürftig aus. Die Bundesregierung gibt bei der Entwicklung von Kooperationsprogrammen und wirtschaftlichen Konzeptionen für den Ostseeraum allzugern ihre Verantwortung an die Kommission in Brüssel ab. Doch gerade die Nordländer, die über eine längere Zeit die Nachteile der politischen Randlage erleben mußten, brauchen besondere nationale Anstrengungen und Maßnahmen. Aber die Bundesregierung zählt in ihrer Antwort lange Listen von Maßnahmen auf, die angeblich für die Ostseepolitik durchgeführt worden sind. Soweit es sich hier um Infrastrukturmaßnahmen in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern handelt, können sie eigentlich nicht als spezifische Maßnahmen für die Ostseepolitik angesprochen werden - wobei die beiden Bundesländer mit ihren Arbeitslosenquoten über dem Bundesdurchschnitt liegen und sie schon aus diesem Grund zu einer Sonderwirtschaftszone erklärt werden müßten. Eine Ausnahme stellen hier lediglich die Verkehrsprojekte dar. Es ist begrüßenswert, daß die Verbindungen zwischen Deutschland, Dänemark und Schweden jetzt wesentlich verbessert werden. Es fehlen aber entsprechende Projekte zur verkehrsmäßigen Anbindung der osteuropäischen Ostseeanrainer. Pläne für Schnellbahnverbindungen durch Polen nach Sankt Petersburg zum Beispiel oder auch Autobahnlinien entlang der Ostseeküste sind bisher über das Stadium von Visionen nicht hinausgekommen. Besonders dürftig sind die Ausführungen zur Telekommunikationsinfrastruktur, deren Verbesserung vor allem in Osteuropa dringend erforderlich ist. Ein ausgebautes Telekommunikationsnetz ist der erste Schritt zur Verbesserung der wirtschaftlichen Kooperation. Auch der hochgelobte sogenannte baltische Ring für den Strommarkt stellt bisher nicht mehr als eine Studie dar. Die Verwirklichung der Pläne erfordert nicht nur Initiative der beteiligten Industrieunternehmen, sondern auch ein staatliches Tätigwerden, um die dazu erforderlichen wirtschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Bei Licht betrachtet, beschränken sich die Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland für den Ostseeraum auf das Transformprogramm. Ein Beratungs- und Studienprogramm ist aber völlig unzureichend angesichts der Probleme in den beteiligten Staaten. Lediglich 90 Millionen D-Mark sind von 1994 bis 1997 in die drei baltischen Staaten geflossen für den Aufbau demokratischer Institutionen und für die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Angesichts des hohen Investitionsbedarfs für Infrastruktur, Umweltschutz und Ausbildung sind diese Mittel völlig unzureichend. Insgesamt gibt die Bundesrepublik Deutschland nur ein Viertel von rund 1,6 Milliarden ECU an bilateraler Hilfe der Ostseestaaten. Die Förderung verlagert sich mehr und mehr auf die Europäische Union und die dort geschaffenen Förderprogramme. Auch im Bereich der privaten Direktinvestitionen haben zwar die osteuropäischen Ostseeanrainer höhere Zuflüsse zu verzeichnen, allerdings mit einer eindeutigen Konzentration auf Polen. Die Hälfte aller Direktinvestitionen entfällt auf Skandinavien. Die kaufkräftigen Märkte Skandinaviens sind immer noch wesentlich attraktiver als erst langfristig ertragreiche Investitionen in den osteuropäischen Ostseeanrainern. Hier hat auch die Osteuropa-Bank mit zinsgünstigen Krediten nur wenig Veränderungen gebracht. Deutschland ist keineswegs der Vorreiter für Direktinvestitionen im osteuropäischen Ostseeraum. Die skandinavischen Länder vereinen auf sich einen ebenso hohen Anteil, die USA liegen eindeutig an der Spitze. Für deutsche Investoren fehlen die Anreize und auch die unterstützenden Maßnahmen, um verstärkt in den sich entwickelnden Ländern des Ostseeraumes zu investieren. Jetzt möchte ich mit einigen Worten auf die Forderung an die Bundesregierung eingehen. Die wirtschaftliche Integration der Ostseestaaten ist in erster Linie eine Aufgabe dieser Staaten selbst und nicht der Europäischen Union. Soweit die Europäische Union hier allgemeine Förderprogramme bereitstellt, können und sollen diese selbstverständlich genutzt werden. Es darf aber nicht so sein, daß sich hier insbesondere Deutschland als größter Ostseestaat aus der Verantwortung herauszieht und Aufgaben nach Brüssel verlagert. Damit würde Deutschland dem Grundsatz der Subsidarität einen Bärendienst erweisen. Die Europäische Union darf nicht zu einem Zentralstaat nach französischem Muster werden, wie ja auch der Bundeskanzler vor wenigen Tagen ernüchtert festgestellt hat. Die Ostseestaaten müssen deshalb enger zusammenarbeiten. Sie müssen ihre Kooperation intensivieren und auf eine breitere Basis stellen. Als erstes müssen die Gremien für die Integration wirtschaftlicher Maßnahmen mit mehr Kompetenzen ausgestattet werden. Dies gilt ganz besonders für das Ostseesekretariat, das die Bundesregierung bisher abgelehnt hat. Dieses Sekretariat sollte auch fachlich-inhaltliche Aufgaben übernehmen, wie zum Beispiel die Erstellung von Entwicklungsplänen für die Ostseeregion, spezifische Fachpläne zum Beispiel für Verkehr und Infrastruktur, oder diese Pläne doch zumindest koordinieren. Auch auf politischer Ebene muß der Ostseerat gestärkt werden. Er sollte zu einem Gremium ausgebaut werden, das bei notwendiger finanzieller Unterfütterung auch verbindliche Entscheidungen auf der Basis der Einstimmigkeit treffen kann. Dies dient letztlich auch einer stärkeren politischen Einbindung Rußlands in die europäische Politik. Die Einführung des Euro zwingt gerade die Ostseestaaten zu schnellerer Integration. Es ist heute schon vorauszusehen, daß der Euro zur Standardwährung im Ostseeraum wird. Die Anbindung dieser Staaten an die Europäische Union und hier