Ich kann das absolut bestätigen. Nur müssen Sie an die Situation zuvor denken. Vorher war bei der Bundesregierung überhaupt keine Bewegung erkennbar. Jetzt dreht sich der Streit zwischen den SPD-geführ-
Matthias Berninger
ten und rotgrünen Ländern und der Bundesregierung nur noch darum, ob das ausreicht, was Herr Kanther gemacht hat. Ich habe hier eine Stellungnahme des Landes Hamburg, die besagt, es gehe in die richtige Richtung, aber gerade in bezug auf die Arbeitsmöglichkeiten der Studierenden müsse man mehr tun.
Mir ist wichtig, daß man das quer durch alle Länder positiv aufgenommen hat und dabei ist, das umzusetzen. Meine Hoffnung ist, daß wir spätestens zum 1. Oktober Bedingungen für ausländische Studierende haben, die der neuen Regelung entsprechen. Zum Teil haben sich Länder - auch hier ist Hamburg wieder ein Beispiel - schon längst über das hinweggesetzt, was Herr Kanther gemacht hat. Natürlich ist das nicht die Antwort auf die Probleme, die wir bei der Internationalität der deutschen Hochschulen haben.
Genausowenig stellte das Hochschulrahmengesetz jetzt plötzlich den Startschuß dar. Das wäre gerade so, als wolle man durch die Erwähnung von Multimedia die Hochschulen endlich dazu bringen, ins World Wide Web zu gehen. Natürlich ist das Hochschulrahmengesetz auch nur ein kleiner Baustein. Das alles reicht mir nicht aus; das dürfte keinem Bildungspolitiker ausreichen, der sich die Zahlen anguckt.
Andere Länder sind im wissenschaftlichen Austausch weit vor uns, haben mehr ausländische Studierende an ihren Hochschulen und profitieren enorm davon, weil neue Erfahrungen ins Land kommen, während in Deutschland die Zahl der Studierenden, die hierher kommen und hier studieren wollen, stagniert und, wenn man genauer hinguckt, sogar sinkt.
Die Entwicklungsländer sind angesprochen worden. Sie sind immer weniger in der Lage, ihre jungen Leute hierher zu schicken. Hinsichtlich der Länder im asiatischen Raum haben wir zum Beispiel im Vergleich zu Australien enorm verloren. - Wir haben in ein paar Bereichen, etwa in Musik, gewonnen, aber insgesamt verloren. - Herr Laermann, Sie sagen, es stimme nicht. Aber ich kenne doch auch Ihre Sorge, weil wir gerade im Ingenieurbereich riesige Probleme haben, die Attraktivität zurückzugewinnen, die wir vor Jahren hatten.
Sie wissen, welche Bedeutung diese Attraktivität für die Entwicklung im asiatischen Raum und auch für unsere Exportwirtschaft hatte.
Ich möchte auf die für mich wesentlichere Frage zurückkommen, was noch getan werden müßte. Im Hochschulrahmengesetz sind die internationalen Abschlüsse Thema. Ich finde es gut, daß wir diesen Weg
gehen, weil ich glaube, daß sich die internationalen Abschlüsse durchgesetzt haben und daß ein deutscher Sonderweg bei Hochschulabschlüssen ein schwerer Fehler wäre und sowohl das Studium von Deutschen im Ausland erschweren als auch umgekehrt das Studium von ausländischen Studierenden in Deutschland sehr nachhaltig behindern würde. Ich finde es wirklich gut, daß wir das machen, sehe aber die Gefahr, daß wir die Sorgen, die viele Leute mit dieser Umstellung verbinden, in den Hintergrund rücken lassen.
Es gibt zwei Länder, die Erfahrungen mit dem neuen gestuften System haben. Das eine Land ist Dänemark. In Dänemark steht Bachelor oder B.A. für „bald arbeitslos" oder „bestimmt arbeitslos", weil die Leute, die dort ein Kurzstudium gemacht haben, praktisch keinen Job finden. Das darf in Deutschland nicht passieren. Wenn die Leute keine Perspektive im Arbeitsleben haben, nachdem sie einen solchen Kurzstudiengang absolviert haben, ist das ein riesiges Problem. Ich wünsche mir, daß wir den Weg gehen, den andere Länder gegangen sind, und das duale Berufsausbildungssystem, die klassische Berufsausbildung, mehr mit den Universitäten verzahnen. Da könnte der Bachelor eine enorme Chance darstellen.
