Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Opposition hat es schwer,
vor allen Dingen dann, wenn man angehalten ist, seinen Beitrag an Angriffen auf die Regierung zu leisten, nach dem Motto „Die Bundeswehr ist gut, die Regierung ist schlecht" . Das werden Sie auf die Dauer nicht rüberbringen.
Ich möchte all denjenigen danken, die der Bundeswehr gedankt haben. Das waren die realistischsten Beiträge in dieser Debatte.
Im übrigen habe ich manches gehört, bei dem ich mich gefragt habe, über welche Streitkräfte Sie eigentlich gesprochen haben. Die Bundeswehr kann das nicht gewesen sein. Normalerweise ist es so, daß die Opposition die große Angriffsformation gegen die Regierung bildet. Ich kann nur sagen: Es war wirklich ein verlorener Haufen, der sich heute morgen präsentiert hat.
Da haben wir die Grünen, die die Bundeswehr abschaffen, in den ersten vier Jahren jedoch gnädigerweise nur halbieren wollen. Dann habe ich versucht, zu verstehen, wie die Bundeswehrpolitik der Sozialdemokraten aussieht. Was ich mitgenommen habe, ist: mehr Geld, mehr Beschaffungen für die Bundeswehr und die Einrichtung von mehr Kommissionen.
Deshalb biete ich Ihnen an: Machen Sie einmal eine Umfrage. Leider berauschen Sie sich an Umfragen; sie sind ja im Augenblick auch viel zu gut für Sie. Fragen Sie unter der Überschrift „Die SPD tritt für mehr Geld und mehr Beschaffung bei der Bundeswehr ein" nach Ja, Nein oder Enthaltung. Sie können für diese Umfrage Emnid, Forsa oder ein anderes Institut nehmen. Wenn diese Umfrage auch nur ein Prozent Zustimmung ergibt, dann würde ich mich geschlagen geben. Ich muß Ihnen sagen: Da lachen die Hühner, wenn die Sozialdemokraten mehr Geld und mehr Beschaffungen für die Bundeswehr durchsetzen wollen.
Jetzt wollen Sie mehr Kommissionen. Dazu kann ich nur sagen: Wir hätten sträflich gehandelt, wären wir dem gefolgt. Wer nicht weiß, was er will, bildet eine Kommission. In ihnen sollen die Bischöfe und Gewerkschaftler sagen, wie die Streitkräfte aussehen sollen? Das ist doch lächerlich. Wir haben längst gehandelt, und es wäre sträflich gewesen, wenn wir nicht schon die neuen Strukturen der Bundeswehr durchgesetzt hätten.
Mein Rat an Sie lautet: Parteipolitisch schneiden Sie am besten ab, wenn Sie sich voll hinter die Bundeswehr und die erfolgreiche Politik der Bundesregierung stellen und nicht mit irgendwelchen anderen Vorstellungen auffallen; denn die Leute haben Angst davor, daß dieser erfolgreiche Weg der neuen Bundeswehr von Ihnen beeinträchtigt werden könnte. Das ist mein Rat an Sie.
Im übrigen: Sie schicken eine Kommission nur vor, weil Sie in Wirklichkeit die Bundeswehr auf 150 000 Mann und sogar weniger - das geht bei Ihnen munter durcheinander - verkleinern wollen. Der Kollege Opel will noch mehr Flugzeuge anschaffen, obwohl er im Ernstfall dagegenstimmen wird,
und Geld bei den Mannschaften und dem Personal einsparen, damit er mehr Geld für bestimmte Beschaffungen hat. Das geht durcheinander, und deswegen muß eine Kommission her. Ich sage Ihnen: Mit dieser Bundesregierung wird es keine Eingriffe in die Strukturen der Bundeswehr,
keine Reduzierung ihres Umfangs und keine neuen Standortschließungen geben.
Das ist genau das, was man von einer anderen politischen Kraft befürchten muß. Bei den Grünen ist das eindeutig: Es würde den Wegfall von zwei Drittel aller Standorte in Deutschland bedeuten, wenn sich diese Politik durchsetzte.
