Rede von
Manfred
Kanther
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Verehrte Damen! Meine Herren! Die Bundesregierung greift in allen Bereichen den Veränderungsbedarf auf, den es in unserem Land gibt. Dabei werden auch Bereiche aufgegriffen, in denen in Jahrzehnten zuwenig Veränderung und Anpassung erfolgt sind. Dazu gehört auch manches, was unsere Verwaltungen und in diesen Verwaltungen den öffentlichen Dienst angeht. Aber die Bundesregierung tut das nicht mit der vor allem in den Medien nicht seltenen, unerfreulich zu hörenden und zu lesenden Häme gegen den öffentlichen Dienst. Vielmehr tut sie dies ihm zugewandt, weil er ein unverzichtbarer Pfeiler unseres Staates ist und eine Standortbedingung Deutschlands darstellt, die gar nicht hoch genug geschätzt werden kann.
Unsere Verwaltung stellt eine Standortbedingung dar, die wir selbst gestalten können, anders als viele andere Standortbedingungen, wo wir Konkurrenz, die wir nicht alleine gestalten, ertragen müssen. Diese Bedingung liegt in unserer Hand. Deshalb hat nichts einen Sinn, was heißblütig daherkommt und die Leute vor den Kopf stößt oder ohne jede Sachkenntnis Systeme erdenkt, die vielleicht vor 120 Jahren so hätten erdacht werden können, aber nach 120 Jahren nicht mehr implantierbar sind.
Wer all das Zeug, das da über die Überführung der Beamten in die Sozialversicherung geredet wird und das man sich dann anhören muß, vorschlägt, der weiß offenbar gar nicht, was er sagt.
Wenn wir die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung zusätzlich zu den Pensionen bezahlen sollten, dann brauchten wir uns über die Probleme der öffentlichen Kassen nicht mehr zu unterhalten. Das Thema ist doch nicht von dieser Welt und beendet für mich von vornherein die Debatte. Das heißt, die öffentliche Verwaltung und damit den öffentlichen Dienst zu modernisieren ist ein wesentlicher Aspekt unserer Arbeit.
Man kann das aber doch nicht unter dem Gesichtspunkt „Leistung in den öffentlichen Dienst einführen" tun. Es wäre ja eine unglaubliche Anmaßung, zu behaupten, daß 5 Millionen Menschen im öffentlichen Dienst heute nicht auf Leistung ausgerichtet wären. Natürlich sind sie das, aber natürlich gibt es auch Starrheiten im System. Es gibt Gewohnheiten, denen man früher hätte zu Leibe rücken können. Es gibt nicht genügend Mobilität und auch nicht überall ein hinreichend motivierendes Vorgesetztenverhalten, so daß wir z. B. noch einen hohen Krankenstand im öffentlichen Dienst beklagen müssen. Das liegt weniger am einzelnen als daran, wieviel Mühe sich der Vorgesetzte um einen Mitarbeiter macht, damit er sich in den Riesenverwaltungen und Betrieben nicht als Nümmerchen fühlt, auf das es nicht ankommt.
Das heißt also, es gibt viel geistigen Innovationsbedarf, der sich der gesetzgeberischen Regelung ohnehin entzieht. Es gibt aber gesetzgeberische Beiträge dazu, wie wir sie im Dienstrechtsreformgesetz beispielsweise mit Leistungs- und Mobilitätsanreizen geschaffen haben.
Zu einem effizienten öffentlichen Dienst, den wir wollen, gehört natürlich auch, daß er kostengünstig arbeiten soll. In einer Zeit knapper Kassen gewinnt
Bundesminister Manfred Kanther
dieses Argument eine größere Bedeutung als in Zeiten voller Kassen. Deshalb haben wir in beiden Gesetzen auch unter dem Gesichtspunkt der Finanzen Einsparungen im öffentlichen Dienst vorgenommen, von denen ich weiß, daß sie niemanden erfreuen, die aber wegen ihrer Behutsamkeit sämtlich vertretbar sind.
So steht im Dienstrechtsreformgesetz der Wegfall von „Urlaubsgeld" bei Pensionären, die erfreulicherweise immer Urlaub haben, wenn man so will. Ebenso ist von Anpassungen die Rede, die Veränderungen im aktiven Bereich bei Pensionären nachzeichnen. Weil es ums Geld geht, ist auch die Anpassung bei den Anwärterbezügen enthalten. Der öffentliche Dienst hat in Zeiten, in denen er auf dem Arbeitsmarkt darauf angewiesen war, die besten Leute anzulocken, sehr hohe Anwärterbezüge gezahlt. Heute hat der öffentliche Dienst keine Schwierigkeiten, gute Leute auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen, und deshalb wird er doch mit den Bezügen reagieren können und sie um 5 Prozent absenken dürfen.
Im mittleren Dienst hat ein Anwärter nach der Absenkung ein Einkommen in Höhe von 1 430 DM und ein Lehrling im dritten Lehrjahr 1 217 DM. Der Lehrling hat immer noch 200 DM weniger als der beamtete Anwärter und muß Sozialabgaben bezahlen. Da kann doch kein Mensch behaupten, daß das eine ungerechte Maßnahme wäre, wenn es darum geht,
in vielen Bereichen behutsam Geld einzusparen und nicht überstürzt und brachial mit dem Hammer daranzugehen, wenn einem das Wasser bis zum Halse steht.
Genau das ist nicht der geistige Ansatz dieses Gesetzes, auch nicht in der Versorgung. Davon kann überhaupt keine Rede sein.
