Rede von
Margot
von
Renesse
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin, Herr Pofalla hat gleich noch Gelegenheit, ausführlich auf das zu antworten, was ich sagen werde und gesagt habe. Deswegen glaube ich, daß wir uns das im Augenblick sparen können.
Herr von Stetten, Sie haben gesagt: Es geht um Kostenentlastung. Dabei schrappen Sie verfassungsrechtliche Grenzen. Sie reden von 40 Prozent, die man von den Bruttoentgelten der Betreuer abziehen müsse. Aber schon Arbeitnehmer, die den Urlaub bezahlt kriegen und Krankengeldansprüche haben, zahlen gegenwärtig - aus den berühmten Lohnnebenkostendiskussionen kennen wir das ja - 42 Prozent Sozialabgaben. Wollen Sie das den Sozialarbeitern, die Betreuung leisten, verweigern? Dazu kommt die Haftpflicht, dazu kommt die Steuer. Im Ergebnis frage ich mich sehr deutlich - das wird das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden haben -, ob Sie hier nicht das, wie es so hübsch heißt, verfassungsrechtlich immanente Kostendeckungsprinzip aufgegeben haben. Das wird eine Sache sein, die Sie mit den Berufsverbänden auszumachen haben, eventuell in Verfassungsbeschwerden. Das ist nicht in erster Linie mein Problem.
Wichtiger ist, daß Sie die Strukturen zerschlagen, in der juristischen Hybris, was im sozialen Bereich passiere, sei nichts wert.
Das sind die Birkenstocksandalenträger; Juristen haben mit denen sowieso nichts am Hut.
Übrig bleibt die „rechtliche Betreuung", was immer das ist. Das heißt, wenn der Betreuer als halber Anwalt fungiert, dann wollen Sie ihn ernst nehmen. Aber wenn er mit den Menschen redet, auch Kaffee trinkt und zum Geburtstag einen Blumenstrauß bringt, dann ist das alles nicht viel wert.
Herr von Stetten, Sie reden davon, daß Sie die Justiz entlasten wollen. Es tut mir leid, aber ich fürchte, die Justiz wird viel Neues zu tun kriegen, weil neue, wertausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe dazugekommen sind, die erst in einer Vielzahl von Prozessen schön ausgestritten werden müssen. Was ist zum Beispiel eine berufliche Kenntnis, die für eine Betreuung „nutzbar" ist? Das ist nicht einmal nur abstrakt; das ist konkret.
Das ist von Bezirksrevisoren überhaupt nicht mehr zu überprüfen.
Sie reden jetzt von persönlich-rechtlicher Betreuung. Im Gesetz steht: „rechtlich", was immer das ist. Ich denke, daß wir eine Reihe von Gerichtsentscheidungen brauchen, um überhaupt zu wissen, was Sie beschlossen haben.
Dann gibt es noch eine wunderschöne Vorschrift. Das ist § 1 908k, die große Datengrube bei den Betreuungsbehörden, wo Berufsbetreuer und Vereine sozusagen ihr Wirtschaftsgebaren offenbaren müssen, wobei keiner weiß, wofür. Sie haben wohlweislich den Datenschutzbeauftragten nicht gefragt. Aber mindestens müßten Sie sagen können, wie die Kommunen die Kosten im Bereich des Betreuungsbehördengesetzes für die zusätzliche Verwaltung von Daten tragen sollen, von denen keiner weiß, was er damit machen soll. Ich denke, auch hier wird es Verfassungsbeschwerden setzen.
Ich komme zu dem entscheidenden Punkt. Sie meinen - das ist eigentlich der Hintergrund der Reform -: Was bei der Justiz - Gerichte, Geschäftsstellen, Kanzleien - läuft, das ist sakrosankt. Wir wissen immerhin so viel aus Ihren Antworten auf unsere Große Anfrage, daß das der teuerste Komplex ist. Überflüssig, zu teuer erscheint Ihnen das Betreuungswesen, wo es darum geht, die Zuwendung zu leisten. Das kann so nicht bleiben.
