Rede von
Prof. Dr.
Edzard
Schmidt-Jortzig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich will nur erste und grundsätzliche Überlegungen vortragen; ohnehin kann man in fünf Minuten nicht mehr tun. Wir sind auch erst in der ersten Beratung.
Gesetze und Anträge wie die, über die wir heute sprechen, die die Diskriminierung bekämpfen sollen, sind mit Sicherheit richtig. Diskriminierung zu bekämpfen ist ein wichtiges, ein gutes, ein dringendes und ein lohnendes Ziel. Zwei Dinge allerdings müßten, wenn wir uns über gesetzliche Schritte auf diesem Feld unterhalten, schon bedacht werden.
Erstens. Man müßte das, was gut und schön ist, immer darauf prüfen, ob es in Form eines Gesetzes wirklich richtig auf den Weg gebracht ist. Es läßt sich natürlich nicht regeln, was man eigentlich im gesellschaftlichen Umfeld tun müßte. Mit einem schlichten Strich des Gesetzgebers die Lebenswirklichkeit zu verändern ist nicht möglich, jedenfalls nicht so einfach möglich, wie man es sich in meinen Augen unter anderem beim Gesetzentwurf der Grünen macht.
Zweitens. Wir sollten auch deutlich sehen, daß man Ungleiches nicht einfach nivellieren kann und dies auch gar nicht versuchen sollte. Dadurch werden nur neue Ungerechtigkeiten geschaffen. Montesquieu hat treffend gesagt:
Der Geist der Gleichheit ist vom Geist der übertriebenen Gleichheit so weit entfernt wie der Himmel von der Erde.
Dies vorausgeschickt, will ich beim SPD-Entwurf eines Gleichbehandlungsgesetzes nur etwas zu Ihrem Art. 8 sagen. Manches, was davorsteht, ist so
Bundesminister Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
finde ich, durchaus diskussionsfähig und -bedürftig. Anderes scheint mir auch nur eine in andere Worte gekleidete Kommentierung von Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes zu sein. Aber immerhin.
Ich finde Art. 8 Ihres Entwurfs interessant. Der Grundgedanke, Verantwortungsgemeinschaften jenseits der Ehe einen gewissen rechtlichen Rahmen zu geben, ist wirklich unterstreichens- und bedenkenswert. Aus verfassungsrechtlicher Sicht kommt aber sicher eine pauschale Gleichstellung der Ehe mit der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft vor dem Hintergrund von Art. 6 des Grundgesetzes nicht in Frage, der für die Ehe einen besonderen Schutz der staatlichen Ordnung fordert. Statt dessen sollte man erst einmal pragmatisch versuchen, für die einzelnen diskriminierenden Konstellationen unserer Rechtsordnung sachgerechte und punktgenaue Lösungen zu finden.
Im übrigen dürfen gewiß umfassendere Ansätze - ich sage das in aller Vorsicht - nicht mit einem Denkverbot belegt werden. Ich verrate auch kein Geheimnis, wenn ich sage, daß in der F.D.P. intensiv darüber nachgedacht wird, wie man im Rahmen der Verfassung die in der Tat vorhandenen Defizite mit einer Diskriminierungsvermeidungsstrategie angehen kann.
Ich halte deshalb den Vorschlag, nicht nur dem Ehepartner, sondern jedem hinterbliebenen Haushaltsangehörigen den Eintritt in den Mietvertrag zu ermöglichen, für höchst sinnvoll. Allerdings - auch das muß man nachdrücklich bedenken - müssen dann, wenn der Kreis der Personen erweitert wird, die in den Mietvertrag eintreten können, wahrscheinlich auch dem Vermieter erweiterte Kündigungsmöglichkeiten zugestanden werden, um eine ausgewogene, faire Regelung zu schaffen.
Letzter Aspekt: Der Anspruch auf Gleichbehandlung im Rechtsverkehr im Antidiskriminierungsgesetz vom Bündnis 90/Die Grünen schießt in meinen Augen weit über das in allen Absätzen des Art. 3 des Grundgesetzes verankerte Gleichbehandlungsgebot bzw. Nichtdiskriminierungsgebot bzw. Diskriminierungsverbot hinaus. Denn dieses verbietet dem Bürger Differenzierungen nicht. Das, was die Grünen veranstalten, ist typische Regelungseuphorie und Bevormundungslinie. So wird man jedenfalls nicht zur Rechtsstaatspartei.
Durch die komplizierte, pardon, durch die konzipierte -, wenn sie kompliziert wäre, wäre sie noch viel diskussionswürdiger, sie ist nicht einmal kompliziert, sondern sehr durchsichtig - Beweislastumkehr wird sogar praktisch die Vertragsfreiheit aufgehoben und ein strafbewehrter Kontrahierungszwang eingeführt.
- Herr Beck, lesen Sie Ihren Gesetzentwurf einmal wirklich kritisch durch!
Weil letztlich die bloße Behauptung einer Benachteiligung reicht, ist eine Nichtbenachteiligung kaum beweisbar. Wenn mehrere Personen mit verschiedenen Minderheitenmerkmalen konkurrieren - zum Beispiel um eine einzige Wohnung - entsteht für den Anbieter ein Pflichtenkonflikt: Die Zusage an eine Partei diskriminiert durch die Gefahr von Schadenersatzansprüchen automatisch die andere. Und schließlich: Konkurrieren Personen mit Minderheitenmerkmalen mit Personen ohne Minderheitenmerkmale, dann haben letztere immer das Nachsehen. Die berühmte Konstellation „Mensch männlichen Geschlechts, deutscher Staats- und Volkszugehörigkeit, in mittleren Jahren und gesund" wird durch Ihren Gesetzentwurf diskriminiert.