Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Singhammer, ich bin Ihnen außerordentlich dankbar dafür, daß Sie hier noch einmal die Differenzen deutlich gemacht haben, die zwischen dem, womit Sie die 620-DM-Jobs und die Scheinselbständigkeit bekämpfen wollen, und dem, was die Opposition machen will, bestehen. Ansonsten wird ja hier gelegentlich versucht,
einen Keil in die Koalition hineinzutreiben, mit dem Ziel, Verunsicherung herbeizuführen.
Meine Damen und Herren, die heutige Debatte zeigt einmal mehr, welch beschäftigungspolitischer Amoklauf in unserem Lande eintreten würde, wenn Rotgrün wirklich die Regierung übernähme.
Wenn wir mehr Arbeitsplätze nach Deutschland holen wollen, dann müssen wir den Arbeitsmarkt flexibler machen und die Arbeitskosten senken. Das ist das Gebot der Stunde.
SPD und Bündnis 90/Die Grünen wollen das Gegenteil. Sie wollen den Arbeitsmarkt zu Tode strangulieren. Die Folgen für die Arbeitsplätze wären verheerend. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie setzen Ihre Kampagne gegen alle Beschäftigungschancen fort, die nicht Ihren antiquierten Vorstellungen entsprechen.
Worum geht es eigentlich bei der sogenannten Scheinselbständigkeit? Die Arbeitsteilung in der Wirtschaft schreitet voran. Häufig werden Tätigkeiten nicht mehr durch Angestellte des Unternehmens selbst erledigt, sondern als Aufträge an Selbständige vergeben. Diese Art der Spezialisierung ist im Grunde eine völlig normale Entwicklung. Es gibt sie seit langem, und sie ist weltweit zu erkennen. In allen Ländern wird dies so gemacht. Das hat etwas mit Arbeitsteilung zu tun, die Sie nicht verstanden haben.
Die SPD will nun alle Selbständigen, die zum Beispiel nur einen einzigen Auftraggeber haben und keinen Mitarbeiter beschäftigen, zwangsweise in die Sozialversicherung eingliedern. Sie nennt sie damit Scheinselbständige. Ich glaube, daß dieser Weg völlig in die Irre geht.
Wenn man den Kriterienkatalog des Gesetzentwurfes wirklich ernsthaft anwendet, wird eine Reihe
klassischer Berufsfelder, die bislang von Selbständigkeit geprägt waren, zerstört. Ich nenne nur die Handels- und Versicherungsvertreter und auch viele Franchise-Nehmer.
Bei vielen neuen Selbständigen-Berufsfeldern, etwa im Bereich der Informations- und Kommunikationsdienste, ist die Projektarbeit mit einer längerfristigen Anbindung an einen Auftraggeber eine typische Erscheinungsform. Es gibt viele, die selbständig sind und bei denen möglicherweise die Ehefrau die Buchhaltung macht. Diese würden demnächst alle nicht mehr als Selbständige geführt. Niemand kann hier aber ernsthaft von Scheinselbständigkeit reden. Dies sind Selbständige.
Im übrigen ist dies ja - darauf ist vorhin bereits hingewiesen worden - am Anfang einer Selbständigkeit grundsätzlich so.
Wer hier, wie die Initiatoren der vorliegenden Gesetzentwürfe, gleich wieder den Staat aufmarschieren läßt, der würgt neue und häufig boomende Tätigkeiten ab. So wird man verhindern, daß aus der Selbständigkeit des einzelnen zu Beginn seiner Existenzgründung im Laufe der Zeit zahlreiche neue Arbeitsplätze entstehen können. Das Gegenteil aber brauchen wir.
Der Verdacht liegt nahe, daß der Feldzug der SPD gegen die sogenannte Scheinselbständigkeit nur ein Alibi ist, um die notwendige Reform der Sozialversicherung zu verweigern.
Die Rede von Herrn Scharping hat gezeigt - Frau Babel hat darauf hingewiesen -, daß hier ein Pappkamerad aufgebaut wird. Hier werden Leute benannt, die eindeutig nicht selbständig sind, die abhängig Beschäftigte sind, um dann dem deutschen Volk klarzumachen, daß man laut Gesetzeslage dagegen vorgehen müsse. Damit dreht man sich dann nur weiter und wieder einen Schritt schneller in diesem Teufelskreis der Verteuerung der Arbeit. Dies wird mit uns nicht zu machen sein.
Meine Damen und Herren, die SPD setzt sich in ihrem Wahlprogramm dafür ein, Existenzgründer zu stärken. Die Sozialdemokratie will sogar eine Gründungswelle auslösen. Ich glaube, daß mit solchen Gesetzen genau das Gegenteil geschehen wird.
Auch ist in der heutigen Debatte immer wieder vom Mißbrauch der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse die Rede. Dabei profitieren natürlich Millionen unserer Mitbürger von den Chancen, die dieses Instrumentarium auch bietet. In vielen Familien wird die Möglichkeit, jeden Monat eine ordentliche Summe zum Einkommen beizutragen, sehr gerne wahrgenommen. Durch die 620-DM-Jobs muß man nicht in die Schwarzarbeit ausweichen, was sonst automatisch geschehen würde.
