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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/227 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 227. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 2. April 1998 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeordneten Dietmar Schlee 20757 A Wahl der Abgeordneten Dr. Joseph-Theodor Blank und Günter Verheugen in den Rundfunkrat sowie des Abgeordneten Erwin Marschewski in den Verwaltungsrat der Deutschen Welle 20757 B Wahl des Prof. Dr. Manfred Wilke in den Beirat beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes 20757 B Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 20757 B Ergänzung und Änderung von Ausschußüberweisungen 20758 C Begrüßung einer Delegation der Nationalversammlung der Republik Ghana . 20814 D Tagesordnungspunkt 3: a) Erklärung durch die Bundesregierung zur Festlegung des Teilnehmerkreises an der Europäischen Währungsunion 20759 A b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Beschluß der Bundesregierung zur Festlegung des Teilnehmerkreises an der Dritten Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion und Ersuchen der Bundesregierung (Drucksache 13/10250) 20759 A c) Unterrichtung durch die Bundesregierung Zweiter Bericht des Arbeitsstabes Europäische Wirtschafts- und Währungsunion des Bundesministeriums der Finanzen und der Bundesministerien vom 27. März 1998 Die Einführung des Euro in Gesetzgebung und öffentlicher Verwaltung (Drucksache 13/10251) 20759B d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Euro (Euro-Einführungsgesetz) (Drucksachen 13/9347, 13/10334, 13/ 10335) 20759 B Zusatztagesordnungspunkt 7: Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Kristin Heyne, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verbraucherschutz bei Einführung des Euro wahren - frühe Euro-Nutzung ermöglichen (Drucksachen 13/9373, 13/ 10334) 20759 C Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 20759 D Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 20768 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 20773 C, 20780 C Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . 20775 B, 20804 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 20779 D Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20781B, 20803 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 20784 D Dr. Gregor Gysi PDS 20787 B, 20795 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 20789C Jörg-Otto Spiller SPD 20795 D Detlev von Larcher SPD 20797 A Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20797 C Dr. Helmut Haussmann F.D.P 20798 B Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) 20799C, 20803 B Dr. Norbert Wieczorek SPD 20800 D Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD 20803D, 20806 C Joachim Gres CDU/CSU 20806 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 20806 D Rolf Hempelmann SPD 20809 A Manfred Müller (Berlin) PDS 20810 D Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . 20811 B Tagesordnungspunkt 4: Große Anfrage der Abgeordneten Ottmar Schreiner, Gerd Andres, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Zwischenbilanz zum Abbau von sozialen Leistungen - Auswirkungen auf die Betroffenen und auf das gesellschaftliche Klima (Drucksachen 13/ 7591, 13/9099) 20812 C Rudolf Dreßler SPD 20812 D Julius Louven CDU/CSU 20815A Konrad Gilges SPD 20815 D, 20834 C Ottmar Schreiner SPD . . . 20816D, 20827D Rudolf Dreßler SPD 20817 C Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20818 B Dr. Gisela Babel F.D.P 20820 D Petra Bläss PDS 20823B, 20825 C Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU 20824 D Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 20826 A Erika Lotz SPD 20828 D Johannes Singhammer CDU/CSU . . 20830 B Konrad Gilges SPD 20831 B Julius Louven CDU/CSU 20832 D Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . 20833 C Peter Dreßen SPD 20834 A Tagesordnungspunkt 19: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abkommen vom 9. Juni 1997 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Ungarn über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (Drucksache 13/10114) 20836 C b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 16. Dezember 1993 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Obersten Rat der Europäischen Schulen über die Europäischen Schulen in Karlsruhe und München (Drucksache 13/10115) 20836 C c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzabkommen vom 6. Oktober 1997 zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der im Königreich der Niederlande stationierten deutschen Truppen einschließlich des ergänzenden Protokolls und zu dem Abkommen vom 6. Oktober 1997 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Königreichs der Niederlande über die Rahmenbedingungen für das I. (Deutsch-Niederländische) Korps und dem Korps zugeordnete Truppenteile, Einrichtungen und Dienststellen (Gesetz zu dem Vertragswerk über die deutschniederländische militärische Zusammenarbeit) (Drucksache 13/10117) . . 20836D d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 19. Dezember 1995 zur Durchführung des Abkommens vom 8. Dezember 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit (Drucksache 13/10124) 20837 A e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 24. September 1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit (Drucksache 13/10125) 20837 A f) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über parlamentarische Gremien (Drucksache 13/10029) . . . 20837 A Dr. Willfried Penner SPD (zur GO) . . . 20838 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. (zur GO) 20838 D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. (zur GO) . . 20839A g) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (Kraftfahrzeugsteueränderungs- und -ergänzungsgesetz 1997) (Drucksache 13/ 10151) 20837 B h) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zerlegungsgesetzes (Drucksache 13/10152) . . . 20837 B i) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 10. März 1995 über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Drucksache 13/10157) 20837B j) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und des Arbeitsgerichtsgesetzes (Drucksache 13/10242) 20837 C k) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Erleichterung der Verwaltungsreform in den Ländern (Drucksache 13/ 10156) 20837 C 1) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Rindfleischetikettierungsgesetzes (Drucksache 13/10283) 20837 C m) Antrag der Abgeordneten Rolf Schwanitz, Dr. Gerald Thalheim, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Verlängerung der Pachtverträge landwirtschaftlicher Flächen in den neuen Ländern (Drucksache 13/9942) . . . 20837 C n) Antrag der Abgeordneten Dr. Willibald Jacob, Heinrich Graf von Einsiedel, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS Aufnahme der Entwicklungszusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kuba (Drucksache 13/10067) . . 20837D o) Antrag der Präsidentin des Bundesrechnungshofes Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 1997 - Einzelplan 20 - (Drucksache 13/ 10082) 20837 D p) Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Tragfähige Neuordnung der Milchmarktpolitik (Drucksache 13/10277) 20838 A Zusatztagesordnungspunkt 2: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Heuer, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung (Drucksache 13/8585) 20838 A b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung von Entscheidungen der ehemaligen Erbgesundheitsgerichte (Drucksache 13/10284) 20838A c) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Forstabsatzfondsgesetzes (Drucksache 13/10285) 20838 B Tagesordnungspunkt 20: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (Drucksachen 13/9956, 13/10280, 13/ 10281) 20839 B c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften (Drucksachen 13/9109, 13/10130) . . 20839C d) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 19. März 1997 zur Änderung des Vertrags vom 23. November 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Einbeziehung der Gemeinde Büsingen am Hochrhein in das schweizerische Zollgebiet (Büsinger Staatsvertrag) (Drucksachen 13/9040, 13/10062) 20839D e) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. April 1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik der Philippinen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 13/9531, 13/10089) . . 20840A f) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 21. Oktober 1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Chile über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 13/9532, 13/10090) 20840B g) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. März 1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Libanesischen Republik über die Förderung und den gegenseifigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 13/9533, 13/10091) . . 20840B h) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Protokollen zu den Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation, der Ukraine und der Republik Moldau andererseits (Drucksachen 13/9547, 13/ 10144) 20840 C i) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. Juli 1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Litauen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Drucksachen 13/9548, 13/10179) 20840 D j) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 18. September 1997 über den Beitritt des Königreichs Schweden zu dem Übereinkommen vom 9. Februar 1994 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen sowie zu dem Zusatzübereinkommen vom 18. September 1997 zu dem vorgenannten Übereinkommen (Drucksachen 13/9511, 13/9579, 13/10243) 20841 A k) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Matthias Berninger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Einsetzung einer Enquete-Kommission „Neugestaltung der Arbeit" (Drucksachen 13/1621, 13/4476) 20841 B 1) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke, Dr. Jürgen Rochlitz und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Untersuchungen auf Dioxin- und Arsenkontaminationen in den ehemaligen Lagerstätten für flüssige Kampfmittel: Löcknitz in Mecklenburg-Vorpommern, Dessau in Sachsen-Anhalt, Munster in Niedersachsen, Lübbecke in Nordrhein-Westfalen, St. Georgen in Bayern und Halle-Ammendorf in Sachsen-Anhalt (Drucksachen 13/2519, 13/5240) 20841 C m) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Köhne, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS Verbleib von 2400 Tonnen wiederaufgearbeiteten Urans deutscher Energieversorgungsunternehmen (Drucksachen 13/1958, 13/9757) 20841 D o) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission an den Rat Schaffung von Arbeitsplätzen: Möglichkeit einer versuchsweisen und optionellen Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf arbeitsintensive Dienstleistungen (Drucksachen 13/9668 Nr. 2.33, 13/10058) . . . 20841 D p) Beratung der Beschlußempfehung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Verordnung der Bundesregierung Zustimmungsbedürftige Verordnung über den Klärschlamm-Entschädigungsfonds (Klärschlamm-Entschädigungsfondsverordnung) (Drucksachen 13/ 9977, 13/10235) 20842 A q) Beratungen des Petitionsausschusses Sammelübersichten 316 bis 327 (Drucksachen 13/10213 bis 13/10224) . . . . 20842B Zusatztagesordnungspunkt 3: Weitere abschließende Beratung ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sprengstoffgesetzes und andere Vorschriften (Drucksachen 13/8935, 13/ 10065) 20843 C b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Dr. Herta Däubler-Gmelin, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des strafrechtlichen Wiederaufnahmerechts (Drucksachen 13/3594, 13/10333) 20843 D Tagesordnungspunkt 9: a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 13/9816, 13/10312) 20844 A - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Andrea Fischer (Berlin), Volker Beck (Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 13/8681, 13/10312) . 20844 A - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 13/9772, 13/ 10312) 20844 B - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 13/9773, 13/10312) 20844 B b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung - zu dem Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Andrea Fischer (Berlin), Rita Grießhaber und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nichtanrechnung des Pflegegeldes als Einkommen der unterhaltsberechtigten Pflegeperson . . 20844 C - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Erster Bericht über die Entwicklung der Pflegeversicherung (Drucksachen 13/9219, 13/9528, 13/10312) 20844 C Zusatztagesordnungspunkt 4: - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 13/8941, 13/ 10330) 20844 C - Zweite und dritte Beratung des von der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Pflege-Versicherungsgesetzes (Drucksachen 13/5002, 13/ 10330) 20844 C Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU . . 20844 D Karl Hermann Haack (Extertal) SPD . . 20845 D Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20848 C Dr. Gisela Babel F.D.P 20849 C Dr. Gisela Babel F.D.P 20849 D Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20850B Petra Bläss PDS 20851 B, 20854 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA . 20852 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU . 20853 A, 20854 C Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde betr. Umsetzung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 5. Juni 1997 zur Verlängerung der Ausnahmeregelung für den sogenannten Duty-Free-Handel (Drucksache 13/7608) 20855 D Antje-Marie Steen SPD 20855 D Dr. Rolf Olderog CDU/CSU 20856 D Wolfgang Schmitt (Langenfeld) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20858 A Jürgen Koppelin F.D.P 20858 D Dr. Barbara Höll PDS 20860 A Hansgeorg Hauser, Parl. Staatssekretär BMF 20861 A Jelena Hoffmann (Chemnitz) SPD . . 20862 D Helmut Lamp CDU/CSU 20863 C Annette Faße SPD 20864 C Werner Kuhn CDU/CSU 20865 B Susanne Kastner SPD 20866 B Klaus Brähmig CDU/CSU 20867 A Dr. Christine Lucyga SPD 20867 D Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU 20868 A Tagesordnungspunkt 11: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetz (19. BAföG-Änderungsgesetz) (Drucksache 13/10241) 20868D b) Antrag des Abgeordneten Matthias Berninger, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BAföGStrukturreform dringender denn je (Drucksache 13/10278) 20868 D c) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Zwölfter Bericht nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zur Überprüfung der Bedarfssätze, Freibeträge sowie Vomhundertsätze und Höchstbeträge nach § 21 Abs. 2 (Drucksache 13/9515) 20869 A Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär BMBF 20869 A Doris Odendahl SPD 20870 C Bärbel Sothmann CDU/CSU 20871 D Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20873 A Dr. Karlheinz Guttmacher F.D.P. . . . 20874 B Maritta Böttcher PDS 20875 A Tagesordnungspunkt 5: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Hartmut Koschyk, Rainer Eppelmann und der Fraktion der CDU/ CSU, den Abgeordneten Markus Meckel, Siegfried Vergin und der Fraktion der SPD, den Abgeordneten Gerald Häfner, Gerd Poppe und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie den Abgeordneten Dr. Rainer Ortleb, Dr. Max Stadler, Ina Albowitz und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (Drucksachen 13/ 9870, 10325) 20876A Zusatztagesordnungspunkt 6: Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Gerald Häfner, Gerd Poppe und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sicherstellung und Fortführung des gesellschaftlichen Aufarbeitungsprozesses durch Errichtung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung - zu dem Zwischenbericht der Enquete Kommission „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit": Teilbericht zu dem Thema „Errichtung einer selbständigen Bundesstiftung des öffentlichen Rechts zur Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SEDDiktatur in Deutschland" (Drucksachen 13/4353, 13/8700, 13/10325) 20876B Hartmut Koschyk CDU/CSU 20876 C Markus Meckel SPD 20877 C Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20879A Dr. Rainer Ortleb F.D.P 20880 B Dr. Ludwig Elm PDS 20881 B Anton Pfeifer, Staatsminister BK . . . . 20881 D Wolfgang Bierstedt PDS (Erklärung nach § 31 GO) 20882D Tagesordnungspunkt 6: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Zweiter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland: Wohnen im Alter und Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Sachverständigenkommission (Drucksache 13/9750) . 20884 A Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 20884 B Marlene Rupprecht SPD 20886 B Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 20888 A Marlene Rupprecht SPD 20889 C Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20890 B Lisa Peters F D P. 20891 C Heidemarie Lüth PDS 20893 B Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/ CSU 20893 D Gabriele Iwersen SPD 20894 D Tagesordnungspunkt 7 a) Große Anfrage der Abgeordneten Angelika Beer, Winfried Nachtwei, Christian Sterzing und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Exportkontrollpolitik bei Rüstung und rüstungsrelevanten Gütern (Drucksachen 13/5165, 13/5966) 20896 D b) Antrag der Abgeordneten Hermann Bachmaier, Norbert Gansel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gegen die Erleichterung deutscher Rüstungsexporte (Drucksache 13/5807) 20897 A c) Antrag der Abgeordneten Ludger Volmer, Angelika Beer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Keine Lieferung von Leopard-I-Panzern an Chile (Drucksache 13/9889) 20897 A Tagesordnungspunkt 8: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (Drucksachen 13/9378, 13/9975) 20897 B - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Hans Berger, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (Drucksachen 13/384, 13/ 9975) 20897 C - Zweite und dritte Beratung des von der Abgeordneten Margareta Wolf (Frankfurt) und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Reform des Industrie- und Handelskammerwesens (Drucksachen 13/6063, 13/9975) . . 20897 C Hansjürgen Doss CDU/CSU 20897 D Dr. Uwe Jens SPD 20899 B Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Geset- zes über die Errichtung eines Fonds „Deutsche Einheit" und des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Drucksachen 13/ 10023, 13/10327) 20901 D Tagesordnungspunkt 10: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Schiffssicherheitsanforderungen in der Seefahrt an den internationalen Standard (Schiffssicherheitsanpassungsgesetz) (Drucksachen 13/9722, 13/10271) 20902 B Tagesordnungspunkt 12: Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Gruppe der PDS: Einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor einrichten - Massenarbeitslosigkeit und ihre sozialen Folgen bekämpfen (Drucksachen 13/ 7147, 13/10293) 20902 C Dr. Heidi Knake-Werner PDS 20902 D Tagesordnungspunkt 13: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter (Drucksache 13/10158) 20904 C b) Antrag der Abgeordneten Gila Altmann (Aurich), Albert Schmidt (Hitzhofen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gefährdung durch Gefahrguttransporte minimieren (Drucksache 13/9849) 20904 C Nächste Sitzung 20904 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 20905* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 6 (Zweiter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland: Wohnen im Alter und Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Sachverständigenkommission) Erika Reinhardt CDU/CSU 20905* C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 7 (Große Anfrage: Exportkontrollpolitik bei Rüstung und rüstungsrelevanten Gütern; Antrag: Gegen die Erleichterung deutscher Rüstungsexporte; Antrag: Keine Lieferung von Leopard-IPanzern an Chile) Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20906* D Erich G. Fritz CDU/CSU 20907* D Hermann Bachmaier SPD 20909* D Jürgen Türk F.D.P 20910* D Dr. Willibald Jacob PDS 20911* B Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 20911* D Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 8 (Gesetzentwürfe zur vorläufigen Regelung des Rechts der Indu- strie- und Handelskammern) Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20912* D Jürgen Türk F.D.P 20913* C Rolf Kutzmutz PDS 20914* B Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 20915* A Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 18 (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Fonds „Deutsche Einheit" und des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern) Dr. Hermann Kues CDU/CSU 20915* D Hans Georg Wagner SPD 20917* A Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20917' D Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. . . 20918* D Dr. Barbara Höll PDS 20919* C Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 10 (Schiffssicherheitsanpassungsgesetz) Dr. Dieter Schulte (Schwäbisch Gmünd) CDU/CSU 20920* A Werner Kuhn CDU/CSU 20920* B Konrad Kunick SPD 20921* C Egbert Nitsch (Rendsburg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20923* D Horst Friedrich F.D.P. 20924* B Dr. Dagmar Enkelmann PDS 20924* D Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 12 (Beschlußempfehlung zu dem Antrag: Einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor einrichten - Massenarbeitslosigkeit und ihre sozialen Folgen bekämpfen) Manfred Grund CDU/CSU 20925* C Adolf Ostertag SPD 20927* A Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20928* C Uwe Lühr F.D.P 20929* B Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 13 (a - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter, b - Antrag: Gefährdung durch Gefahrguttransporte minimieren) Hubert Deittert CDU/CSU 20930* A Angelika Graf (Rosenheim) SPD . . . 20930* D Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20932* A Horst Friedrich F.D.P. 20933* A Winfried Wolf PDS 20933* D Dr. Wolf Bauer CDU/CSU 20934* C 227. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 2. April 1998 Beginn: 9.00 Uhr
