Rede von
Peter
Zumkley
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage gibt uns heute endlich die Gelegenheit, über die Lage und den Zustand der Bundeswehr zu debattieren. Die Bundeswehr hat es verdient, daß wir uns mit ihr wieder einmal im Plenum des Parlaments befassen. Gleich zu Beginn meines Beitrages möchte ich den Soldatinnen und Soldaten sowie den zivilen Mitarbeitern für ihre Leistungsbereitschaft und ihre Leistungen im alltäglichen Dienst unter teilweise schwierigen Rahmenbedingungen unseren Dank aussprechen.
Trotz schwieriger Umstrukturierung der Teilstreitkräfte und der Wehrverwaltung, der Kommandobehörden und Schulen, die ja noch nicht abgeschlossen ist, hat sich die Bundeswehr insbesondere im Rahmen von IFOR und jetzt von SFOR in Bosnien-Herzegowina als Friedens- und Stabilitätselement zusammen mit den Streitkräften anderer Staaten bewährt. Der geschundenen Bevölkerung konnte wieder Luft verschafft und damit die Chance zum Wiederaufbau des weitgehend zerstörten Landes eröffnet werden. Unsere Bundeswehr ist daran erfolgreich beteiligt. In
Peter Zumkley
gemeinsamer internationaler Zusammenarbeit und mit zivilen Hilfsorganisationen leistet die Truppe in Bosnien zunehmend auch zivile Aufbauhilfe. Dies begrüßen wir. Dieser Einsatz verdient unser aller Anerkennung. Wir Sozialdemokraten unterstützen die Politik der Friedenssicherung und tragen sie voll mit.
In Anknüpfung an die großartige Leistung der Bundeswehr bei den Flutkatastrophen ab den 60er Jahren und der Bekämpfung verheerender Waldbrände hat die Bundeswehr wiederum, zusammen mit vielen anderen Organisationen, nicht zuletzt dem Bundesgrenzschutz und der Polizei, einen entscheidenden Anteil an der Sicherung und Verstärkung der Deiche an der Oder sowie den vielfältigen Hilfeleistungen für die betroffene Bevölkerung. Auch dafür danken wir allen Beteiligten. Nicht zuletzt sind die vielfachen humanitären Hilfseinsätze der Bundeswehr in aller Welt hervorzuheben.
Die Antwort auf unsere Anfrage, für die wir besonders den Mitarbeitern der Arbeitsebene auf der Hardthöhe danken, ist allerdings in vielen Bereichen geschönt. Wenn ich die Sicht des Bundesverteidigungsministers übernehmen würde, so muß ich sagen, daß ich dafür sogar in gewisser Weise Verständnis habe. Dabei wird in der Vorbemerkung der Antwort doch durchaus eingeräumt, daß die Bundeswehr einen schwierigen Reformprozeß durchläuft, begrenzte Engpässe und Friktionen unvermeidbar sind, ebenso wie Schiebungen und Streckungen von Ausrüstungsvorhaben.
Die erfolgten Plafondkürzungen betreffen besonders den investiven Bereich. Warum werden dann in den Antworten neben den Stärken nicht auch deutlich die Schwachstellen in der Bundeswehr genannt? Man hat gelegentlich den Eindruck, es gehe Ihnen, Herr Minister, besonders darum, nur ja keinen Mangel in der Bundeswehr zuzugeben. Karl Feldmeyer hat in der „FAZ" vom 19. Januar 1998 in einem anderen Zusammenhang - das trifft auch hier zu - folgendes geschrieben:
- Ja, hören Sie genau zu, was er geschrieben hat: Der Minister sollte „eine politisch pannenfreie, lautlos funktionierende Bundeswehr gewährleisten". Ich füge im Hinblick auf etliche Antworten auf unsere Anfrage hinzu: Macht er die entsprechenden Vorgaben?
Auftrag und Mittel stimmen in Teilbereichen der Bundeswehr nicht überein - zu Lasten der Soldaten und der zivilen Mitarbeiter, die häufig improvisieren müssen, die beispielsweise vor Problemen bei fehlender oder mangelhafter Ersatzteilversorgung insbesondere im Heer stehen und dadurch teilweise keinen interessanten und anforderungsreichen Dienst gestalten können, und dies trotz einiger Nachbesserungen im Haushalt, die wir unterstützt haben, die aber noch nicht ausreichend wirksam geworden sind.