Paul K. Friedhoff
Viele Frauen können zum Beispiel neben der Kindererziehung gar nicht mehr Zeit für eine Arbeit aufwenden. Diese nehmen das gerne in Anspruch.
Soll man ihnen diese Arbeitsmöglichkeit wirklich nehmen? Wir sagen dazu mit allem Nachdruck: Mit der F.D.P. war das in der Vergangenheit nicht zu machen, und das wird mit ihr auch in der Zukunft nicht zu machen sein.
Nach den Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sind 40 Prozent der 620-DMKräfte verheiratete Frauen, knapp 20 Prozent sind Rentner, 25 Prozent sind Schüler und Studenten. Wer deren Beschäftigungschancen einschränkt, handelt familienfeindlich und auch zutiefst unsozial.
Deshalb kann es auch nicht überraschen, daß sich eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger in Umfragen immer wieder dafür ausspricht, die 620-DM-Jobs nicht zu verändern.
Die Menschen wollen die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse; die Wirtschaft braucht sie. Die 620-Mark-Jobs gibt es vor allem in Bereichen, in denen sonst keine Arbeitsplätze entstehen würden. Das gilt besonders für den Dienstleistungsbereich und private Haushalte. Die Dienstleistungsbranche ist der Wachstumsmarkt der Zukunft. Dieser Markt - mit im übrigen vielen Vollzeitbeschäftigungsverhältnissen - ist in hohem Maße auf die Flexibilität der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse angewiesen. Wer dies ignoriert, zerstört Beschäftigungschancen. Dann darf man sich im übrigen auch nicht wundern, daß Deutschland international immer noch als Dienstleistungswüste gilt. Hier verspielen wir sehr viele Beschäftigungsmöglichkeiten.
Herr Louven - Sie haben mich vorhin angesprochen -, wir können uns sicher auf einen ganz einfachen Nenner einigen. Ich lese Ihnen dazu aus dem Wirtschaftsprogramm der CDU, das ja Herr Wissmann vorgestellt hat, vor.
- Ob das vorläufig ist, weiß ich nicht. Er hat gesagt, das sei mit den Sozialpolitikern abgestimmt.
Es heißt darin:
Wir brauchen eine neue Dynamik im Bereich von Niedriglohn- und Teilzeitarbeit.
Das unterstreichen wir.
Daher muß bei dem Instrument der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse der Mißbrauch bekämpft werden.
Auch dazu stehen wir. Allerdings muß, wie Herr Singhammer eben richtig gesagt hat, ein wesentlicher Teil der Bekämpfung darin bestehen - darin stimmen wir sicher völlig überein -, den Unterschied zwischen Netto- und Bruttoeinkommen zu verringern. Dazu gehört die Steuerreform - die ja von der linken Seite des Hauses blockiert wird -, dazu gehört eine Reform der sozialen Sicherungssysteme, damit wir die Sozialabgaben wirklich senken können.
Dies sind unverzichtbare Elemente bei dem Kampf dagegen. Vermutlich deswegen heißt es in Ihrem Programm weiter:
Grundsätzlich wollen wir dieses Instrument aber erhalten, weil es einen unverzichtbaren Beitrag zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes leistet.
Dem ist nichts hinzuzufügen. Auf dieser Basis können wir uns sehr schnell einigen. Dann haben wir eine vernünftige Grundlage, um der, wie Sie es nennen, Flucht in die 620-Mark-Jobs den Boden zu entziehen.
Nachdem wir durchgesetzt haben, daß viele der zum Beispiel an den Universitäten bestehenden Beschäftigungsverhältnisse rentenversicherungspflichtig wurden, haben die Länder - übrigens auch die sozialdemokratisch geführten Länder - darauf reagiert, indem sie die betreffenden Beschäftigungsverhältnisse der Studenten jetzt in 620-Mark-Jobs umgewandelt haben. Es ist, so meine ich, sehr scheinheilig, das, was man selber macht, an anderer Stelle anzuprangern.
Ich möchte zum Schluß kommen. Man wird die Sozialkassen - davon bin ich fest überzeugt - nicht dadurch füllen, daß man die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse eindämmt und einen Feldzug gegen die sogenannte Scheinselbständigkeit führt. Die meisten dieser Arbeitsplätze würden dann schlicht und einfach entfallen oder in die Schwarzarbeit abwandern.
Das rotgrüne Modell würde Arbeitsplätze in Deutschland vernichten und die Schwarzarbeit anheizen. Die F.D.P. wird einem solchen beschäftigungspolitischen Unsinn nicht die Hand reichen.
Was uns heute zur Entscheidung vorliegt, ist ein Kapitel aus dem rotgrünen Arbeitsplatzvernichtungsprogramm. Wir Freien Demokraten lehnen dies mit aller Entschiedenheit ab.
Herzlichen Dank.