Im Rentenrecht ebenso wie im Recht des öffentlichen Dienstes stellt die Tatsache, die Herr Stadler und Herr Belle dargestellt haben, daß die Zahl der älteren Menschen in unserem Land wächst und die Dauer des Bezugs von Altersversorgungsbezügen aus vielen Gründen - Frühruhestand ebenso wie glücklicherweise längere Lebenserwartung - ansteigt, natürlich eine Frage an die Bezahlbarkeit des Systems.
Es ist doch eine Frage der Gerechtigkeit, daß wir nicht in der Rente andere Bedingungen schaffen als in anderen Versorgungssystemen. Beamten- und gewerbliches Recht unterscheiden sich in vielen Dingen sehr, aber in den gesellschaftlichen Grundfragestellungen sind natürlich alle Bürger gleich. Deshalb haben wir diese Neuerung des Sozial-, Arbeits- und Rentenrechts ins Recht des öffentlichen Dienstes übernommen, deshalb gelten gleiche Anrechnungsvorschriften bei der Ausbildung. Deshalb haben wir bei der Pflegeversicherung die entsprechenden Vorschriften in die Beihilfevorschriften übernommen.
Ich könnte unendlich viele Beispiele nennen, die einen Gerechtigkeitsaspekt ebenso wie einen Einspareffekt haben. Deshalb ist es notwendig, daß sich der demographische Faktor bzw. die Dauer des Bezugs von Altersversorgungsbezügen ebenso wie im Rentenrecht auch im öffentlichen Dienstrecht widerspiegelt.
Es fügt sich nun einmal so, daß diese Debatte heute, einen Tag nach dem Abschluß des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst,
stattfindet. Im Zusatzversorgungsrecht des öffentlichen Dienstes gilt ab 1. Januar 1999 die Beteiligung der Arbeitnehmer an ihrer Zusatzversorgung; Betriebsrente würde man in der gewerblichen Wirtschaft sagen.
Das ist ein Durchbruch der Gerechtigkeit. Das ist nicht nur eine Finanzfrage, aber es ist auch eine wesentliche Finanzfrage an die Bezahlbarkeit von Versorgungssystemen.
Wir befassen uns jetzt erstmalig, seit wir ein Beamtenrecht haben, mit Eigenbeiträgen der Beamten, und zwar nicht mit Härte und im Konflikt gegen die Beamtenschaft oder die öffentlichen Bediensteten - auch nicht zu ihrer Freude; ich bin ja nun hinreichend von dieser Welt. Wenn jemand jedes Jahr 0,2 Prozent weniger Besoldungsfortschritt hat, freut er sich natürlich nicht darüber; das weiß ich. Aber die Kondition wird verstanden. Die Bedingung wird akzeptiert, daß, wenn sich die Versorgungszeiten verlängern, die ganze Last nicht allein beim Steuerzahler bleiben kann, sondern der Zuwachs an dieser Last geteilt werden muß. Das ist die Idee, und diese Idee wird, einschließlich Versorgungsrücklagegesetz, durch dieses Reformgesetz - deshalb verdient es seinen Namen - eingelöst.
Man müßte es nicht wegen der 20 kleineren Punkte so bezeichnen, die es auch bewegt. Aber daß sich die Beamten mit einem maßvollen Eigenanteil über lange Frist und deshalb tragbar am Anstieg ihrer Versorgungslasten beteiligen, daß es ein Gebot der Gerechtigkeit ist, daß sie dies so tun wie die Rentner, und daß es deshalb ein Gebot der Gerechtigkeit ist, wenn dies auch von den Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst bei der Zusatzversorgung geschieht, wie gestern vereinbart, das ist schon eine Auszeichnung für diesen gesetzgeberischen Ansatz.
Ich lege schon Wert darauf, daß wir, die Regierung, diesen einheitlichen Ansatz verfolgen und nicht ein-
Bundesminister Manfred Kanther
fach da zugreifen, wo es sich gerade ergibt, daß wir es in Aufrichtigkeit vor unseren Mitbürgern tun,
daß wir es vor einer Wahl tun
und nicht den Handlungsbedarf dahinschleifen lassen.
Ich fand es kennzeichnend, Herr Körper, daß Sie zu den vielen kleineren Punkten, die dieses Gesetz verbessernd einführt, ja sagen,
aber dazu, daß dieses Gesetz auch Anforderungen an unsere Mitbürger enthält, sagen: Das tragen wir nicht mit; das ist eure Sache. Aber in 10 von 16 Bundesländern und in vielen Kommunen tragen Sozialdemokraten Verantwortung für die Ordnung der öffentlichen Finanzen.
Infolgedessen machen wir als Bund - auch das muß gesagt werden, wenn es um die Frage geht, wer hier politischen Mut hat - hier die Schularbeiten der Länder und Kommunen in der fiskalischen Wirkung.
Die Bundesregierung hat 11 Prozent Personalkosten in ihrem Etat, die Länder 40, 42, 44 Prozent. Der Bund ist der einzige Bereich der öffentlichen Hand, in dem die Versorgungslasten nach dem Versorgungsbericht im Betrachtungszeitraum bis 2020 leicht geringer werden. Bei den Ländern steigen sie dynamisch. Wir machen ein Gesetz, das bevorzugt die Länder und Kommunen entlasten wird.
Es ist ein rundum vernünftiger, geschlossener und sehr innovativer Vorgang, den wir mit dem Dienstrechtsreformgesetz, dem Versorgungsreformgesetz und dem Versorgungsrücklagegesetz vor Ihnen ausgebreitet haben. Diese Gesetzgebungsarbeit schließen wir mit diesem Gesetz in dieser Legislaturperiode heute ab, womit wir gleichzeitig dem öffentlichen Dienst Sicherheit für seine Konditionen in Zukunft geben.
Vielen Dank.