Bei den Sozialdemokraten sind weitere Eingriffe in die Standorte eine Gefahr, der man sich bewußt sein muß. Mit uns wird es das nicht geben. Ich halte es für unbedacht und verantwortungslos, erneut in die Strukturen einzugreifen, nachdem wir die deutschen
Bundesminister Volker Rühe
Streitkräfte in den letzten sechs Jahren praktisch halbiert haben.
Der fundamentalen Veränderung der Sicherheitslandschaft in Europa haben wir mit einem erweiterten Auftrag, einer neuen Struktur und einem neuen Selbstverständnis der Bundeswehr Rechnung getragen. Wir haben bereits vor drei Jahren die konzeptionelle Phase der Neuorientierung der Bundeswehr abgeschlossen. Sie sind mindestens sechs Jahre hinter der Entwicklung zurück. Die konzeptionelle Arbeit ist in Wirklichkeit bereits vor vielen Jahren geleistet worden.
Wir haben die notwendigen Grundsatzentscheidungen für die neue Bundeswehr getroffen, und zwar in enger Abstimmung mit allen Beteiligten. Ich sage Ihnen: Die deutschen Streitkräfte können alle Aufträge durchführen, in die sie der Deutsche Bundestag stellt: Landesverteidigung, Bündnisverteidigung, internationale Einsätze und Katastropheneinsätze. Also: Hände weg von erfolgreichen Streitkräften! Warum wollen Sie an Streitkräften herumfummeln, die allen Aufgaben gewachsen sind?
Stellen Sie sich hinter die Streitkräfte, dann bekommen Sie auch die meiste Unterstützung in der Öffentlichkeit.
Wir gehen bei der Umsetzung der neuen Strukturen Schritt für Schritt, behutsam, verantwortlich und mit Blick auf die Menschen und die knappen Ressourcen vor. Inzwischen sind die ersten 12 000 Soldaten in organischen Krisenreaktionsverbänden einsatzbereit. Das Kommando Spezialkräfte verfügt bereits über eine erste Fähigkeit zur Evakuierung von in Not geratenen Menschen. Die Bundeswehr ist stärker ausdifferenziert. Das haben manche noch nicht begriffen. Ich kann nicht die ganze Bundeswehr in ein Kommando Spezialkräfte umwandeln. Hier muß vielmehr differenziert werden.
- Ich weiß, daß Sie das nicht wollen. Sie wollen ja die Bundeswehr abschaffen. Das weiß ich doch.
Das muß man denen sagen, die immer mehr Beschaffungen durchsetzen wollen. Herr Kollege Opel, das ist ja fantastisch - Sie haben es vorgetragen -, was wir noch alles beschaffen sollen.
Wer hätte nicht gerne mehr Geld! Ich muß Ihnen aber sagen, daß das Geld immer knapp sein wird. Was wir jetzt brauchen, ist Zuverlässigkeit für die nächsten Jahre. Das ist ganz klar. Aber eines ist auch klar: Mit der SPD wird es mit Sicherheit weniger Geld für die Streitkräfte und für ihre Modernisierung geben.
Die letzten Jahre waren nicht einfach - das ist klar -: der Aufbau der Armee der Einheit, die ständige Vorbereitung und der Austausch der Kontingente in Bosnien, die Umstellung auf den zehnmonatigen Grundwehrdienst, der Aufbau der Krisenreaktionskräfte und der eiserne Zwang zum Sparen. Dies alles mußte die Bundeswehr nicht nacheinander, sondern nahezu parallel und in relativ kurzer Zeit bewältigen.
Was die Streitkräfte jetzt brauchen, ist Kontinuität - keine weiteren Eingriffe -, damit die neuen Strukturen, die es jetzt gibt, ihre volle Wirksamkeit entfalten können. Wir dürfen unseren Streitkräften keine neuen Unsicherheiten zumuten. Der Organismus Bundeswehr darf nicht überfordert werden. Die größte potentielle Unsicherheit liegt in der Verbindung von SPD und Grünen. Diese muß abgewehrt werden.
