Rede von
Prof. Dr.-Ing.
Karl-Hans
Laermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte - ich
weiß nicht, ob mir das gelingt - den Versuch unternehmen, nicht in die Wahlkampftöne einzustimmen oder darauf einzugehen.
Die vorliegende Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage zur internationalen Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Hochschulstandortes Deutschland ist das Thema. Ich denke, die Antwort liefert einerseits einen umfassenden Überblick über die Maßnahmen und Aktivitäten in den verschiedenen Politikbereichen, die involviert sind: Bildungs-
und Hochschulpolitik, Auswärtige Kulturpolitik und Entwicklungshilfepolitik. Andererseits zeigt sie offen und ehrlich die Defizite auf, mit denen wir uns als Parlament in den verschiedenen Politikfeldern dringend, und zwar im Zusammenhang, befassen müssen.
Zunächst möchte ich eines mit allem Nachdruck feststellen - das hat mich in der Diskussion der letzten Zeit ganz erheblich gestört -: Seit einiger Zeit wird stereotyp behauptet, Deutschland sei als Studienstandort nicht mehr attraktiv. Betrachten wir jedoch die Entwicklung der Studierendenzahlen in absoluten Größen, so stellen wir fest, daß sich in einem Zeitraum, in dem sich die Zahl der deutschen Studierenden etwas mehr als verdoppelt hat - von rund 840000 auf 1,84 Millionen -, die Zahl der ausländischen Studierenden verdreifacht hat. Selbst wenn man davon ausgeht, daß geschätzt rund ein Drittel als sogenannte Bildungsinländer betrachtet werden müssen, hat sich der Anteil von knapp 50 000 auf 100 000 verdoppelt.
Der Bezug auf prozentuale Anteile ergibt also kein realistisches Bild.
Es ist immer etwas Eigenartiges, wenn man gewisse Vorurteile pflegt. Ich habe aber einmal in die Statistiken geschaut - das Bundesamt für Statistik scheint mir glaubwürdig zu sein - und festgestellt, daß sich die Zahl der europäischen Studienanfänger in Deutschland seit 1975 vervierfacht hat. Ebenso hat sich die Zahl der Studienanfänger aus Afrika vervierfacht. Die Zahlen der Studienanfänger aus Amerika und Asien ebenso wie die aus Australien und Ozeanien haben sich verdoppelt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kämen noch weit mehr Studierende und junge Wissenschaftler aus dem Ausland an die deutschen Hochschulen, wenn dafür die notwendigen Ressourcen verfügbar wären. Es kann also nicht an der inhaltlichen Attraktivität der Hochschulen liegen; dafür sind andere Gründe und Bedingungen verantwortlich. Das haben wir auch in der Großen Anfrage angesprochen.
Es kämen weit mehr, wenn dafür die notwendigen Ressourcen verfügbar wären. So liegt zum Beispiel
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann
das Verhältnis von Bewilligungen zu Stipendienanträgen beim Deutschen Akademischen Austauschdienst im Durchschnitt bei 1 : 5, in bezug auf das Japan-Programm sogar bei 1 : 10.
Ähnlich ist die Situation auch bei anderen Institutionen, die Stipendien vergeben.
Man muß sich schon wundern, daß immer mehr Studierende in Deutschland studieren und daß sich immer mehr Nachwuchswissenschaftler hier wissenschaftlich qualifizieren wollen. Akzeptieren Sie doch die Leistungen der deutschen Wissenschaft!
Viele wollen hier studieren trotz der überzogenen und, wie ich meine, unberechtigten pauschalen Kritik an unseren Hochschulen aus den eigenen Reihen, aus dem eigenen Land. Hören wir doch endlich auf, unsere Hochschulen selber schlechtzureden! Wir würden uns dann möglicherweise wundern, wenn tatsächlich weniger Studierende aus dem Ausland zu uns kommen.
Dennoch sind Veränderungen, Modernisierungen und Anpassungen an internationale Entwicklungen notwendig. Ein wichtiger Schritt - das ist schon erwähnt worden - ist mit der Novelle zum Hochschulrahmengesetz getan. Ich denke, die Abschlüsse Bachelor und Master haben sich inzwischen zum weltweiten De-facto-Standard entwickelt. Sie sind sozusagen Mobilitätsschienen zwischen den Bildungssystemen unterschiedlicher Kulturkreise geworden. Die Orientierung auf die nationalen Standards allein erweist sich nämlich als eine strategische Schwäche unserer Hochschulen auf dem globalen Bildungsmarkt.