insbesondere an das Kernland Deutschland ist damit unumgänglich. Um diese Entwicklung zu beschleunigen, brauchen die Ostseestaaten eigenständige Finanzierungsinstrumente für die großen Aufgaben des Infrastrukturausbaus und der Entwicklung der Unternehmen. Es hat sich ja gerade bei dem Kuhhandel um Duisenberg gezeigt, daß die Präsidentschaft der Osteuropa-Bank in London politische Verhandlungsmasse ist. Es kann den Ostseestaaten nicht gleichgültig sein, wenn die Spitze der Osteuropa-Bank ohne Berücksichtigung ihrer Interessen politisch besetzt wird. Insofern muß schrittweise ein eigenes Finanzierungsinstrument für die Ostseestaaten aufgebaut werden. Dieses sollte in enger Kooperation mit den privaten Banken geschehen. Wir brauchen im Ostseeraum mehr privatwirtschaftliche Initiative. Das historische Vorbild der Hanse zeigt, daß sowohl im Bereich von Handel und Industrie als auch bei der Finanzierung privatwirtschaftliche Initiativen schneller und wirksamer sein können als staatliche. Als ich vor kurzem in St. Petersburg war, konnte ich beobachten, daß die russische Regierung und die Verwaltung von St. Petersburg die großen Chancen, die den Ostseeraum charakterisieren, erkannt haben und gewaltige Anstrengungen unternehmen, trotz mangelnder innerer Struktur und Finanzierungsmöglichkeiten die wirtschaftliche Entwicklung der Region voranzutreiben. Doch ohne fremde Unterstützung, vor allem auch ohne die Unterstützung der deutschen Seite in Richtung einer Verbesserung der Infrastruktur, der Entwicklung von Voraussetzungen für den Tourismus und der Umstrukturierung der Wirtschaft insgesamt werden aus den Chancen Risikofaktoren entstehen. Und dies gilt nicht nur für St. Petersburg und die dazugehörende Region, das gilt für den gesamten Ostseeraum. Vielen Dank. Angelika Beer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aus der Antwort der Bundesregierung sind mehrere Probleme ersichtlich, auf die ich auf Grund der Kürze der Zeit leider nur stichwortartig eingehen kann. Die Ostsee als Wirtschaftsraum ist für die Zukunft Europas eine Kernregion, denn sie stellt die Verbindung von, wenn ich hier „geoökonomisch" argumentieren darf, dem nördlichen Europäischen Wirtschaftsraum und der mittel- und osteuropäischen Wirtschaftsregion dar. Auf Grund der kreativen und kooperativen Außenpolitik, die die skandinavischen Länder in der Phase des Ost-West-Konfliktes entwikkelt haben, wurde hier an innovativen und kooperativen Sicherheitsmodellen gearbeitet. Während Schleswig-Holstein treibende Kraft der Ostseekooperation ist, ist die Bundesregierung jedoch nicht an der Weiterentwicklung einer alle Ostseeanrainerstaaten umfassenden Kooperation interessiert, sondern setzt in der konkreten Politik auf eine eurohegemoniale Politik gegen Rußland. Vor dem Hintergrund, daß in der Region durchaus Konfliktpotentiale vorhanden sind, mahne ich zur Umsicht. Kaliningrad ist ein Problem, an dem man sowohl auf die Problematik der NATO-Osterweiterung als auch auf Folgen der EU-Erweiterung hinweisen kann. Ich stelle nur zwei Fragen: Welche Folgen haben die unbedachte NATO-Osterweiterung und eine nicht im Konsens durchgeführte EU-Erweiterung? Und warum betreibt die Bundesregierung keine konstruktive Politik im Ostseerat, mit der sie die Schäden der NATO-Osterweiterung zumindest eindämmen könnte? Die zukünftigen NATO-Mitglieder investieren in die Anpassung an die NATOStrukturen und binden so Mittel, die für die Wirtschafts- und Sozialpolitik fehlen. Die Erweiterung der EU, so wie sie bis jetzt geplant ist, zerreißt die gewachsenen Wirtschaftsstrukturen, und zwar in doppelter Hinsicht: Zum einen werden nicht alle Staaten Mitglieder der EU, zum anderen besteht in Estland die Gefahr, daß die relativ positive Entwicklung dort gefährdet wird. Ich möchte das an einem Beispiel demonstrieren: In Schleswig-Holstein sind in den letzten 40 Jahren durch die EU-Agrarpolitik etwa 50 Prozent der eigenständigen Bauernhöfe ruiniert worden. Die Folge: Überlebt haben nur rationalisierte Großbetriebe. Die gleiche Entwicklung steht bevor, wenn dieses Modell auf Länder wie Polen übertragen wird. Aber auch die ökologischen Probleme werden von der Bundesregierung sträflich vernachlässigt: Der Wasseraustausch zwischen Ost- und Nordsee ist für das Biotop Ostsee lebensnotwendig. Was tut die Bundesregierung, um das endgültige Umkippen der Ostsee zu verhindern? Der Austausch zwischen Ost- und Nordsee wird durch die Großbrückenprojekte gefährdet. Ein weiteres Problem sind die Senfgasbestände, die noch auf dem Boden der Ostsee lagern. Die Bundesregierung versucht das Problem auszusitzen, indem die tickende Zeitbombe auf dem Grund liegen gelassen wird. In ihrer Antwort auf die Große Anfrage beklagt die Bundesregierung den zurückgegangenen Fischbestand, ohne die Überfischung überhaupt zu erwähnen. Lösungsvorschläge für dieses ökologische Problem sucht man vergebens. Wichtig - das sage ich insbesondere als Abgeordnete aus Schleswig-Holstein - ist die Betrachtung der Probleme, die der derzeitige Ausbau der Verkehrswege bedingt. Eine feste Querung des FehmarnBelts zwischen Puttgarden und Rödby müssen wir aus ökologischen Gründen ablehnen. Der Schiffsverkehr ist wegen des geringen Energieverbrauchs verhältnismäßig umweltverträglich, besonders im Vergleich mit dem Verkehr auf der Straße. Daher sollte alles vermieden werden, was zu einer Verlagerung auf die Straße führen könnte. Vor diesem Hintergrund sollte auch der Ausbau der A 20 bewertet werden. Er wird aus wirtschaftlichen Gründen zu einer Verkehrsverlagerung auf die Straße führen, die ökologischen Kosten sind in den Rechnungen dafür nicht enthalten. Ich möchte zum Abschluß