Die neue Struktur wird den Herausforderungen, vor denen wir stehen, voll gerecht. Sie entspricht im übrigen der sicherheitspolitischen Lage, den Interessen und der Verantwortung unseres Landes. Wer Umfang und Struktur der Bundeswehr verändern will - die einen verstecken sich hinter der Kommission, die anderen sagen ihre Meinung mit großer Offenheit -, der sollte sich einmal vor Augen führen, wie wir im internationalen Vergleich dastehen. Ich halte für ein 80-Millionen-Volk in der Mitte Europas eine Armee mit 340 000 Soldaten für einen angemessenen und notwendigen Beitrag. Es darf keine weitere Reduzierung geben.
Wenn Sie sich einmal anschauen, wieviel Soldaten es pro Kopf der Bevölkerung gibt, dann werden Sie feststellen: Es gibt mehr in den Niederlanden und mehr in Dänemark. Wer immer versucht, den Eindruck zu erwecken, daß wir Deutsche mit dem übertreiben, was uns in diesem Bereich zur Verfügung steht, dem muß ich sagen: Diese Gefahr sehe ich nicht. Pro Kopf der Bevölkerung werden in den meisten europäischen Ländern mehr Soldaten vom Parlament eingesetzt und finanziert. Deswegen sage ich Ihnen: Wir haben den richtigen Umfang mit einer Friedensstärke von 340 000 Soldaten. Wir haben die richtige Struktur. Damit gehen wir in die Zukunft. Diese Streitkräfte sind im Gegensatz zu Ihnen zukunftsfest.
Dies ist im übrigen auch die Einschätzung unserer Freunde und Partner im Bündnis. Keiner wird ernsthaft behaupten können, daß wir uns eine Armee von 340 000 Soldaten nicht leisten können. Es geht vielmehr darum, wieviel es uns wert ist, eine angemessene Versicherungspolice für die unwägbaren Wechselfälle der Geschichte zu besitzen. Die Grünen und der linke Flügel der Sozialdemokraten fragen immer: Wozu brauchen wir eigentlich Streitkräfte und ihre Modernisierung? Wo ist der Feind? Darauf kann ich
Bundesminister Volker Rühe
nur antworten: Wenn Sie erst dann anfingen, eine Armee aufzustellen, wenn der Feind da ist, dann kämen Sie ungefähr sieben Jahre zu spät. Die Bundeswehr ist unsere Versicherungspolice gegen die Wechselfälle der Geschichte, und die Geschichte ist nie zu Ende.
Die Geschichte zeigt auch - deswegen sind Sie von der SPD so über Ihren naiven Partner erschrocken -, daß Sie für eine Armee immer bezahlen müssen: entweder für die eigene oder für eine fremde Armee, die ungebeten in das Land kommt. Angesichts dieser Alternative bezahle ich lieber 46 Milliarden DM für die eigenen Streitkräfte, um Sicherheit und Stabilität in Europa zu schaffen.
Die Bundeswehr ist im Einsatz. Unsere Soldaten können erwarten, daß sie für ihren Einsatz bestens ausgebildet und ausgerüstet sind und dafür die notwendigen Mittel bekommen. Der Erfolg im Einsatz hängt entscheidend davon ab, wie unsere Verbände und Einheiten zu Hause vorbereitet und mit welchem Material sie ausgestattet werden. Die Bundeswehr gehört im ehemaligen Jugoslawien zu den am besten ausgerüsteten Armeen.
Wenn sozialdemokratische Abgeordnete in Einheiten hier zu Hause zu hören bekommen: „Bestimmtes Ergänzungsmaterial ist jetzt vorrangig nach Bosnien gegangen. Wir sind nicht in der Lage, sofort eingesetzt zu werden. Das alles ist ganz schlimm. " Dann muß ich Ihnen entgegnen: Eine Opposition ist nicht dazu da, allen Klagen hinterherzugehen.
Natürlich gehört das Material dorthin, wo die Streitkräfte im Einsatz sind, und natürlich kann es hingenommen werden, daß dann hier zu Hause bei einem Verband, bei dem ein Einsatz nicht unmittelbar bevorsteht, die Dinge auch einmal etwas knapper sind. Das ist doch ganz eindeutig so. Wichtig ist: Wann immer Soldaten eingesetzt werden, müssen sie optimal ausgerüstet und optimal ausgebildet sein. Genau das ist bei der Bundeswehr der Fall.