Damit bin ich bei der Ausbildung unserer Soldaten. Die Kontingentausbildung für den Einsatz in Bosnien ist nach meinem persönlichen Eindruck solide und gut. Gleiches gilt für die Ausrüstung dieser Kontingente, wobei wir besonders das Schutzkonzept für unsere Soldaten als wichtig erachtet haben. Dies ist insgesamt zufriedenstellend gelöst; dies erkennen wir an. Aber ob die sonstige Ausbildung insbesondere wiederum bei der schwierigsten Teilstreitkraft, dem Heer, überall und durchgehend den Anforderungen für einen einsatzbereiten Soldaten entspricht, muß hier und da bezweifelt werden. Fehlendes Ausbildungspersonal wegen Abwesenheit aus vielfältigen Gründen, angespannte Materiallage und eine sich verschlechternde Infrastruktur sind Gründe hierfür.
Immer noch gibt es zu viele Wehrpflichtige, die sich trotz in der Regel bemühter Vorgesetzter nicht ausgelastet fühlen und teilweise den Eindruck haben, nicht so richtig gebraucht zu werden. Würden die Wehrpflichtigen zu Hause und in ihrem Freundeskreis mehr über einen interessanten und fordernden Dienst sprechen, könnte auf manche teuer bezahlte Nachwuchswerbung verzichtet werden.
Besonders in derartigen nicht überall zufriedenstellenden Situationen, aber auch sonst kommt es auf die Motivation der Soldaten besonders an. Die Beachtung der Grundsätze der inneren Führung, das offene Gespräch, eine in guter Atmosphäre stattfindende politische Bildung, eine gerechte Dienstzeitregelung und angemessene Mitwirkung sind hierzu wichtige Elemente.
Hieran muß gerade jetzt mehr als bisher gearbeitet werden.
Sosehr ich verstehe, Herr Minister, daß bestimmte Vorkommnisse so schnell wie möglich aufgeklärt werden müssen, auch angesichts der auf schnelle Nachrichten erpichten Medien und möglicherweise ungeduldiger Abgeordneter, sollten die verantwortlichen Führungsebenen nicht ohne Not übersprungen werden, sollte nicht zu schnell bis nach „unten" durchgegriffen werden.
Dies gilt auch für disziplinare Würdigungen und nicht nachvollziehbare plötzliche Versetzungen. So besteht die Gefahr, das notwendige Vertrauen zu verlieren.
Die schwierigste Aufgabe haben die Vorgesetzten in der alltäglichen Ausbildung der Truppe und in der Erhaltung der technischen Einsatzbereitschaft der Waffensysteme und Großgeräte. Alle übergeordneten Stellen müssen sich deshalb auch als Dienstleister für diese Ebene in unterstützendem Sinne verstehen, ihr den Rücken freihalten. Sorgen Sie, Herr Minister, dafür, daß nicht die Verwaltungstätigkeiten die Vorgesetzten von den ihnen anvertrauten Soldaten fernhalten. Der Kompanie- oder Batteriechef und
Peter Zumkley
der Bataillonskommandeur müssen mit ihrem Gesicht zur Truppe stehen können
und nicht mit ihrem Rücken, weil sie zu sehr von oben in Anspruch genommen werden oder glauben, diese Haltung sei ihnen nützlicher.
Im übrigen verdienen insbesondere diese Offiziere die volle Einbeziehung in alle Informationsstränge der Streitkräfte. Nur der wissende Vorgesetzte besteht in der Auftragstaktik.
Wir halten an der Wehrpflicht fest. Sie wirkt sich auf die Qualität und die gesellschaftliche Einbindung von Streitkräften besonders günstig aus. Wir gewinnen Reservisten mit vielfältigen zivilberuflichen Erfahrungen. Dieses Potential muß genutzt werden. Zur Zeit ist dies noch nicht zufriedenstellend der Fall. In diesem Zusammenhang möchte ich herausstellen, daß die Freiwilligkeit von qualifizierten Reservisten für den Dienst in der Bundeswehr von besonderem Wert ist.
Gerade wegen einer grundsätzlich intakten Bundeswehr sind Sich-auf-die-Schulter-Klopfen und die zur Eigenberuhigung getroffene Feststellung, wie gut doch alles sei, völlig fehl am Platze. Wir wollen eine in Gänze einsatzbereite Bundeswehr, in der Auftrag und Mittel übereinstimmen, Über- und Unterforderungen vermieden werden und ein positiver Geist, der Geist des Staatsbürgers in Uniform, spürbar ist.
Ich danke Ihnen.