kurz zusammenfassen. Wirtschaftskooperation im Ostseeraum, so wie sie jetzt von der Bundesregierung betrieben wird, vernachlässigt erstens die Schaffung politischer Stabilität durch eine friedensverträgliche Ostseekooperationspolitik, vernachlässigt zweitens ökologische Faktoren und gefährdet so eine moderne und zukunftsfähige Wirtschaftsentwicklung in Schleswig-Holstein als Teil der Ostseeregion und setzt drittens damit fahrlässig mittel- und langfristig Arbeitsplätze und eine dynamische Entwicklung aufs Spiel. Wir setzen dagegen, indem wir vorschlagen: Wir sind für eine Ostseekooperation, die alle Ostseeanrainerstaaten einbezieht und die Ostsee nicht zum EU-Binnenmeer reduziert. Wir müssen die Herausforderung einer ökologischen Verkehrspolitik in der Ostsee annehmen und Personen- und Güterverkehr soweit wie möglich auf das Wasser verlegen. Wir müssen die Ostsee als eigenständiges, aber eingebundenes Biotop begreifen, das die Grundlage für eine zukunftsfähige Wirtschaft bilden muß. Auf dieser Basis können wir in Zusammenarbeit mit allen Partnerstaaten an der Ostsee eine zukunftsfähige und sozialverträgliche regionale Ökonomie aufbauen. Lisa Peters (F.D.P.): Der Ostseeraum, so wie er sich heute darstellt, bildet wieder eine Einheit. Das war vor 1990 nicht so. Deshalb hatte die Große Anfrage, die wir heute beraten, auch ihre Berechtigung. Die Antwort ist umfassend, die Vielfältigkeit dieses „Zukunftsraumes" ersteht vor unseren Augen und nimmt Gestalt an. Der Ostseeraum mit den Anlieger- staaten Deutschland, Dänemark, Schweden, Finnland, der russischen Förderation, Estland, Lettland, Litauen und Polen mit seinen Entwicklungschancen, die gerade erst beginnen, wird uns vorgestellt. Die Ostsee, ihre Küsten, ihre Kultur, ihre gewachsenen Städte, in denen gut ausgebildete Menschen wohnen, sind ein hervorragendes Potential für eine aufstrebende Region. Jetzt, nachdem die Menschen und die Länder um die Ostsee herum wieder frei mitgestalten und wirtschaften können, muß vieles nachgeholt werden. Es geht um die Sauberhaltung der Ostsee; noch viele moderne und leistungsfähige Klärwerke müssen gebaut werden. In diesem Zusammenhang ist auch der Fischbestand in der Ostsee zu sehen. Er wird sich zunehmend verbessern, wenn erforderliche Maßnahmen im Umweltschutz getroffen worden sind. Die stabilen Verhältnisse, die jetzt in allen Ländern des Ostseeraumes herrschen, werden Investoren ermutigen, dort Arbeitsplätze zu schaffen, weil sich Chancen für Zukunftsperspektiven ergeben. Investitionen in allen Wirtschaftsbereichen werden nötig sein. Handel und Wandel kann nur dort funktionieren, wo die Häfen ausgebaut sind und die Infrastruktur vorhanden ist. Hier sind Zubringerstraßen im Bau oder in der Planung, die ein Zu- und Abfließen der Waren ermöglichen und noch verbessern werden. Die vorhandenen Fähren spielen im Ostseeraum eine wichtige Rolle. In der Beantwortung durch die Bundesregierung sind auf alle Fragen zukunftsweisende Antworten gegeben worden. Die Menschen in den neun angrenzenden Ländern werden die Zukunft dieses Raumes gestalten müssen. Sie müssen miteinander reden, miteinander umgehen, Kontakte knüpfen. Dazu muß man sich sprachlich verständigen können; noch bestehende Vorbehalte müssen abgebaut werden! Alle Länder sind auf die Unterstützung der EU und ihre Maßnahmen und Programme angewiesen. Der Fremdenverkehr wird in Zukunft eine wichtige Rolle spielen und damit ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor sein. Auch der Sport, hier besonders alle Aktivitäten, die mit dem Wasser verbunden sind, wird nicht unwichtig sein, Menschen verbinden und zusammenführen. Dabei darf man nicht den Fehler wiederholen, der im Mittelmeerraum gemacht wurde, und die Küsten zubetonieren. Hier ist noch Natur pur, sie muß erhalten und geschützt werden. Es dürfen nicht mehr Dünen verlorengehen. Früher hat die Hanse im Ostseeraum eine große Rolle gespielt. Seit 1980 haben wir die „Hansetage" der Neuzeit, die damals in Zwolle in den Niederlanden ihren Anfang nahmen. In diesem Jahr sind wir in Visby in Schweden; auch Kalmar, Tallin und Danzig haben in den vergangenen Jahren zum „Hansetag der Neuzeit" geladen. Auch meine Heimatstadt Buxtehude ist Hansestadt. Wir nehmen ohne Unterbrechung an den Hansetagen teil. Für mich waren es Begegnungen mit Menschen, die ich nicht missen möchte. Zur Zeit des Eisernen Vorhanges, Anfang der achtziger Jahre, konnten die Hansestädte aus dem damaligen Ostblock nicht teilnehmen. Mitte der achtziger Jahre schmolz das Eis; Freunde aus Polen und Rußland (Novgorod) kamen dazu. Inzwischen kennen wir uns alle, Handel und Wandel wird forciert, Erfahrungen werden ausgetauscht, Seminare veranstaltet, Feste gefeiert. In diesem Jahr ist die „Hansejugend" mit dabei, die sich verbindet. Lübeck ist weiter Wortführer in der „Hanse der Neuzeit". Es sind in jedem Jahr lebendige Veranstaltungen, die von Menschen gestaltet werden, die sich nur so treffen konnten. Über 140 Städte nehmen teil, die Städte, die um den Ostseeraum angesiedelt sind, sind alle dabei. Eine tolle und aktive Partnerschaft verbinden diese Begegnungen, und wir wollen sie nicht mehr missen! Rolf Kutzmutz (PDS): Die PDS dankt der Koalition für die Beschaffung dieses informativen und detaillierten Überblicks durch die Bundesregierung über die vielfältigen zwischenstaatlichen Aktivitäten im Ostseeraum. Damit dieses Material nicht folgenlos bleibt, haben wir einen Entschließungsantrag vorgelegt, der - so meinen wir - eigentlich parteienübergreifende Zustimmung finden könnte. Die Fragen der Koalition hoben vor allem auf Wirtschaftspotentiale und Kooperation von Institutionen ab. Dazu nur drei