Rede von
Christina
Schenk
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die PDS hat sich insbesondere auch im Bundestag immer dafür eingesetzt, daß Menschen mit Behinderungen, Angehörige ethnischer Minderheiten sowie auch Lesben und Schwule vor Diskriminierung geschützt werden und die Gleichbehandlung entschieden stärker als bisher rechtlich verankert wird. Allerdings meinen wir, daß es nicht ausreicht, die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen nur durch eine juristische Gleichstellung beheben zu wollen. Wir meinen, daß
Christina Schenk
gleiche Teilhabechancen erst dann gesichert sind, wenn es auch einen materiellen Nachteilsausgleich gibt.
In diesem Sinne ist auch unser in den Bundestag eingebrachter Antrag auf ein Leistungsgesetz zu verstehen.
Wir finden es natürlich auch ärgerlich - das wird für Sie vielleicht nachvollziehbar sein -, daß das Antirassismusgesetz der PDS vor drei Jahren hier im Hause abgelehnt worden ist.
Wir meinen, daß damals die Chance verpaßt worden ist, einen wirksamen Schutz vor rassistischer Diskriminierung zu verabschieden.
Die von der SPD und den Bündnisgrünen vorgelegten Antidiskriminierungs- bzw. Gleichbehandlungsgesetze greifen - das muß man zugestehen - viele Forderungen der Lesben- und Schwulenbewegung auf. Ich nenne nur das Benachteiligungsverbot, die arbeitsrechtliche Gleichstellung, Beweislasterleichterungen, das Verbandsklagerecht und insbesondere auch die Feststellung, daß die Förderung sozial benachteiligter Gruppen keine Diskriminierung gegenüber anderen darstellt. Es ist durchaus sehr wichtig, das hier darzustellen.
Im SPD-Entwurf ist - dazu will ich noch kurz etwas sagen - ein Gesetz über die Eingehung einer Lebenspartnerschaft enthalten. Angepriesen wird die rechtliche Gleichstellung, bzw. es wird so getan, als ob eine rechtliche Gleichstellung der homosexuellen Lebensgemeinschaft mit der Ehe präjudiziert sei. Aber das Recht auf Adoption und das Recht auf die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts sind explizit ausgeschlossen. Ich meine, das ist zumindest dahin gehend interpretierbar, daß Sie der Auffassung sind, daß Lesben und Schwule per se nicht in der Lage sind, Kinder zu betreuen oder zu erziehen. Ich meine, daß damit ein ganz zentrales Diskriminierungsmuster fortgesetzt wird, was wir so nicht akzeptieren können.
Der nunmehr zweite Versuch der Bündnisgrünen, das Mietrecht zu verändern, soll nun auch die auf Dauer angelegten Haushaltsgemeinschaften rechtlich absichern. Daß wir diese Initiative begrüßen, ist bekannt. Das ist gar nicht die Frage. Das Problem ist für uns nur, daß Sie, Herr Beck, implizit behaupten, daß nur, wie es heißt, auf Dauer angelegte gemeinsame Haushalte förderungswürdig seien.
Wir fragen, warum nicht alle Wohngemeinschaften mietrechtlich schützenswert sind. Wir meinen, daß die Unterscheidung zwischen auf Dauer angelegten Haushalten, wie es dort heißt, und einer Wohngemeinschaft artifiziell und eben nicht präzise bestimmbar ist.
Insgesamt stellen wir fest, daß die Gesetzesinitiativen zur Regelung von Lebensformen Flickwerk sind. Man versucht damit, einzelne Mißstände zu beheben - das ist natürlich zu begrüßen -, aber eben ohne zum Kern des Ganzen vorzustoßen. Dieser Kern - das habe ich an dieser Stelle auch oft genug gesagt - besteht darin, die ungerechtfertigten Sonderregelungen für Verheiratete anzugehen, was Sie eben nicht tun. Wir meinen - das sage ich hier zum wiederholten Male -, daß erst mit der konsequenten Abschaffung der ehelichen Privilegien eine wirkliche Gleichstellung aller Lebensweisen möglich sein wird.
Erst dann gibt es auch tatsächlich die Chance zur Freiheit der Wahl und zur gleichberechtigten Anerkennung aller Lebensformen.
Danke schön