Rede von
Hans
Büttner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich möchte zum Schluß dieser Debatte noch auf den Antrag zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung durch neue Kontrollmaßnahmen eingehen, weil all die Themen, über die wir vorher gesprochen haben, genau das belegen, was unseren Arbeitsmarkt im Moment immer schwerer belastet, nämlich zunehmende Illegalität, zunehmende Unordnung auf dem Arbeitsmarkt.
Nun hat der Staatssekretär - auch im Ausschuß wurde das so gesagt - gesagt, es sei alles erledigt, weil man das schon durch statistische Abgleichungen auf der Grundlage des SGB III berücksichtigt hätte. Ich sage Ihnen: Das zeigt erneut, wie wenig Sie eigentlich von dem Arbeitsmarkt in der Bauwirtschaft wahrnehmen und verstehen. Denn genau zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie das sagen, bauen Sie weitere Kontrollinstanzen auf, sogar in der Form, daß Sie diese unter dem Titel „Neue Maßnahmen zur Beschäftigung" finanzieren lassen. Zeitlich befristet eingesetzte arbeitslose Bauarbeiter, die Sie vorher durch Ihre Politik arbeitslos gemacht haben, kontrollieren hier.
Das muß man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen: Da erkauft sich die Bundesregierung die Zustimmung Polens zur Rücknahme abgelehnter polnischer Asylbewerber durch ein Werkvertragsabkommen, das zunächst die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland empfindlich gestört hat und zu einem Einfallstor illegaler Beschäftigung geworden ist, ein Abkommen, das zudem inzwischen - wie Ihnen von mir hier im Hause und im Ausschuß mehrmals vorausgesagt - gegen den Assoziierungsvertrag der EU mit Polen verstößt, weshalb die Bundesregierung bereits vor einem Jahr von der Kommission aufgefordert worden ist, diesen Vertrag zu ändern.
Dann beschließt die Koalition ein nationales Entsendegesetz, das die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt noch weiter stört und zusammen mit dem Werkvertragsabkommen dazu beigetragen hat, daß Illegalität auf den Baustellen gefördert, die Arbeitslosigkeit deutscher Bauarbeiter drastisch erhöht und die Einkommen der Beschäftigten gesenkt worden sind, ohne daß - das können Sie in Berichten der Bundesbank nachlesen - die Baupreise zurückgegangen wären.
Schließlich ist die Bundesbauverwaltung nicht in der Lage, auf ihren eigenen Baustellen illegale Beschäftigung zu verhindern, weil sich die Regierung weigert, in unbürokratischer Weise - wie mit unserem hier vorliegenden Antrag - Kontrollmöglichkeiten zu erleichtern.
Unfähig hat sich die Bundesregierung auch erwiesen, mit den Vertragsstaaten und den EU-Entsendestaaten für die Kontrollinstanzen handhabbare Vereinbarungen über die Kontrolle der Zahlungen von Löhnen, Steuern und Sozialabgaben zu schließen. Statt dessen werden, wie gesagt, unter dem Titel „Neue Maßnahmen zur Beschäftigung" nun Arbeitslose befristet eingesetzt, um das handwerkliche Versagen der Regierung durch zusätzlich notwendige Kontrollen zu kaschieren. Das zeigt: Entweder nimmt die Bundesregierung die Unordnung und die Illegalität auf dem Arbeitsmarkt hin und fördert sie sogar noch, oder sie ist einfach überfordert, ihre Aufgaben wahrzunehmen.
Kontrollen auf den Baustellen sind notwendig und erforderlich, aber sie müssen in einer Arbeitswelt stattfinden, in der wieder eine kontrollierbare Ordnung herrscht.
Das bisherige Verhalten der Koalition hat das Gegenteil bewirkt. Man hat die Ordnung zerstört, Massenarbeitslosigkeit herbeigeführt und beschäftigt nun einen minimalen Teil der Arbeitslosen, um die Öffentlichkeit von den wahren Ursachen abzulenken.
Die Debatte heute hat gezeigt, daß wir uns wahrscheinlich keine Hoffnung machen können, daß die Koalition von dieser Politik abläßt, aber ich bin zuversichtlich, daß die Wähler am 27. September in ihrer Mehrheit für eine andere Politik stimmen werden. Die Gewerkschaften tun gut daran, auch dafür zu sorgen. Sie wurden auch von Ihrem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, Heiner Geißler, dankenswer-
Hans Büttner
terweise dazu ermutigt, dies zu tun. Er hat nämlich geschrieben:
Es ist nicht Aufgabe der Gewerkschaften, eine Regierung im Amt zu halten, die
- Herr Louven, ich danke Ihnen, daß Sie das in aller Offenheit und Klarheit hier angesprochen haben -
die Arbeitnehmerinteressen längst der politischen Taktik geopfert hat.
So sagte es Heiner Geißler 1982 in der „Welt der Arbeit".
- Sie haben gesagt, daß Sie sich aus taktischen Gründen nicht mit der F.D.P. haben einigen können. Ist das nicht so?
Ein letztes: Wir werden mit unserer Politik auf dem Arbeitsmarkt wieder für Ordnung sorgen. Die von Ihnen jetzt abgelehnten Anträge werden uns erlauben, dies schnell umsetzen zu können:
Wir werden das Entsendegesetz europakonform anpassen und sozialverträglich gestalten. Wir werden mit den Staaten Ost- und Mitteleuropas die Werkvertragsabkommen so modifizieren, daß sie sowohl dem EU-Recht, als auch den Bedürfnissen unseres Arbeitsmarktes und den Anliegen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Staaten entsprechen, mit denen bald Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden. Wir werden durch Verhandlungen mit den EU-Entsendestaaten handwerklich brauchbare und einheitliche Nachweispapiere über die Einhaltung der Löhne, Arbeitsbedingungen und Sozialabgaben konzentriert aushandeln. Wir werden durch eine Änderung der Vergabeordnung für die Einhaltung tarifvertraglicher und gesetzlicher Bedingungen bei öffentlichen Aufträgen sorgen, und wir werden, wie in diesem Antrag vorgesehen, auf dem Verordnungswege unbürokratische Verbesserungen für nötige wirkungsvolle Kontrollen durchführen.
Wettbewerb ist ein wesentlicher Impuls für Innovation. Aber - das müßten gerade die Ordnungspolitiker in Ihren Reihen wissen - er ist in zivilisierter Form nur dann möglich, wenn er innerhalb eines zivilisierten Ordnungsrahmens stattfindet. Wildwestverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt führen letztlich zu rechtlosen Gesellschaften und sind eine wesentliche Ursache für die Zerstörung unserer Demokratie.
Wir Sozialdemokraten wollen ab Herbst wieder für Wettbewerb und Ordnung, für Innovation und Freiheit durch eine Politik sorgen, die durch aktive Beschäftigungs- und Arbeitsmarktinitiativen den Menschen die Teilhabe an der Erarbeitung unseres gemeinsamen Wohlstands erlaubt und damit wieder Würde gibt.
Eine Schlußbemerkung gestatten Sie mir noch zu der Einlassung von Frau Dr. Babel. Sie haben vorhin die evangelische Kirche in einer Weise angegriffen, die nicht nur falsch war, sondern auch Ihre Unkenntnis über die evangelische Kirche zeigt.
Das ist deswegen so, weil in der evangelischen Kirche nirgends - ich habe mich vorhin telefonisch noch einmal bei ranghohen Theologen erkundigt - Totenmessen gelesen werden; die gibt es dort nicht. Sie gibt es in der katholischen Kirche und nicht anderswo.