Detailbemerkungen. Erstens. Mir erschließt sich nach wie vor nicht, wieso ausgerechnet der Transrapid ein Beitrag zur Ostsee-Zusammenarbeit sein soll - vor allem, wo andererseits ein Ausbau der Eisenbahnstrecken Berlin-Rostock und Berlin-Stralsund-Rügen für überflüssig erklärt wird, obwohl die Häfen Mukran und Rostock ausgebaut wurden bzw. werden. Zweitens. Die Atomkraftwerke Ignalina und Sosnowi Bor werden einerseits problematisiert. Andererseits sind der Bundesregierung zu regenerativen Energieträgern aber - ich zitiere - „keine größeren Vorhaben in der Region bekanntgeworden". Sollte sie da nicht von sich aus das Nachdenken über solche Vorhaben auf die Tagesordnung setzen? Drittens. Was gedenkt man zur Unterstützung der östlichen Anrainer zu tun, ehe nach Lachs und Hering die Ostsee auch noch bei Sprotten und Dorsch überfischt wird? Wir möchten hier aber vor allem einen über ökonomische Details hinausgehenden Aspekt benennen. Die Bundesregierung selbst betont an einer Stelle, beim „Bund der Ostseestädte", den - ich zitiere -„basisorientierten Ansatz ihrer Ostseepolitik" . Gerade diese Basisorientierung von Politik muß weiterentwickelt werden. Denn machen wir uns nichts vor: Natürlich liegen auf dem Weg zu einem geeinten Ostseeraum noch viele politische und wirtschaftliche Steine. Ich verweise nur auf den für alle schwierigen Prozeß der Integration Polens in die Europäische Union. Auch in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein fürchten Bauern angesichts der „Agenda 2000" um ihre Existenzgrundlagen, versteift sich der Widerstand gegen eine neue Agrarpolitik. Andererseits sollte sich bei den hiesigen Debatten jeder bewußt sein, daß bei einer sofortigen landwirtschaftlichen Produktivität von Szczecin bis Gdansk auf EU-Niveau 22 Prozent aller polnischen Beschäftigten - nicht nur der Landwirtschaft, sondern insgesamt betrachtet! - arbeitslos sein würden. Schon diese beiden Fakten verdeutlichen, daß über Zeitschiene wie auch Resultate, beispielsweise von EU-Reform und -Erweiterung, vor allem aber über das aktive Einbeziehen der vor Ort Betroffenen in diese Prozesse neu nachgedacht werden muß. Undemokratische Entscheidungen der Regierenden über das Schicksal der Regierten - wie die Euro-Einführung - dürfen sich keinesfalls wiederholen. Politikkonzepte, wie sie beispielsweise der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern zur Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen dem Land und der angrenzenden Wojewodschaft Szczecin beschlossen hat, müssen Schule machen. Dort wurde auf Initiative der PDS im April 1997 einstimmig - also auch von CDU und SPD - unter anderem die Anregung unterstützt, daß als erste praktische Schritte alle Gemeinden und Schulen beiderseits der Grenze Partnerschaften anstreben und eine gemischte deutsch-polnische Parlamentariergruppe - die örtlichen Bundestagsabgeordneten eingeschlossen - eingerichtet wird. Dies scheinen uns geeignete Wege, Probleme wie die eingangs beschriebenen überhaupt als Alltagserfahrung bewußt zu machen. Nur so kann man dann im Kleinen wie im Großen zu für von allen getragenen Kompromissen vorstoßen. Gegenseitiges Vertrauen muß erst von unten wachsen, ehe Kooperationen von oben besiegelt werden können. Sonst tragen sie nicht auf Dauer. Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung begrüßt das besondere Interesse an der wirtschaftlichen Entwicklung des Ostseeraumes. Der Ostseeraum verdient in der Tat volle Aufmerksamkeit. Die Ostseeregion hat nach dem Ende der Spaltung Europas ihre Bedeutung als eine West- und Osteuropa im Norden verbindende Region wieder erlangt. Die Aussicht auf den Beitritt Polens und der drei baltischen Staaten zur Europäischen Union erhöht ihre Bedeutung. Die Ostsee wird in Zukunft nahezu ein EU-Binnenmeer sein. Um so wichtiger ist es, daß auch Rußland mit seinen Osteegebieten in vollem Umfang an der Kooperation teilnimmt. Der Ostseekooperation kommt deswegen über die Wirtschaft hinaus politische Bedeutung zu. Dies schlägt sich in der Arbeit des Ostseerates nieder. Die Bundesregierung hat bereits in der Antwort auf die Große Anfrage, die hier behandelt wird, die vielfältigen Aktivitäten und die bisherigen Erfolge geschildert. Sie hat aufgezeigt, wie sich die Zusammenarbeit auf allen Ebenen entfaltet und wie sich EU-Aktivitäten und Aktivitäten des Bundes, unserer Ostseeländer und zahlreicher Institutionen ergänzen. Ostseezusammenarbeit ist ein vielschichtiger Vorgang, er muß vor allem von der Basis her wachsen. Die Bundesregierung hat Ihnen auch dargelegt - und das ist wichtig -, welche Chancen im Ostseeraum bestehen und welche Aufgaben zu bewältigen sind. Lassen Sie mich einige hier ansprechen: Die wirtschaftliche Entwicklung des Ostseeraums, die sich im Vorfeld des Beitritts von vier Ostseeländern zur EU beschleunigt, eröffnet Deutschland einen vielversprechenden Markt. Dank der hervorragenden Verkehrsverbindungen über die Ostsee und der Entwicklung der Landverbindungen liegt dieser Markt vor unserer Haustür, vor allem vor der Tür unserer nördlichen Bundesländer. Schon jetzt ist Polen unser größter Handelspartner und größtes Investitionsziel im Osten. Unsere Aufgabe ist es, die östlichen Anrainerstaaten bei der Erleichterung des Grenzübergangs, der Harmonisierung ihres Rechts mit dem der EU und bei der Sicherung der Rechtsanwendung zu unterstützen. Für Handel und Investitionen ist dies unverzichtbar. In der EU setzten wir uns dafür ein, daß die Union den Ostseeraum entsprechend seiner Bedeutung berücksichtigt. Ostseekooperation ist angewandte europäische Regionalisierung, welche die EU nur stärken kann. Die EU stellt schon jetzt in ihren