Das war schon ein Fehler des alten Gesetzes. Deswegen unser Vorschlag der Zweigleisigkeit, die auch Sie nicht vermeiden können.
Was machen Sie mit unserem guten alten BGBl Der Bezirksrevisor soll in Zukunft auch noch mit dem Sozialrecht hantieren. Ich stelle mir vor, wie der beim Sozialamt anruft und fragt: Wie machen Sie das? Dieser komische Wechselbalg bei der Frage des Regresses, der sozialpolitisch außerordentlich problematisch ist und nichts bringen wird - das sage ich Ihnen -, diese Kreuzung aus Prozeßkostenhilfe mit Zehnjahresregreß und Sozialhilfe! Du liebe Güte, was sind das für merkwürdige Erscheinungen!
Das BGB wird sozusagen um seine Zielsetzung gebracht, indem Sie, weil Sie gar nicht anders können, auf das Sozialrecht Bezug nehmen.
Ich hoffe, wir werden mit allen Seiten dieses Hauses eine vernünftige Reform auf den Weg bringen, die sehr schwierig sein wird. Sie wird ressortüber-
Margot von Renesse
greifend sein müssen. Sie wird ebenenübergreifend sein müssen. Das wird ein langer Weg sein. Deswegen verstehe ich die Länder, die angesichts eines mißglückten Gesetzes, das sie haben, verzweifelt nach einer wie auch immer gearteten Entlastung auf die Schnelle greifen müssen;
etwas Besseres geben Sie ihnen ja nicht, obgleich Sie dafür verantwortlich sind. Schließlich tragen Sie die Bundesregierung, und die Probleme sind seit Jahren bekannt.
Lassen Sie mich nun kurz auf den Entschließungsantrag der PDS eingehen. Ich habe selten etwas aus der Feder von Bundestagsabgeordneten gesehen, was so wenig eigene Bemühungen um das Thema offenbart hat. Da werden die Kritiken zusammengeschrieben, die aus Verbänden, von Berufsbetreuern und aus der Ebene der Leute kommen, die sich mit diesen Dingen befassen. Sie haben sich jedoch offensichtlich nicht damit befaßt; denn Sie schreiben die Kritiken einfach hintereinander, und die Widersprüchlichkeit Ihrer Forderungen und Ihrer Kritikpunkte ist Ihnen offensichtlich nicht aufgegangen. Darüber können wir vielleicht noch einmal reden. Wenn es Ihnen Spaß macht, mache ich das gern.
Ich habe allerdings das Gefühl: Dieser Entschließungsantrag der PDS klappert wie ein einzelnes Zehnpfennigstück in einer sonst leeren Sparbüchse.
Er ist oberflächlich, aber das Thema ist zu wichtig, als daß man sich nicht wirklich damit befaßt. Ich habe von der PDS nichts im Rechtsausschuß gehört, was irgendwie weiterführte. Man kann nur mit Heinrich von Kleist, „Prinz Friedrich von Homburg" , sagen: „Der Meinung auf dem Schlachtfeld warst du nicht. "
Damit fischt man meines Erachtens nichts als Stimmen nach dem Motto: Wir tragen eure Anwürfe in den Bundestag. Aber, meine Damen und Herren von der PDS, wir werden dafür bezahlt, daß wir Auswege finden, und nicht, daß wir uns nur an eine wie auch immer geartete Klagemauer stellen.
Wir werden gemeinsam arbeiten. Mehrheit oder Minderheit spielt hier nicht die entscheidende Rolle; denn es handelt sich um ein Stück Alltagsrecht, das gemeinsam getragen werden muß. Darum entschuldige ich mich für meine mitunter vielleicht etwas polemischen Äußerungen.
Ich meine es nicht so; denn ich denke, daß wir zusammenarbeiten müssen und auch zusammenarbeiten können. Im Ergebnis muß es anders werden, wobei unsere Vorstellung erst der Anfang von dem ist, was im Ergebnis gemeinsam, vor allem mit den Beteiligten, erörtert werden muß. Darauf freue ich mich.