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    *) Anlage 8 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Altmaier, Peter CDU/CSU 2. 4. 98 Antretter, Robert SPD 2. 4. 98 * Austermann, Dietrich CDU/CSU 2. 4. 98 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 2. 4. 98 Peter Harry Dempwolf, Gertrud CDU/CSU 2. 4. 98 Duve, Freimut SPD 2. 4. 98 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 2. 4. 98 Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 2. 4. 98 Hollerith, Josef CDU/CSU 2. 4. 98 Jacoby, Peter CDU/CSU 2. 4. 98 Kanther, Manfred CDU/CSU 2. 4. 98 Kurzhals, Christine SPD 2. 4. 98 Leidinger, Robert SPD 2. 4. 98 Lohmann (Witten), Klaus SPD 2. 4. 98 Dr. Luft, Christa PDS 2. 4. 98 Maaß (Herne), Dieter SPD 2. 4. 98 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 2. 4. 98 * Dr. Rochlitz, Jürgen BÜNDNIS 2. 4. 98 90/DIE GRÜNEN Schaich-Walch, Gudrun SPD 2. 4. 98 Scharping, Rudolf SPD 2. 4. 98 Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 2. 4. 98 90/DIE GRÜNEN Schlee, Dietmar CDU/CSU 2. 4. 98 Schultz (Everswinkel), SPD 2. 4. 98 Reinhard Schulz (Berlin), Werner BÜNDNIS 2. 4. 98 90/DIE' GRÜNEN Schumann, Ilse SPD 2. 4. 98 Schwanitz, Rolf SPD 2. 4. 98 Dr. Skarpelis-Sperk, SPD 2. 4. 98 Sigrid Terborg, Margitta SPD 2. 4. 98 Vosen, Josef SPD 2. 4. 98 Dr. Wegner, Konstanze SPD 2. 4. 98 Wieczorek (Duisburg), SPD 2. 4. 98 Helmut Wittich, Berthold SPD 2. 4. 98 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 6 (Zweiter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland: Wohnen im Alter und Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Sachverständigenkommission) Erika Reinhardt (CDU/CSU): Bis zum Jahr 2030 wird die Zahl der Menschen über 60 Jahre in unserer Bevölkerung von knapp 17 Millionen auf rund 26,4 Millionen anwachsen. Das heißt der Anteil an der Gesamtbevölkerung wird von derzeit 20 Prozent auf 36 Prozent steigen. Diese Entwicklung findet nicht nur zahlenmäßig auf die Altersstruktur bezogen Ihren Niederschlag, sondern in Zukunft werden die Älterwerdenden vermehrt Träger der Innovation in Gesellschaft und Wirtschaft, in Kultur und Wissenschaft sein. Eine alternde Gesellschaft gewinnt ihre Zukunft nur durch Jüngere und Älterwerdende gemeinsam. Die Politik der Zukunft wird sich daher mehr denn je mit den Belangen der älteren Generation auseinandersetzen müssen. Seniorenpolitik ist eine Querschnittsaufgabe in allen Politikfeldern. Die Bundesregierung hat dies schon frühzeitig erkannt, und die Seniorenpolitik eigens ministeriell besonders eingebunden. Der zur Beratung von der Bundesregierung vorgelegte „Zweite Bericht zur Lage der älteren Generation" mit Schwerpunkt Wohnen im Alter ist ein gelungenes Werk. Er umfaßt alle Lebensbereiche, zeigt auf, wo Handlungsbedarf ist, und stellt dar, was im Bereich der Seniorenpolitik geleistet wurde. Einen Dank an die Bundesregierung und die Verfasser! Sie haben uns damit eine gute Arbeitsgrundlage geliefert. Technischer Fortschritt und Individualisierungstendenzen stellen uns vor neue Herausforderungen. Der Bericht zeigt neue Perspektiven auf und macht deutlich, wie vielschichtig das Wohnen im Alter ist. Die Wohnverhältnisse bestimmen in besonderer Weise die Rahmenbedingungen des menschlichen Daseins, und mit steigendem Lebensalter wird die Wohnung immer mehr zum Mittelpunkt des Lebens. Wohnen im Alter ist aber darüber hinaus von so großer Bedeutung, weil die damit zusammenhängenden Fragen nicht nur ausschließlich ältere Menschen etwas angehen, sondern alle Generationen. Obwohl die Familie auch weiterhin das Fundament für ein humanes Zusammenleben der Generationen bleibt, haben sich doch die sozialen Strukturen verändert. Die Menschen werden in Zukunft immer mehr auf soziale Netze auch außerhalb der klassischen Familie angewiesen sein. Es ist wichtig, Wohnstrukturen kommunikativ zu gestalten und die Funktion sozialer Netze zu stützen, so daß sowohl junge Familien als auch Familien mit heranwachsenden Kindern und ältere Menschen zusammenleben können. Altengerechtes Wohnen geht einher mit fa- milien- und behindertengerechtem Wohnen. Bau und Umbau von Wohnungen muß sich an dieser sozialen Herausforderung orientieren. Die Vorgaben der Bundesregierung zum „barrierefreien Bauen" waren wichtige Maßnahmen in diese Richtung. Der Bericht zeigt, daß die sozialen Zusammenhänge verstanden wurden und wir richtige Wege beschreiten, indem wir soziales Miteinander und „Kompetenz in eigener Lebensführung" der Älteren verbinden. Das Eingebundensein in soziale Netzwerke hat auch eine zentrale Bedeutung für die Wohlfahrt älterer Menschen. Tragfähige Beziehungen zu anderen Menschen vermitteln das Gefühl sozialer Integration und eröffnen die Möglichkeit der Weitergabe von Wissen und Erfahrungen. Darum möchten ältere Menschen solange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung leben und ihre gewachsenen sozialen Kontakte behalten. Andererseits wollen ältere Menschen, die zunehmend über einen höheren Bildungsstandard und eine vermehrte finanzielle Ausstattung aus der Wachstumsphase unserer Wirtschaft verfügen, ihre Unabhängigkeit bewahren. Es besteht ein Bedürfnis, die gesellschaftliche Beteiligung aufrechtzuerhalten und soweit wie möglich selbständig die Dinge des Alltags zu verrichten. Der Erhalt von Eigenverantwortlichkeit und Kompetenz steht deshalb für uns an oberster Stelle. Zufriedenstellende Wohn- und Lebensverhältnisse umfassen auch die notwendige Infrastruktur vom Einkauf über ein bedarfsgerechtes und differenziertes Hilfsangebot bis hin zur Kultur. Wohnen im Alter ist ein Förderziel seit dem Bundesaltenplan 1992. Es wurden nicht nur Förderprogramme aufgelegt, sondern neue Konzepte entwikkelt. Dem Modellprojekt „Wohnkonzepte der Zukunft - für ein selbstbestimmtes Leben im Alter" messen wir große Bedeutung zu. Denn hier kann Eingang finden, was die Kommission als Anregung vorgegeben hat: Unterschiedliche Wohnformen, Erreichbarkeit von Einrichtungen für tägliche Versorgung sowie Verfügbarkeit von Hilfs- und Pflegediensten. Die Pflegeversicherung hat im übrigen eine qualitativ weit gefächerte ambulante Pflegestruktur ermöglicht und zu wesentlichen strukturellen Verbesserungen beigetragen. Besonderes Augenmerk wurde dabei den altersbedingten Krankheiten geschenkt. Wie wir alle wissen, werden die Demenzkrankheiten, wie Alzheimer und Parkinson, in den kommenden Jahren drastisch zunehmen. Bis zum Jahr 2020 wird ein Anstieg der Demenzkranken auf 1,7 Millionen erwartet. Es liegen wissenschaftliche Erkenntnisse darüber vor, daß nur eine soziale Einbindung älterer Menschen mit gesellschaftlicher und geistiger Aktivität den Fortschritt dieser Krankheiten mindert. Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist heutzutage ohne Mobilität kaum denkbar. Darum gehört die Förderung der Mobilitätsbereitschaft und der tatsächlichen Mobilität älterer Menschen zu einer wichtigen Aufgabe, die in dem Bericht berücksichtigt wurde. Es zeigt sich immer mehr, daß auch eine altengerechte Gestaltung von Verkehrsräumen, zum Beispiel durch die Einführung von Niederflurbusssystemen, die Sicherheit für ältere Menschen und durch den Abbau von Ängsten die Bereitschaft zur Mobilität erhöht. In diesem Sinne liegt es auf der Hand, den ÖPNV als wichtigstes Glied der Mobilitätskette insgesamt altengerecht zu standardisieren und seine Leistungsfähigkeit zu erweitern. Die Bundesregierung geht auch im Rahmen der Wohnungsbaureform mit beispielhaften Schritten voran. Im neuen Wohngesetzbuch wird die Förderung besonders hilfsbedürftiger Personen festgeschrieben. Damit wird gezielt vielen älteren alleinlebenden Menschen geholfen. In diesem Zusammenhang wird das Ziel verfolgt, das bestehende Potential an Wohnungen verstärkt zu nutzen, weil ein Erhalt von angestammtem Wohnraum die soziale Integrität bewahrt. Darüber hinaus leistet das Gesetz mit der Förderung von Wohnungseigentumsbildung durch Eigenheimzulage einen sinnvollen Beitrag zur sozialen Absicherung im Alter. Die Bundesregierung hat mit diesem Bericht eine Konzeption erarbeitet, die es ermöglicht, grundlegende positive Verhältnisse für ein soziales Miteinander in der Zukunft zu schaffen. Wir werden uns intensiv im Ausschuß mit diesem Bericht befassen, und es wird dann an den Ländern und Kommunen liegen, diese Leitbilder in die Praxis umzusetzen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 7 (Große Anfrage: Exportkontrollpolitik bei Rüstung und rüstungsrelevanten Gütern; Antrag: Gegen die Erleichterung deutscher Rüstungsexporte; Antrag: Keine Lieferung von Leopard-I-Panzern an Chile) Angelika Beer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage verschweigt die bittere Realität. Die Bundesrepublik Deutschland war nach Angaben von SIPRI, der USamerikanischen Behörde ACDA und den Angaben des Congressional Research Service (CRS) im Jahr 1995 jeweils auf dem 5. Rang der „Weltbesten-Liste" der Rüstungsexporteure. Die Legende von der restriktiven Rüstungsexportpolitik ist falsch. Dies läßt sich auch dadurch belegen, daß die Bundesregierung Rüstungslieferungen an Länder genehmigt, in denen systematisch Menschenrechtsverletzungen stattfinden. Ein in Zukunft wichtiger Bereich ist der Export von Dual-use-Gütern. Er ist schwer kontrollierbar. Mein Eindruck ist, daß im Zweifelsfall für einen Export entschieden wird, auch wenn der Endverbleib bzw. der Endgebrauch nicht vertraglich gesichert ist. De facto ist das ein Verzicht auf Kontrollmöglichkeiten. Aus diesem Grund, aber auch wegen der Problematik der Lizenzvergabe, der Rüstungskooperation und der Vermittlung von Waffengeschäften und dem wachsenden Kleinwaffenmarkt begrüße ich, daß in der Europäischen Union eine Diskussion über einen gemeinsamen Verhaltenskodex zu Rüstungsexporten begonnen hat. Allerdings muß ich dazu einige kritische Bemerkungen machen. Denn der Kodex muß im engen Zusammenhang mit der Politik der Kommission gesehen werden. Diese will, einvernehmlich mit der europäischen Rüstungsindustrie, die europäische Rüstungsindustrie bis Ende 1998 „fit" für den Wettbewerb mit der US-amerikanischen Rüstungsindustrie machen. Der Kodex wird dabei sogar als ein notwendiges Element der Effektivierung einer solchen europäischen Rüstungspolitik betrachtet. Da ist es kein Wunder, daß bereits im ersten Satz des Entwurfes zu lesen ist, daß es um eine starke europäische Rüstungsindustrie geht. Damit ist die Zielrichtung klar vorgegeben, nämlich die Orientierung an Wirtschaftsinteressen. Wir haben andere Vorstellungen, nach welchen Kriterien sich solch ein Verhaltenskodex richten sollte. In unserem Antrag sind einige davon formuliert, und ich betone, daß wir die Kritik der Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International und Oxfam teilen. Eine besondere Rolle bei den Kriterien muß die Frage der Menschenrechte im Empfängerland spielen. Die bisherigen Formulierungen sind vage. Und was dazukommt: Lieferungen sollen möglich sein, wenn sie für die Sicherheitskräfte des jeweiligen Landes zur Verteidigung notwendig seien. Nun frage ich Sie: Wer entscheidet in einem repressiven Staat darüber, was für die Verteidigung der Sicherheitskräfte notwendig ist? Ich möchte als Beispiele nur die Türkei und Indonesien erwähnen. Großbritannien hat seit der Vorlage seiner eigenen Kriterien 22 Genehmigungen für Indonesien und 88 für die Türkei erlassen. Damit ist im Grunde über die Wirksamkeit des Verhaltenskodex in seiner aktuellen Form schon alles gesagt. Nun zur deutschen Rolle: In Deutschland gibt es keine öffentliche Diskussion zum Verhaltenskodex, und das ist auch so gewollt von der Bundesregierung. Sie hofft so, klammheimlich die deutschen Exportkriterien aufzuweichen und die Verantwortung dafür wegdelegieren zu können. Deshalb ignoriert sie Vorschläge der NRO. Die Bundesregierung läßt die unangenehme Arbeit von anderen machen und versteckt sich hinter Frankreichs harter Position. Im Ergebnis soll so die deutsche Industrie von den Erleichterungen profitieren, ohne daß die Bundesregierung zur Verantwortung gezogen werden kann. Diese Politik ist unverantwortlich und langfristig schädlich. Das kann man an zahlreichen Rüstungsexporten aus Deutschland auch in den Nahen Osten oder den asiatisch-pazifischen Raum sehen. Eine politisch und wirtschaftlich stabile Lage ist nicht durch Waffenlieferungen zu erreichen. Hier wäre langfristig eine sinnvolle Entwicklungszusammenarbeit, die sich an der wirtschaftlichen Entwicklung der jeweiligen Regionen oder Länder orientiert, notwendig. Kurz- und mittelfristig, wenn man die Worte von der gewachsenen Verantwortung für die Menschen ernst nimmt, müßte die Bundesregierung die Vorschläge der Nichtregierungsorganisationen zum Verhaltenskodex aufgreifen und ihnen ein stärkeres Gewicht in der Europäischen Union verleihen. Denn eine Reduzierung der Rüstungsexporte, die mehr sein soll als die bloße Kontrolle von Waffentransfers, erfordert unter anderem: daß der Export von Gütern, die zur Repression geeignet sind, an Länder, die kontinuierlich Menschenrechtsverletzungen begehen, auf Grund „harter" Kriterien ausgeschlossen wird; daß eine parlamentarische Einflußnahme, Überprüfung und Kontrolle durch das Europäische Parlament gewährleistet ist; daß eine ausreichende Transparenz bei Rüstungsexporten gesichert ist; daß es ein gemeinsames Verfahren für eine definitive Endverbleibskontrolle gibt und daß die Weitervermittlung von Waffengeschäften ausgeschlossen ist. Wir fordern, daß die Bundesregierung als der monopolisierte Abnehmer von Rüstungsgütern ihre Verantwortlichkeit für Konversionsprozesse wahrnimmt und einen Konversionsfonds einrichtet, der den betroffenen Industriebetrieben, Beschäftigten und Kommunen bei der Umstellung auf zivile Produkte größtmögliche Unterstützung anbietet, anstatt eine menschenverachtende Exportpolitik mit der Notwendigkeit des Erhalts von Arbeitsplätzen in der Wehrtechnik zu legitimieren. Erich G. Fritz (CDU/CSU): Bündnis 90/ Die Grünen haben durch die Formulierungen in ihrer Anfrage zur Rüstungsexportkontrollpolitik der Bundesregierung gezeigt, was sie beabsichtigen: Sie wollten den Eindruck erwecken, die Politik der Bundesregierung sei ohne Maßstäbe und Konsequenz. Dieses Ziel haben Sie verfehlt! Die Antwort der Bundesregierung ist ein Zeugnis verantwortungsvoller Rüstungsexportkontrollpolitik. Sie ist verantwortungsvoll, restriktiv, transparent und kontrollierbar - und die Bundesregierung ist sich dessen bewußt, daß sie sich in diesen Fragen der Kontrolle des ganzen Bundestages stellen muß. Der Bundestag hat deshalb auch alle Schritte europäischer Harmonisierungsbemühungen der Bundesregierung aufmerksam begleitet. Die Bundesregierung hat das KWKG strikt angewandt, die politischen Grundsätze von 1982 nie völlig ausgenutzt, sondern restriktiv eingesetzt. Sie hat die Dual-use-Regelungen strenger gefaßt als die EU- Verordnung und hält nationale Sonderregelungen aufrecht, die über die EU-VO hinausgehen. Sie hat schließlich das Exportkontroll-Instrumentarium verbessert, vom Regelwerk her verfeinert und von den Institutionen her perfektioniert. Die Zusammenarbeit der beteiligten Stellen ist ausdrücklich als sehr gut zu bezeichnen. Das Frühwarnsystem zur Verhinderung verdeckter Beschaffung funktioniert, die Wirtschaft selbst ist kooperativ und versucht von sich aus, schwarzen Schafen und kriminellen Verhaltensweisen den Boden zu entziehen. Dennoch ist solches Verhalten nie ganz auszuschließen. Es muß mit aller Härte geahndet werden. Die Bundesregierung und ihre nachgeordneten Behörden tun alles, um solche Aktivitäten unmöglich zu machen. Allerdings sind die Ganoven auch immer wieder erfinderisch im Aufdecken neuer Umgehungstatbestände. Die Politik der Grünen ist auf diesem Feld leider von Wirklichkeitsverweigerung gekennzeichnet. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus und dem Ende der Konfrontation haben wir das größte Abrüstungsprogramm der Geschichte erlebt. Freuen wir uns darüber! Die Verteidigungshaushalte, besonders in der Beschaffung, sind deutlich gekürzt. In Deutschland hat das zu einer Halbierung der Arbeitsplätze in der Rüstungswirtschaft geführt. Dabei war die deutsche Rüstungswirtschaft immer national und bündnisorientiert und nicht auf den Weltmarkt orientiert - ein Ergebnis einer klugen Politik seit Jahrzehnten. Nehmen Sie zur Kenntnis, daß unsere europäischen Partner bei dieser Anpassung viel größere Schwierigkeiten haben, weil sie von den Kapazitäten von jeher stärker auf Exporte ausgerichtet waren. Wenn es jetzt Bewegung gibt in Richtung auf eine gemeinsame europäische Rüstungspolitik, auf eine Reduzierung von Kapazitäten, auf verstärkte Kooperation, so sollten wir das als Beitrag zu einer sinnvollen europäischen Politik unterstützen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir ausdrücklich, daß die britische Präsidentschaft einen Vorschlag für einen Europäischen Code of Conduct vorgelegt hat und damit die Diskussion um gemeinsame Maßstäbe und Wertgrundlagen europäischer Rüstungsexportkontrolle in eine neue Runde bringt. Bei der Harmonisierung im Dual-use-Bereich vor wenigen Jahren war eine Diskussion darüber noch nicht möglich. Trotzdem war auch diese Harmonisierung bereits ein Fortschritt. Vor allem die Regelungen im Bereich der Massenvernichtungswaffen sind zu erwähnen. Meine Damen und Herren von den Grünen, akzeptieren Sie bitte, daß unsere Partner auf dem Weg zu gemeinsamen Regelungen von völlig unterschiedlichen politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Traditionen herkommen. Ehemalige Großmächte und Kolonialmächte haben andere Einstellungen zu diesen Themen, als Deutschland sie nach dem zweiten Weltkrieg entwickelt hat. Jetzt, unter dem Druck der veränderten Verhältnisse, verändern sich diese Einstellungen und nähern sich unseren Positionen. Wer bis vor kurzem noch die nationale Rüstungswirtschaft als Teil und Zeichen nationaler Stärke angesehen hat und noch dazu staatswirtschaftliche Strukturen entwickelt hat, braucht seine Zeit. Jede Harmonisierung verändert - geringfügig, wie wir bisher gesehen haben - auch deutsche Regelungen. Das jeweils als Aufweichung, verantwortungslosen Umgang etc. zu verdächtigen, verkennt die Problemlage. Wer gemeinsame Regelungen nur durch die Übernahme eigener Vorstellungen durch die Partner haben will, macht sich politikunfähig. Die Grünen haben sich in dieser Haltung seit langem eingegraben. Per Saldo kommt in ganz Europa mehr und nicht weniger Exportkontrolle heraus. Deshalb unterstützen wir die Politik der Bundesregierung für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, deren Bestandteil die gemeinsame Rüstungs- und Rüstungsexportkontrollpolitik sein wird. Der Binnenmarkt stellt dabei neue Anforderungen, die man nicht einfach wegwischen kann. Die neue Situation erforderte eine Anpassung der Regelungen. Sie erweisen sich als tragfähig und sinnvoll. Der Einfluß Deutschlands auf diese nötig gemeinsame Politik wird um so stärker sein, je besser die Kooperationsfähigkeit deutscher Unternehmen ist und je mehr es gelingt, eine gemeinsame, an europäischen und Bündniserfordernissen orientierte Rüstungswirtschaft zu entwickeln. Dabei haben wir die Wahl, deutsche Unternehmen zu reinen Zulieferern zu degradieren oder aus dem Land zu treiben oder durch gemeinsame Regeln in Europa den deutschen Anteil zu sichern. Deshalb sollten diese Fragen rational vor dem Hintergrund der deutschen Möglichkeiten und Interessen diskutiert und nicht pauschal diskreditiert werden. Die Antwort der Bundesregierung bietet den Grünen keinen Ansatz zur Kritik. Das ärgert sie. Deshalb haben sie für diese Debatte einen Entschließungsantrag vorgelegt, den nur jemand geschrieben haben kann, der die Antwort der Bundesregierung nicht gelesen hat. Der Antrag wirft der Bundesregierung vor, daß sie die europäische Realität zur Grundlage ihrer Politik macht und nicht überwiegend symbolisch, aber gesinnungsethisch einwandfrei handelt. Dann wird in Ihrem Antrag wieder die Mär vom Rüstungsexportweltmeister Bundesrepublik Deutschland aufgewärmt. Hören Sie doch auf, diese These zu verbreiten. Nach dem Verkauf des NVA-Materials wird sich das schnell normalisieren. Die statistischen Berechnungen, die Sie dabei in Anlehnung an SIPRI immer anwenden, sind doch in ihren eigenen Reihen entlarvt als unrealistisch bis falsch. Exporte der deutschen Rüstungsindustrie gab es in den letzten Jahren praktisch keine. Dagegen haben in anderen Ländern die Industrieexporte einen Anteil von bis zu 90 Prozent der Rüstungsexporte. Das ist die Meßgröße, die als Vergleich dienen muß, und dabei stehen wir sehr gut da. Diese Größenordnungen zeigen allerdings auch sehr plastisch, um wieviel größer die Anpassungsprobleme von Ländern wie Frankreich und Großbritannien sind. Von einer Aufweichung der Exportgrundsätze kann gar nicht die Rede sein. Die rüstungspolitischen Grundsätze der Bundesregierung aus Zeiten des Kanzlers Schmidt bezogen sich übrigens, wie Sie meinen, nie nur auf staatliche Kooperationen. Die Gleichstellung von Staaten mit demokratischen Strukturen mit NATO-Staaten ist auch Anerkennung souveräner Entwicklungen und von Fortschritten dieser Länder. Dabei gibt es natürlich Regionen, bei denen Vorsicht weiterhin angebracht ist. Eine Beschränkung auf EU und NATO wäre aber ein Affront gegen Staaten, auf deren Zusammenarbeit Europa angewiesen ist. Ihre Einschätzung, gemeinsame Politik in Europa sei einer Freigabe von Rüstungsexporten gleichzusetzen, ist in Wirklichkeit völlig falsch. Im Gegenteil werden europäische Regelungen insgesamt die Restriktionen verschärfen. Es ist doch deutlich zu beobachten, wie die verantwortungsvolle deutsche Position in Europa Zustimmung gewinnt. Als die Diskussion über Dual-use in Europa begonnen hat, gab es in Großbritannien noch nicht einmal öffentlich kontrollierbare Länderlisten. Heute akzeptiert Großbritannien die EU-Verordnung und hat damit einen hohen Standard eingeführt. Deshalb sollten Sie aufhören, gemeinsame Politik in Europa dauernd in der Weise zu verdächtigen, wie Sie das tun! Wenn Sie richtig schreiben, daß die Rüstungsexporte in Großbritannien noch einen großen Umfang haben, so erklärt das einen Teil der Schwierigkeiten, die aus der Vergangenheit noch vorhanden sind. Die Vorlage des Code of Conduct eröffnet die Möglichkeit, Bewußtsein weiter zu schärfen. Die öffentliche Diskussion darüber ist eröffnet, mit hohen moralischen Forderungen der Nichtregierungsorganisationen, und muß unter parlamentarischer Beteiligung eine neue Qualität in die europäische Rüstungsexportkontrollpolitik bringen. Die erste Stellungnahme der Bundesregierung zeigt übrigens, daß es dabei Themen gibt, wo sich die Wünsche der Bundesregierung an einen solchen Verhaltenskodex mit denen der NGO's decken. Sie polemisieren in Ihrer Entschließung gegen die Aussage, Deutschland brauche eine „wehrtechnische Mindestkapazität". Das ist, anders als Sie es darstellen, keine Frage des Industrielobbyismus, sondern eine Frage nationaler und europäischer Vernunft, die mit Fragen der Sicherheit, des Einflusses auf die europäische Verteidigung und gemeinsame Außenpolitik zu tun hat, aber auch mit Arbeitsplätzen und technologischen Fähigkeiten. Sie sollten alle Aspekte des Problems betrachten, wenn Sie sinnvolle Lösungen anbieten wollen. Zu Ihren Forderungen kann folgendes gesagt werden: Zu 1: Die Bundesregierung hat sich stets für restriktive internationale Rüstungskontrollregime eingesetzt und kann dabei auf große Erfolge verweisen. Das können Sie bei der EU-Verordnung, bei der Proliferationsproblematik und etwa beim UN-Waffenregister sehen. Einseitige Vorleistungen können auf diesem Feld überhaupt nicht bestritten werden. Diese Vorleistungen werden sogar von Konkurrenten als Argument gegen Kooperationen mit deutschen Unternehmen eingesetzt. Zu 2: Der Ausschluß von Staaten außerhalb EU und NATO von jeder Rüstungszusammenarbeit wäre als Diskriminierung unangebracht und politisch falsch. Das ist allerdings der Bereich, wo das Parlament immer besonders aufmerksam hinsehen muß. Zu 3: Nur wenige Länder haben ihre Exportpolitik so eindeutig Wertentscheidungen unterworfen wie Deutschland. Dabei bleiben schwierige Grenzfälle innerhalb des Bündnisses nicht aus. Zu 4 ist bereits alles gesagt. Zu 5 wissen Sie genau, daß nur 1 Prozent der Hermes-Deckung dafür eingesetzt wird und daß es sich dabei zum Beispiel um Motoren für Küstenschutzboote und ähnliche Güter gehandelt hat. Zu 6 muß man ernsthaft diskutieren. Zu 7: Die Rüstungsagentur wieder aufzulösen, wäre gerade eine falsche Entscheidung, wenn wir es mit gemeinsamer Politik ernst meinen. Zu 8: Diese Forderung ist einfach zu erreichen; der Wirtschaftsminister hat dem Parlament noch keinen im Wirtschaftsausschuß geäußerten Informationswunsch abgeschlagen. Zu 9: Der Sinn dieses Vorschlages ist schon so oft diskutiert worden, daß man sich nur wundert, daß er hier wieder auftaucht. Zu 10 und 11 bin ich sicher, daß die Bundesregierung eine konstruktive Rolle bei der Ausarbeitung des Verhaltenskodex spielen wird, wie die ersten Berichte zeigen. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß Ihr Versuch, die Bundesregierung einer nachlässigen Exportpolitik bei Rüstungsgütern zu verdächtigen, gescheitert ist. Sie weigern sich, die differenzierte Situation in Europa zur Kenntnis zu nehmen. Sie sind unfähig, konkrete Fortschritte zu gestalten, weil sie bei allgemeinen Maximalforderungen verharren. Die CDU/CSU-Fraktion dankt der Bundesregierung für den sachgemäßen, verantwortungsvollen Umgang mit Rüstungsexporten und für die große Offenheit ihrer Politik und der Information gegenüber dem Parlament, die jederzeit Transparenz ermöglicht. Hermann Bachmaier (SPD): Etwas merkwürdig komme ich mir schon vor, daß ich heute zu einem Thema spreche, dessen aktueller Anlaß über eineinhalb Jahre zurückliegt. Sowohl die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Grünen zur Rüstungsexportkontrollpolitik als auch unser Antrag gegen die Aufweichung der rüstungsexportpolitischen Grundsätze der Bundesregierung stammen vom Herbst 1996. Zur Erinnerung: Nach einer bereits im Mai 1994 vorgenommenen Aufweichung der rüstungsexportpolitischen Grundsätze der Bundesregierung vom April 1982 hat die Bundesregierung im Mai 1996 einen weiteren weitreichenden Beschluß zur Lockerung der zuvor sehr restriktiven rüstungsexportpolitischen Grundsätze vorgenommen. Das erklärte Ziel der Bundesregierung war es, den Kreis der Staaten, in denen Rüstungsfirmen unter erleichterten Bedingungen kooperieren können, über die NATO hinaus auf die sogenannten ASEAN-Staaten zu erweitern und gleichzeitig die Zulieferung zu Rüstungsprojekten gravierend zu erleichtern. So gilt seitdem für Firmenkooperationen im NATO- und ASEAN-Bereich eine sogenannte Genehmigungsvermutung, wenn ein sogenanntes Bündnisinteresse gegeben ist. Diese Genehmigungsvermutung wurde auch auf Lieferungen im Rahmen der privaten Kooperation im Bündnisbereich erstreckt. Darüber hinaus wurde mit bis heute unabsehbaren Folgen eine generelle Genehmigungsvermutung für alle Zulieferungen zu Rüstungsprojekten verfügt, die an Firmen im OECD- Bereich erfolgen soweit sie 20 Prozent des Wertes des Fertigproduktes nicht überschreiten. An Empfänger, die ihren Sitz außerhalb des OECD-Bereichs haben, wurde eine Genehmigungsvermutung bis zu einer Wertgrenze von 10 Prozent des Fertigprodukts festgelegt. Auch wenn die Bundesregierung so tut, als würden damit die rüstungsexportpolitischen Grundsätze der Bundesregierung vom April 1982 lediglich präzisiert, stehen diese gravierenden Exporterleichterungen in einem deutlichen Widerspruch zu der restriktiven Grundhaltung der vormaligen sozialliberalen Koalition. Bezeichnend ist auch noch, daß diese sogenannten Genehmigungsvermutungen nur durch eine einvernehmliche Entscheidung des Bundeswirtschaftsministeriums, des Auswärtigen Amtes und des Verteidigungsministeriums ausgeräumt werden können. Lediglich die zwölf Staaten der sogenannten Länderliste K wurden von diesen Erleichterungen ausgenommen. Letztlich handelt es sich bei diesem Beschluß der Bundesregierung um eine weitgehende Pauschalgenehmigung für alle rüstungsorientierten Unternehmenskooperationen im erweiterten Bündnisbereich und für einen erheblichen Teil deutscher Zulieferungen für Rüstungsprojekte in aller Welt. Bedenkt man, daß große Rüstungsprojekte nur noch in international verbundenen Firmenkooperationen erstellt werden, so bedeutet dies den weitgehenden Kontrollverzicht im Bereich des Rüstungsexportes. Natürlich haben diese umfassenden Exporterleichterungen auch zur Folge, daß nationale Exportbeschränkungen unschwer unterlaufen und umgangen werden können. Rüstungsexportkontrolle, soweit sie sich im Kooperations- und Zulieferungsbereich bewegt, wird durch diese Beschlüsse weitestgehend abgeschafft. Wenn der Export von Rüstungsgütern in den vergangenen Jahren dennoch nicht weiter angestiegen ist, so hat dies weniger mit einer restriktiven Exportpolitik der Bundesregierung zu tun, sondern damit, daß die weltweite Nachfrage, Gott sei Dank, nicht weiter angestiegen ist. Unter anderem auch deshalb, weil potentielle Nachfrager zum Teil an die Grenzen ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten gestoßen sind. Mag das Volumen der Rüstungsexporte in den vergangenen Jahren auch tendenziell zurückgegangen sein, so bleibt doch festzuhalten, daß die Bundesrepublik immer noch zu den führenden Rüstungsexportnationen gehört. Mit zwei Zahlen will ich diese These untermauern: Allein im Jahr 1996 wurden nach Angaben des Wirtschaftsministeriums Ausfuhrgenehmigungen für Güter nach Teil 1, Abschnitt A der Ausfuhrliste im Wert von rund 9 Milliarden DM erteilt; davon entfielen immerhin über 3 Milliarden DM auf Staaten außerhalb der EU. Wir wären gut beraten, wenn wir die beschriebene Ausgangssituation zum Anlaß nähmen, um wieder die notwendigen Vorkehrungen für eine restriktive Rüstungsexportpolitik zu treffen. Deutsche Rüstungsgüter haben insbesondere in Staaten mit einer fragwürdigen Menschenrechtspolitik und in Spannungsgebieten nichts zu suchen. Wir sollten uns auch vor der Versuchung hüten, Rüstungexporte dann großzügiger zu behandeln, wenn dadurch die Tür zu verbesserten wirtschaftlichen Beziehungen mit Ländern geöffnet wird, denen wir sonst deutsche Rüstungsgüter nicht anvertrauen würden. Auch die passive Haltung der Bundesregierung bei der Entwicklung eines Waffenexportkodexes der EU zeigt, daß die Koalition an wirksamen Einschränkungen nicht interessiert ist. Es wäre die Pflicht der Bundesregierung, alles daranzusetzen, daß aus der EU keine Rüstungsgüter in Länder exportiert werden, in denen die Menschenrechte nicht gewährleistet sind. Rüstungsexport ist, dies zeigen viele Beispiele, im übrigen kein geeignetes Instrument, um nationale ökonomische Schwierigkeiten zu reduzieren. Ein extensiver Rüstungsexport und der dadurch bedingte Ausbau der entsprechenden nationalen Fertigungskapazitäten birgt vielmehr große Gefahren und Risiken in sich, in militärische Auseinandersetzungen verstrickt zu werden und dadurch letztlich auch ökonomisch erheblichen Schaden zu nehmen. Es kann nicht oft genug wiederholt werden, daß die absolute rüstungsexportpolitische Abstinenz der Japaner immer als ein wichtiges Grundelement erfolgreicher Wirtschafts- und Exportpolitik angesehen worden ist. Auch in der gegenwärtigen schwierigere Lage der japanischen Wirtschaft denkt dort offensichtlich niemand daran, diesen restriktiven Kurs aufzugeben. Wir bitten Sie, unsrem Antrag zuzustimmen, die Bundesregierung aufzufordern, die in den Jahren 1994 und 1996 beschlossenen Erleichterungen beim Rüstungsexport zurückzunehmen und eine konsequent restriktive Rüstungsexportpolitik zu betreiben. Jürgen Türk (F.D.P.): Nachdem vorige Woche die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mehrheitlich den Wunsch und Willen des polnischen Volkes zur Aufnahme in das transatlantische Verteidigungsbündnis verweigert hat, ist es für jeden Liberalen Pflicht und Freude, die Kompetenz der F.D.P. in der deutschen Außenpolitik herauszustellen. Seitdem ich Abgeordneter in diesem Hause bin, habe ich zwei Außenminister im Amt erlebt: Hans-Dietrich Genscher und Klaus Kinkel. Beide sind Liberale, und beide fühlen sich der besonderen Verantwortung gerade in bezug auf Rüstungsexporte verpflichtet. Herr Staatssekretär Kolb führte richtigerweise aus, daß sich diese besondere Verantwortung aus unserer Geschichte ergibt. Ich erlaube mir zu ergänzen: Liberale Außenpolitik ist das Synonym für das konsequente Werben und Eintreten der universellen Gültigkeit der Menschenrechte geworden. Deshalb wird immer liberale Außenpolitik alles daransetzen, daß die militärische Option kein beliebiges Instrument der nationalen und internationalen Politik unter vielen ist und wird. Das Recht einer Nation auf die Unverletzlichkeit seiner Grenzen und das Recht, sich gegebenenfalls gegen eine Agression von außen zu verteidigen, steht dem nicht entgegen. Für diese Leitlinie in der Außenpolitik steht genauso unser Wirtschaftsminister wie die gesamte Fraktion. Das hohe Ansehen der liberalen Außenpolitik versuchen nun die Grünen mit ihrem Antrag „Keine Lieferung von Leopard I Panzern nach Chile" zu untergraben. Es wird ihnen aber nicht gelingen. Denn es ist die Unwahrheit, daß Außenminister Klaus Kinkel und Wirtschaftsminister Rexrodt eine Lieferung von Leopard-I-Panzern nach Chile unter einer Heeresleitung des Ex-Diktators Augusto Pinochet zugestimmt haben. Richtig ist, das nicht einmal ein Genehmigungsantrag vorliegt. Es ist falsch, daß die Bundesregierung „eine schnelle Mark" machen wollte und nach einem negativen Bescheid in den Niederlanden und in Belgien bei der Lieferung einspringen wollte. Richtig ist, daß nach meinen Informationen die Bundesrepublik mit den Niederlanden und Belgien bei der Frage der richtigen Behandlung der Anfrage von Chile in partnerschaftlichem Kontakt stand. Die Bewertung des negativen Bescheid von den Niederlanden und Belgien läßt keine Rückschlüsse auf eine hypothetische Entscheidung zu, da kein Antrag vorliegt. Die Bundesrepublik erscheint da in einem anderen Licht, als dies der Antrag hier vorzutäuschen versucht. Damit ist dieser Antrag als reinster Populismus ohne reale Grundlage entlarvt. Wer wie die Grünen Regierungsverantwortung übernehmen will, sollte jedoch allen Populismus im sensiblen Bereich der Außenpolitik unterlassen. Sie schaden damit nur unserem Land. Die Beantwortung der Großen Anfrage der Grünen durch die Bundesregierung zeigt dagegen auf, wie verantwortungsbewußtes Handeln in der Außenpolitik auszusehen hat: - Restriktive Genehmigungspolitik bei Rüstungsexport und rüstungsrelevanten Gütern, - Ausschluß von Rüstungsexporten in potentielle oder tatsächliche Krisenregionen - und das Werben für eine europäische und internationale Harmonisierung bei Rüstungsgütern mit dem Ziel, dadurch die Welt sicherer zu machen. Dr. Willibald Jacob (PDS): Das Geschäft mit „Mordinstrumenten" lohnt sich nach wie vor und immer mehr. Nur das „Produktprofil" hat sich verändert. Das Geschäft boomt nicht mehr für die schweren Waffen, sondern für Kleinwaffen, einschließlichkleinen Minen, die gegen Menschen, besonders gegen Kinder nach den Kriegen wirken. Auch Sie von der Koalition als Lobbyisten der Rüstungsindustrie machen da in einer Spitzenposition mit. Wie anders läßt sich ihre „vornehme" Zurückhaltung bei der in der EU aufgeworfenen Diskussion um einen Verhaltenskodex für den Waffenexport interpretieren? Diese Diskussion geht auf einen Vorschlag von Nichtregierungsorganisationen zurück, die im Kern fordern: erstens strikte Achtung der Menschenrechte im Empfängerland, zweitens mehr Transparenz und Kontrolle über EU-Rüstungsexporte, drittens Einrichtung eines Systems zur Überprüfung des Endverbleibs der Waffen. Was haben aber die europäischen Regierungen daraus gemacht? Sie weichen den positiven Ansatz auf, um mit breit interpretierbaren Regelungen weiter zu verfahren wie bisher. Oder wie Sie, meine Damen und Herren der Bundesregierung, die Sie im Windschatten des äußerst fragwürdigen Entwurfes für einen europäischen Verhaltenskodex still in der Ecke sitzen. Dort warten Sie auf den baldigen Abschluß der Verhandlungen, der für Mai geplant ist. Sie warten auf Erleichterungen für die eigene Rüstungsindustrie und den Abbau bisheriger nationaler Standards. Warum erfüllt die Regierung ihre Aufgaben nicht? Warum überläßt sie auch hier dem Markt die Arbeit und das Geschäft des Todes? Die Gemeinsame Konferenz Kirchlicher Entwicklungsdienste hat 1997 in ihrem Bericht Transparenz gefordert. Die Bundesregierung möge ähnlich den Regierungen Schwedens und Spaniens regelmäßig über die Rüstungstransfers informieren. Zwei Hauptempfängerländer für deutsche Rüstungsexporte sind die Türkei und Indonesien. In beiden Ländern sind Verstöße gegen die Menschenrechte - und damit gegen eines der entwicklungspolitischen Kriterien der Bundesregierung - an der Tagesordnung. Rüstungsexportkontrolle stellt unter entwicklungspolitischen Gesichtspunkten ein wichtiges krisenvorbeugendes Instrument dar. Solange Rüstungsexportkontrolle nicht zu einer Verminderung des Waffenhandels führt, sondern zu dessen Kanalisierung, solange verfolgt diese Kontrolle nicht das Ziel, Kriege, Bürgerkriege und Völkermord zu verhindern. Es fehlt der Beitrag zu mehr Frieden, Sicherheit und Vertrauen. Die PDS fordert daher ein Rüstungsexportverbot und unterstützt jeden Schritt, der dahin führt - auch einen Verhaltenskodex für den Waffenexport auf europäischer und internationaler Ebene, wenn er denn konsequent gefaßt und durchgesetzt wird. Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich begrüße die Gelegenheit, noch einmal die Position der Bundesregierung zur Rüstungsexportkontrolle unmißverständlich darlegen zu können. Das Ausfuhrkontrollsystem der Bundesrepublik Deutschland ist nach der grundsätzlichen Reform Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre eines der stringentesten der Welt. Wir tragen an dem Erbe aus der jüngeren deutschen Geschichte, wir bekennen uns daher unverändert zu einer besonders vorsichtigen Rüstungs- und Rüstungsexportkontrollpolitik auf der Grundlage der bewährten Grundsätze von 1982. Die deutsche Ausfuhrkontrollpolitik ist im Vergleich zu unseren europäischen und überseeischen Partnern deutlich restriktiver angelegt. Das wird auch international ohne Einschränkungen anerkannt. Es wäre zu begrüßen und es wäre für die Reputation der Bundesrepublik Deutschland insbesondere in der internationalen Medienlandschaft sehr wichtig, wenn auch die Opposition dieses Faktum endlich einmal zustimmend zur Kenntnis nehmen könnte. Einzelne illegale Fälle können hieran nichts ändern. Wir setzen uns nach der Neuorientierung des deutschen Ausfuhrkontrollsystems - das heißt: Verschärfung des erforderlichen gesetzlichen Instrumentariums, Verfolgung einer restriktiven Genehmigungspolitik, Schaffung der entsprechenden organisatorischen und administrativen Voraussetzungen in der Verwaltung - für eine breitgefächerte internationale Harmonisierung der Ausfuhrkontrolle auf hohem Qualitätsstandard ein. Bei den Massenvernichtungswaffen und Raketen haben wir gute gemeinsame Ergebnisse erzielt. Für den konventionellen Rüstungsbereich ist nunmehr ebenfalls ein internationales Kontrollregime, das sogenannte Wassenaar-Arrangement, in Kraft getreten. In der internationalen Diskussion über die Harmonisierung der Ausfuhrkontrollen hat sich eine deutliche Erkenntnis herauskristallisiert: Bei den Massenvernichtungswaffen und den sie tragenden Raketen sind die Vorstellungen unserer Partner über Notwendigkeit und Ausmaß der gebotenen Kontrollen mit unseren Vorstellungen im wesentlichen gleichgerichtet. Dies gilt aber nicht für die konventionellen Rüstungsgüter. Das macht die von uns angestrebte Harmonisierung der Ausfuhrkontrolle auf substantiellem Niveau auch so schwierig. In der Europäischen Union haben wir uns nach langen Verhandlungen 1994 auf eine EG-Verordnung zur Kontrolle von Dual-use-Gütern geeinigt, weil hier eine Gemeinschaftszuständigkeit gegeben ist. Im Rüstungsgüterbereich ist eine rechtlich verbindliche Regelung nicht in Sicht. Hier gibt es zur Zeit keine Gemeinschaftszuständigkeit. Die Mehrzahl der EU-Partner betrachtet Fragen der Rüstungsgüter als eine Domäne der nationalen Außen- und Sicherheitspolitik und will hiervon auch nicht abgehen. Wir werden also bei realistischer Einschätzung der weiteren Gespräche/Verhandlungen in der Europäischen Union für den nächsten überschaubaren Zeitraum mit folgendem rechnen müssen: Bei den konventionellen Rüstungsgütern wird es weiterhin zum Teil unterschiedliche nationale Kontrollnormen und vor allem auch unterschiedlich strenge Ausfuhrkontrollpolitiken der einzelnen EU-Mitgliedstaaten geben. Bei den Dual-use-Gütern gibt es zwar eine einheitliche EG-Kontrollregelung, in der Frage der Genehmigungspolitik wird es aber wie bei den Rüstungsgütern selbst Unterschiede geben, weil die deutsche Ausfuhrgenehmigungspolitik im Bereich der konventionellen Rüstung wesentlich stringenter ist als die Politik unserer Partner. Das hat Konsequenzen für die Frage der Kooperationsfähigkeit deutscher Unternehmen in einem europäischen Rüstungsmarkt. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung im Frühjahr 1996 ihren Beschluß zur Verbesserung der Kooperationsmöglichkeiten gefaßt. Die Bundesrepublik Deutschland ist zur Sicherung ihrer Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit auch zukünftig auf moderne, technologisch anspruchsvolle Waffen angewiesen. Dieses sicherheitspolitische Interesse erfordert den Erhalt bestimmter Kernkapazitäten und -fähigkeiten in Deutschland. Das ist bei der bekannten Schrumpfung der Verteidigungshaushalte zunehmend schwieriger geworden und kann daher ohne eine vertrauensvolle Kooperation deutscher Unternehmen mit europäischen Partnern nicht mehr gewährleistet werden. Die Entscheidung der Bundesregierung vom Frühjahr 1996 bedeutet keine Abkehr unserer restriktiv angelegten deutschen Exportpolitik. Unsere Entscheidung hat eine begrenzte Reichweite: Sie gilt nicht für besonders sensitive Vorhaben; Einzelfallentscheidungen sind weiter erforderlich. Es gibt also keinen Automatismus. Die Entscheidung ist bisher nur auf Kooperationen mit NATO-Partnern angewandt worden. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 8 (Gesetzentwürfe zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern) Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Ausgestaltung der IHKn rückt mehr und mehr in das Kreuzfeuer der Kritik. Nicht nur ich, sondern auch Sie haben in den vergangenen Monaten körbeweise Briefe von Gewerbetreibenden erhalten, die ihr Unbehagen über die Leistungen der IHKn zum Ausdruck bringen. Dies hat sich auch nicht geändert durch den heute hier zur Beratung anstehenden Entschließungsantrag von CDU/F.D.P. und SPD. Im Gegenteil: Sie versuchen durch diesen Antrag das Kammerwesen nunmehr auch noch auf die freien Berufe auszuweiten; die berechtigten Protestschreiben werden Sie kennen. Sie finden ausdrücklich die Unterstützung meiner Fraktion. Bisher sind die IHKn - § 3 Abs. 1 des IHK-Gesetzes - Personalkörperschaften des öffentlichen Rechts, denen qua Gesetz als Hauptaufgabe die Förderung und Wahrnehmung des Gesamtinteresses der deutschen Wirtschaft zugewiesen wird. Die Zwangsmitgliedschaft ist immer wieder, so auch in der jüngsten Vergangenheit, auf erbitterten Widerstand gestoßen. So gibt es heute zahllose kleine und mittlere Unternehmen, die sich in Vereinen, bundesweit gestreut, zusammengefunden haben, um für eine privatrechtliche Organisationsform ohne Zwangsmitgliedschaft zu streiten. Dem entsprechen wir mit unserem hier vorliegenden Gesetzentwurf „Für eine Reform des Industrie- und Handelskammerwesens". Wir bezweifeln, daß die juristischen Grundlagen für die Zwangsmitgliedschaft, wie sie das BVG vor 34 Jahren feststellte, heute noch die entsprechende Legitimationsgrundlage haben: Erstens. Wesentliche Entscheidungen der Wirtschaftsförderung werden heute auf europäischer und nicht mehr ausschließlich auf nationalstaatlicher Ebene getroffen. Zweitens. Ein Gesamtinteresse der deutschen Wirtschaft gibt es nicht mehr. So hat der Bonner Antiquitätenhändler eine andere Interessenlage als die Firma Siemens. Drittens. Nicht zuletzt europarechtliche Gründe sprechen gegen die Zwangsmitgliedschaft. Da diese auch ausländische Unternehmen trifft, könnte die Niederlassungsfreiheit tangiert sein. Nach Rechtsprechung des EuGH wäre diese Einschränkung nur dann zulässig, wenn die enthaltene Beschränkung wirklich in Anbetracht allgemeiner Verpflichtungen gerechtfertigt ist, von denen die ordnungsgemäße Ausübung des Berufes abhängt. Es spricht vieles dafür, daß der Europäische Gerichtshof Zwangsmitgliedschaft und Pflichtbeiträge als gemeinschaftsrechtswidrig beurteilen würde. Aber nun zu den politischen Gründen für unseren Gesetzentwurf: Erstens. Die kriselnde Legitimationsgrundlage für den Verbändestaat kann sicherlich nicht durch Zwang, sondern durch Einsicht behoben oder relativiert werden. Zwangsmitgliedschaften verstärken den Unmut. Zweitens. Die gewerbliche Wirtschaft auch weiterhin in ein Zwangskorsett ständestaatlicher Prägung zu pressen wird immer mehr zum Standortproblem. Drittens. Ein gemeinsamer Binnenmarkt setzt im wirtschaftsrechtlichen Bereich auf ein Höchstmaß an Harmonisierung. Es spricht vieles dafür, das in Großbritannien, Irland, Finnland, Schweden, Dänemark, Belgien, Portugal, Schweiz und Norwegen bewährte Systeme der privatrechtlichen Organisation der Handelskammern zu übernehmen. Auch die Spitzenorganisation der europäischen Wirtschaftskammern, die Euro-Chambres, sind privatrechtlich organisiert. Viertens. Unter politischen Aspekten ist auch die Kritik der Gewerbetreibenden bedeutsam. Sie fühlen sich von den Kammern unzureichend vertreten. 77 Prozent würden am liebsten sofort kündigen, 82 Prozent sind der Meinung, die IHKn seien ihr Geld nicht wert. Fünftens. Die steigende Opposition der Gewerbetreibenden beruht zunehmend auch auf der Organisationsform der Kammern. Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts einerseits und ihre Mitglieder andererseits stellen eher gegengesetzte Pole dar. Die Mitglieder haben, wie ich glaube, berechtigte Zweifel daran, daß ihre geschäftlichen Interessen durch eine der Staatsverwaltung zuzurechnende öffentlichrechtliche Körperschaft hinreichend vertreten wird. Die Aufhebung der Zwangsmitgliedschaft wäre eine standortfördernde Deregulierungsmaßnahme. Es sind doch die Gewerbetreibenden, die freien Berufe, die Arbeitsplätze schaffen. Sie sollten auf die Leistungsträger in der Wirtschaft hören, statt ständig die originären Interessen des DIHT hier im Parlament zu vertreten. Stärken Sie die Wirtschaft! Ich bitte Sie, unseren Gesetzentwurf zu unterstützen. Jürgen Türk (F.D.P.): Mit der zweiten und dritten Lesung des Änderungsgesetzes zum Recht der Industrie- und Handelskammern findet eine lange, kontroverse Diskussion ein Ende, bei der von der Höhe der IHK-Beiträge bis zur Pflichtmitgliedschaft alles auf der Tagesordnung stand. Wir sollten es daher alle begrüßen, daß wir heute das Gesetz im Einvernehmen von CDU/CSU, F.D.P. und SPD beschließen. Die breite Mehrheit ist eine gute Grundlage dafür, daß unser heutiger Beschluß befriedend wirkt. Ich hoffe, daß auch der Bundesrat rasch zustimmt. Das, was wir heute beschließen, ist ein tragfähiger Kompromiß zwischen den berechtigten Interessen der IHK-Mitglieder an einem angemessenen Beitrag und den grundsätzlichen Ansprüchen, die das grundgesetzliche Gleichbehandlungsgebot bei der IHK-Beitragspflicht betreffen. Meine Vorredner haben die einvernehmlich getroffenen Freistellungsregelungen für natürliche Personen, Freiberufler und Kleingewerbetreibende dargestellt. Ich möchte offen sagen: Die F.D.P. hätte sich auch höhere Freistellungen vorstellen können. Doch die grundgesetzlichen Anforderungen nach einer gerechteren Verteilung der Beiträge auf alle Kammermitglieder setzt nach unserer Auffassung eindeutig voraus, daß auf keinen Fall mehr als ein Drittel der Mitglieder freigestellt werden kann. Und: Wer bezahlt, bestimmt die Musik! Das heißt, wenn wir wieder - wie früher - nur noch die großen Unternehmen bezahlen lassen, werden sie die Kammerpolitik erneut maßgeblich bestimmen. Das heute von uns zu Beschließende weist den Kammern nicht nur größere Gestaltungsmöglichkeiten, sondern auch größere Verantwortung zu. Sie tragen Mitverantwortung für die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft in ihrem Kammerbezirk. Ihre Leistungen prägen, wie auch staatliche Steuern und Gebühren, den Wirtschaftsstandort Deutschland mit. Mit ihrer Arbeit müssen die Kammern zur Verminderung der finanziellen Belastung der Wirtschaft beitragen. Im gemeinsamen Entschließungsantrag fordern wir daher mehr Effizienz und weniger Bürokratie. Dann wird auch die Akzeptanz der Kammern wachsen. Den Kammergegnern muß durch noch bessere Leistung, noch mehr Engagement der Wind aus den Segeln genommen werden. Mehr Mitglieder müssen bei den Entscheidungen der Kammern mitwirken. Das setzt Transparenz der Tätigkeit voraus, mehr Öffentlichkeit, aber auch den Willen, in der Vollversammlung und in den Gremien der IHKn die verschiedenen Gruppen der Wirtschaft noch stärker zu integrieren. Die gelebte Kammerdemokratie muß verbessert werden, was auch einschließt, daß sich die Kritiker mehr in die Gremien einbringen. Ich weiß, daß viele der aufgestellten Forderungen von einigen - vielen - Kammern schon erfüllt werden. Warum aber die Organisationen nicht durchleuchten lassen? Aber es muß nicht immer eine Unternehmensberatung hinzugezogen werden, manchmal genügt auch der Sachverstand der Mitglieder selbst, um die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. Rationalisierung und Stärkung der Effizienz, mehr Transparenz, sind keine einmalige Angelegenheit, sondern sind eine Daueraufgabe. Wir führen in Deutschland eine Standortdiskussion, bei der wir uns gegen zuviel Bürokratie und Regulierung durch den Staat wenden. Auch wir in der Politik haben hier noch viel zu tun. Aber: Gerade eine Institution wie die Industrie- und Handelskammer, deren Anliegen es ist, die örtliche Wirtschaft zu fördern, steht doch in der Verantwortung, uns vorzumachen, was „schlank" und effizient heißt. Die Wirtschaft selbst muß erst einmal in ihren eigenen Organisationen Reformen durchsetzen. Das ist der Weg, der Kritik der Kammergegner wirksam zu begegnen. Keiner, der bisher die Abschaffung der IHK-Pflichtmitgliedschaft fordert, hat im übrigen bisher Vorschläge gemacht, wer die vielfältigen hoheitlichen Aufgaben der Kammer übernehmen soll, zum Beispiel in der Ausbildung. Etwa der Staat? Noch mehr Bürokratie, noch mehr