Programmen PHARE und TACIS beträchtliche Mittel zur Verfügung, die auch dem Ostseeraum zugute kommen. Vom Jahre 2000 an werden dann die assoziierten Länder umfangreiche Vorbeitrittshilfen erhalten, und nach dem Beitritt fließen ihnen die den Mitgliedstaaten zustehenden Mittel zu. Es handelt sich um eindrucksvolle Summen; sie werden auch die Entwicklung des Ostseeraums nachhaltig voranbringen. Als Hilfe für die Zeit vor dem Beitritt hat die Kommission in der Agenda 2000 für die Jahre 2000 bis 2006 über 21 Millionen Euro vorgeschlagen. Nach dem Beitritt sollen noch höhere Mittel fließen. Der EU kommt damit eine höchst bedeutsame Rolle in der Ostseeregion zu. Mit Recht hat Finnland vorgeschlagen, eine „nordische Dimension" der EU zu entwickeln. Für die Ostseestaaten bleibt aber genug zu tun: So werden sich die Wirtschaftsminister der Ostseestaaten mit der Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen befassen. Wir können hier unsere guten Erfahrungen einbringen. Die Ostsee-Energieminister werden über Strom- und Gasnetze rund um die Ostsee sprechen. Hier haben die Energieversorgungsunternehmen eine besondere Aufgabe. Ostseekooperation schlägt auch eine Brücke nach Nordwest-Rußland. Dort harrt ein großes wirtschaftliches Potential stärkerer Erschließung. Die Bundesregierung ist nach allem überzeugt, daß sich die Entwicklung des Ostseeraums zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum auf gutem Wege befindet. Anlage 5 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 30. April 1998 ihren Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über den Verkehr von Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz - BtMG) - Drucksache 13/6534 - zurückgezogen. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 30. April 1998 ihren Entschließungsantrag zu der Großen Anfrage „Internationale Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Hochschulstandortes Deutschland als Aufgabe deutscher Politik" - Drucksache 13/9400 - zurückgezogen. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß - Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung der OSZE über die Sechste Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE vom 5. bis 8. Juli 1997 in Warschau - Drucksachen 13/8689, 13/9066 Nr. 3 - - Unterrichtung durch die Delegation der Interparlamentarischen Gruppe der Bundesrepublik Deutschland über die 98. Interparlamentarische Konferenz vom 11. bis 16. September 1997 in Kairo - Drucksachen 13/9048, 13/9461 Nr. 1- Rechtsausschuß - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Übereinkommens über die Rechte des Kindes für die Bundesrepublik Deutschland - Drucksachen 12/4168, 13/725 Nr. 27 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen der durch das Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie (PrPG) vom 7. März 1990 (BGBl. I S. 422) eingeführten neuen Maßnahmen zur Bekämpfung der Schutzverletzungen im Bereich des geistigen Eigentums, insbesondere der Produktpiraterie - Drucksachen 12/4427, 12/4651 Nr. 1.2, 13/725 Nr. 28 - - Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zur Alltagskriminalität in Ballungszentren und ihre Verbindung zur organisierten Kriminalität - Drucksachen 12/6631, 12/6902 Nr. 1.3, 13/725 Nr. 31- Finanzausschuß - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Kindern und Familien für das Jahr 1999 - Drucksachen 13/9561, 13/9933 Nr. 2 - Ausschuß für Wirtschaft - Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahreswirtschaftsbericht 1998 „Den Aufschwung voranbringen - Arbeitsplätze schaffen" - Drucksache 13/10107 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahresgutachten 1997/98 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - Drucksachen 13/9090, 13/9461 Nr. 2 - Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen" gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 9. Mai 1996 - Drucksachen 13/4477, 13/8170 - Ausschuß für Verkehr - Unterrichtung durch die Bundesregierung Straßenbaubericht 1997 - Drucksachen 13/8759, 13/9933 Nr. 1 - Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/9935 Nr. 1.5 Drucksache 13/9935 Nr. 1.6 Drucksache 13/9935 Nr. 1.7 Drucksache 13/10263 Nr. 2.10 Drucksache 13/10263 Nr. 2.16 Drucksache 13/10361 Nr. 1.4 Innenausschuß Drucksache 13/10072 Nr. 2.19 Drucksache 13/9086 Nr. 2.35 Drucksache 13/9086 Nr. 2.36 Drucksache 13/9668 Nr. 2.39 Drucksache 13/9668 Nr. 2.45 Drucksache 13/9819 Nr. 2.26 Drucksache 13/9935 Nr. 2.16 Finanzausschuß Drucksache 13/9935 Nr. 2.24 Drucksache 13/10263 Nr. 1.1 Drucksache 13/10363 Nr. 1.2 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 13/9819 Nr. 2.8 Drucksache 13/9819 Nr. 2.10 Drucksache 13/9819 Nr. 2.11 Drucksache 13/9819 Nr. 2.15 Drucksache 13/9819 Nr. 2.28 Drucksache 13/9819 Nr. 2.58 Drucksache 13/10072 Nr. 2.3 Drucksache 13/10072 Nr. 2.7 Drucksache 13/10263 Nr. 2.17 Drucksache 13/10263 Nr. 2.21 Drucksache 13/10263 Nr. 2.26 Drucksache 13/10361 Nr. 2.29 Drucksache 13/10361 Nr. 2.56 Drucksache 13/10361 Nr. 2.59 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 13/9086 Nr. 2.68 Drucksache 13/9086 Nr. 3.1 Drucksache 13/9668 Nr. 2.27 Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 13/9086 Nr. 1.9 Drucksache 13/9668 Nr. 1.2 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/8615 Nr. 2.72 Drucksache 13/9819 Nr. 1.11 Drucksache 13/9819 Nr. 2.50 Drucksache 13/9935 Nr. 2.15 Drucksache 13/10263 Nr. 2.7 Drucksache 13/10361 Nr. 2.43 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/9819 Nr. 1.1 Drucksache 13/9819 Nr. 1.14 Drucksache 13/9819 Nr. 2.60
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dietrich Sperling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehen Sie?!