Die Bundeswehr hat einen erheblichen Beitrag zur Konsolidierung geleistet. Aber mit dem Haushalt 1998 und der mittelfristigen Finanzperspektive haben wir eine Grundlage für einen sicheren Boden geschaffen. Ich bin dankbar für die klaren Äußerungen aus den Reihen der Koalition, daß dies nun auch wirklich die tragende Grundlage für die Zukunft ist.
In der kommenden Woche werde ich den darauf aufbauenden Bundeswehrplan 1999 im Verteidigungsausschuß vorstellen.
Jedermann wird sehen, daß die Streitkräfte eine konsistente Planung verfolgen.
- Sie können doch nicht sagen, Sie wollen einen Bundeswehrplan haben, und dann, wenn ich ihn vorlege, ist es auch wieder nicht recht. Das Papier unterscheidet sich sehr deutlich von dem, was Sie vorgelegt haben. Das ist eine konsistente Planung.
Land-, Luft- und Seestreitkräfte werden ausgewogen modernisiert. Ich brauche die Projekte hier nur noch anzudeuten: Eurofighter 2000, Panzerhaubitze für das Heer, moderne Munition, Ortungsmittel für den Artillerieverbund, das neue gepanzerte Transportfahrzeug, Fregatten, U-Boote der Marine. Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist ein überzeugendes Modernisierungsprogramm.
Wir können diese Vorhaben realisieren, weil das Verhältnis zwischen Betriebsausgaben und Investitionen schrittweise wieder ins Lot gebracht worden ist.
Zum Schluß: Die Bundeswehr als Wehrpflichtarmee hat ihren festen und anerkannten Platz im Gefüge unserer Republik. Sie hat sich in vier Jahrzehnten bewährt und ist zum Vorbild für den Aufbau und die Integration von Streitkräften in der Demokratie geworden. Fast alle neuen Demokratien östlich von Deutschland nennen die Bundeswehr als ihr Vorbild. Und Sie wollen sie hier diffamieren? Eine schwierigere Aufgabe hat eine Opposition - das muß man nun auch mal mit einem gewissen Verständnis sagen - noch nicht gehabt.
Die Wehrpflicht, das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform und das Konzept der Inneren Führung prägen den Charakter unserer Streitkräfte. Die Bundeswehr ist eine Armee in der Demokratie. Sie ist die Armee des Parlaments. Das ist der Kern ihres Selbstverständnisses.
Wehrpflicht und Professionalität sind keine Gegensätze. Die Bundeswehr ist eine professionelle Armee gerade wegen ihrer ausgewogenen Mischung von Berufs- und Zeitsoldaten, Wehrpflichtigen und Reservisten.
Im übrigen: Die Wehrpflicht verbindet Gesellschaft und Streitkräfte besser als jede andere Wehrform.
Sie schafft ein hohes Maß an Transparenz und öffentlicher Aufmerksamkeit für Fragen der Sicherheit und Verteidigung. Sie ist der deutliche Ausdruck dafür, daß Frieden und Sicherheit alle Bürger angehen. Sie steht für die Offenheit und für die Bürgernähe unserer Streitkräfte.
Bundesminister Volker Rühe
Die Wehrpflicht verpflichtet im übrigen besonders zum verantwortlichen Umgang der Politik mit militärischer Macht. Dies setzt die Schwelle für einen Einsatz der Bundeswehr hoch. Eine so wichtige Entscheidung muß eine schwierige Entscheidung bleiben.
Ich darf mich noch einmal bedanken. Ich glaube, die Art und Weise, wie die Angriffe der Opposition ins Leere gegangen sind, sind ein Kompliment für die Bundeswehr.
In Wirklichkeit ist es ja auch überall zu spüren: Es hat nie so viel Zustimmung für die deutschen Streitkräfte und nie so viel Konsens gegeben.
Aber eines ist auch klar: Wer ein so gestörtes Verhältnis zu seinen eigenen Streitkräften hat, wie es die Grünen haben, dem darf niemals politische Verantwortung in diesem Lande übertragen werden.
Schönen Dank.