Steuern und Abgaben? Dies kann nicht unsere Lösung sein! Eine schlanke IHK ist dreimal besser als ein fetter Staat! Sicherlich hat die Diskussion in den vergangenen Jahren schon viel am Selbstverständnis der Kammern und an ihrer Wahrnehmung der Selbstverwaltung geändert. Vieles bleibt noch zu tun. Ich würde es begrüßen, wenn das heute verabschiedete Gesetz und unser Entschließungsantrag einen Beitrag dazu leisten kann. Rolf Kutzmutz (PDS): Wir von der PDS sehen jenen den Kammern zugrunde liegenden Ansatz, gesellschaftliche Aufgaben direkt in die Hände der Betroffenen zu legen, als zukunfts-, als ausbaufähig an, beispielsweise, indem sie auf regionaler Ebene als tatsächliche Selbstverwaltungsorgane aller Wirtschaftsunternehmen und Selbständigen mit entsprechenden Rechten und Pflichten in der Regionalpolitik agieren. Die Stärkung regionaler Vertretungskörperschaften entspricht nicht nur dem wirtschaftspolitischen Konzept der PDS-Bundestagsgruppe. Sie muß sich meines Erachtens besonders wegen der Einführung des Euro, den wir demokratische Sozialisten leider nicht verhindern können, auch zwangsläufig durchsetzen: Mit dem Euro in der jetzt drohenden Form wird die nationalstaatliche Entscheidungsebene für jedwede Politik schrittweise endgültig ausgehöhlt. Regionale Ebenen müssen gegenüber Brüssel ein wesentlich größeres Gewicht erlangen, wenn nicht jegliche demokratische Legitimation politischer Entscheidungen auf diesem Kontinent verloren gehen soll. Der Kanzlerkandidat der SPD, Gerhard Schröder, bewertet dies folgendermaßen: Vor allem in kleinen und mittleren Betrieben wird der Anfang sehr schwierig werden - manches mittelständische Unternehmen wird vielleicht nicht überleben. Zweifellos sind die Defizite in der konkreten Arbeit vieler Kammern unverkennbar, wird das konkrete Agieren des DIHT dem eines Daches der gesellschaftlichen Selbstorganisation von gewerblicher Wirtschaft und Handel nicht gerecht. Ja, ich bezweifle die Existenzberechtigung des DIHT - wie auch des ZDH - in seiner heutigen Ausprägung. Offenkundig verhält es sich beim DIHT ebenso wie mit der Bundesrepublik: Da schließen sich Länder zu einem Bund zusammen, und die Länder treten einen Teil ihrer Hoheitsrechte ab. Nur dominiert jetzt mittlerweile der Bund insbesondere über seine Finanz- und Haushaltspolitik - und künftig die EU-Kommission mit ihren Richtlinien sowie die EZB mit ihrer Geldpolitik - jegliche Entscheidung in den Ländern, bis hinein in die Kommunen. Meines Erachtens kann die Lösung aus dieser Misere aber nicht sein, den Unzufriedenen den bequemen Weg des Ausstiegs zu weisen. Schließlich kann auch der kritische Staatsbürger sich nicht einfach von seiner Steuerpflicht verabschieden. Vielmehr muß es darum gehen, sie zur Nutzung ihrer demokratischen Rechte innerhalb der Institution zu motivieren, sich also zu organisieren. Ich meine, die derzeitige IHK-Verweigererbewegung trägt wesentlich mehr zu Effizienzsteigerung in und zur besseren Interessenvertretung durch die Kammern bei, als es mit privatisierten, freiwilligen IHK jemals erreichbar wäre. Beispiele dafür gibt es mittlerweile genug: So hat die IHK Cottbus den Etat - und damit die Beiträge - von 1997 auf 1998 freiwillig von 13 auf 11,4 Millionen DM reduziert. Natürlich sind die meisten IHK von solchem Ideal noch weit entfernt, gibt es mancherorts Vetternwirtschaft statt vernünftiger Interessenvertretung, versikkern sauer erarbeitete Mitgliederbeiträge in der Bürokratie, in Büros und attraktiven Geschäftsstellen. Sparsam kalkulierte Beiträge, ausgehend von der wirtschaftlichen Situation der jeweiligen Mitgliedschaft, sind das Gebot der Stunde. Darauf zielt unser Änderungsantrag zum Regierungsentwurf. Wir greifen dabei Anregungen auf, die nach Abschluß der Ausschußberatungen aus dem Kammerbereich selber kamen. Für uns geht es aber nicht an, den politischen Kurs der Bundesregierung auch noch auf das Kammerwesen auszuweiten. Denn bei freiwilliger IHK-Mitgliedschaft würde auch hier gelten: Erträge der wirtschaftlichen Tätigkeit weitestgehend privatisieren, deren Kosten und Risiken aber so weit wie möglich sozialisieren. Die PDS wird daher den Gesetzentwurf der Bündnisgrünen ablehnen, ohne aber jenem der großen Koalition zuzustimmen. Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung hält es für notwendig, das Beitragsrecht auf eine rechtlich gesicherte Grundlage zu stellen, um Klein- und Kleinstgewerbetreibende unter bestimmten Voraussetzungen von ihrer Beitragspflicht zu befreien. Damit wird in Fortschreibung der Beitragsreform von 1992 die Beitragspflicht besser an die Anforderungen der Rechtsprechung angepaßt. Zur Erinnerung: Die Beitragsreform von 1992 war notwendig, weil das Bundesverwaltungsgericht erhebliche verfassungsrechtliche Risiken der früheren Beitragsregelung festgestellt hatte. Die Hauptlast der Finanzierung der Kammeraufgaben wurde vor der Beitragsreform von 1992 von weniger als einem Drittel der Kammermitglieder getragen. Hieraus haben wir Schlußfolgerungen gezogen. Die - in verbesserter Weise - auch dem vorliegenden Gesetzentwurf zugrunde liegen. Zugegeben: Bei Klein- und Kleinstgewerbetreibenden sind unbillige Beitragserhöhungen aufgetreten. Nach Kenntnis der Bundesregierung haben die Kammern versucht, aufgetretene Härtefälle durch Stundung, Niederschlagung oder Erlaß der Beiträge zu beheben. Dies ist aber nicht ausreichend. Deshalb sieht der Gesetzentwurf eine Freistellung von Kleingewerbetreibenden von der Bezahlung eines Beitrags bis 10 000 DM Ertrag vor. Diese Regelung wird flankiert durch die Möglichkeit, in Ausnahmefällen bis 100 000 DM Umsatz von Beiträgen freizustellen oder niedrigere Schwellenwerte beim Gewinn heranzuziehen, wenn ansonsten mehr als ein Drittel aller Kammermitglieder beitragsfrei würden. Durch diese Regelung wird die Gewähr geschaffen, daß einerseits Kleingewerbetreibende unter bestimmten Voraussetzungen von ihrer Beitragspfllicht befreit werden und andererseits die Finanzierung der Kammeraufgaben erhalten bleibt. Außerdem wird für natürliche Personen und Personengesellschaften eine Verdopplung der Freibeträge für die Bemessungsgrundlage von derzeit 15 000 DM auf 30 000 DM vorgesehen. Ferner wird die finanzielle Doppel- und Mehrfachbelastung bei freiberuflichen IHK-Mitgliedern entschärft. Und schließlich ermöglichen wir den Kammern durch weitere Regelungen, beim Grundbeitrag feiner zu differenzieren und besser auf unterschiedliche Fallgestaltungen zu reagieren. Es war notwendig, über die Reform des IHK-Gesetzes miteinander - Koalition zusammen mit der SPD - zu diskutieren, um gemeinsam zu einem Konsens zu gelangen. Gewisse übergreifende Regelungen müssen wir - trotz beginnendem Wahlkampf - aus dem Parteienstreit heraushalten. Bei der Novellierung der Handwerksordnung haben wir das auch gemacht. Mit dem gemeinsam erarbeiteten Gesetzentwurf wird die Rolle der Kammern für die nach den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft organisierte Wirtschaftsverfassung in Deutschland anerkannt. Dies gilt insbesondere auch für die gewählte Rechtsnatur als Körperschaft des öffentlichen Rechts und der daraus folgenden Pflichtmitgliedschaft aller Gewerbetreibenden im jeweiligen Kammergebiet. Sie sind notwendige Konsequenz der hoheitlichen Kammeraufgaben sowie ihrer Pflicht, das Gesamtinteresse der Gewerbetreibenden des Bezirks wahrzunehmen. Deshalb kann ich mich mit dem Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen nicht anfreunden. Er zielt in letzer Konsequenz auf die Abschaffung der Selbstverwaltung der Wirtschaft. Dies zeigt, daß Bündnis 90/ Die Grünen ein anderes Verständnis der Kammern hat. Wer es mit der Selbsverwaltung der Wirtschaft ernst meint - die Bundesregierung jedenfalls tut dies -, muß den Kammern ihre unerläßlichen Autonomierechte belassen. Wir verabschieden heute auch einen Entschließungsantrag. Hierdurch bringen wir zum Ausdruck, daß es noch Bereiche gibt, in denen sich etwas ändern muß. Zum Beispiel: Die Kammern sollen künftig weniger als Behörde und mehr als Vereinigung von Unternehmen und als Repräsentant aller Wirtschaftsbereiche wirken. Auch müssen Effizienz und Transparenz weiter gesteigert werden. Wir erwarten, daß die Kammern sich als Dienstleistender für ihre Mitglieder nicht nur verstehen, sondern auch so agieren. Dies ist in ihrem eigenen Interesse. Nur so können sie die Beitragsakzeptanz bei den Mitgliedern und sogenannten IHK-Verweigerern stärken. Ich hoffe, daß dieser Gesetzentwurf den Industrie- und Handelskammern eine Basis gibt, um Reformen durchzuführen, welche notwendig sind, um auch ihre Kritiker von den Vorzügen wirtschaftlicher Selbstverwaltung zu überzeugen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 18 (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Fonds „Deutsche Einheit" und des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern) Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu, da er ökonomisch begründet und haushaltspolitisch vertretbar ist. Die Initiative kommt, wie Sie wissen, aus dem Kreis der Länderfinanzminister. Deswegen muß sie nicht falsch sein. Im Kern bedeutet sie, daß die Tilgung des Fonds durch eine befristete Absenkung der Annuitäten gestreckt werden soll. Dieselbe Systematik ist bereits beim Erblastentilgungsfonds und beim Bundeseisenbahnvermögen angewandt worden. Damals ist sie allerdings begleitet worden vom Kampfgeschrei der Opposition. Die Rede war von kreativer Buchführung, was allerdings völlig abwegig ist, wenn man die dahinterliegenden ökonomischen und finanzpolitischen Fakten zugrunde legt. Sie von der Opposition können daraus eine Lehre ziehen: Wer seine Argumentation je nach Tageserfordernissen zusammenbastelt, fällt damit über kurz oder lang auf. Um was geht es konkret bei diesem Gesetz? Der Fonds Deutsche Einheit, FDE, erhält von Bund und Ländern zur Abdeckung seiner Schuldendienstverpflichtungen seit 1995 einen Zuschuß in Höhe von 10 v. H. der insgesamt aufgenommenen Kredite in Höhe von 95 Milliarden DM. Da die seit Jahren günstige Lage auf dem Kreditmarkt natürlich ausgenutzt worden ist, könnte die Schuld des Fonds durch unerwartet hohe Tilgungen wesentlich abgebaut werden. Ende 1997 beläuft sich der Schuldenstand des Sondervermögens auf 81 Milliarden DM. Damit sind bis zu diesem Stichtag bereits 14 Milliarden DM getilgt worden. Ursprünglich war entsprechend der seinerzeit zugrunde gelegten Zinsperspektiven - nämlich durchschnittlich 8,3 Prozent - nur mit einer Tilgung von rund 8 Milliarden DM gerechnet worden. Der darüber hinausgehende Tilgungsbetrag von 6 Milliarden DM wurde aus Einsparungen auf Grund des zwischenzeitlich kräftig gesunkenen Zinsniveaus möglich. Es wird jetzt nur noch mit einem durchschnittlichen Zinsniveau von unter 7,5 % gerechnet. Auch in Zukunft kann mit einem Zinsniveau gerechnet werden, das deutlich unter den seinerzeitigen Erwartungen liegt. Insofern bietet sich die Möglichkeit, die Tilgungszahlungen für einen bestimmten Zeitraum zu reduzieren, um besonderen Drucksituationen der Haushalte der alten Länder und des Haushaltes des Bundes Rechnung zu tragen. Der hier vorgelegte Gesetzentwurf sieht für die Jahre 1998 bis 2000 eine Absenkung der Annuitäten von 10 v. H. auf 6,8 v. H. vor. Das bedeutet eine Absenkung der Zuschüsse an den Fonds von 9 500 Millionen DM und 3 040 Millionen DM auf 6 460 Millionen DM. Die Länder zahlen 1998 insgesamt 1 824 Millionen DM, 1999 1672 Millionen DM und im Jahre 2000 1 520 Millionen DM. Der Bund 1998 1 216 Millionen DM, 1999 1 368 Millionen DM und im Jahre 2000 1 520 Millionen DM; addiert gibt dies eine Summe von jeweils 3 040 Millionen DM. Diese Beträge bewegen sich in einem Rahmen, der die Erfüllung der Zinsverpflichtung des Fonds unter den derzeitigen Kreditmarktbedingungen sicherstellt. Eine günstige Zinsentwicklung ist entweder zur höheren Tilgung oder zur Minderung der Belastungen zu nutzen. Was sinnvoller ist, entscheiden die Rahmenbedingungen. Hier müssen Prioritäten gesetzt werden. Da die geplante Gesamtlaufzeit nicht über den ursprünglich angenommenen Zeitpunkt der Ausfinanzierung hinausgeht - 2016 -, ist es vertretbar, die eingesparten Mittel zur Entlastung des Haushalts an anderer Stelle zu verwenden. Zu einer verantwortlichen Politik gehört die Entscheidung, was für unser Land wichtig und vordringlich ist, was zeitlich gestreckt werden kann und worauf in absehbarer Zeit verzichtet werden muß. Die Bundesregierung hat sich entschlossen, die eingesparten Mittel ausschließlich zur Senkung der Nettokreditaufnahme zu verwenden. Dies ist haushaltspolitisch geboten. Wir wollen also keine zusätzlichen Ausgaben damit finanzieren, sondern den Haushalt weiter konsolidieren. Das Argument, daß Schulden nach hinten geschoben würden, zieht insofern nicht, da die Annahmen für die nächsten Jahre hinsichtlich der Zinsraten realistisch sind und somit die Belastungen kommender Haushalte die geplanten nicht überschreiten werden. Wenn man über den Fonds „Deutsche Einheit" redet, sollte man wenigstens in einem Nebensatz auch etwas dazu sagen, welch positive Wirkungen diese und andere Finanzierungsregelungen entfaltet haben. Bekanntlich haben die neuen Bundesländer bis 1994 nicht zweckgebundene Leistungen in Höhe von rund 160 Milliarden DM erhalten. Mit diesen Mitteln konnten die Gebietskörperschaften den Aufbau einer effizienten Verwaltung auf den Weg bringen, der heute bereits einen mit den alten Ländern vergleichbaren Standard hat. Zahlreiche Infrastrukturmaßnahmen aus den Bereichen Umwelt, Abwasser- und Trinkwasserversorgung, Gewässerschutz, Abfallwirtschaft, Erschließung von Gewerbegebieten, Modernisierung des ÖPNV oder kommunaler Wohnungsbau konnten realisiert werden. Der Anschlußgrad an Kläranlagen hat sich beispielsweise von 56,8 Prozent im Jahre 1987 auf 70 Prozent im Jahre 1995 erhöht. Auch die Bildung und der Kultursektor gehören dazu, ebenso wie Existenzgründung oder der Aufbau der Kinder- und Jugendhilfe und überhaupt einer sozialen Infrastruktur in freier Trägerschaft. Ein praktisch vor dem völligen Zusammenbruch stehendes Gemeinwesen wurde nicht zuletzt mit den Geldern aus dem Fonds „Deutsche Einheit" auf einen guten Weg gebracht. Zusammen mit den diversen anderen Transferleistungen des Bundes und den milliardenschweren Investitionsanstrengungen der Privatwirtschaft - erinnert sei nur an die Leistungen der Telekom - wird die Angleichung der Lebensverhältnisse des Ostens an die des Westens über kurz oder lang gelingen, jedenfalls noch vor dem Auslaufen der Tilgungen im Jahre 2016. Bemerkenswert ist allerdings, mit welch unterschiedlich guten Ergebnissen die einzelnen neuen Länder mit den Geldern umgegangen sind. Nicht von ungefähr steht Sachsen an der Spitze und das von der PDS im Hintergrund mitregierte SachsenAnhalt weit am Ende der Skala. Ich habe mit Interesse verfolgt, daß einige Länder, wiewohl das Gesetz noch gar nicht verabschiedet worden ist, die positiven Folgen für die jeweiligen Haushalte schon in ihre Planungen eingerechnet haben. Wie ich schon deutlich machte, wird der Bund die Einsparungen ausschließlich zur Verringerung der Nettokreditaufnahme einsetzen. Ich bin gespannt, welchen Weg die Länder gehen werden. Ich freue mich trotzdem, daß der Bundesrat in dieser Frage zu einer Sachargumentation gefunden hat, für die die Interessenlage der Länder wohl erst den nötigen Schub erzeugt hat. Es ist aber nie zu spät, richtigen Einsichten zu folgen und Fehler zu korrigieren. Für die insgesamt positive Entwicklung der Konjunktur und auch der Arbeitsmarktlage in der Bundesrepublik wäre es gut, wenn auch bei anderen wichtigen Themen, so der vom Bundesrat systematisch blockierten Steuerreform, die für Investition, Innovation und die Schaffung von Arbeitsplätzen so ungeheuer wichtig ist, möglichst bald ein solcher Weg begangen werden könnte. Hans-Georg Wagner (SPD): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf des Bundesrates werden die Annuitäten für den Fonds Deutsche Einheit in den Jahren 1998 bis 2000 um jährlich 3 Milliarden DM herabgesetzt, ohne die ursprünglich geplante Laufzeit des Fonds dadurch zu gefährden. Möglich wurde dies durch die günstige Zinsentwicklung der letzten Jahre, die zu unerwartet hohen Tilgungsraten geführt hat. Vordergründig ähnelt diese Operation also der Tilgungsaussetzung, die der Bundesfinanzminister in den Haushalten 1997/98 mit der Aussetzung der Schuldentilgung beim Erblastentilgungsfonds in Höhe von 11 Milliarden und beim Bundeseisenbahnvermögen in Höhe von 8 Milliarden DM vorgenommen hat. Nun wird von der Regierungskoalition versucht, den Eindruck zu erwecken, als würde die SPD gespalten argumentieren, wenn sie dem Bundesratsgesetzentwurf letztlich zustimmt, Waigels Notoperationen zum Ausgleich des Haushalts 1998 aber ablehnt. Dem ist nicht so, weil, wenn zwei das gleiche tun, es noch längst nicht dasselbe ist. Dies läßt sich mit wenigen Fakten belegen: Erstens. Der Ausgleich für die Abschaffung der Vermögensteuer der Länder ist dem Bundesfinanzminister gründlich mißlungen. Entweder hat sich der Bundesfinanzminister wieder einmal verrechnet, oder aber er hat mit Schönrechnerei die Länder über den Tisch gezogen. Tatsache ist jedenfalls, daß der Bundesfinanzminister versprach, die Einnahmeausfälle aus der Vermögensteuer in Höhe von 9 Milliarden DM durch eine entsprechende Änderung der Grunderwerbsteuer bzw. der Erbschaftsteuer zu kompensieren. Doch es kam - wie gewohnt - ganz anders: Die Grunderwerbsteuer blieb um über 3 Milliarden DM unter den Erwartungen der Bundesregierung, und bei der Erbschaftsteuer lagen die Einnahmen mit rund 4 Milliarden DM um ein Drittel niedriger als geplant. Zweitens. Die von der Bundesregierung zu verantwortende Zerrüttung der gesamtstaatlichen Steuerbasis hat die Länder in einem ganz besonderen Ausmaße getroffen. Die letzte Steuerschätzung vom November 1997 hat offengelegt, daß von den nochmaligen Steuermindereinnahmen im Volumen von 18 Milliarden DM 11,1 Milliarden DM oder 64 Prozent der Steuerausfälle auf Länder und Gemeinden entfallen. Für 1998 ist das Bild kaum besser; von 22,4 Milliarden DM Steuerausfällen entfallen 13,5 oder rund 60 Prozent auf Länder und Gemeinden. Gemessen an ihrem Steueranteil von rund 53 Prozent werden damit Länder und Gemeinden in einer weit überproportionalen Weise von der Steuerpolitik der Bundesregierung gebeutelt. Wenn die Bundesregierung ein solches Steuerchaos zu Lasten fremder Kassen anrichtet, so ist es kein Wunder, daß die Länder zähneknirschend zu jedem Notnagel greifen müssen, um die vom Bund verursachten Haushaltslöcher wenigstens nur ansatzweise schließen zu können. Die jetzt vorgesehene Entlastung der Länderhaushalte im Volumen von jährlich 1,8 bis 1,5 Milliarden DM für 3 Jahre sind da eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Dieser Operation hätte es nicht bedurft, wenn die Koalition sich nicht hartnäckig der Beibehaltung der privaten Vermögensteuer widersetzt hätte. Angesichts dieser Mitverantwortung des Bundes für die Haushaltssituation der Länder und angesichts der für die eigene Kasse bereits vorgenommenen Tilgungsaussetzungen in Höhe von 19 Milliarden DM ist es mehr als anstößig, wenn der Bund die Zustimmung zu diesem Gesetz daran geknüpft hat, daß er an den daraus folgenden Haushaltsentlastungen in einer weiter überproportionalen Weise partizipiert, als es ihm rechtlich zukommt. Während nämlich die Länder die jährlichen Annuitätslasten von 9,5 Milliarden DM für den Fonds „Deutsche Einheit" zu fast drei Viertel, der Bund aber nur zu einem Viertel tragen, hat sich der Bundesfinanzminister strikt geweigert, die mit dem Gesetz verbundenen Haushaltsentlastungen nach dem gleichen Schlüssel aufzuteilen wie die Belastungen. Von der Gesamtentlastung im Volumen von 9,1 Milliarden DM entfallen nämlich nur 55 Prozent auf die Länder, aber 45 Prozent auf den Bund. Praktisch kassiert der Bund 1,5 Milliarden DM mehr, als ihm rechtlich zustünde. Die Bundesregierung hat hier die außerordentliche Drucksituation der Länder ausgenutzt, um sich selbst eine erhöhte Haushaltsentlastung zuzuschanzen. Die gesamten Tilgungsaussetzungen im Bundeshaushalt 1998 werden durch diese Operation auf rund 9,2 Milliarden DM aufgestockt, während die Länder mit 1,8 Milliarden DM vorliebnehmen müssen. Weil die SPD anerkennt, daß der vom Bundesrat vorgelegte Gesetzentwurf ursächlich mit der von der Bundesregierung zu verantwortenden Zerrüttung der Länderfinanzen zusammenhängt, stimmen wir dem Gesetz zu, auch wenn wir Tilgungsaussetzungen in der Sache kritisch sehen. Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nun macht Theo Waigels unseriöse Finanzpolitik auch noch Schule in den Ländern. Die Bundesregierung will den Anschein von Normalität erwecken und versucht, damit das Scheitern ihrer Finanz- und Wirtschaftspolitik zu kaschieren. Dabei sind die Ergebnisse ihrer Politik, die auf dem Tisch liegen, verheerend. Eine unseriöse Trickserei jagt die nächste Katastrophenmeldung. In ihrer Hilflosigkeit verschie- ben sowohl die Bundesregierung als auch die Länder Lasten in die Zukunft, wo immer es möglich ist. Und wenn dieses Mittel nicht hilft, dann wird mit unausgereiften und windigen Finanztransaktionen versucht, die dramatische Lage der öffentlichen Finanzen zu verschleiern. Zu nennen wären hier insbesondere folgende Aktivitäten der vergangenen Zeit: - die tendenziell zunehmende Verlagerung der öffentlichen Schuld auf kürzerfristige Schuldentitel sowie die Einführung von Zinsswaps - beides gegen den ausdrücklichen Rat von Bundesbank und Bundesrechnungshof; - die verdeckte Schuldaufnahme durch das Parken von Telekomaktien bei der KfW; - der Verkauf der Deutschen Ausgleichsbank an die KfW. Überhaupt konnte beim Haushalt 98 die Vorschrift des Artikels 115 nur eingehalten werden, indem Privatisierungserlöse in Höhe von ca. 29 Milliarden Mark eingestellt wurden. Das sind, in nur einem einzigen Haushaltsjahr, mehr Veräußerungen als im gesamten Zeitraum von 1982 bis 1996! - Darüber hinaus wurden Tilgungen an den Erblastentilgungsfonds zur Gegenfinanzierung der Solisenkung und an das Bundeseisenbahnvermögen in Höhe von rund 8 Milliarden ausgesetzt. Durch die fortlaufende Zinsverpflichtung entsteht hierbei eine Mehrbelastung, für die der Steuerzahler in Zukunft aufkommen muß. Zusammen bedeutet dies alles, daß im Haushalt 98 auch schon ohne die nun zu verabschiedende Absenkung der Annuität für den Fonds „Deutsche Einheit" „Einmaleffekte" in Höhe von ca. 37 Milliarden wirksam geworden sind. Diese Summen stehen aber für zukünftige Haushalte nicht mehr zur Verfügung. Nicht minder problematisch sind die folgenden Erblasten der Waigelschen Finanzpolitik: - Die Erlöse aus dem Verkauf von Telekom-Aktien waren ursprünglich zur Erfüllung von Pensionsverpflichtungen gegenüber den Postbediensteten vorgesehen. Das Geld ist weg, die Verpflichtungen bestehen weiter. - Privat vorfinanzierte öffentliche Bauvorhaben müssen in naher Zukunft den Investoren zu einem wesentlich höheren Preis abgekauft werden. Allein für den Straßenbau existieren Verpflichtungsermächtigungen von mehr als 7,7 Milliarden. Von dieser Summe wurden 926 Millionen DM nicht benötigt, die jetzt aber - entgegen allen Versprechen der Bundesregierung - für den Abschluß von 15 zusätzlichen Straßenbau-Verträgen genutzt werden sollen. - Ein weiteres, großes Haushaltsrisiko erwächst aus dem gigantischen Schuldenberg des Bundes mit seinen daraus resultierenden Zinsverpflichtungen. Die Zinssteuerquote beträgt im Jahr 1998 26 Prozent - mehr als ein Viertel! Die Zinsausgabenquote erreicht 20 Prozent. Ein stetig wachsender Anteil der Staatsausgaben ist durch den Schuldendienst gebunden. Von der Gesamtverschuldung des Bundes inklusive der Sondervermögen von fast 1,5 Billionen Mark geht ein hohes Zinsänderungsrisiko für zukünftige Haushalte aus: Ein Anstieg der Zinsen um einen Prozentpunkt bedeutet je nach Bruttoneuverschuldung eine zusätzliche Zinsbelastung zwischen 2 und 3 Milliarden DM. Die Bruttoneuverschuldung von Bund und Sondervermögen lag 1996 bei 270 Milliarden DM. Nun konkret zur Absenkung der Tilgung für den Fonds „Deutsche Einheit". Durch diese Maßnahme werden die Haushalte mittelfristig für die Jahre 1998 bis 2000 aus heutiger Sicht um 9,2 Milliarden DM entlastet. Die Lasten dieser Politik tragen zukünftige Generationen, indem sie die Kredite tilgen müssen, mit deren Hilfe wir heute unsere Etatlöcher stopfen. Es handelt sich um den gleichen Mechanismus wie beim Erblastentilgungsfonds. Mit der Begründung einer günstigen Zinsentwicklung und entsprechend hohen Tilgungsraten wird die Annuität angeblich „ohne Gefährdung der ursprünglichen Laufzeit" gesenkt. Durch die Tilgungsstreckung kommt es aber zu einer entsprechenden Erhöhung der Bruttokreditaufnahme, welche die Nettotilgungskapazität vermindert und die gesamte Laufzeit verlängern wird. Es wird aber maßgeblich von der Zinsentwicklung abhängen, ob es durch die zu beschließenden Maßnahmen tatsächlich noch zu einer Tilgung kommt. Der Bund und die Länder haben sogar für die Möglichkeit, daß die geplante Annuität und die Reserven des Fonds nicht ausreichen, um wenigstens die Zinsbelastungen zu decken, einen Satz in § 6 aufgenommen, der eine Regelung für diesen Fall vorsieht. Also ziehen Bund und Länder diesen Fall doch schon ins Kalkül! Gerade die Länder, die den Finanzminister für die Tilgungsstreckungen bei Erblastentilgungsfonds noch scharf kritisiert haben, machen sich durch diese Maßnahme unglaubwürdig. Das gesamte Vorgehen ist kein Ausdruck einer soliden Finanzpolitik: Was wird, wenn die Zinsen wieder ansteigen und sich die Tilgungsraten verringern, bei einer gleichbleibenden Annuität? Wird die Annuität von der Bundesregierung dann wieder erhöht? Wohl kaum! Die Lasten tragen in jedem Fall die zukünftigen Generationen. Mit dieser Finanzpolitik kann man kein Vertrauen in der Bevölkerung schaffen. Schade, daß nun auch die Länder dem schlechten Vorbild von Finanzminister Waigel gefolgt sind. Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) (F.D.P.): Die F.D.P.-Fraktion im Deutschen Bundestag stimmt dem Gesetzentwurf des Bundesrats in zweiter und dritter Lesung zu, und wenn sie dies nicht mit großer Begeisterung tut, dann hat das 2 Gründe. 1. Die Verschiebung geplanter Tilgungen sorgt in der Konsequenz für weniger Bereitschaft zu sparsamer Haushaltsführung bei den Ländern und natürlich zu höherer Belastung künftiger Generationen, zumindest zu verringerter Handlungsfähigkeit künftiger Politikergenerationen. Dies fügt sich nahtlos ein in die Tatsache, daß die alten Bundesländer nach der Wiedervereinigung relativ wenige Lasten der Einheit auf sich zu nehmen bereit waren, andererseits trotz unserer Mahnungen die Einnahmeentwicklung der öffentlichen Hände nach der Wirt- schafts- und Währungsunion als dauerhaft angesehen haben und viel zu spät auf haushälterische Sparsamkeit umstellten. Die ungerechte Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern - die Länder haben zweifelsfrei einen zu hohen Anteil am Gesamt-Steueraufkommen - sollte doch wenigstens dazu führen, daß man dort in der Frage des Schuldenmachens vorbildlicher wäre. 2. Die Opposition aus SPD und Grünen hat die Koalition lauthals beschimpft, als diese im vergangenen Jahr eine ähnliche Tilgungsstreckung beim Erblastentilgungsfonds durchgeführt hat. Da waren wir allerdings durch die völlig überraschend niedrig ausgefallene Steuerschätzung in einer nicht vorhersehbaren Situation, und der Bund hat ja außerdem auch Steuern für die Bürger gesenkt. Damals war dies also eher vertretbar als das, was jetzt die Länder wünschen. Aber, wie gesagt, wir stimmen zu, weil wir ja den Bundesländern in sehr unterschiedlicher Einzelsituation nicht unnötig Steine in den Weg legen wollen. Als der Bundesrat seinerzeit sogar den Haushalt des Bundes abgelehnt hat, hat er sich nicht vergleichbar verhalten. Wir meinen, die Verfassungsorgane sollten hier rücksichtsvoll miteinander umgehen. Zum Verhalten der Grünen stelle ich eine fast schon gewohnte Doppelzüngigkeit fest. Zwar ist nicht mehr feststellbar, wie grün-beteiligte Landesregierungen sich im Bundesrat verhalten haben; aber da eine abweichende Haltung vom Bundesrats-Antrag nirgends deutlich gemacht worden ist, spricht viel dafür, daß sie überall zugestimmt haben. Im Finanzausschuß des Deutschen Bundestags bei der Mitberatung waren sie gar nicht anwesend, und im Haushaltsausschuß hat man dann abgelehnt. Der sonst von mir ja meist ernst genommene Kollege Metzger muß hier den Unterschied zwischen Parlamentarismus und Populismus noch lernen. Man kann nicht als politische Partei auf unterschiedlichen Ebenen unterschiedlich agieren. Solches Verhalten wird deshalb von uns auch Bürgern und Wählern aufgezeigt und grünes Doppelsiegel deutlich gemacht. Ich stelle erfreut fest, daß die den Bund betreffende Entlastung, die ja ebenfalls nur eine Verschiebung von Lasten bedeutet, von uns nicht leichtfertig zu zusätzlichen Ausgaben, sondern zur Verringerung der Verschuldung des Bundes genutzt wird. Auch wenn es keine Riesensummen sind, die dabei als Zinslasten eingespart werden: Es zeigt den guten Willen und die ehrliche Anstrengung der Koalition in Sachen Sparsamkeit und den guten Willen, die Schuldenlast möglichst gering anwachsen zu lassen. Meine Damen und Herren, es ist abzusehen, daß sich auch in den kommenden Jahren alle öffentlichen Hände in ihrer Ausgabenpolitik werden einschränken müssen. Ich appelliere für die F.D.P.-Fraktion, Sparsamkeit als oberstes Gebot zu begreifen und entsprechend zu handeln. Wir stimmen, wie schon eingangs gesagt, dem Gesezteswunsch des Bundesrats in 2. und 3. Lesung zu. Dr. Barbara Höll (PDS): Mit der Vorlage des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den „Fonds Deutsche Einheit" und den Länderfinanzausgleich nehmen die Bundesländer für sich dasselbe in Anspruch, was der Bund bereits im vergangenen Jahr für sich realisierte. So wie Herr Waigel die derzeitig niedrigen Zinsen zum Anlaß nahm, die Tilgungen zum Erblastentilgungfonds zu „strecken", so wollen nun die Bundesländer diese Streckung den „Fonds Deutsche Einheit" nachvollziehen. Aber ein Fehlei wird nicht dadurch richtiger, indem man ihn wiederholt. Eigentlich gebietet es der gesunde Menschenverstand, eine Niedrigzinsphase auszunutzen und einen Kredit schneller zu tilgen. Dadurch wird die Kreditaufnahme billiger, und sie bindet die nachfolgende Generation kürzer, erhöht also deren Handlungsspielraum. Wenn wir unseren Kindern und Enkeln schon Schulden aufbürden, sollten wir doch möglichst alles tun, um diese Lasten zu begrenzen. Aber daß der nachfolgenden Generation Lasten aufgebürdet werden und die öffentliche Hand auf kommunaler, Landes- und Bundesebene hoch verschuldet ist, ist weder Ergebnis höherer Fügungen noch ausschließliches Ergebnis der deutschen Einheit, auch wenn meine Kollegen der Regierungskoalition dies stetig verkünden. Nebenbei gesagt hat auch die PDS nie behauptet, daß die Erfüllung des grundgesetzlichen Auftrages, wonach der Staat verpflichtet ist, seinen Bürgern gleiche Lebensverhältnisse zu gewähren, zum Nulltarif realisiert werden kann. Die heutige Situation der Staatsverschuldung ist jedoch Ergebnis der neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierungskoalition unter häufiger Duldung bis Beteiligung der SPD, in deren Ergebnis aber die Länder und insbesondere die Kommunen wesentlich stärker belastet wurden als der Bund. Diese politisch bewußt herbeigeführte Situation dient jetzt zur Legitimation der sogenannten Tilgungsstreckungen. Wenn Sie nun mit ihren Mehrheiten diesen Weg einschlagen, so stellt sich immer noch die Frage: Was tun Sie nur mit dem freigewordenen Geld? Leider findet sich dazu im Gesetzentwurf bezüglich der Länder keine Aussage. Wird das Geld an die Kommunen weitergereicht oder zur Auflage von Beschäftigungsprogrammen genutzt? Der Bund ist da ehrlicher mit der Aussage, die Einsparerbeträge ausschließlich zur Schuldentilgung zu verwenden. Bereits in der Diskussion zum Erblastentilgungsfonds ist die PDS gegen dieses Versenken in schwarze Waigelsche Haushaltslöcher aufgetreten. Wir halten dies für den falschen Weg. Wenn schon Tilgungsstreckung, dann kann nur der zielgerichtete Einsatz der Einsparbeträge in aktive Arbeitsmarktpolitik und Investitionen dazu beitragen, den Schuldenstand langfristig und nachhaltig zu verringern. Aus diesem Grund können wir nicht dem Sinn des Antrages, was dem Bund recht ist, ist den Ländern billig, folgen. Die PDS lehnt den vorliegenden Gesetzentwurf ab. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 10 (Schiffssicherheitsanpassungsgesetz) Dr. Dieter Schulte (Schwäbisch Gmünd) (CDU/CSU): Mit dem Seeschiffahrtsanpassungsgesetz entscheiden wir über den weiteren Bestand und die Zukunft der deutschen Seeschiffahrt und allem, was zu dieser Seeschiffahrt wirtschaftlich, in Produktion oder Dienstleistung, in Ausbildung und Beruf gehört. Die deutsche Küste, aber auch alle anderen Regionen, die zur Wertschöpfung unserer Seeschiffahrt beitragen, erhalten mit dem neuen Gesetz das eindeutige Signal: Unsere Flotte geht nicht unter! Die Ausflaggung deutscher Schiffe setzt sich von Jahr zu Jahr fort. Es besteht Handlungsbedarf, um bruchartige Verlagerungen an andere Standorte zu vermeiden. Ausgerechnet oder gerade im Zeitalter der Globalisierung der Wirtschaft besteht die Gefahr, daß das Exportland Deutschland keine eigene Flotte mehr hat. Es ist Erfahrung, daß der Ausflaggung oft auch ein Standortwechsel der Reedereiunternehmen folgt; es bestehen enge Beziehungen zwischen dem Führen der deutschen Flagge und dem Standort der Bauwerft des jeweiligen Schiffes. Wenn deutsche Reeder ihre Schiffe ausflaggen und die Bundesrepublik Deutschland als Reedereistandort nicht mehr nutzen, ist damit auch die Werftindustrie nachhaltig betroffen. Aber auch die Zulieferer aus allen Teilen Deutschlands hätten den Nachteil; ihr Schwerpunkt liegt im High-Tech-Schiffbau und beträgt über 60 % der Wertschöpfung beim Bau eines Schiffes. Mit einer Neuregelung der Besteuerung, mit der sogenannten Tonnagesteuer und einer Neuregelung des Einbehalts der Lohnsteuer passen wir uns den internationalen Wettbewerbsbedingungen an. 60 der Tonnage der Seeschiffahrt in der EU unterliegt bereits der Tonnagesteuer. Wenn wir diese heute beschließen, dann kommen wir auch den Leitlinien der EU-Kommission für die Seeschiffahrt nach. Ordnen wir unsere heutigen Beschlüsse in diesem Zusammenhang ein, dann kann niemand von einer Subvention reden. Vielmehr beschließen wir die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit unserer Seeschiffahrt nach internationalen Kriterien. Ich habe in der 6. Legislaturperiode meine erste Rede im Deutschen Bundestag zur Verkehrspolitik gehalten. Im Jahr 1989 habe ich für die Bundesregierung das Gesetz über das Internationale Seeschifffahrtsregister eingebracht. Ich freue mich, daß ich heute diese Tätigkeit mit einem wichtigen weiteren Schritt für unsere Seeschiffahrt abschließen kann. Werner Kuhn (CDU/CSU): Die Koalitionsregierung hat mit der Beschlußfassung zur großen Steuerreform einen wichtigen Meilenstein für ein Standortsicherungsgesetz für den Wirtschaftsstandort Deutschland erreicht. Es ist kein Geheimnis, daß durch die Blockade des SPD-regierten Bundesrates diese wichtige Steuerreform noch nicht in Kraft treten konnte und unsere Wirtschaft dadurch Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen muß. Das trifft besonders für die deutsche Seeschiffahrt und ihre Reedereistandorte zu. Aber die Bundesregierung läßt die Seeleute und die Reeder nicht im Regen stehen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf den wichtigen Kabinettsbeschluß zum Schiffahrtskonzept vom 16. Juli 1997. Die Umsetzung dieses Konzepts spiegelt sich in dem Ergebnis der Beschlußfassung über das Schiffsanpassungsgesetz wider. In diesem Gesetz wird der Standort Deutschland für die Seeschiffahrt als Ganzes, für Reedereien und Seeleute, gesichert. Nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Reedereien wird gestärkt, sondern auch unsere deutschen Seeleute haben weiterhin hervorragende Chancen auf dem internationalen Arbeitsmarkt, ihren Beruf in Führungspositionen auszuüben. Mit der Einführung der Tonnagesteuer werden für die Unternehmen die Kosten besser kalkulierbar und die Abhängigkeit von direkten Subventionen aus dem Bundeshaushalt entfällt. Mit dieser neuen pauschalierten Gewinnermittlung auf Basis der Schiffstonnage, der Tonnagesteuer, geben wir den Reedereien mehr unternehmerische Eigenverantwortung zur Entwicklung eigener Aktivitäten, um auf den hart umkämpften Märkten des Weltseeverkehrs weiterhin erfolgreich zu sein. Wichtig ist für den maritimen Wirtschaftsstandort Deutschland, daß unsere Reedereien in den großen Hafenstädten ihren Betriebssitz erhalten werden und nicht in die europäischen Nachbarstaaten wie Holland und Dänemark oder nach Zypern abwandern. Denn hier geht es nicht nur um das Kerngeschäft deutsche Seeschifffahrt an sich, sondern um die vielen Dienstleister wie Versicherungsgesellschaften, Schiffsmakler und Ausrüster, Werften und Reparaturbetriebe. Mit diesem Standortsicherungsgesetz können wir Zehntausenden Arbeitnehmern in dieser Branche eine gute Zukunft bieten. Der Zeitpunkt für diese Gesetzgebung ist überreif. Wichtige europäische Schiffahrtsnationen haben uns den Weg vorgezeichnet. In den Niederlanden und in Norwegen ist das Tonnagesteuersystem bereits eingeführt, und Dänemark bietet ähnliche finanzielle Rahmenbedingungen für seine Reeder. Die europäische Kommission hat schon Mitte des vergangenen Jahres festgestellt, daß der Weg der Niederlande, die Schiffahrt zu stärken, auch ein europäischer Weg ist. Beschließen wir das heute in der Debatte anstehende Gesetzesvorhaben, dann werden in Europa einschließlich Deutschland 70 Prozent der gesamten Tonnage auf diese Weise steuerlich geführt. Die Seeschiffahrt ist seit jeher mit den Problemen der internationalen Vernetzung und Globalisierung der Wirtschaft befaßt. Die früher sogenannten billigen Flaggen wie Honduras, Costa Rica oder auch Panama haben uns in Europa und speziell erst in Deutschland dazu gebracht, harte Standortpolitik zu betreiben. Von Zypern wird heute nicht nur die Flagge, sondern ein gesamtes Schiffahrtskonzept angeboten. Wie erleben also, wie Mitgliedstaaten der EU mit Billigung der Kommission Standortpolitik für ihre Reedereien betreiben. Es ist also wichtig, daß wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf rechtzeitig auf diese Entwicklung reagieren. Wir hätten dieses Ergebnis aber auch schon früher erreichen können, und zwar durch das Steuerreformgesetz 1999, das bereits die Tonnagesteuer für unsere Reedereien vorgesehen hat. Die notwendigen Beschlüsse wurden in den Fachausschüssen des Deutschen Bundestages schon im letzten Herbst auch mit den Stimmen der Opposition angenommen. Allein durch die Blockadepolitik der SPD wurde dieser Entwurf, der für unsere gesamte Wirtschaft konzipiert war, aufgehalten. Das haben auch die verantwortlichen Politiker in den Küstenländern erkannt und im Bundesrat das vorliegende Konzept gefordert. Der Verkehrsausschuß, hier federführend in Zusammenarbeit mit dem Finanzausschuß des Bundestages, hat das Schiffahrtskonzept der Bundesregierung vom 16. Juli letzten Jahres umgesetzt. Das ist unsere einhellige Botschaft: Die deutsche Seeschiffahrt ist ein unverzichtbarer Faktor für die maritime Verbundwirtschaft in unseren Küstenländern und anderen deutschlandweit-vernetzten Wirtschaftszweigen. Im Schiffsicherheitsanpassungsgesetz, das eine Harmonisierung der europäischen und nationalen Sicherheitsbestimmungen beinhaltet - ich erinnere nur an die Umsetzung der Richtlinien auf internationaler Ebene IMO und SOLAS -, ist gleichzeitig eine Schiffsbesetzungsverordnung verankert. Festzustellen ist, daß auf Schiffen aller Größen der Kapitän ein Deutscher sein muß, der Inhaber eines gültigen deutschen Befähigungszeugnisses ist. Auf Schiffen mit einer BRZ von über 8000 muß zusätzlich mindestens ein Offizier des nautischen oder technischen Schiffsdienstes Deutscher oder EU-Bürger sein mit entsprechendem Befähigungszeugnis. Auf Schiffen größer BRZ 16 000 muß ein Decks- oder Maschinenbetriebsmann mit Wachbefähigung Deutscher oder EU-Bürger sein. Diese Schiffsbesetzungsverordnung bietet so auch den Patentinhabern, die die Seefahrtschule gerade absolviert haben, die Möglichkeit, ihre Patente auszufahren, um dann vollwertig in Schiffsführungspositionen eingesetzt werden zu können. Auch die Ausbildung des seemännischen Nachwuchses auf Deck- und Maschinenposition ist gewährleistet, wobei ich weiterhin dafür plädiere, daß Ausbildungsplätze für Schiffsmechaniker und Ähnliche weiterhin finanziell gefördert werden. Schiffe sind fahrende Betriebsstätten und seit jeher Globalplayer. In diesem Zusammenhang möchte ich auch die schwierige aber zugleich konstruktive Zusammenarbeit mit den Seebetriebsräten und der ÖTV lobend erwähnen. Die Schwierigkeiten, die sich durch die Globalisierung des seemännischen Arbeitsmarkts bezüglich ihrer Seemannskasse in der Altersversorgung ergeben, müssen sicher an anderer Stelle ins politische Blickfeld gezogen und Problemlösungen diskutiert werden. Fakt ist, daß der deutsche Seemann mit seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten und entsprechenden Befähigungszeugnissen nach wie vor von vielen Reedern begehrt wird. Die Aussage der Opposition, daß mit der neuen Schiffsbesetzungsverordnung eine Welle der Entlassung deutscher Seeleute einsetzen wird, ist genauso populistisch wie falsch. Durch die Möglichkeit des 40 prozentigen Einbehalts der Lohnsteuer bei Besatzungsmitgliedern, die mehr als 183 Tage auf Schiffen beschäftigt sind, verbessert sich die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Seemanns gegenüber ausländischen Seeleuten enorm. Insgesamt wird die Position deutscher Seeleute auf deutschen Schiffen durch die neue Schiffsbesetzungsverordnung gefestigt, die Zukunft der Ausbildung seemännischen Nachwuchses wird zum Positiven gewendet. Dieses Maßnahmepaket zur Förderung der Seeschiffahrt hat weitreichende Bedeutung. Zum einen wird der Reedereistandort Deutschland und der Betrieb einer deutschen Handelsflotte unter deutscher Flagge gesichert, und zum anderen werden notwendige Investitionen in vorhandene und neue Arbeitsplätze für deutsche Seeleute ermöglicht. Dieses Gesetzesvorhaben ist ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der deutschen Seeschiffahrt und zum Erhalt von mehr als 50 000 Arbeitsplätzen in der maritimen Verbundwirtschaft. Konrad Kunick (SPD): Das Abstimmungsverhalten der SPD-Bundestagsfraktion heute und unsere Haltung zum schiffahrtspolitischen Konzept der Bundesregierung fasse ich gleich zu Anfang meines Beitrages in dem Leitsatz zusammen: Ja zur Reform der Reedereibesteuerung, Nein zum Abbau deutscher Seemannsarbeitsplätze. Deshalb stimmen wir heute dem Schiffssicherheitsgesetz mit der implementierten Tonnagesteuer-Reform und der Lohnsteuervergütung an die Reeder zu. Wir warnen weiterhin, die mit der Einführung des Zweitregisters gefundenen Besatzungsregelungen weiter auszudünnen und mit der Änderung der Schiffsbesetzungsverordnung die Handhabe zu geben, daß weitere deutsche Seeleute von Bord ihrer Schiffe zum Arbeitsamt geschickt werden und ihre Arbeitsplätze für Kollegen aus Billiglohnländern räumen müssen. Eine richtige Schiffahrtsreform ist für uns eine Reform, die den Seeleuten an Bord und den Reedern zugute kommt. An diesem Maßstab will ich die heutigen Gesetzesinitiativen messen und die Absichten, welche das Haus Wissmann mit Hilfe des Bundesrates zu verwirklichen gedenkt. Mit ihrem Antrag 13/9075 hat die SPD-Fraktion Stellung bezogen zu den drei wesentlichen Elementen des schiffahrtspolitischen Konzepts der Bundesregierung auf Drucksache 13/8298: Schiffahrtsbesteuerung, Schiffssicherheit und Schiffsbemannung. Unser Antrag wurde in den Ausschüssen zusammen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Schiffssicherheit und dem Ergänzungsantrag zur Tonnagesteuer beraten. Dieser Entwurf und der Ergänzungsantrag decken zwei Elemente des schiffahrtspolitischen Konzeptes der Regierung ab, mit denen wir Sozialdemokraten weitgehend übereinstimmen und denen wir deshalb zustimmen. Im Verkehrsausschuß abgelehnt und im Finanzausschuß für erledigt erklärt hat die Koalition unseren Antrag wegen seines dritten Elements, unserer Ablehnung einer Änderung der Schiffsbesetzungs- verordnung zu Lasten der Seeleute. Auch zu diesem Punkt stellen wir noch einmal die Haltung der SPD- Bundestagsfraktion dar: Zwar muß die Änderung der Besetzungsregelungen nur der Bundesrat billigen. Wir appellieren aber aus der Mitte des Bundestages an die Küstenländer, ihre bisher zustimmenden Erklärungen mit Rücksicht auf die drohenden negativen Beschäftigungsauswirkungen noch einmal zu überprüfen und aus einer Veränderung zu Lasten der deutschen Seeleute eine Reform zu machen, die der personellen Schiffssicherheit dient und den Seemannsberuf in Deutschland dauerhaft sichert. Die materielle Förderung anderer europäischer Staaten zugunsten ihrer Seeleute und die Bemannungsvorschriften zum Beispiel im neuen italienischen Zweitregister können dabei als Vorbild dienen. Wenn heute argumentiert wird, der Arbeitsmarkt für Seeleute befinde sich doch in einem guten Zustand, dann ist das ein zynisches oder dummes Argument. Der Arbeitsmarkt wird heute davon bestimmt, daß die alte Schiffsbesetzungsverordnung bis zu sieben deutsche Seeleute für Schiffe im deutschen Zweitregister vorsieht. Und die Nachfrage wird weiter davon bestimmt, daß noch bis 1999 Schiffe mit den inzwischen gestrichenen Sonderabschreibungen von den Werften an die Handelsflotte ausgeliefert werden. Das sind noch Schiffe, die zur Führung der deutschen Flagge verpflichtet sind und die damit bis heute nach der Schiffsbesetzungsverordnung bemannt werden, die Sie von den Koalitionsparteien auszuhöhlen im Begriffe sind. Doch zuerst zum Positiven, erstens zur Einführung der von der SPD lange geforderten Tonnagesteuer und einer 40 Prozent Lohnsteuererstattung an deutsche Reeder. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der internationalen Konkurrenzfähigkeit unserer Handelsflotte unter schwarzrotgoldener Flagge. Mit diesem Instrument einer ergebnisunabhängigen Besteuerung folgt die Bundesrepublik anderen europäischen Seefahrtsstaaten, die ihrer Seeschiffahrt durch Kostenentlastung geholfen haben. Die Steuersätze dieses Tonnagesteuergesetzes sind an die Niederlande angelehnt, entsprechen der Steuerbelastung in anderen günstigen Schiffsregistern und haben unsere Unterstützung. Problematisch sind in unseren Augen die Nebenbedingungen dieses Tonnagesteuergesetzes: Es sieht keinerlei Übernahme von Sozialversicherungskosten, wie zum Beispiel in den Niederlanden, vor, obgleich Sozialkosten in konkurrierenden europäischen Zweitregistern ganz oder teilweise vom Staat übernommen werden. Erstattet werden sollen nur 40 Prozent der Lohnsteuer, obwohl in europäischen Konkurrenzregistern die Schiffahrtsstaaten auf bis zu 100 Prozent der Lohnsteuer zugunsten einer Senkung der Besatzungskosten und zugunsten der Beschäftigung eigener Leute verzichten. Die niederländischen Reeder führen 38 Prozent der nationalen Sozialversicherungsbeiträge nicht an den Staat ab. Italienische Schiffahrtsunternehmen können nach der vom Parlament beschlossenen Einführung eines Zweitregisters ab Juni 1998 die gesamte Lohnsteuer und die Sozialabgaben der Arbeitnehmer einbehalten. Vergleichbare Regelungen sind auch in Norwegen, Griechenland und Dänemark in Kraft, werden in Großbritannien und Schweden vorbereitet. Nach der Beschlußempfehlung 13/10271 auf Seite 4 werden „Handelsschiffen im internationalen Verkehr Seeschiffe, ... die in diesem Wirtschaftsjahr überwiegend außerhalb der deutschen Hoheitsgewässer zum Schleppen, Bergen oder zur Aufsuchung von Bodenschätzen ... eingesetzt werden", gleichgestellt. Ob das auch für Schiffe der Hochseefischerei gelten kann, bedarf noch der Überprüfung. Wir stimmen der heute vorgelegten Gesetzesinitiative trotzdem zu, weil sie ein Schritt in die richtige Richtung ist. Aber wir sagen: ein noch zu kleiner Schritt in die richtige Richtung. Zweitens behandeln sowohl unser Antrag als auch die heutige Gesetzgebung die Streichung deutscher zugunsten internationaler Schiffssicherheitsbestimmungen. Wir haben uns in der Diskussion im Verkehrsausschuß überzeugt, daß keinerlei Verschlechterung der Schiffssicherheit geplant ist und daß deutsche Bestimmungen, die noch nicht in europäisches oder internationales Recht eingegangen sind, auch zukünftig Bestand haben sollen. Die Gesetzesinitiative einer Anpassung an international geltende Sicherheitsnormen stellt in erster Linie das hölzerne Pferd dar, in das wir Parlamentarier, assistiert vom Verkehrsministerium, die Tonnagesteuer packen, um das Projekt an den Bremsern von Finanzminister Waigel vorbei ins Bundesgesetzblatt zu bringen. An dieser Stelle will ich den Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition, die diesen Abseits-Trick ersonnen haben, unseren sportlichen Respekt bekunden. Damit komme ich zurück auf das dritte Element, nämlich die Ankündigung des Bundesverkehrsministeriums, im Bundesrat die „Flexibilisierung" der Schiffsbesetzungsordnung vorlegen zu wollen mit der Absicht, die heutige Vorschrift - bis zu sieben deutsche oder EU-Seeleute als Kernbesatzung auf jedem deutschen Schiff des Zweitregisters - auszuhebeln. Weil Sie wissen, daß Ihre Reeder-Förderung im Vergleich zu anderen europäischen Seefahrtsstaaten auch nach den heutigen Beschlüssen geringer ist als in vergleichbaren europäischen Staaten, legen Sie durch diese beabsichtigte Änderung der Bemannungsordnung die Hälfte aller deutschen Seemannsarbeitsplätze oben drauf mit dem bemerkenswerten Bekenntnis: Wenn Sie das nicht täten, würde ausgeflaggt. Daß man auch den umgekehrten Weg gehen kann, wie Italien, scheint Ihnen keine weitere Erörterung wert zu sein. Dabei sind die Bedingungen des ab Juni 1998 geltenden italienischen Zweitregisters hochinteressant: Als nationaler Besatzungsanteil sind sechs italienische oder EU-Staatsbürger mit Offizierspatent vorgeschrieben, wobei Kapitän und Erster Offizier Italiener sein müssen. Vorgeschrieben werden auch zwei Ausbildungsplätze für Italiener oder EU-Bürger. Die Gegenleistung des italienischen Staates: Nur 20 Prozent der Reedereigewinne werden zur italienischen Gewinnsteuer herangezogen. Die Sozialkosten der Seeleute trägt der italienische Staat, und die von den Seeleuten gezahlten Lohnsteuern verbleiben zu 100 Prozent beim Reeder - Bericht in „Lloyds's List" vom 27. Februar 1998: „Italy establishing second register" und in „Trade Winds" vom 6. März 1998, Seite 10: „Register rethink timely". In letzterem Artikel aus London wird über die Reaktion der italienischen Reeder berichtet: „The Italien shipowners' Organisation Confirmata estimates the use of mixed crews an fiscal concessions could lead to 100 more vessels joining the flag in the next two years." Vergleicht man diese neuen italienischen Bestimmungen mit den von der Koalition beabsichtigten Rahmenbedingungen für die deutsche Seeschiffahrt, dann wird offenkundig, wie sehr das Konzept der Koalition auf dem Ausverkauf deutscher Seemannsarbeitsplätze beruht. In der deutschen Seeschiffahrt, dem Kern des maritimen Know-how der Küstenländer, arbeiten über zehntausend deutsche Arbeitnehmer als Kapitäne, Schiffsoffiziere, Bootsmänner und Maschinisten. Sie bilden im Drei-Schicht-Betrieb die verantwortliche Kernbesatzung auf der Brücke, im Maschinenraum und an Deck unserer deutschen Schiffe. Nach den Regeln des Zweitregisters wird diese ergänzt von Besatzungsmitgliedern, die aus aller Herren Länder kommen können. Und zur deutschen Seeschiffahrt zählen wir auch die gelernten Seeleute, Nautiker und Techniker, die das geballte Seefahrerwissen an den Fachschulen und Hochschulen der Küste weitergeben. Für die Zukunft dieser großen Personengruppe „deutsche Seeschiffahrt", einer der wichtigsten Zukunftsdienstleistungen der deutschen Küste, hat die mit dem heutigen Gesetz verbundene Schiffahrtskonzeption von Minister Wissmann leider nichts zu bieten. Die Einflüsterungen, man wolle die Landarbeitsplätze retten, indem man die Bordarbeitsplätze opfere, weisen wir als nachgerade zynisch zurück. Kernpunkt des Wissmann-Konzeptes ist - da die Förderung der Besatzungskosten durch Rückvergütung von 40 Prozent der Lohnsteuer den Reedern nicht ausreicht - der Verzicht auf deutsche Seeleutearbeitsplätze und der Ersatz durch Seeleute aus außereuropäischen Billigländern. Was dann vorgeschrieben bleibt, ist nur noch ein deutscher Kapitän auf kleinen Schiffen, zwei Deutsche auf mittleren und drei auf großen Schiffen. Wenn die deutschen Reeder die neuen Möglichkeiten der Schiffsbesetzung zwecks Ersparung von Besatzungskosten und ausreichendem Angebot von Arbeitnehmern aus Niedriglohnländern wahrnehmen, dann werden die Befürchtungen der Seeleutegewerkschaften ÖTV und DAG, die auch von vielen Fachverbänden geteilt werden, wahr, und die Hälfte der heute noch unter deutscher Flagge fahrenden deutschen Seeleute tritt den Weg zum Arbeitsamt an. Bei der von der Koalition beabsichtigten Änderung der vorgeschriebenen Bordarbeitsplätze für deutsche und EU-Seeleute müßte sich die Flotte unter deutscher Flagge mehr als verdoppeln, damit diese Änderung der Schiffsbesetzungsverordnung beschäftigungsneutral bliebe. Das aber ist in absehbarer Zeit leider nicht erreichbar, und somit geht dieser Teil der sogenannten Reform auf Kosten der deutschen Seeleute und wird von der SPD-Bundestagsfraktion abgelehnt. Die geplante SchBSV-Änderung ist keine Förderung der deutschen Seeschiffahrt. Sie ist im Gegenteil deren Demontage, von der ein Verlust der Kernkompetenz der Küste, ihres maritimen Humankapitals, droht. Mit ein bis drei deutschen Seeleuten an Bord, die sich auf drei Acht-Stunden-Wachen verteilen, läßt sich keine Ausbildung mehr organisieren. Und wenn im Zeitalter der Elektronik, der Satellitentechnik, des immer eigenverantwortlicheren Schiffssicherheitsmanagements der Betrieb von immer größeren und teureren Schiffen am Ende wirklich mit immer weniger hochqualifizierten Arbeitnehmern und dafür mit immer mehr Seeleuten aus der Dritten Welt erfolgen darf, dann ist das ein unverantwortlicher Sieg kurzatmigen Kostendenkens über die Sicherheit im Schiffsbetrieb, ein Pyrrhussieg von ShareholderValue über die personelle Schiffssicherheit. Dieser letzte Teil, der gar nicht in dem heute zur Verabschiedung anstehenden Gesetz steht, der jedoch zur Entlastung der Reeder zeitgleich in Kraft gesetzt werden soll, muß dringend noch einmal zugunsten einer ausreichenden Förderung auch der deutschen Seeleute überdacht werden. Unsere Seeleute haben das gleiche Recht auf Arbeit wie ihre Kollegen in den europäischen Nachbarstaaten, für die ihr Staat mit Rückendeckung der EU bedeutend mehr an Förderung bereitstellt. Dies bitten wir den Bundesrat bei seinem Votum dringend zu bedenken. Egbert Nitsch (Rendsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das vorgelegte Konzept ist halbherzig und hilflos und damit nicht in der Lage, die Situation der deutschen Seeschiffahrt zum Positiven zu wenden. Statt dem holländischen Modell weitgehend zu folgen, wird nur ein zu geringer Betrag den Reedern zugeführt, um die Anstellung deutscher Seeleute attraktiv zu machen. Es sollte auf die Lohnsteuer komplett (evtl. bis zu einem Höchstsatz wie in Holland: 40 % vom Brutto) verzichtet werden statt - wie jetzt vorgesehen - nur auf 40 % der Lohnsteuer; das wäre dann in etwa das italienische Modell, das auch für die Schiffsbesetzung vernünftige Vorgaben macht. Einverstanden sind wir mit der Tonnagesteuer (aber auch dazu macht Italien sinnvolle und schlüssige Vorgaben). Zugleich wird - und das gibt der Chance, in Deutschland die Berufe der Seeschiffahrt und die Ausbildungskapazitäten zu erhalten, den Rest - über die neue Schiffsbesetzungsverordnung der Schutz von Arbeitsplätzen für Deutsche weitgehend abgebaut. Die ÖTV hat recht, wenn sie fragt, wo denn bei knapp 800 verbleibenden Kapitänen der Nachwuchs herkommen soll, wenn nicht die entsprechende Zahl von deutschen Schiffsoffizieren eine Stelle auf deutschen Schiffen findet. Die Bundesregierung versagt auch in der Entwicklung von Perspektiven, die die Seeschiffahrt für den Weltverkehr haben kann. Auch wenn niemand ge- drängt werden soll, nicht mehr in den Urlaub zu fliegen, werden wir als Gesellschaft um die Beantwortung der Frage mittelfristig nicht herumkommen, wie das Ozonloch geschlossen werden soll, wenn der internationale Luftverkehr explosionsartig zunimmt (neue Aufträge für Airbus). Was spräche - auch angesichts der langen Urlaubszeiten bei uns - dagegen, auch für Fernreisen attraktive Schiffsliniendienste entwickeln zu helfen (wie beim Round-about-the- world-Frachtdienst)? Die deutsche Seeschiffahrt könnte einen deutlichen Aufschwung nehmen, viele inländische Arbeitsplätze auf Schiffen, den Werften und in der Forschung könnten neu geschaffen werden, wenn die Bundesregierung ein zukunftsfähiges Seeschiffahrtskonzept entwickeln würde, das die nötige ökologische Verantwortung für die Eine Welt beweist. Die Frage, wie die technischen Entwicklungen ökologisch vertretbarer Seeschiffe initiiert werden sollen, muß auch in diesem Zusammenhang gestellt werden. Nationale Alleingänge sind bei der Entwicklung hin zu Europa - besonders in bezug auf Patentinhaber, gebunden an die deutsche Staatsangehörigkeit - schlicht peinlich. Auch hier bietet das italienische Modell bessere Perspektiven, denn dort dürfen auch EU-Bürger als Patentinhaber Schiffe führen. Aus diesen Gründen lehnt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das vorgestellte Konzept als nicht ausreichend ab. Horst Friedrich (F.D.P.): Nach einer Phase, in der durch die Einführung des Zweitregisters der Trend zur Ausflaggung deutscher Handelsschiffe gebrochen zu sein schien, verstärkt sich die Ausflaggung wieder. Das Bundesverfassungsgericht hat den Fortbestand der deutschen Handelsflotte rechtlich den wichtigen Gemeinschaftsgütern zugerechnet - eine Einschätzung, die die F.D.P.-Bundestagsfraktion teilt. Darüber hinaus braucht eine Exportnation wie Deutschland eine eigene Flotte unter deutscher Flagge, weil sie nur so sicherstellen kann, daß sie weiterhin auch in den internationalen Gremien für Schiffsicherheitsfragen mitreden kann und gehört wird. Durch die Internationalität der Schiffahrt ist die deutsche Handelsflotte aber auch einem intensiven, internationalen Wettbewerb ausgesetzt und wird langfristig nur bestehen können, wenn das deutsche Regelwerk modernisiert und konsequent an die neuesten Bestimmungen der internationalen Schifffahrtsorganisation IMO sowie der EU angepaßt wird. Mit diesem Gesetz wird auf deutsche Sondervorschriften verzichtet, soweit sie durch den internationalen Harmonisierungsfortschritt überholt sind. Das Schiffsicherheitsanpassungs-Gesetz ist aber nur ein Element eines insgesamt dreiteiligen Maßnahmenpaketes, mit dem die Koalition eine spürbare Verbesserung der schiffahrtspolitischen Rahmenbedingungen schaffen will. Die Schiffssicherheit - das ist wichtig - wird durch die neuen Regelungen keinesfalls verschlechtert. Ein weiteres Element ist die Neufassung der Schiffsbesetzungsverordnung, die nicht mehr wie bisher eine Regelbesatzung vorschreibt, sondern dem Reeder die Verantwortung für die Besetzung des Schiffes im Einzelfall zuweist. Festgeschrieben wird allerdings, daß auf Schiffen aller Größen der Kapitän die deutsche Staatsbürgerschaft haben muß - gegenüber der bisherigen Regelung sogar eine „Verschärfung". Damit ist aus Sicht der F.D.P. auch sichergestellt, daß die Ausbildung von Seeleuten in Deutschland bleibt, weil nur so am Ende der Ausbildung auch der deutsche Kapitän steht. Auf Schiffen mit einer Bruttoraumzahl (BRZ) von über 8 000 müssen, einschließlich des Kapitäns, drei Deutsche bzw. drei Unionseuropäer fahren. Auch diese Vorschrift sichert aus Sicht der F.D.P. Ausbildungsplätze auf deutschen Schiffen für seemännische Berufe. Der für uns entscheidende Teil ist aber die Einführung der Tonnagesteuer für deutsche Seeschiffe, verbunden mit einem 40 prozentigen Lohnsteuereinbehalt für Reeder von der abzuführenden Lohnsteuer der auf ihren Schiffen tätigen Seeleute. Damit ist aus unserer Sicht der entscheidende Schritt getan, die Abgabenbelastung der Reeder im internationalen Verkehr auf ein wettbewerbsverträgliches Niveau zu verringern. Die F.D.P. hat sich von Anfang an aktiv für die Belange der deutschen Reeder eingesetzt. Unser ehemaliger Kollege und jetziger Oberbürgermeister von Bremerhaven Manfred Richter hat in seiner Parlamentszeit wiederholt Vorstöße in der Lohnsteuerfrage - Montage-Erlaß - unternommen. Es ist auch sein Werk, was jetzt abgeschlossen wird. Die Einführung der Tonnagesteuer in die von der SPD blokkierte Steuerreform geschah auf Initiative der F.D.P. Ich gehe davon aus, daß die Erfolgsaussichten für die endgültige Umsetzung jetzt besser sind, zumindestens wenn man sich an die Äußerungen führender SPD-Vertreter aus Bund und Ländern hält. Für die F.D.P. ist dieses Gesetz in allen Teilen ein entscheidendes Signal an die deutschen Reeder, daß sie in Deutschland als Rückgrat der maritimen Wirtschaft erwünscht sind. Sie sind jetzt auch in der Pflicht. Die Ausflaggung muß beendet werden. Die Niederlande haben uns vorgeführt, daß vor allem die Tonnagesteuer dort zur Rückflaggung geführt hat und zu mehr Arbeitsplätzen im Bereich der maritimen Verbundwirtschaft. Auch die SPD ist in der Pflicht. Wenn sie diesem Gesetz ihre Zustimmung verweigert, gibt es keine Ausreden mehr. Ich bin gespannt auf die Entscheidung der Opposition. Dr. Dagmar Enkelmann (PDS): Der Verband Deutscher Reeder wertet die von der Bundesregierung und Koalition vorgelegten Maßnahmen zur Verbesserung der schiffahrtspolitischen Rahmenbedingungen als „deutliches Signal für den politischen Willen, den Schiffahrtsstandort Deutschland zu stärken". Die ÖTV allerdings spricht von dem einen Teil dieses Maßnahmepakets, von der Flexibilisierung der Schiffsbesetzung nämlich, von totaler Vernichtung aller deutscher Seearbeitsplätze. Eine sehr unterschiedliche Wertung, wie sie feststellen werden, die es sehr wohl verdienen würde, hier Gegenstand unserer Debatte zu sein. Uns aber ist lediglich eine Auseinandersetzung mit dem mehr oder weniger unstrittigen Teil des Maßnahmepaktes vergönnt. Nachdem am ursprünglichen Entwurf für das Schiffssicherheitsanpassungsgesetz noch etwas herumgefeilt wurde und die steuerlichen Vergünstigungen an das Führen der deutschen Flagge gebunden wurden, wird die Einführung der Tonnagesteuer sowie die Abtretung von 40 Prozent der abzuführenden Lohnsteuer an die Reeder von allen Betroffenen als hilfreich für die deutsche Seeschiffahrt gewertet, um einem weiteren Ausflaggen entgegenzuwirken. So weit, so gut, so Konsens. Der sensible Teil des Maßnahmepakets für die Seeschiffahrt wird jedoch auf dem Verordnungswege geregelt und ist damit nicht Gegenstand parlamentarischer Beratung. Wie Sie richtig vermuten, handelt es sich um die Schiffsbesetzungsverordnung. Diese schreibt nicht mehr, wie bisher, eine Regelbesatzung von 7 Seeleuten mit deutschen Zertifikaten vor, sondern weist dem Reeder die Verantwortung für die Besetzung des Schiffes zu, wobei Kapitän auf Schiffen aller Größen ein Deutscher sein muß. Für den Rest der Besatzung ist die deutsche Staatsbürgerschaft nicht mehr vorgeschrieben. Dies wäre vom Grundsatz her kein Problem. Denn warum sollten Angehörige anderer Staaten nicht auf deutschen Schiffen beschäftigt sein? Zum Problem wird es aber, wenn die Bedingungen, zu denen die Seeleute arbeiten, die Bedingungen ihrer Herkunftsländer sind, sprich: die Seeleute zu Niedrigstlöhnen beschäftigt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat 1995 seine Begründung für die Bewertung des Zweitregisters als verfassungskonform auf die bestehende Schiffsbesetzungsverordnung aufgebaut. In Deutschland sind von den 772 Schiffen unter deutscher Flagge bereits heute 457 Schiffe im Zweitregister gemeldet. Mit dem Zweitregister - ISR, Internationales Seeschifffahrts-Register - hat die Bundesregierung die Möglichkeit geschaffen, durch den Abbau geltender Standards und sozialer Bedingungen in Konkurrenz zu den Billigflaggen anderer Länder zu treten. Ein Wettbewerb mit Bedingungen, die im Extremfall bedeuten, daß Seeleute nur für Kost und Logis arbeiten, kann nicht gewonnen werden und geht eindeutig zu Lasten der Seeleute. Hier müssen international einheitliche Lohn- und Sozialstandards her, um die Arbeitsplätze für die deutschen Seeleute zu erhalten und diese vor Lohn- und Sozialdumping zu schützen. An diesem Punkt hat die Bundesregierung keine Anstrengungen unternommen, um die Beschäftigten abzusichern. Wieder einmal folgt die Bundesregierung ihrer beliebten Maxime „Liberalisierung ohne Harmonisierung". Dafür muß sie aufs schärfste kritisiert werden. Ein Wort noch zum Thema Schiffsbeteiligungen. Hier geht die Kritik an die SPD, die dafür gesorgt hat, daß Schiffsbeteiligungen im Jahressteuergesetz 1997 erhalten geblieben sind: So hilfreich sie den Reedern im konkreten Fall auch sein mögen, Schiffsbeteiligungen sind in erster Linie eine Abschreibungsmöglichkeit, die zur Steuerumgehung geradezu einlädt. Beihilfen für die Seeschiffahrt sind erforderlich; darüber besteht Einigkeit. Diese müssen aber transparent sein und dürfen dem Staat unter dem Strich auf der Einnahmeseite nicht mehr schaden, als sie ihm auf der Ausgabeseite nützen. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 12 (Beschlußempfehlung zu dem Antrag: Einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor einrichten - Massenarbeitslosigkeit und ihre sozialen Folgen bekämpfen) Manfred Grund (CDU/CSU): Der PDS-Antrag „Einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor einzurichten" geht davon aus, daß weder wirtschaftliches Wachstum noch die Senkung der Arbeitskosten zu einer Lösung der Arbeitsmarktprobleme führen können. Daraus abgeleitet wird eine massive staatliche Intervention gefordert mit einem breiten und dauerhaft angelegten und kostspieligen staatlichen Arbeitsmarktprogramm. Ich will mir den Einstieg nicht zu leicht machen, sonst würde ich sagen, dies kommt mir sehr bekannt vor. Ich habe bis 1989 in einer Wirtschaftsordnung gelebt, die eine einzige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme war. Allerdings waren die Arbeitslosen nicht auf der Straße, sondern in den Betrieben versteckt. Am Ende der DDR stand 1989 der wirtschaftliche Bankrott. Man hatte auf bescheidenem Niveau über die wirtschaftlichen Verhältnisse gelebt. Eine Einheit von Wirtschaft und Sozialpolitik hat es nie gegeben. Fragen der Wirtschaft und der Wirtschaftlichkeit, der Effizienz und der Kosten spielten bei politischen Entscheidungen keine Rolle. Ähnlich im vorliegenden Antrag: Kein Wort vom ersten, regulären Arbeitsmarkt. Kein Wort von den Herausforderungen, die sich aus Globalisierung, Strukturwandel sowie demografischer Entwicklung ergeben. Kein Wort von der millionenfachen Zuwanderung oder der Änderung der Erwerbsneigung. Statt dessen wird die Bundesregierung in eine Gesamthaftung für Massenarbeitslosigkeit und Sozialabbau genommen. In der Einleitung zum Antrag versteift sich die PDS zu folgenden abstrusen Formulierungen: „Kinder, die auf der Straße leben, ..., sind kennzeichnend für die bundesdeutsche Gesellschaft. Beseitigung der sozialen Bürgerrechte. Die Reproduktionsfähigkeit der Gesellschaft ist ernsthaft gefährdet. Die Gesellschaft lebt nicht über ihre Verhältnisse sondern weit unter ihren Möglichkeiten. Verfestigung sozialer Brennpunkte und Ghettoisierung ärmerer Bevölkerungsgruppen." Meine Damen und Herren von der PDS, das ist nicht von dieser Welt und Sie leben nicht in dieser Welt. Ihr Blick ist rückwärtsgerichtet, und Sie haben aus den Erfahrungen des real-sozialistischen Staatsbankrottes nichts, aber auch gar nichts gelernt. Sie sind in einer Weise staatsgläubig, daß es weh tut. Und wenn Sie formulieren, daß eine Ausweitung der Produktion nicht an sinkende Arbeitskosten, sondern an wachsende Nachfrage gebunden ist, dann haben Sie nicht nur nichts aus 40 Jahren real-existierendem Sozialismus gelernt, auch die Entwicklung der letzten Jahre werden nicht zur Kenntnis genommen. Bei Nettotransfers von jährlich nahezu 100 Milliarden DM ist für die neuen Bundesländer ein gigantisches Nachfrageprogramm aufgelegt worden, dem nach Ihrer Theorie jede Menge Arbeitsplätze hätten folgen müssen. Und was erleben wir? Das Nachfrageprogramm Ost löste eine Sonderkonjunktur West aus. Weil ganz einfach die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht stimmten. Produktivitätslücken, zu hohe Lohnstückkosten, eine Produktion, die auf Kundenwünsche nicht einging. Nein, Nachfragesteigerung ist ebensowenig der Königsweg für mehr Arbeitsplätze wie die Ausweitung der Staatsbeschäfigung auf alle Arbeitslosen. Reguläre Arbeitsplätze entstehen nicht beim Staat. Der Staat schafft keine Arbeitsplätze. Er zahlt für Beschäftigungsprogramme einen Lohn aus, den er vorher irgend jemand wegsteuern muß, wenn er es nicht sogar über Schulden finanziert. Arbeitsplätze müssen vorrangig in der Privatwirtschaft geschaffen werden, in Industrie, Gewerbe, Dienstleistung. Diese Binsenweisheit gilt in normalen Zeiten, aber auch in Zeiten des Strukturwandels von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft. Noch zur Jahrhundertwende waren 70 von 100 Arbeitnehmern in der Landwirtschaft beschäftigt, nach 1945 waren es immer noch 50, heute sind es noch 3 oder 4. Sind damals neue Arbeitsplätze in der wachsenden Industrie entstanden, so sind es heute Dienstleistungs- und Servicebereiche, Telekommunikation, Gesundheits-und Fitneßbereiche, in denen ein Zuwachs zu verzeichnen ist. Wir haben Sorge zu tragen, den regulären Arbeitsmarkt zu stabilisieren, den Strukturwandel hilfreich zu begleiten, ihm aber nicht im Wege zu stehen und natürlich haben wir mit den Instrumentarien der aktiven Arbeitsmarktpolitik für von Arbeitslosigkeit Betroffenen die Umbrüche zu erleichtern. Aber die Reihenfolge ist wichtig, der reguläre Arbeitsmarkt zuerst, dafür die Rahmenbedingungen schaffen, dann die alternativen Beschäftigungsformen. Wer nur umverteilen will, wird bald nichts mehr zum Verteilen finden. Deshalb hat die Bundesregierung seit 1982 konsequent auf eine Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung gesetzt. So sind in den alten Bundesländern von 1982 bis 1992 etwa 3 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze entstanden. Dem vorausgegangen waren die große Steuerreform mit einer Entlastung der unteren und mittleren Einkommen, Tarifsteigerungen, die sich am Produktivitätsfortschritt orientierten, stabile Zinsen und ein stabiler Außenkurs der D-Mark. Um eine solche Entwicklung noch einmal möglich zu machen, hat die Bundesregierung zahlreiche Reformen vorgenommen und damit die Rahmenbedingungen für stärkere private Investitionen und Arbeitsplätze nachhaltig verbessert. Derzeit zeichnen sich - allerdings begrenzt auf den westdeutschen Arbeitsmarkt - erste Erfolge ab, obwohl es uns nicht gelungen ist, die Steuerreform umzusetzen. Der Beschäftigungsabbau ist gestoppt, ausländisches Kapital wird wieder investiert, Produktionen werden aus den Billigländern zurückverlagert. Anders ist die Situation in den neuen Bundesländern. Stabilisierung und verhaltenem Wachstum im industriellen Fertigungsbereich stehen Überkapazitäten in der Bauwirtschaft gegenüber. Wachstumsregionen stehen Regionen mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit gegenüber. Bei in Ost wie West vergleichbarer Erwerbstätigenquote ist die Erwerbsneigung bei Frauen der neuen Bundesländer wesentlich höher als in den alten Bundesländern. Weil das so ist und weil es Personengruppen gibt, die schwer vermittelbar sind und die auf absehbare Zeit keinen Zugang zum ersten Arbeitsmarkt und auch nicht zum geförderten Arbeitsmarkt finden, sind die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik neben dem Ziel der Eingliederung oder Wiedereingliederung in den ungeteilten Arbeitsmarkt daraufhin verändert worden, diese Personengruppen sinnvoll und gemeinnützig zu beschäftigen. Im Eingliederungstitel der Bundesanstalt für Arbeit stehen 40 Milliarden Mark für Fortbildung und Umschulung, Arbeitsbeschaffung und Strukturanpassung zur Verfügung. Mit diesen 40 Milliarden Mark sollen Brücken gebaut, aber auch Inseln der Hoffnung geschaffen werden. Dabei sind wir auf das Mitwirken von Kommunen, Sozialverbänden und ABS-Gesellschaften angewiesen. Um deren Eigenanteil zu minimieren, hat die Bundesregierung zusätzlich 600 Millionen DM für Sachkostenzuschüsse bereitgestellt. Inhaltlich wird sinnvolle Arbeit im Kinder-, Jugend- und Sozialbereich, beim