Rede von
Ulrich
Irmer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich Herrn Verheugen gelauscht habe, sind mir fast die Tränen gekommen. Man hatte den Eindruck, daß der Bundesratspräsident und niedersächsische Ministerpräsident Schröder den Herrn Lukaschenko nur deshalb empfangen hat, um ihn nachdrücklich auf die Menschenrechte hinzuweisen.
Ich entnehme der Tageszeitung „taz" vom 23. April 1998 folgendes: Schröders Regierungssprecher
betonte, bei dem Essen habe kein politischer Meinungsaustausch mit Lukaschenko stattgefunden,
- ich zitiere weiter -
man habe vielmehr über Investitionen von Conti und MAN in Weißrußland gesprochen.
Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren. Der Pressesprecher von Herrn Schröder wird es ja besser wissen als Sie, Herr Verheugen.
Kollege Poppe hat ja recht. Der eigentliche Skandal ist gar nicht das Treffen als solches. - Ich sage Ih-
Ulrich Irmer
nen im Vertrauen: Ich habe Herrn Schröder noch nie außenpolitisches Fingerspitzengefühl zugetraut. Insofern hat mich dieser Vorgang nicht überrascht, obgleich empört. - Der eigentliche Skandal bei der Geschichte ist vielmehr der, daß die SPD wieder einmal eine Doppelzüngigkeit, eine Bigotterie hier demonstriert, wie sie ihresgleichen sucht.
Als damals der bayerische Ministerpräsident, Franz-Josef Strauß, nach Bophuthatswana gereist ist und freundschaftlichste Kontakte mit dem Regime in Südafrika gepflegt hat, da haben Sie das, ich sage: mit Recht vehement kritisiert. Wir haben es auch kritisiert. Heute tun Sie so, als ob es die bare Selbstverständlichkeit wäre und als ob nichts Kritikwürdiges daran wäre, wenn ein Ministerpräsident eines Landes Dinge tut, von denen die Europäische Union ausdrücklich gesagt hat, sie sollten nicht stattfinden.
- Doch, es ist gesagt worden, es sollten keine Begegnungen auf hoher Ebene stattfinden. Daran haben sich alle gehalten, nur Herr Schröder nicht. Herr Lukaschenko ist dadurch international aufgewertet worden - ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht.
Dies haben wir nach Möglichkeit zu unterlassen. Beantworten Sie mir doch einmal die Frage, weshalb, wenn es um Arbeitsplätze gegangen wäre, Herr Schröder nicht den Staatssekretär aus seinem Wirtschaftsministerium dort hingeschickt hat. Das wäre ohne weiteres möglich gewesen. Auf der unteren Ebene hätte man alle Fachfragen erörtern können.
Ich will Ihnen noch eines sagen: Weißrußland muß sich, was Menschenrechts- und Demokratiefragen angeht, anders behandeln lassen als manches andere Land; denn es hat einen Gaststatus im Europarat.
Durch den Antrag auf Gaststatus im Europarat hat es sich selbst zu den Prinzipien und Grundsätzen des Europarates, das heißt zu Menschenrechten und demokratischen Strukturen, bekannt. Wenn ein solches Land dagegen verstößt, ist das um so gravierender. Ich erwarte dies doch von irgendwelchen anderen Ländern, wie beispielsweise Nigeria, gar nicht in dem Maße, obwohl wir auch da die Menschenrechtsverletzungen vehement kritisieren. Aber ein Land, das sich selbst diesen Maßstäben unterworfen hat, muß sich eben anders behandeln lassen.
Noch ein Wort zu den Arbeitsplätzen, meine Damen und Herren von der SPD: Weshalb will denn Conti ausgerechnet in Weißrußland investieren? Da geht es doch nur darum, daß es sich dort um ein Billigstlohnland handelt, mit dem verglichen die Löhne selbst in der Tschechischen Republik, in Ungarn und Polen sich geradezu auf einem luxuriösen Niveau bewegen. Der Grund dafür, daß die Firmen dort investieren, liegt doch darin, daß sie Lohndumping betreiben wollen. Das vertreten Sie jetzt hier als einen Einsatz für Arbeitsplätze in Deutschland. Wo wird
denn in Deutschland ein einziger Arbeitsplatz geschaffen?
Meine Damen und Herren! Der Verdacht liegt nicht fern, daß sich Herr Schröder gerade für seinen Wahlkampf den Zuspruch von Herrn Lukaschenko sichern wollte.
- Ich werde Ihnen das beweisen. Das hat nämlich eine Vorgeschichte.
Ich habe hier einen Brief vor mir liegen: Hannover, 31. Januar 1986. Der damalige Bundestagsabgeordnete Gerhard Schröder schreibt:
Lieber Egon Krenz!
Die Gespräche in der DDR waren offen und informativ. Besonders war ich von Erich Honecker beeindruckt.
Er schreibt weiter:
Durchstehvermögen, das Du mir wünschst, brauche ich in diesem arbeitsreichen Wahlkampf ja ganz bestimmt. Aber auch Du wirst für Euren Parteitag und die Volkskammerwahlen sicher viel Kraft und vor allen Dingen Gesundheit benötigen. Beides wünsche ich Dir von ganzem Herzen.
Meine Damen und Herren, wer schreibt Herrn Schröder jetzt den Brief, der ihm Durchstehvermögen im Wahlkampf wünscht? Ich vermute, Herr Lukaschenko. Ich bitte Sie um die Zurverfügungstellung einer Durchschrift dieses Schreibens, das demnächst in der niedersächsischen Staatskanzlei eingehen wird.
Ich bedanke mich bei Ihnen.