    (Lachen bei der F.D.P.)

    Dafür bekommen Sie als erstes von mir ein Lob für Ihre Archivhaltung.

    (Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Ich denke auch gar nicht daran, zu bestreiten, daß ich mit meinem Kanzlerkandidaten nicht immer einer
    Meinung bin. Das tut im übrigen meiner Partei, mir und - wie ich glaube - auch dem Kanzlerkandidaten gut. Denn eine streitlose Partei wollen Sie für sich selber auch nicht. Warum kritisieren Sie dann uns, wenn wir uns streiten, und zwar nach einem Vorbild, das bei Ihnen wirklich ordentlich mißbraucht wird?

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Sie machen es sich ein bißchen sehr einfach!)

    Zweitens, zu dem Text: Nach meinem Eindruck hat mein Kanzlerkandidat erheblich hinzugelernt.

    (Zuruf von der F.D.P.: Aha!)

    Er hatte eine Reihe von Äußerungen - wenn Sie den Artikel durchlesen, werden Sie das merken - unter Bezug auf einen amerikanischen Arbeitsminister und die Regierung Clinton gemacht. Ich habe in dem Artikel nachgewiesen, daß diese Regierung Clinton selber einen anderen Argumentationszusammenhang im internationalen Bereich verfolgt, als dies Herr Schröder damals getan hat.
    Nun, lieber Kollege, ich glaube, man kann in diesem Land kein erfolgreicher Kanzlerkandidat werden, ohne hinzuzulernen. Ich bescheinige meinem Kanzlerkandidaten, daß er das getan hat. Und darauf bin ich stolz.

    (Beifall bei der SPD Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Das Problem ist, .daß der jetzige Kanzler nicht mehr zulernen kann! Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Bei euch lernt weder der Kanzler noch der Kandidat, noch ihr!)

    - Man soll die Hoffnung nicht aufgeben, liebe Ingrid. Ich rede hier jedenfalls nicht ganz ohne Hoffnung, daß sie doch noch etwas lernen. Sonst bräuchten wir uns hier gar nicht mehr zu unterhalten. Dann wäre es das Deklamieren von Hoffnungslosigkeiten. Das sollten wir seinlassen.
    Herr Friedhoff, ich möchte mich Ihnen noch weiter zuwenden und in meine Bemerkungen auch Herrn Rexrodt einbeziehen.
    Sie haben - nach meiner Ansicht zu Recht - darauf verwiesen, daß die Arbeitslosenzahlen in Westdeutschland sinken. Das Problem, das wir eigentlich haben, besteht aber nicht in der Frage, ob dann, wenn die Schwalben wiederkommen und sich der Sommer tatsächlich abzeichnet - was wir in diesem schönen Glaspalast auch gut erkennen können -, die Arbeitslosenzahlen sinken. Unser Problem ist vielmehr - dies gilt für die letzten 20 Jahre -, daß, wann immer sich ein Konjunkuraufschwung ankündigt, dieser auf einem erhöhten Sockel von Arbeitslosigkeit beginnt und mit einem noch höheren Sockel von Arbeitslosigkeit endet und daß auch dies ein Strukturproblem ist. Sobald wir diese Tatsache ernst nehmen, müssen wir sagen: Die jetzt gemeldete Arbeitslosenzahl deutet auf dieses Strukturproblem hin, auch wenn sie auf 4,4 Millionen gesunken ist. Sie ist der Sockel, die Ausgangsposition der Arbeitslosigkeit, und sie ist wiederum erhöht. Frau Beck hat - wie ich glaube, völlig zu Recht - auch darauf hingewiesen.

