Rede von
Dr.
Friedbert
Pflüger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerhard Schröder hat sich mit dem weißrussischen Diktator Lukaschenko, dem letzten Erben Stalins, im Gästehaus der niedersächsischen Landesregierung getroffen. Er verstößt damit gegen die mühsam vereinbarte Politik der EU,
Dr. Friedbert Pflüger
der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages. Dieses Treffen war ein Fehltritt.
Es ist wünschenswert, wenn sich ein führendes deutsches Unternehmen wie Conti in Weißrußland neue Märkte erschließt und Konkurrenten aussticht. Es ist gut und allgemein üblich, wenn Ministerpräsidenten einzelne Unternehmungen ihrer Bundesländer unterstützen. Aber diese Hilfsbereitschaft hat dort ihre Grenzen, wo übergeordnete politische Interessen und Vereinbarungen unterlaufen werden. Die verständliche Anfrage von Conti-Chef von Grünberg hätte Gerhard Schröder freundlich, aber entschieden ablehnen müssen.
Es kann im deutschen Interesse sein und langfristig auch Menschenrechte befördern, mit Ländern wirtschaftlich zusammenzuarbeiten, die keine freiheitliche politische Verfassung haben. In diesem Fall aber wird ein schwacher Diktator ohne jede Not salonfähig gemacht. Die wachsende demokratische Opposition in Minsk wird entmutigt.
So wie die Sozialdemokraten in den 30er und 80er Jahren die Solidarnosc in Polen und die Charta 77 in der Tschechoslowakei links liegen ließen,
so mißachtet Herr Schröder nun die Charta 97, die Menschenrechtsbewegung in Weißrußland.
Herr Lukaschenko hat laut Deutschlandradio am 22. April folgendes gesagt: Hitler schuf den deutschen Staat durch eine starke Präsidialmacht; das ist genau unsere Auffassung von der Rolle eines Präsidenten.
Ich finde, er ist ein Gesprächspartner für Herrn Frey und Herrn Schirinowskij, aber nicht für Herrn Schröder.
Dann höre ich, es gehe doch um Arbeitsplätze. Wenn das so ist, dann frage ich mich allerdings, warum denn Herr Schröder 1990 um ein Haar - wenn wir nicht aufgepaßt hätten - die Conti-Werke an Pirelli verscherbelt hätte. Wenn es Herrn Schröder um Arbeitsplätze geht: Warum hat er im Bundesrat die Steuerreform nicht durchgehen lassen? Dann hätte er Arbeitsplätze geschaffen, und zwar bei uns und nicht in Weißrußland.
Er ist nicht mehr nur Ministerpräsident, sondern er ist Kanzlerkandidat; er wird weltweit beobachtet. Um so verantwortlicher und sensibler muß er sich verhalten. Ich finde, daß der SPD-Experte für Weißrußland, Herr Professor Weisskirchen, recht hat: Es wäre besser gewesen, wenn Herr Schröder als ersten Staatsmann aus den mittel- und osteuropäischen Ländern einen Demokraten wie Havel und nicht einen Stalinisten wie Lukaschenko getroffen hätte.
Herr Schröder versucht, seine außenpolitische Unerfahrenheit durch eine populistische Abwertung der Außenpolitik aufzufangen. Es gehe hier nicht um Außenpolitik, es gehe um Arbeitsplätze. Aber Außenpolitik in Deutschland ist immer mit Arbeitsplätzen verbunden. Denn wenn wir nicht Frieden, Berechenbarkeit, Stabilität und Partnerschaft mit den Ländern um uns herum hätten, dann hätten wir auch keinen Wohlstand und keine Arbeitsplätze in unserem Land. Für Berechenbarkeit und Verläßlichkeit steht Helmut Kohl, steht Wolfgang Schäuble, steht unsere Fraktion - und nicht Gerhard Schröder und seine Politik.
Ein weiteres Beispiel für diese Unberechenbarkeit, die wir feststellen müssen: Bisher war es für einen deutschen Kanzlerkandidaten üblich, vor der Bundestagswahl nach Washington zu fahren.
Der amerikanische Präsident gewährte stets einen Termin im Weißen Haus - ein symbolischer Akt für die Bedeutung Deutschlands. Schröder wird, glaubt man der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" vom 22. April, nicht in die USA reisen.
Wir lassen Bill kommen, heißt es in Hannover. Eine Dreitagereise für ein Foto aus dem Weißen Haus sei ein bißchen viel. Das ist eine unglaubliche Arroganz gegenüber unserem wichtigsten Bündnispartner.
Vielleicht hat er das inzwischen auf Grund der Kritik korrigiert. Aber aus solchen Äußerungen aus der Staatskanzlei, zitiert in der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung", spricht Unkenntnis, Unerfahrenheit. Denn es geht nicht um einen Fototermin im Weißen Haus, sondern es geht um mehr als eine symboli-
Dr. Friedbert Pflüger
sche Geste im Rahmen des deutsch-amerikanischen Verhältnisses.
Wir wären schlecht dran, wenn der Eindruck entstünde: Da kommt ein Kanzlerkandidat, der sich in Havanna besser auskennt als in Washington und nach Minsk bessere Drähte hat als nach Warschau. Das darf in Deutschland nicht passieren. Die Deutschen wollen, daß Helmut Kohl Kanzler bleibt, weil das die Berechenbarkeit der deutschen Außenpolitik gegen einen solchen Schlingerkurs garantiert.