Ich wünsche mir aber auch, daß Herr Kanther - ich habe ihn vorhin schon einmal als Bremser genannt - hier einen mutigeren Schritt macht. Der Erfolg unserer internationalen Studiengänge hängt davon ab, wie sehr die Absolventen dieser Studiengänge Zugang zum öffentlichen Dienst haben. Ich spreche das an, weil wir das bei den Fachhochschulabsolventen erlebt haben. Ich bin Jahrgang 1971. Seit dieser Zeit streitet man sich darüber, ob Fachhochschulabsolventen im öffentlichen Dienst angemessen berücksichtigt werden können. Herr Kanther hat das auch in diesem Jahr wieder blockiert. Aber wir dürfen hier nicht den gleichen Fehler wie bei den Fachhochschulabsolventen machen und fast ein Vierteljahrhundert bis zu ersten Fortschritten warten, und letzten Endes sogar mehr als ein Vierteljahrhundert verstreichen lassen, bis Fachhochschulabsolventen eine Chance haben.
Herr Rüttgers, Sie haben sich in dieser Legislaturperiode mit drei Ministern ziemlich heftig gestritten. Der eine ist Bundeswirtschaftsminister Rexrodt. Das war der harte Kampf darum, wer der eigentliche Wirtschaftsminister ist. Nach einem mäßigen Spiel ist das unentschieden ausgegangen. Jetzt spielt auf diesem Spielfeld Herr Wissmann gegen Herrn Rexrodt.
Der zweite Minister, mit dem Sie sich auseinandergesetzt haben, ist der Bundesfinanzminister. Dazu will ich Ihnen sagen: Das war eine schwere Niederlage für die Bildungspolitik in Deutschland.
Matthias Berninger
Ihre Bilanz ist ein Rückgang der Ausgaben im Bildungsbereich.
Was hat das mit der heutigen Debatte zu tun? Der „Spiegel" hatte vor ein paar Wochen die große Überschrift: Der Chef zahlt. Wir sind alle sehr froh darüber. Er zahlt nämlich sein im letzten Winter versprochenes 40-Millionen-DM-Programm. Was steht aber noch in diesem Artikel? Der Chef zahlt und spart. Er spart nämlich innerhalb des 40-Millionen-DM-Programms, das unzureichend, aber wichtig ist, unter anderem bei den Bibliotheken, beim Deutschen Akademischen Austauschdienst und beim Budget für ausländische Gastdozenten, die nach Deutschland kommen. Das macht schon deutlich, wie groß die Probleme sind, die Ihr Versagen gegenüber Herrn Waigel verursacht hat.
Der dritte Minister, mit dem Sie sich gezankt haben, ist der Bundesinnenminister Kanther. Ich glaube, daß dieser Ihr härtester Gegner ist. Sie haben an einer Stelle gewonnen - noch einmal meine Gratulation dazu -, Sie haben aber an zwei Stellen verloren,
nämlich bei der Anerkennung der Fachhochschüler im öffentlichen Dienst und bei der Reform der Personalstruktur.
Wenn man über die Internationalität des Studienstandorts Deutschland redet, dann muß man auch darüber reden, daß unsere Professoren in der Bezahlung und in der Anbindung an die Hochschule im internationalen Rahmen vergleichbare Positionen erhalten müssen. Das gilt für die Möglichkeiten, die ihnen gegeben werden, aber auch für die Grenzen, die ihnen gesteckt werden müssen. Das haben Sie nicht erreicht. Sie haben nicht erreicht, daß die Beendigung der Verbeamtung von Professoren in das Hochschulrahmengesetz aufgenommen wurde.
Unter dem Strich kann ich sagen: Ich freue mich über den kleinen Fortschritt, den wir hier gemacht haben und über den wir heute reden. Ich ärgere mich aber darüber, daß wir nicht soweit gekommen sind, wie es bei diesem Thema wünschenswert wäre, und daß wir es in den letzten vier Jahren nicht geschafft haben, einen deutlichen Schritt in Richtung Internationalität zu machen. Das wird wohl unsere Aufgabe in den nächsten vier Jahren sein.