    Dr. Dietrich Sperling
    Ich wollte, auf ihre Lernfähigkeit und auf die Lernfähigkeit ihrer Kollegen vertrauend, darauf verweisen: Diesem Problem müßten wir eigentlich mit einem Antrag „Investieren in Deutschland" nachgehen, wenn es sich nicht nur darum handeln soll, Schwalbennester für einen kurzen Sommer zu bauen, sondern darum, für eine lange Zeit einen Aufschwung zu bewirken, der tatsächlich etwas anderes schafft als bisher, nämlich nicht nur eine kurzfristige Erholung, die nachher wieder in höherer Arbeitslosigkeit endet.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS Zuruf von der F.D.P.: Steuerreform!)

    - Zur Steuerreform komme ich noch.
    Ich möchte mich jetzt dem Kollegen Ruck zuwenden, der ja vorgeführt hat, daß ein Ruck durch die jammernden Koalitionsmitglieder gegangen ist. Er hat gesagt, Deutschland habe aufgehört zu jammern. Nun, Herr Ruck, das haben wir auch festgestellt. Aber ich behaupte: Diejenigen, die im Namen Deutschlands gejammert haben, haben aufgehört zu jammern. Das waren Gott sei Dank nicht alle. Ich habe nicht die ganze Zeit gejammert; ich habe immer geglaubt, der Zustand der deutschen Wirtschaft sei eigentlich etwas besser, als es das Jammergeschrei der Regierung dargelegt hat.

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    Sie haben mit dem Jammergeschrei Verteilungspolitik gemacht. Sie haben Sozialkürzungen vorgenommen, weil Sie gesagt haben, es werde alles noch schlimmer, als es jetzt schon sei. Das Jammern war für eine bestimmte sozialpolitische Ausrichtung Ihrer Regierungspolitik nötig. Deswegen haben Sie gejammert. Nun entdecken Sie: Es stehen Wahlen vor der Tür. Da geht ein Ruck durch die Koalition, und es wird verkündet: Das Jammern muß aufhören.
    Nur, es war nicht Deutschland, das gejammert hat. Es waren die Regierungsparteien.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Und Herr Henkel!)

    - Und diejenigen, die die Regierungsparteien stützen.
    Herr Ruck, das Jammern hat sich natürlich auch auf Argumente gestützt. Wir tun ja nicht so, als hätten Sie das Jammern nicht unterfüttert. Aber wenn wir uns das jetzt unter dem Stichwort „Investieren in Deutschland" ansehen, dann können wir feststellen, daß das Jammern auf Argumente gestützt war, die reichlich fragwürdig waren.
    Erinnern Sie sich an die Debatte über Direktinvestitionen? Ich habe allen Kolleginnen und Kollegen im Wirtschaftsausschuß ein Papier dazu zukommen lassen, weil ich die Zeit im Wirtschaftsausschuß nicht dafür in Anspruch nehmen wollte, auf das hinzuweisen, was sich dort neu getan hat. Ich weiß nicht, ob Sie das Papier gelesen haben. Ich will auf jeden Fall hier zu Protokoll geben, daß die Debatte über Direktinvestitionen, die in der Vergangenheit geführt
    wurde, auf sehr windigen statistischen Grundlagen beruhte,

    (Beifall bei der SPD)

    die die Bundesbank anschließend beseitigt hat. Ich bescheinige auch Herrn Hans-Olaf Henkel Lernfähigkeit. Er hat aufgehört, das Thema „Direktinvestitionen" so zu behandeln, als handelte es sich um die Abstimmung mit den Füßen über das Investitionsklima in Deutschland, als würde bei diesem Thema die Abwanderung von Arbeitsplätzen zu behandeln sein. So hat er das eine Weile getan. Er hat es aufgegeben, nachdem er darauf hingewiesen wurde, daß die Statistiken dies alles nicht hergeben.

    (Ernst Schwanhold [SPD]: Und je näher wir an die Wahlen herankommen!)

    Meine Damen und Herren, ich möchte die Bemerkung zu Bemerkungen nun beenden und ein bißchen im Zusammenhang zu dem Thema sprechen, das ich über lange Frist für das Strukturproblem unserer Wirtschaft halte und das mit Investieren und Steuerreform zu tun hat. Ich werde versuchen, das relativ kurz zu machen, denn allzuviel Zeit habe ich nicht.
    Es ist das Thema, ob denn Wohlstand und Reichtum in unserem Land noch zusammengeführt werden. Reichtum läßt sich in Geld messen, Wohlstand besteht in Arbeitsplätzen, auf denen Güter und Dienstleistungen erzeugt werden, und zwar auf eine naturverträgliche Art und Weise. Meine These ist: Wir haben eine ständige Reichtumssteigerung in Deutschland, der keine Wohlstandssteigerung mehr entspricht.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Leider wahr!)

    Die Frage ist: Wie bekommen wir es hin, daß die Reichtumssteigerung, meßbar am täglichen Börsenbericht, auch wieder ein Indikator für Wohlstandssteigerung wird?