Die Einführung dieser Studiengänge allein genügt natürlich nicht. Fragen der gegenseitigen Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen, auch von Teilleistungen, sind zu klären. Regierungsabkommen auf diesem Gebiet sind zwar hilfreich, aber sie reichen nicht aus. Die Anerkennungs- und Äquivalenzregelungen sind viel zu formal und viel zu formalisiert. Hier ist mehr Flexibilität im Einzelfall gefordert; denn auf Grund der Differenziertheit kann die gegenseitige Anerkennung gar nicht über Regierungsabkommen und Regelungen, für die dann die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen zuständig ist, geregelt werden. Auf diesem Gebiet muß auch die KMK Bewegung zeigen.
Es ist notwendig, daß die Lehrenden an unseren Bildungseinrichtungen sozusagen in ihrer wissenschaftlichen Autorität bereit und in der Lage sind, ihrerseits individuell Leistungen, auch im Ausland erbrachte Leistungen, anzukennen.
Auch Verbesserungen in Beratung und Betreuung - das gilt übrigens auch für deutsche Studierende - sind notwendige Hilfen in den alltäglichen Lebensfragen, zum Beispiel bei der Wohnraumbeschaffung und vielem mehr. Hier ist schon davon gesprochen worden - ich bestätige das ausdrücklich -, wie wichtig und dringend klärungsbedürftig die Fragen des Ausländerrechts und des Arbeitsrechts sind.
Aus meiner beruflichen Befaßtheit und oftmaligen Betroffenheit heraus fordere ich hier akzeptable Lösungen.
Hier liegen nämlich wesentliche Gründe, warum manchen Interessenten ein Studium in Deutschland wenig attraktiv erscheint. Es liegt also nicht an den wissenschaftlichen Leistungen, sondern an den Rahmenbedingungen.
Dazu liegt ja Gott sei Dank seit kurzem der Entwurf von Verwaltungsvorschriften zu den ausländerrechtlichen Regelungen für ausländische Studierende und Wissenschaftler vor. Darin sind zweifellos entscheidende Verbesserungen vorgesehen. Das begrüße ich ausdrücklich. Ich hoffe sehr, daß diese Regelungen bald wirksam werden. Ich fordere auch die Länder auf, verehrte Kollegen von der SPD, diese Regelungen nun umzusetzen.
Wir leiden ja nicht an dem Fehlen von Regelungen, daran, daß diese nicht vom Bund eingefordert werden, sondern daran, daß sie in den Ländern nicht umgesetzt werden oder nur in einer Weise, die unseren Vorstellungen - damit meine ich die Vorstellungen aller im Parlament -, die wir mit der Verabschiedung von gesetzlichen Bestimmungen verfolgt haben, oftmals nicht entspricht.
Noch ein Wort zu den Stipendien. Ich denke, wenn es schon nicht möglich ist, die Anzahl der Stipendien auf Grund der Finanzlage zu erhöhen, und wenn daher die Situation als unbefriedigend angesehen werden muß, so ist um so mehr die Erkenntnis umzusetzen, daß erst die Nachbetreuung ehemaliger Stipendiaten zu dauerhaften Verbindungen führt und die Potentiale für dauerhafte und fruchtbare Zusammenarbeit auf geistigem, gesellschaftlichem und damit anschließend auch auf wirtschaftlichem Gebiete erschließt. Eine Aufwertung der Nachkontakte ist deshalb nicht nur wünschenswert, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort schreibt, sie ist ein Muß.
Dies gilt nicht nur für ehemalige Stipendiaten, sondern möglichst für alle, die in Deutschland studiert haben.
Im übrigen unterstreiche ich dick, was in der Antwort zum gesamten Themenkomplex gesagt wird.
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann
Ich muß dabei aber auch auf eine nicht angesprochene Konsequenz hinweisen, nämlich darauf, daß die finanziellen Voraussetzungen verbessert werden müssen.