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    Nehmen wir das ernst, dann müssen wir sagen: Der gegenwärtige Börsenaufschwung - nachzulesen im „Handelsblatt"; Sie können aber auch in andere Zeitungen schauen - zeigt, daß investiert wird. In der Umgangssprache nennen das die Investmentgesellschaften „Investitionen". Es wird von deutschen Anlegern in enormem Ausmaß, schreibt heute die „Süddeutsche Zeitung", sogar in ausländische Aktien investiert. Auch Daimler-Benz hat, wenn man es so ausdrücken will, gerade enorm investiert. Es gibt noch mehr Vorgänge, die zeigen, daß in enormem Ausmaß investiert wird. Nur, um was für Investitionen handelt es sich? Um Investitionen, die nichts anderes sind als der Kauf von schon bestehenden Vermögenswerten, aber nicht um Investitionen, die selber wiederum die Produktion von Gütern und Dienstleistungen - unter Bewahrung der Natur - bewirken.
    Wir haben also einen doppelten Investitionsbegriff, den umgangssprachlichen der Investmentgesellschaften und den der eigentlichen Volkswirtschaftslehre, die sagt: Investitionen sind nur solche, die neue Maschinerie, Anlagen und Gebäude für die neue, erweiterte Produktion von Gütern und Dienstleistungen mit sich bringen. Mit der doppelten Ver-

    Dr. Dietrich Sperling
    wendung des Wortes „Investition" verschleiern wir das, was vor sich geht, nämlich daß an den Märkten für Vermögenswertehandel enorme Investitionen vorgenommen werden, die für Güter und Dienstleistungen, die Beseitigung von Not, Hunger und Elend auf der Erde nichts, aber auch gar nichts bringen. Reichtumssteigerung und Wohlstandsmehrung sind auseinandergeraten.
    Wenn man jetzt genau hinsieht, was das mit Steuern zu tun hat, kann man feststellen: Weltweit wird der erste Typ von Investitionen, der der Reichtumssteigerung dient, nicht oder fast nicht mit Steuern und Abgaben belastet. Weltweit finden wir inzwischen Artikel in Zeitungen, die besagen: Was wir an den Börsen erleben, ist eine Inflation der Vermögenswerte. Die Volkswirte wieder werden sagen: Wie könnt ihr da den Ausdruck „Inflation" verwenden? Aber selbst der seriöse „Economist" ist inzwischen dabei und spricht davon, daß wir „asset inflation" haben. Wir haben also eine Inflation der Vermögenswerte, und keine Zentralbank tut etwas dagegen; es ist nicht ihre Aufgabe. Dennoch: Die dort stattfindende Inflation der Vermögenswerte ist dauernd reichtumssteigernd. Es ist egal, ob das Bilder alter Meister oder Aktien sind. Nur 1 Prozent der Steigerung der Aktienkurse an den Börsen ist durch die Menge an neuen Investitionen gerechtfertigt, die anderen 24 Prozent Steigerung im Jahr resultieren schlicht aus Preissteigerungen an den Börsen.
    Dies hat alles damit zu tun, daß darauf keine Steuern und Abgaben liegen. Diejenigen, die heute in Deutschland in ausländische Aktien einsteigen, tun das, ohne irgendwo Steuern und Abgaben zahlen zu müssen. Geldverwendung für diese Art, ich sage dazu jetzt: spekulativer Anlage von Geld bleibt steuer- und abgabenfrei. Deswegen sind diejenigen, die das Geld haben, daran interessiert, damit die höchste Reichtumssteigerung zu erzielen. Was machen wir im Vergleich dazu - diese Vorgänge sind international fast gleich - mit Realinvestitionen im volkswirtschaftlichen Sinn an den Orten, wo Güter und Dienstleistungen erzeugt werden und dadurch auch Arbeitsplätze vorhanden sind? - Diese besteuern wir vergleichsweise hoch.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Leider!)

    Wenn wir uns jetzt Deutschland anschauen, dann stellen wir fest, daß nicht nur spekulative Geldverwendungen fast steuerfrei sind. Vielmehr werden die Verwendungen von Geld, das zu Arbeitsplätzen führt, besonders hoch besteuert; denn Arbeit ist der Faktor der Produktivkräfte, der am höchsten besteuert wird. Herr Friedhoff, Sie merken, wie friedlich ich dies eigentlich anspreche: In den vergangenen 25 Jahren, also auch noch in einer Zeit, in der meine Partei regiert hat, haben wir kontinuierlich den Fehler begangen, Arbeit immer höher zu belasten und - im Vergleich dazu - die Produktionsfaktoren Kapital und Natur zu entlasten.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Und spekulatives Kapital noch am allermeisten!)

    - Das ist ja fast gar nicht belastet.
    Wenn wir uns diesen Sachverhalt einmal im internationalen Vergleich angucken, dann stellen wir fest, daß die Schweiz und Deutschland in dieser - ich würde sagen: idiotischen - Belastung der Produktionsfaktoren zu Lasten von Arbeit bei gleichzeitiger Begünstigung des Kapitals an der Spitze liegen.

    (Paul K. Friedhoff [F.D.P.]: Was tun wir dagegen?)

    - Was tun wir dagegen? - Wir ändern hoffentlich das Steuersystem.

    (Zuruf von der F.D.P.: Sehr gut!)

    Es wird Sie vielleicht verblüffen, wenn ich sage, daß das nach meiner Ansicht sogar im amerikanischen Sinne geschehen sollte. Die Kapitalbesteuerung ist dort wesentlich höher. Das heißt, daß das Thema einer Steuerreform, die wir dringend brauchen, unter dem Gesichtspunkt behandelt werden muß, was zu mehr Beschäftigung führt.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Dieses Thema darf nicht unter dem Gesichtspunkt behandelt werden, wie wir Reichtum steigern. Eine Steuerreform, die Reichtumssteigerungen bewirkt, ohne die Verwendung des Reichtums für mehr Beschäftigung mit anzureizen, ist falsch.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Hierin liegt meine Hauptkritik an der Steuerreform, die Gott sei Dank gescheitert ist;

    (Gunnar Uldall [CDU/CSU]: Aha, jetzt kommt's raus!)

    denn sie hätte nur reichtumssteigernde Wirkungen bei gleichzeitiger Verringerung der Nachfrageeffekte erzielt.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Und Riesenschulden!)

    Volkswirtschaftlich war die von Ihnen geplante Steuerreform falsch. Die Länder haben gut daran getan, zugunsten der Konjunktur und im Interesse der Beschäftigten in Ostdeutschland auf diese Steuerreform zu verzichten.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Michaela Geiger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter Sperling, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rossmanith?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dietrich Sperling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ja, Herr Rossmanith, wenn es denn sein muß.