Denkmalschutz, beim Umweltschutz und bei der Wohnumfeldgestaltung organisiert. Allerdings: Zeitlich nicht befristete Projektförderungen im sozialen und kulturellen Bereich gehören nicht zu den Aufgaben des Bundes in der Arbeitsmarktpolitik. Sozial- und Kulturpolitik sind Aufgabe der Länder und Kommunen. Im übrigen haben sich die Regelungen über abgesenkte Tarifentgelte für in ABM geförderte Arbeitnehmer bewährt. Wer im zweiten Arbeitsmarkt beschäftigt wird, kann nicht den Lohn des ersten Arbeitsmarktes erhalten. Neben den Inhalten eines von der PDS geforderten öffentlichen Beschäftigungssektors teilen wir auch nicht die Überlegungen zu dessen Finanzierung. Arbeitgeber sollen mit zusätzlichen Kosten von 20 Milliarden DM jährlich über die Arbeitslosenversiche- rung und über eine Arbeitsmarktabgabe belastet werden. Nicht nur verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem entgegen. Alles, was Unternehmen belastet, kostet Arbeitsplätze, schwächt die Investitionsbereitschaft und damit das Wirtschaftswachstum. Wir brauchen aber positive Beschäftigungseffekte am ersten Arbeitsmarkt, der stabil genug sein muß, um den zweiten Arbeitsmarkt zu finanzieren. Einen institutionalisierten, auf Dauer angelegten öffentlich geförderten Beschäftigungssektor lehnen wir ab. Adolf Ostertag (SPD): Die Regierung Kohl hat bisher davon profitiert, daß die arbeitslosen Menschen in diesem Land sich nicht kräftig genug zu Wort meldeten. Damit ist es jetzt vorbei. Die Protestaktionen der Arbeitslosen zeigen, daß ihnen endgültig die Galle überläuft und daß sie sich nicht mehr verstecken. Viele der 5 Millionen Arbeitslosen rütteln kräftig an den Regierungssesseln der Konservativen. Das ist auch gut so, denn zu lange wurden sie mit leeren Versprechungen verschaukelt. Die Massenarbeitslosigkeit rüttelt aber auch an den Grundfesten unserer Sozialen Marktwirtschaft, an dem wirtschaftlichen Fundament unserer Demokratie. Das ist überaus gefährlich. Trotz dieses Hintergrundes setzen Kohl und Blüm unbeirrbar und unbelehrbar weiterhin auf eine Arbeitsmarktpolitik, deren ausschließliche Prinzipien Deregulierung und Individualisierung des Problems Arbeitslosigkeit heißen. Die „Globalisierung" und die „Standortfrage" müssen als Rechtfertigung des konservativen Leitbilds aus dem 19. Jahrhundert herhalten, nach dem die Ware „Arbeitskraft" wie jede andere Ware im Kapitalismus behandelt werden soll. Die Arbeitskosten müßten nur abgesenkt werden, dann verbesserte sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, und neue Jobs entstünden automatisch, wenn auch auf niedrigerem, „marktgerechten" Lohn- und Sozialniveau. Diese arbeitsmarktpolitische Laisser-faire-Politik wird dann auch noch als modern ausgegeben: - als wenn es modern wäre, in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit die aktive Arbeitsmarktpolitik systematisch gegen die Wand zu fahren; - als wenn es modern wäre, die Arbeitslosen selbst zu Versagern und Drückebergern zu stempeln und die Zumutbarkeitsschraube anzuziehen; - als wenn es modern wäre, einen womöglich noch über die Sozialhilfe subventionierten Niedriglohnsektor einzurichten, der dann noch nicht einmal existenzsichernd ist. Alle babylonischen Sprachverwirrungen und jede noch so schön klingende Umschreibung ihrer Sozialabbau-Programme können nicht darüber hinwegtäuschen: Die Politik des „Weiter so" der Regierung Kohl ist vollkommen gescheitert und geht zu Ende. Was Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, wollen, nämlich Marktwirtschaft pur, ist zutiefst ungerecht. Diese Orientierung am Profitprinzip sieht nur die betriebswirtschaftlichen Kosten von Arbeitsplätzen. Die gesamtwirtschaftlichen und sozialen Kosten der Arbeitslosigkeit werden hingegen der Allgemeinheit aufgebürdet. Das sind 180 Milliarden DM pro Jahr. Gleichzeitig befinden sich die Gewinne vieler Unternehmen auf Rekordniveau. So wenig wie sich für Sie als christliche Partei Himmel und Hölle vertragen, verträgt unsere Gesellschaft dauernde Spitzenwerte bei den Aktienkursen und bei den Arbeitslosenzahlen. Wir als Sozialdemokraten verfolgen einen ganz anderen Ansatz. Zu einer Sozialen Marktwirtschaft, die diesen Namen verdient, gehört auch ein aktives Vorgehen des Staates gegen strukturell verhärtete Arbeitslosigkeit. Die SPD bekennt sich ausdrücklich zu einer Beschäftigungsförderung mit Hilfe öffentlicher Mittel. Ein wichtiger Bestandteil innerhalb eines von uns vorgeschlagenen Maßnahmenbündels für mehr Beschäftigung ist das Instrumentarium der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Hierzu zählen personenbezogene Maßnahmen, wie z. B. ABM oder Qualifizierungsmaßnahmen, aber auch eine personenunabhängige Förderung von Projekten, die auf eine regionale Strukturverbesserung abzielen und dauerhaft konzipiert sind. Ein Beispiel sind die Strukturanpassungsmaßnahmen, die nach dem SGB III derzeit nur für den Umweltbereich, für soziale Dienste und für die Jugendhilfe möglich sind. Die SPD tritt für eine Ausweitung der Tätigkeitsfelder und für eine Verstetigung der Finanzierung dieser Projekte ein. Es muß endlich Schluß mit dem Stop and Go bei der Finanzierung arbeitsmarktpolitischer Projekte sein. Arbeitslose und Maßnahmenträger brauchen Planungssicherheit. Die SPD will den Irrsinn der letzten Jahre stoppen, als bei steigender Arbeitslosigkeit die aktive Arbeitsmarktpolitik zusammengekürzt wurde. Wurden 1992 nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums bei 3 Millionen Arbeitslosen noch über 61 Milliarden Mark für aktive Maßnahmen ausgegeben, so waren es im vergangenen Jahr bei 4,4 Millionen offiziell registrierten Arbeitslosen nur noch rund 37 Milliarden Mark. Und darin sind dann Gelder für Kurzarbeit und Vorruhestand, die richtigerweise nicht zu den aktiven Maßnahmen zählen dürfen, bereits enthalten. Wir brauchen statt dessen eine antizyklische Regelung, die in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit die Maßnahmen hochfährt, anstatt durch Kürzungen das Problem Massenarbeitslosigkeit noch zu verschärfen. Hierzu hat die SPD mit dem Arbeits- und Strukturförderungsgesetz (ASFG) einen ausgearbeiteten Gesetzentwurf vorgelegt. Die Grundidee ist ähnlich wie bei den Strukturanpassungsmaßnahmen, die Ausgestaltung ist aber weit weniger restriktiv: - Die enge Begrenzung der Einsatzfelder soll entfallen, - ebenso die untertarifliche und mehrmals abgesenkte Bezahlung, - Sachkostenzuschüsse werden genauso ermöglicht wie eine Verzahnung mit Qualifizierungsmaßnahmen. Hinzu kommt nach unserem ASFG eine Förderung sozialer Betriebe, die erwerbswirtschaftlich arbeiten und in denen schwervermittelbare Arbeitslose beschäftigt werden. Für Arbeitslose bringt das ASFG nach Ablauf bestimmter Fristen einen Rechtsanspruch auf eine Beschäftigungs- oder Qualifizierungsmaßnahme. Das ASFG bringt einen Regelmechanismus in der Weise, daß mindestens die Hälfte der Gesamtausgaben der Bundesanstalt für Arbeit für aktive Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik ausgegeben werden muß. Das ASFG bringt eine flexible und wirtschaftsnah ausgestaltete Verzahnung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente mit regionaler Wirtschafts- und Strukturpolitik. Und nicht zuletzt: Wir halten im ASFG am Vollbeschäftigungsziel fest, das von der Regierung Kohl bei der sogenannten Reform der Arbeitsförderung klammheimlich aufgegeben wurde. Der von der PDS eingebrachte Antrag ist von der Intention her richtig: Massenarbeitslosigkeit durch öffentlich geförderte Beschäftigung bekämpfen. Ein gangbarer Weg ist die bürokratieintensive Schaffung eines neuen, eines dritten Arbeitsmarktsektors aber nicht. Die Einrichtung eines eigenen, von öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des ASFG getrennten Sektors würde gerade zur Verkümmerung dieser Maßnahmen führen. Dies um so mehr, als Anreize sowohl für Arbeitslose als auch für Arbeitgeber fehlen, Arbeit auf dem „normalen" Arbeitsmarkt anzunehmen bzw. anzubieten. Die vollständige und auf Dauer angelegte Aufgabe der sogenannten Brückenfunktion zurück in den ersten Arbeitsmarkt entläßt die privatwirtschaftlichen Arbeitgeber viel zu billig aus ihrer Verantwortung für eine ausreichende Zahl an Arbeitsplätzen. In einer Sozialen Marktwirtschaft ist es aber vorrangig Aufgabe der Wirtschaft, Arbeit nachzufragen. Aufgabe des Staates ist eine Rahmensetzung für mehr Beschäftigung und in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit ein Ausbau der Instrumente aktiver Arbeitsmarktpolitik. Hierzu hat die SPD mit dem ASFG ein praxistaugliches Gesetz vorgelegt, das von Länderseite, von Arbeitsmarktexperten und Praktikern ausdrücklich als zukunftsweisend gelobt wurde. Die SPD wird auch weiterhin nicht aufhören, den totalen Fehlschlag der Beschäftigungspolitik der Noch-Bundesregierung zu brandmarken. Die SPD wird nicht aufhören die Horrorzahlen vom Arbeitsmarkt zum Anlaß zu nehmen, einer abgewirtschafteten Politik konkrete Vorschläge für mehr Arbeitsplätze entgegenzustellen. Die SPD wird ihr Konzept nach der Bundestagswahl in die Praxis umsetzen. Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundesregierung ist mit ihren beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischen Konzepten offensichtlich gescheitert: Trotz Sparpaket und der diversen Programme für Wachstum und Beschäftigung steigen die Arbeitslosenzahlen genauso wie die Defizite der öffentlichen Haushalte und die Lohnnebenkosten weiter und weiter. Die Arbeitslosigkeit hat in der Ära Kohl den höchsten Stand in der Geschichte der Bundesrepublik erreicht. Realistischerweise hat man das Ziel, die Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 zu halbieren, inzwischen ja nun auch aufgegeben. Eines dürfte uns die Politik der Bundesregierung in jedem Fall gelehrt haben: daß das blinde Setzen auf die Selbstheilungskräfte des Marktes angesichts von Massen- und Langzeitarbeitslosigkeit vergeblich ist. Wirtschaftswachstum bedeutet eben nicht mehr automatisch auch Zuwächse an Beschäftigung. Produktivitätssteigerung und Rationalisierung machen es möglich, im industriellen wie im Dienstleistungssektor mit immer weniger menschlicher Arbeit auszukommen. Wir müssen damit umgehen, daß wir in einer Gesellschaft leben, in der Vollbeschäftigung nach klassischem Muster kein realistisches Ziel mehr ist und - man denke an die Frauen - eigentlich auch nie war. Aber obwohl die Arbeitslosenzahlen steigen und steigen, bietet uns die Bundesregierung die immergleichen Antworten auf das vermeintliche Standortproblem: Deregulierung, Kostensenkung durch Absenkung von Standards und Wachstum, Wachstum, Wachstum. Dabei sind Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, mit ihrer verfehlten Finanz-, Wirtschafts-, Steuer- und Arbeitsmarktpolitik für einen Gutteil des massiven Anstiegs der Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren verantwortlich. Weder die geänderten Ladenöffnungszeiten noch die Aufweichung des Kündigungsschutzes oder die verbesserten Bedingungen für befristete Arbeitsverträge und Leiharbeit brachten bisher neue Jobs. Das Arbeitsbündnis Ost wurde in den Sand gesetzt: 100 000 Arbeitsplätze waren den Menschen in Ostdeutschland für 1997 versprochen, statt dessen verloren 200 000 ihren Arbeitsplatz. Bei den Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik wird seit Jahren ohne Sinn und Verstand gekürzt. Von den 400 000 Arbeitslosen mehr in 1997 geht mindestens die Hälfte auf das Konto dieser Kürzungen, und künftig möchte Herr Fink die Arbeitsförderung auf Sozialhilfeniveau abfeiern. Auch die Reform des Arbeitsförderungsgesetzes hat Ihre Beschäftigungsbilanz nicht verbessern können. Und ob es Ihnen gelingen wird, mit dem extra fürs Wahljahr aufgelegten Sonderprogramm die Statistik noch vor dem 27. September ein wenig zu glätten, wird sich zeigen. Aber auch der vermeintliche Automatismus „Staatliche Mehrausgaben schaffen mehr Beschäftigung", auf den die PDS in dem heute hier zur Debatte stehenden Antrag setzt, läuft zunehmend ins Leere. Der internationale Vergleich belegt, daß weder staatliche Investitionsprogramme noch steigende Ausgaben für Arbeitsmarktpolitik automatisch mit sinkenden Arbeitslosenquoten einhergehen. Dazu bedarf es schon differenzierterer Strategien. Die PDS versucht nun mit ihrem Konzept, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: den Abbau der Arbeitslosigkeit und den Ausbau von öffentlicher Infrastruktur und Dienstleistungen. Diese Idee ist als solche ja keineswegs neu: das AFG ging im Prinzip von diesem Ansatz aus, und auch sozialdemokratische und bündnisgrüne Programmatik kennen den Gedanken durchaus. Hier wird dieser Grundsatz jedoch zur Legitimation eines - über alle bisherigen Konzepte von öffentlich geförderter Beschäftigung weit hinausreichenden - Beschäftigungssektors herangezogen, der das Problem von sage und schreibe 7 Millionen Erwerbsarbeitsplätzen lösen soll. Über Geld braucht man da gar nicht mehr zu reden. Die Rechnung: „massig Geld plus jede Menge Arbeitslose = optimale Abdeckung gesellschaftlicher Bedarfe" ist einfach zu pauschal. Zumal nicht einzusehen ist, warum gerade die Arbeitslosenversicherung bzw. die Bundesanstalt für Arbeit für das öffentliche Finanzchaos und das daraus resultierende Unterangebot an bestimmten öffentlichen Dienstleistungen und Infrastrukturen geradestehen soll. Und die Forderung nach einem übermächtigen „Fonds für soziale und ökologische Gemeinschaftsaufgaben" läßt um die Autonomie von Bundesanstalt und Arbeitslosenversicherung fürchten. Natürlich ist es richtig, daß - vor allem in Ostdeutschland - gesellschaftlich notwendige Aufgaben im sozialen und ökologischen Bereich einfach liegenbleiben. Aber warum reden wir dann nicht - gerade mit Blick auf die Probleme in den ostdeutschen Ländern und Kommunen - statt über einen Megafonds über einen vernünftigen Finanzausgleich, der die Kommunen in die Lage versetzt, Leistungen gegen Geld am Markt einzukaufen? Warum reden wir nicht über die Defizite der bestehenden „Bedarfsdeckungssysteme", so zum Beispiel der Pflegeversicherung? Und natürlich ist es richtig, daß wir für bestimmte Arbeitslosengruppen langfristig öffentlich geförderte Beschäftigung brauchen werden, weil ihre Wiedereingliederungschancen in den Arbeitsmarkt einfach schlecht sind und bleiben werden. Ich denke hier zum Beispiel an ältere Arbeitslose. Und es ist richtig, daß wir - vor allem für arbeitslose Jugendliche - kurzfristig greifende Programme brauchen, die auch Geld kosten. Aber so, wie die PDS sich das vorstellt, wird es nicht gehen. Uwe Lühr (F.D.P.): Die PDS hat den Super-Gau ausgemacht: „Die Erosion der traditionellen Arbeitsgesellschaft gefährdet die Reproduktionsfähigkeit der Gesellschaft ernsthaft. Die sozialen Spaltungen beginnen", so die PDS, „den Zusammenhalt der Gesellschaft aufzulösen, und mit der Beseitigung der sozialen Bürgerrechte für immer größere Gruppen schwindet das demokratische Fundament der Gesellschaft." Die Antwort darauf und auf die „zunehmende Vernichtung der ökologischen Lebensbedingungen in ÖBS." Jetzt hat die eierlegende Wollmilchsau einen Namen: ÖBS. Öffentlich geförderter BeschäftigungsSektor! ÖBS verbessert die soziale Reproduktion und Prävention, fördert gesundheitliche Prävention und Nachsorge, ÖBS erhöht das allgemeine Qualifikationsniveau und den kulturellen Lebensstandard, ÖBS fördert demokratische Medienprojekte, freie Theater und andere selbstorganisierte Kulturräume, integriert Ausländerinnen und Ausländer, ÖBS überwindet strukturelle Benachteiligungen von Frauen und Mädchen, verbessert die Integration von Menschen mit Behinderungen, erhöht das Angebot nichtkommerzieller Freizeitmöglichkeiten wie Nachbarschaftshäuser, Altentreffs, Jugendclubs, Frauencafes, fördert Selbsthilfeinitiativen und nachbarschaftliche Gemeinwesenarbeit, ÖBS hilft bei der Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, unterstützt Projekte, die noch nicht marktfähige Produkte für soziale Dienste, pädagogische und kulturelle Aufgaben, sowie den Umweltschutz entwickeln, ebenso wie Renaturierungsprojekte, ÖBS beseitigt ökologische Altlasten und entwickelt ein Netz ökologischer Beratungsdienste auf lokaler Ebene. Kurz: ÖBS ist everywhere! ÖBS ist auch finanziert: mit einem Fonds. Mit einem Fonds für soziale und ökologische Gemeinschaftsaufgaben. Analog der gängigen Empfehlung „ ... und wenn man nicht mehr weiter weiß, dann macht man einen Arbeitskreis" ... übernimmt bei Finanzproblemen die Finanzierung erst einmal ein Fonds. Aber Fonds haben nun einmal die unangenehme Eigenschaft, daß sie gespeist werden müssen. Dafür hat die PDS sechs Quellen ausgemacht: 1. „Mehreinnahmen der Bundesanstalt für Arbeit, die durch eine Reform der Bemessungsgrundlage des Arbeitgeberanteils zur Arbeitslosenversicherung entstehen", also eine neue Wertschöpfungssteuer. 2. „Mehreinnahmen aus der Erhebung einer Arbeitsmarktabgabe für alle Erwerbseinkommen oberhalb des jährlichen steuerfreien Existenzminimums von 17000,- DM, für die bisher keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet werden" , also Beitragspflicht für alle, Leistung nur für manche. 3. „Abgaben der von der Schaffung des ÖBS profitierenden Kommunen", die haben's ja! 4. „Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt", der hat's auch! 5. „Zinserträge aus der Kreditvergabe an Projekte und Unternehmen im ÖBS" und 6. „Einnahmen aus dem Interessenausgleich bei Massenentlassungen", wohl damit die Massen noch größer werden, die zur Entlassung anstehen!! Insgesamt also ein stattlicher Maßnahmenkatalog zur Attraktivitätssteigerung des Standortes Deutschland! Es ist schon nicht mehr nur erstaunlich, sondern erschreckend, mit welchem Zynismus die PDS ihr OstWest-Kalkül verfolgt, das auf den dumpfen Widerstand setzt. Die außerordentlich hohe Betroffenheit der Bürger in den neuen Bundesländern von Arbeitslosigkeit und die miserable kurzfristige Perspektive verleiten zu einfachen Lösungen, Lösungen wie ÖBS. ÖBS ist aber in Wirklichkeit nichts anderes als eine von geschickter Gauklerhand gezogene bunte Seifenblase, die naive Wähleraugen staunen machen soll, die aber an der ökonomischen Realität des globalen Wettbewerbs jämmerlich zerplatzt. Die F.D.P. lehnt ÖBS ab! Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 13 (a - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter, b - Antrag: Gefährdung durch Gefahrguttransporte minimieren) Hubert Deittert (CDU/CSU): Wir beschäftigen uns unter diesem Tagesordnungspunkt mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter und mit einem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unter dem Stichwort „Gefährdung durch Gefahrguttransporte minimieren". Für die Wirtschaft und für die Menschen in einem hochentwickelten Industrieland ist es lebensnotwendig, Güter von einem Ort zum anderen zu transportieren. Unter diesen Gütern gibt es natürlich auch Stoffe, die ein gewisses Gefahrenpotential darstellen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß der Transport solcher Güter auf das notwendige Maß beschränkt wird und daß bei der Handhabung äußerste Sorgfalt geboten ist. Es muß uns allerdings klar sein, daß es die totale Sicherheit nie geben wird. Es ist allein schon der Faktor menschlicher Unzulänglichkeit, der bei Unfällen mit Gefahrgütern immer wieder auftaucht. In der Bundesrepublik haben wir ein umfangreiches Netzwerk von Vorschriften für die Beförderung von gefährlichen Gütern. Ich erinnere hier an die zahlreichen EU-Richtlinien, die nach ausgiebiger Erörterung im Verkehrsausschuß des Bundestages in den letzten Jahren in deutsches Recht umgesetzt wurden. Dabei möchte ich festhalten, daß in sicherheitspolitisch wichtigen Punkten strengere deutsche Regelungen beibehalten wurden. Der uns vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung hat im wesentlichen zum Ziel, neue Erkenntnisse aufzugreifen und gesetzliche Regelungen zu ergänzen. Es ist hier insbesondere das Ziel, grundsätzliche EG-Richtlinien in die deutsche Rechtsordnung umzusetzen. Es geht weiterhin darum, die in den letzten Jahren eingetretene Entwicklung mit diesem Gesetz aufzugreifen. Mit den Einzelheiten werden sich die zuständigen Ausschüsse zu befassen haben. Lassen Sie mich nun einige Ausführungen zum Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN machen: Der Antrag greift insbesondere die Situation nach den Eisenbahnunfällen von Hannover-Anderten und Elsterwerda auf und stellt einen umfangreichen Forderungskatalog zusammen. In den Ausführungen erkenne ich im Grunde drei Prämissen: Wirtschaftlicher Druck geht zu Lasten der Sicherheit bei der Beförderung gefährlicher Güter auf der Schiene, der Straßentransport gefährlicher Güter beinhaltet das größte Gefahrenpotential, und die Harmonisierung innerhalb der Europäischen Union findet auf niedrigem Niveau statt. Zu diesen Themen ist folgendes zu bemerken: Die Bahnunfälle von Hannover-Anderten und Elsterwerda haben keine Defizite im derzeitigen Gefahrgutregelwerk erkennen lassen. In beiden Fällen hat menschliches Fehlverhalten die Unfälle bewirkt. Im Auftrag von Herrn Minister Wissmann wird derzeit die Frage untersucht, ob weitere technische Maßnahmen möglich sind, um die Folgen menschlichen Versagens einzugrenzen bzw. zu vermeiden. Auch die geringe Zahl von Unfällen beim Straßentransport gefährlicher Güter zeigt, daß ein sehr hohes Sicherheitsniveau erreicht wurde. Insbesondere Unfälle mit Gefahrgutaustritt sind sehr selten geworden - so die letzte Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen. Die Behauptung, daß in Europa auf niedrigem Niveau harmonisiert wird, ist falsch. Die mit den ADR/RID-Rahmenrichtlinien - Europäisches Regelwerk für grenzüberschreitenden Gefahrgutverkehr auf Straßen und Schiene - verbundene Verpflichtung, diese Richtlinie auch für den innerstaatlichen Verkehr vorzuschreiben, hat zu einer erheblichen Erhöhung des Sicherheitsniveaus in der Europäischen Union geführt. ADR/RID waren zwar in Deutschland und den Niederlanden, teilweise auch in anderen Staaten, bereits vorher in innerstaatliches Recht übernommen worden, allerdings mit einer Vielzahl von Ausnahmen mit erleichterndem Charakter. Nach den EG-Rahmenrichtlinien sind Ausnahmen nunmehr nur noch sehr eingeschränkt möglich. Auch aus diesem Sachverhalt geht hervor, daß die Unterstellung, die Harmonisierung in Europa erfolge auf niedrigem Niveau, falsch ist. Ich kann an dieser Stelle im Plenum nicht auf die Forderungen im einzelnen eingehen. Das sollte zunächst den zuständigen Fachausschüssen vorbehalten bleiben. Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Der schreckliche Unfall in Herborn ist uns allen sicherlich noch gut im Gedächtnis, obwohl er bereits knapp 11 Jahre zurückliegt. Er hat uns damals deutlich gemacht, welch rollende Bomben auf unseren Straßen unterwegs sind. 15 bis 16 Prozent des gesamten Güterverkehrs in Deutschland sind Gefahrgutverkehr. Insgesamt werden laut „SZ" vom 11. August 1997 rund 440 Millionen Tonnen gefährliche Güter in Deutschland befördert. Der „Spiegel" hingegen spricht von etwa der Hälfte. „Auf deutschen Straßen passiert im Durchschnitt an jedem Tag mindestens einmal ein schwerer Unfall mit Gefahrguttransporten. Die häufigste Ursache sei zu schnelles Fahren." So zitiert die „Frankfurter Rundschau" vom 18. September 1996 das statistische Bundesamt. Der „Spiegel" und die Bundesanstalt für Straßenwesen BAST andererseits sprechen gar von 2 000 Unfällen von Tanklastern, Chemiekalientransportern oder Spezial-Lkws jährlich. Dem widerspricht die Unfalldatenbank der Zeitschrift „Gefährliche Ladung", die für 1997 aber feststellt, daß die Anzahl der Unfälle mit 131 gegenüber 1995 und 1996 gestiegen sei. Sie stellt allerdings zudem fest, daß in über der Hälfte der Fälle Gefahrgut ausgetreten ist. In 52 Fällen habe 1997 Gefahrgut die Umwelt beeinträchtigt. Insgesamt seien - nach Informationen ebendieser Zeitung - 203,7 Tonnen Gefahrgut ausgetreten. Die BAST spricht übrigens von circa 200 Fällen, in denen Gefahrgut ausgetreten sei. Woher kommen diese zum Teil um ganze Zehnerpotenzen differierenden Zahlen? Woher dieser Wirrwarr? Die Antwort ist einfach: „In der amtlichen Statistik werden Gefahrguttransporte grundsätzlich nicht erfaßt", teilte die Bundesregierung 1996 auf eine Anfrage mit. Kein Wunder also, wenn jeder die wenigen vorhandenen Zahlen so biegt, wie er sie braucht. Wenn der Spiegel vor genau einem Jahr festgestellt hat, daß in den Unfallprotokollen der Polizei erst bei Unfallverletzten oder einem Austritt von Gefahrgut eine entsprechende Meldung vorgeschrieben ist, beschreibt dies ebenfalls das Chaos. Wir unterstützen deshalb die Forderung des Antrags der Bündnis-Grünen nach einer entsprechenden statistischen Erfassung. Die „Schätzungen über Umfang und Struktur des Transportaufkommens gefährlicher Güter von 1991 und 1992" des statistischen Bundesamtes, letztmalig herausgegeben 1995, zeigen zudem einen deutlichen Anstieg der Transporte auf der Straße. Das betrifft eigentlich alle Gefahrgutgruppen, insbesondere aber die Gefahrenklassen 2, 3, 4.1 bis 4.3, 5.1, 6.1 und 6.2. Hier wurden schon von 1991 auf 1992 Zunahmen bis zu 17,6 Prozent registriert. Die befremdliche Tatsache, daß die DB AG seit letzten Jahr den Transport von Sprengstoffen ablehnt und an die Straße abgibt, wird den Trend sicherlich nicht abschwächen. Der Schwerpunkt der Unfälle liegt auf der Straße. Ich bedaure deshalb sehr, daß durch die Struktur des Antrags der Grünen und Interviews der Kollegin Altmann der Eindruck erweckt wird, im Mittelpunkt des Interesses stehe vorwiegend die Unfallserie bei der Bahn. Ich kritisiere übrigens auch die Richtung, in die Beratungen im Ausschuß nach einem Gefahrgutunfall bei der Bahn normalerweise gehen. Wann haben wir uns das letzte Mal mit Gefahrgutunfällen auf der Straße und den durch sie verursachten Schäden oder Toten befaßt? Nicht umsonst fordert der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Klaus Steffenhagen, den Transport besonders gefährlicher Güter, insbesondere von Chemikalien, auf der Straße zu verbieten. Er weist in einem Interview mit der „Osnabrücker Zeitung" im August 1996 auch auf die Gefährdung durch Lkws aus Osteuropa hin, die sich in schlechtem technischen Zustand befänden und mit brisanter Ladung in Deutschland unterwegs seien. Die Bahn ist immer noch ein relativ sicheres Transportmittel für Gefahrgut. Sie ist - sagt der Antrag - viermal so sicher wie die Straße. Deshalb entsetzen uns wahrscheinlich auch die Unfälle beim Bahntransport mehr als die auf der Straße. Das heißt aber nicht, daß man Unfälle bei der Bahn totschweigen sollte. Damit wir uns recht verstehen: Die Gründe aller Unfälle müssen genau untersucht und - egal ob Schiene oder Straße - gleichermaßen gewichtet und in einer Gesamtbetrachtung gesehen werden. Die Unfallursachen müssen, soweit dies möglich ist, abgestellt werden. Fest steht: Auf der Straße wie auf der Schiene stellen menschliches und technisches Versagen die Hauptursachen der Unfälle dar. Bestehende Vorschriften werden oft nicht oder nicht richtig angewandt. Warum? Sei es, weil Lkw-Fahrer und neuerdings vielleicht auch Lokführer ständig unter Zeitdruck stehen. Sie müssen nicht nur das Fahrzeug fahren, sondern sich gleichzeitig auch um Verladung, Verkehrssicherheit, Reinigung etc. kümmern. Der von der verladenden Wirtschaft stark angegriffene Beitrag des ZDF vom 5. Dezember 1997 zu Gefahrgutfahrern und ihrer Situation hat vieles erschreckend deutlich gemacht. Der Beitrag hat kein Märchen geschildert. Bei einer Kontrolle des Bundesamtes für Güterverkehr BAG, an der ich vor zwei Jahren teilnahm, sagte mehr als ein Lkw-Fahrer, bei dem eine deutliche Überschreitung der Lenkzeit festgestellt wurde, er sei froh, erwischt worden zu sein, damit er gegen seinen Chef, der das von ihm verlange, argumentieren könne. Oft ist es aber auch das Gestrüpp von Regelungen und Vorschriften, das die Anwendung erschwert. Eine bessere Schulung der Menschen, die mit Gefahrgut umgehen, zum Beispiel der Gefahrgutbeauftragten, könnte manchen Unfall verhindern. Es kann nicht länger hingenommen werden, daß der Pflicht zur Nachschulung nach einer Statistik des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT) aus dem Jahre 1997 ca. 2/3 der mit Gefahrgut hantierenden Betriebe nicht nachkommen. Und mancher einschlägig tätige Unternehmer - so ebenfalls der DIHT - weiß heute noch nicht, was alles unter dem Begriff „Gefahrgut" läuft. Schwierigkeiten gibt es insbesondere bei den Schnittstellen im intermodalen Verkehr. Einiges können wir - und da stimmen wir dem Antrag der Grünen zu - national regeln. Wichtig wäre es zum Beispiel für den Straßentransport, die Kontrolldichte durch das Bundesamt für Güterverkehr oder die Polizei zu erhöhen, um die Einhaltung bestehender Vorschriften zu kontrollieren. Jede hier zusätzlich geschaffene Stelle reduziert die Gefahr auf unseren Straßen, wirkt der Ausbeutung der Fahrer entgegen und erwirtschaftet zudem mit Sicherheit die Kosten des eigenen Arbeitsplatzes. Die bezüglich der Bahnunfälle angesprochene schwierige Situation bei den Feuerwehren beschäftigt uns im Ausschuß seit ca. drei Jahren. Viele der Forderungen des Antrages können jedoch nur gesamteuropäisch angegangen werden, will man deutschen Unternehmen, die im Transportwesen tätig sind, eine Chance lassen. Nationale Alleingänge bringen hier nichts, sie verschärfen nur die Situation bei uns. Und noch einen Einzelpunkt, der mich ärgert, pflücke ich mir heraus: Die Grünen wollen Veränderungen beim Transportrecht. Ich frage Sie als zuständige Verkehrspolitikerin der SPD: Wenn Sie da Forderungen haben, warum haben Sie dann diesbezüglich bei der Neufassung des Transportrechts vor wenigen Wochen geschwiegen? Da hätten Sie - zumindest aus meiner Sicht - eine reelle Chance gehabt, Ihre Vorstellungen einzubringen und eventuell sogar durchzusetzen. Ich habe kein Wort von Ihnen gehört. Zum Schluß noch einige Worte zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung: Ich bin vorhin kurz auf den Paragraphendschungel im Gefahrgutbereich und seine Folgen eingegangen. Es bleibt zu hoffen, daß das von der Bundesregierung heute in erster Lesung vorgelegte Gesetz eine Erleichterung, eine Vereinfachung bringt. Wir werden es gewissenhaft im Ausschuß beraten und regen dazu heute schon an, zur besseren Beurteilung der Vorlage und ihrer Auswirkungen zumindest eine kleine Runde von Fachleuten zu einer Anhörung einzuladen. Gila Altmann (Aurich) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Unfälle der letzten Monate sowohl auf der Bahn wie auf der Straße haben die Versäumnisse der Bundesregierung und erhebliche Sicherheitsmängel offenkundig gemacht. Bundesregierung wie DB AG und Spediteure wiegeln ab. Angeblich besteht kein Anlaß zur Besorgnis: „Alles im Lot auf dem Boot", mit dieser Botschaft soll der berechtigten Kritik von vornherein der Boden entzogen werden. Die späte Stunde, in der wir dieses im wahrsten Sinne des Wortes „brisante" Thema debattieren, belegt, wie ernst diese Bundesregierung die begründeten Befürchtungen der Bevölkerung nimmt. Noch deutlicher wird dies, wenn man sich die Begründung ansieht, mit der die von uns beantragte Anhörung zur Gefahrgutsicherheit abgelehnt wurde. Unisono fanden CDU/CSU, F.D.P. und SPD: Wahlkampf geht vor, keine Zeit für Sicherheit! Was sind die Hintergründe für unsere massive Kritik? Der Bundesregierung ist längst die Kontrolle über die europäische Harmonisierung beim Gefahrguttransport entglitten. Dem allgemeinen Abbau von Sicherheitsstandards kann und will sie auf Druck der Lobbyisten nichts entgegensetzen. Die DB AG fürchtet um ihre Konkurrenzfähigkeit, sollten Richtlinien und Kontrolle verschärft werden. Die Speditionen hoffen auf Kostenvorteile, wenn Beförderungsstandards zurückgeschraubt werden. Dies führt in eine Abwärtsspirale in Sachen Sicherheit, die nicht zu verantworten ist. Dabei besteht auf allen Ebenen umgehender Handlungsbedarf. Vorhandene nationale Sicherheitsvorschriften wurden und werden mit dem europäischen Binnenmarkt abgebaut. Die nächsten Schritte stehen bevor. Zum 1. Januar 1999 steht eine vollständige Überarbeitung der europäischen Abkommen zum Straßen- (ADR) und Schienentransport (RID) an. Eine europaweite Harmonisierung auf niedrigem Niveau ist zu befürchten. Parallel verschlechtern sich die Sicherheitsbedingungen auf Straße wie Schiene zunehmend. Allein die 27 900 Lokführer der DB AG schieben aktuell einen Überstundenberg von 247 056 Tagen (!) vor sich her. Verschärft wird dies durch die verkürzte Lokführerausbildung: Sie wurde von 18 Monaten 1994 auf derzeit nur noch 7 Monate zusammengestrichen. Die jährlichen Unterrichtszeiten wurden von 30 auf 16 Stunden halbiert, dafür nimmt die Lok-Vielfalt durch unterschiedliche Baureihen zu. Im Speditionsgewerbe ist der Trend zur Aufsplittung in scheinselbständige Subunternehmen und zur Überlastung der Fahrer ungebrochen. Raserei und Lenkzeitüberschreitungen sowie technische Mängel sind die logische Konsequenz. Wir fordern daher eine umgehende politische Auseinandersetzung mit der Gefahrguttransportproblematik sowie die Überarbeitung der nationalen und internationalen Richtlinien, Verordnungen und Gesetze für den Transport von Gefahrgütern. Die bestehenden Gefahrgutverordnungen müssen nach den Kriterien strikte Gefahrenvorsorge, öffentliche Sicherheit, Transparenz und betriebliche Praktikabilität durchforstet und überarbeitet werden. Aus unserer Sicht ist eine massive Erhöhung der Kontrolldichte auf 0,5 Prozent aller Straßen-Gefahrguttransporte erforderlich. Die Kontrollmöglichkeiten für Eisenbahnbundesamt und Bundesgrenzschutz bei der Bahn im laufenden Betrieb müssen verbessert werden. Damit dies nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt, müssen auf EU-Ebene Mindestkontrollquoten eingeführt werden. Parallel müssen die Sozialvorschriften in punkto Lenk- und Ruhezeiten sowie Fahrzeugbesetzung weiter verschärft und deren Erfassung verbessert werden. Diese Anstrengungen im ordnungsrechtlichen Bereich reichen allein nicht aus. Auch die Transportwirtschaft muß in die Pflicht genommen werden. Ihr Eigeninteresse muß dazu führen, daß innerbetriebliche Fortschritte initiiert werden. Der Staat kann und muß hier die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Hebel sind die Reform von Transport- und Haftungsrecht nach dem Verursacherprinzip. Die Einführung eines Schadenssicherungsfonds, Umlegung der Schadenssicherungskosten auf die Transporttarife, volle Kostenanlastung bei Unfällen, das sind Maßnahmen, die die Marktkräfte in Bewegung setzen. Harmonisierung und Ausweitung der Zertifizierungspflichten für Gefahrgut-Transportunternehmen sowie die generelle Einführung von Qualitätssicherungsmaßnahmen nach ISO sind weitere Hebel, mit denen betriebliche Fortschritte angestoßen werden können. Aber auch im Bereich der Prävention und der konkreten Gefahrenabwehr müssen beträchtliche Fortschritte erfolgen. Ich denke da beispielsweise an die Einführung einer Vorabinformationspflicht an die Landkreise bei Gefahrguttransporten ab einer gewissen Größenordnung und ab einem gewissen Gefährdungspotential. Dies muß grenzüberschreitende Transporte einschließen. Das Notfallmanager-System der Deutschen Bahn AG - das zeigt die Erfahrung mit den letzten schweren Bahnunfällen - gehört auf den Prüfstand. Schönebeck hat dessen Lücken überdeutlich gemacht. Schließlich muß endlich Schluß sein mit der Interessen- und Ahnungslosigkeit dieser Bundesregierung. Der Abbau der Eisenbahnfeuerwehren, den die Bundesregierung durch ihre schlampige Arbeit bei der Bahnreform zu verantworten hat, konnte erst in letzter Minute durch die Intervention des Bundesrates gestoppt werden. Das sind „Pannen", die unverantwortlich sind. Sie zeigen, wie sehr die Bundesregierung das Problem auf die leichte Schulter nimmt. Sie hat nicht einmal den leisesten Schimmer, was und wieviel an Gefahrgut in dieser Republik unterwegs ist. Statistik ist nicht nur zum Fälschen da. Sie bietet auch die unerläßlichen Grundlagen für ernsthaftes, politisch verantwortungsvolles und die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung wahrnehmendes Handeln. Es wird höchste Zeit, daß Sie endlich anfangen! Horst Friedrich (F.D.P.): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung sollen die für den Gefahrguttransport bestehenden grundsätzlichen Regelungen in den Richtlinien der EU in die deutsche Rechtsordnung umgesetzt werden. Auch die Grundlagen für die Beratung des Bundesverkehrsministeriums auf diesem Politikgebiet sollen der Entwicklung angepaßt werden. Daneben wird das Gesetz nach über 20 Jahren endlich auch hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen für Verordnungen überarbeitet. Dabei geht es nicht um eine Senkung der Sicherheitsstandards - eher im Gegenteil. Gerade bei Verordnungen sollen Sicherheitsbehörden und -organisationen gehört werden, insbesondere das Bundesamt für Strahlenschutz, die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, das Robert-Koch-Institut, das Umweltbundesamt, das wehrwissenschaftliche Institut für Werk-, Explosiv- und Betriebsstoffe und das Eisenbahnbundesamt. Dazu sollen Sachverständige der beteiligten Wirtschaft und Verbände einschließlich der Verkehrswirtschaft vor dem Erlaß von Rechtsverordnungen gehört werden. Den jeweiligen Umfang der Anhörung und die anzuhörenden Verbände und Sachverständigen bestimmt das Bundesverkehrsministerium nach gegebener Lage. Zusätzlich wird beim Bundesministerium für Verkehr ein Gefahrgut-Verkehrs-Beirat eingesetzt, der die Aufgabe hat, das Bundesverkehrsministerium hinsichtlich der sicheren Beförderung gefährlicher Güter zu beraten. Dem Beirat sollen insbesondere sachverständige Personen aus dem Kreis der Sicherheitsbehörden, der Länder, der Verbände der Wirtschaft, der Gewerkschaften und der Wissenschaft angehören. Für die F.D.P.-Fraktion ist es wichtig, mit allen diesen Maßnahmen dafür so sorgen, daß Gefahrgutunfälle - egal mit welchem Verkehrsträger - weitgehend vermieden werden können. In diesem Sinne plädieren wir für eine zügige Beratung in den Ausschüssen. Zum Antrag der Grünen. Er fußt auf zwei exemplarisch dargestellten Eisenbahnunfällen, die im Verkehrsausschuß beraten wurden, aber offensichtlich in allen Konsequenzen noch nicht abschließend bewertet werden können. Trotzdem kommen die Grünen in ihrem Antrag unter Punkt 4 zu dem Ergebnis, daß die Ursache der wirtschaftliche Druck seit der Bahnreform sei, der zu Lasten der Sicherheit gehe. Soweit, so gut - aber auch neben dem Ziel. Die bisher bekannten Unfallumstände haben immer ergeben, daß die Arbeitszeitvorschriften eingehalten worden sind. Fehlverhalten dergestalt, daß bei einem Vorsignal „40 km" das Signal zwar bestätigt, aber mit der doppelten Geschwindigkeit weitergefahren wird, lassen sich durch Vorschriften nicht - zumindest nicht endgültig - verhindern. Vielleicht könnte eine andere, bessere Technik hier für Abhilfe sorgen. Im zweiten Schritt beklagen die Grünen, daß die Umsetzung der internationalen Richtlinien in deutsches Recht bestehende Sicherheitsvorschriften abgeschwächt bzw. nationale Vorschriften eingeschränkt hätten. Hier zeigt sich ein sehr gespaltenes Verhältnis der Grünen zu Europa. Einerseits fordert man ein europäisches Tempolimit, Promillegrenzen, ökologische Wegekosten - aber wenn europäische Vorschriften zum Gefahrguttransport in deutsches Recht umgesetzt werden, um die Wettbewerbssituation des deutschen Gewerbes zu sichern, lehnt man diese Vorschrift ab. Und noch etwas ist erwähnenswert: In einem Land mit der höchsten Kontrolldichte in Europa - in Deutschland - wird zur Einhaltung der Gefahrgutvorschriften auch noch eine Kontrolldichte von 0,5 Prozent aller Gefahrguttransporte gefordert. Neben der Diskussion um den Benzinpreis zeigt dieser Antrag das grundsätzliche grüne Strickmuster: Weil der Lkw als das Grundübel aller Verkehrsprobleme gilt, muß er überall bekämpft werden. Das ist für die F.D.P. ein Irrweg, deshalb lehnen wir diesen Antrag ab. Winfried Wolf (PDS): Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Der „Deutschen Verkehrszeitung" war am 25. November 1997 unter der Überschrift: „Vorsicht am Bahnsteig!" zu entnehmen: Sie planen eine Reise mit der Bahn und sind etwas zu früh am Bahnhof? Dann gibt es zwei Möglichkeiten, sich die Zeit bis zur Abfahrt zu vertreiben. Zunächst die kostengünstigere, mitunter jedoch lebensbedrohende: Sie setzen sich am Bahnsteig auf eine Bank und schauen den vielleicht mit Vinylchlorid oder Benzin beladenen KesselwagenGanzzügen nach ..., die nur wenige Meter entfernt an Hunderten von wartenden Menschen durch den Bahnhof rumpeln. Dann gibt es die etwas unbequemere Lösung, die eventuell lebensrettend sein kann: Wenn Sie schon eine Fahrkarte haben, verlassen Sie den Bahnhof sobald wie möglich und suchen sich in sicherer Entfernung ein gemütliches Café. Denn inzwischen kann der Güterzug mitten im Bahnhof entgleist sein, ein Funke kann die Ladung entzündet haben, und anstatt bei der Tante in Oggersheim stehen Sie bei Petrus vor der Tür. Tatsächlich ist eine enorme Zunahme der Gefahren durch Gefahrguttransporte zu konstatieren, wie der hier zur Debatte stehende Antrag von Bündnis 90/ Die Grünen festhält: „Immer mehr, immer gefährlichere Stoffe werden immer weiter transportiert. Die Sicherungssysteme und Notfallplanungen können damit nicht Schritt halten." Trotz der spektakulären Eisenbahnunfälle der letzten Zeit bleibt es dabei: Im Vergleich mit Straßentransporten sind Gefahrgüter auf der Schiene immer noch am sichersten aufgehoben. Noch ist es unvorstellbar, im Eisenbahnverkehr derartige Verhältnisse zu haben, wie sie im Straßenverkehr Alltag sind. Genannt sei hier nur der Unfall vom 27. Februar 1997 bei Dortmund, wo ein Lkw, der unter anderem Glyoxyl-Säure geladen hatte, mit 105 km/h - also mit weit überhöhter Geschwindigkeit - durch die Gegend fuhr und der Fahrer seit 16 Stunden, mit nur 2 Stunden Pause, am Steuer saß. Wahr ist allerdings auch: Das Gefahren-Potential beim Schienentransport von Gefahrgut hat enorm zugenommen. Dreifach sind die Ursachen: 1. Die Waren werden gefährlicher. Besonders aufsehenerregend sind die Atomtransporte, die letztlich Folge einer verfehlten Energiepolitik sind. Ähnliches findet in vielen Wirtschaftsbereichen statt. 2. Mangelnde Sicherheitsstandards und deren Abbau. Ein Beispiel ist der auch im Antrag der Grünen genannte Abbau der bundesbahneigenen Feuerwehr. Die interministerielle Arbeitsgruppe des Landes Sachsen-Anhalt, die den Unfall von Schönebeck untersuchte, stellte in diesem Zusammenhang fest, daß es „personelle und organisatorische Probleme innerhalb der DB AG" gab, so daß für die Einsatzleitung der Feuerwehr kein Ansprechpartner zur Verfügung stand. 3. Der dritte Komplex ist der Personalabbau. Üblicherweise findet sich in den Unfallberichten die stereotype Formel vom „menschlichen Versagen". Doch „menschliches Versagen" ist kein objektiver Tatbestand. Wenn Streß zunimmt, nimmt menschliches Versagen zu. Und vermehrtem Streß sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG ausgesetzt angesichts eines dramatischen Personalabbaus, der oft zur Folge hat, daß ein Mitarbeiter Aufgaben übernehmen muß, die früher mehrere Eisenbahner wahrnahmen. Hinzu kommt der systematische Abbau von Ausbildungsstandards und bei der Verwendung erfahrener Bahner - zum Beispiel bei Gleisbauarbeiten, bei den Lokführern - Umstände, auf die die Gewerkschaften wiederholt hingewiesen haben. Dabei ist oft eine Kombination des zweiten und dritten Komplexes für die Unfälle ursächlich: Beispiel ist die „vereinfachte Bremsprobe", die inzwischen bei Güterzügen vorgenommen wird. Die Bremsleitung wird gefüllt, bevor die Lok vorgespannt wird. Zwar ist theoretisch dann noch eine Prüfung vorgesehen, ob die Bremsleitung richtig funktioniert, aber bei zunehmender Personalknappheit und erhöhtem Zeitdruck, der auf dem Personal lastet, ist die Gefahr stets groß, dies zu verschlampen. Ebenso ging der in Elsterwerda verunfallte Zug unter dem Druck „Wird schon alles klappen" auf die Reise, obwohl er nicht die vorgeschriebenen Bremshundertstel aufbrachte. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat dies in einem detaillierten Bericht am 2. Dezember 1997 beschrieben, um dabei zu enden: „Zu Zeiten, als die Filme noch schwarzweiß waren und die Lokomotiven einen Heizer hatten, gab es einen eindrucksvollen Streifen mit dem Titel: >Die Bremsprobe< ... Einen solchen Film müßte man jetzt natürlich in Farbe und mit modernen Requisiten drehen, damit sich Elsterwerda nicht wiederholt." Gesamtbilanz: Der Sicherheitsvorteil der Schiene gegenüber der Straße droht so - auch als Resultat der Bahnprivatisierung - systematisch untergraben zu werden. Wir unterstützen daher den Antrag der Grünen. Gleichzeitig weisen wir darauf hin, daß der sicherste Gefahrguttransport der ist, der gar nicht stattfindet. Verkehrsvermeidung und Verkürzung der Transportwege weisen den Königsweg zu mehr Sicherheit. Dr. Wolf Bauer (CDU/CSU): Wir beraten heute in erster Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter. Spätestens seit der Katastrophe von Herborn am 7. Juli 1987, als ein Tanklastzug in eine Eisdiele rast und dabei fünf Menschen ums Leben kamen, sind vielen Menschen nicht nur die Lastkraftwagen mit ihren orangefarbenen Warnschildern, sondern Gefahrguttransporte ganz allgemein suspekt. Aus diesem tragischen Unglück haben sowohl das Bundesverkehrsministerium als auch die Fahrzeughersteller und Transportunternehmen Konsequenzen gezogen. Das Bewußtsein für die mit dem Transport und der Lagerung gefährlicher Güter verbundene Verantwortung ist in den vergangenen Jahren sowohl auf seiten der Wirtschaft als auch auf seiten der Politik stark gestiegen. Die Bundesregierung hat zunächst auf nationaler, später auch auf internationaler Ebene Maßnahmen initiiert, die zur größeren Sicherheit bei Gefahrguttransporten beigetragen haben. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur beispielhaft das Forschungsvorhaben THESEUS (Tankfahrzeuge mit höchsterreichbarer Sicherheit durch experimentelle Unfallsimulation) nennen, bei dem Gutachter mehr als 230 Unfälle mit Tankfahrzeugen analysierten. Die Erkenntnisse wurden nicht nur durch technische Verbesserungen, sondern auch durch eine strengere und umfangreichere Fahrerausbildung in die Praxis umgesetzt. Dennoch ergeht nahezu nach jedem Zwischenfall beim Transport gefährlicher Güter die Forderung an den Gesetzgeber, mit weiteren und schärferen Verordnungen für mehr Sicherheit bei Gefahrguttransporten zu sorgen. Auch für mich steht fest, daß Gefahrguttransporte trotz verbesserter Technik und strengerer Ausbildung ein Risiko bleiben. Doch: Betrachtet man die Unfallentwicklung im Bereich der Gefahrguttransporte, so hat die Zahl solcher Unfälle in den vergangenen Jahren abgenommen. Die Statistik der Zwischenfälle mit Gefahrgut zeigt darüber hinaus sehr anschaulich, daß „menschliches und technisches Versagen" die Hauptunfallursachen darstellen. Bei Einhaltung der bestehenden Vorschriften hätten diese bedauerlichen Zwischenfälle mit großer Wahrscheinlichkeit vermieden werden können. Daher ist also die Frage durchaus berechtigt, ob wir überhaupt zusätzliche, schärfere oder aber detailliertere Vorschriften brauchen, um die Zahl der Unglücksfälle bei Gefahrguttransporten zu minimieren. Mir ist kein Gefahrgutunfall bekannt, der darauf zurückzuführen ist, daß es an einer entsprechenden Vorschrift gemangelt hat. Traurigerweise sind mir aber um so mehr Beispiele von schwerwiegenden Unfällen bekannt, die darauf zurückzuführen sind, daß bestehende Vorschriften entweder gar nicht oder aber nicht richtig zur Anwendung kamen. Wichtig ist es also, das bereits bestehende Verordnungsdickicht nicht durch überflüssige Vorschriften noch weiter aufzublähen, sondern ein optimiertes einheitliches Gefahrengutrecht in der gesamten EU zu verankern, welches sich nicht durch mehr, sondern durch bessere Vorschriften auszeichnet. Es ist nicht damit getan, Güterverkehrsabgaben für Gefahrguttransporte zu erheben, so wie es die Gruppe der PDS noch im Oktober des vergangenen Jahres (13/8660) gefordert hat. Wichtiger ist vielmehr, daß gerade auf europäischer Ebene das Gefahrgutrecht vor allem praktikabel sein und bleiben muß. Die Bundesregierung hat mit dem heute zur ersten Lesung vorliegenden Gesetzentwurf die Weichen hierfür gestellt. Ein wesentliches Ziel dieses Gesetzentwurfes ist es, die für Gefahrguttransporte bestehenden grundsätzlichen Regelungen der EU-Richtlinien in die deutsche Rechtsordnung umzusetzen und damit das Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter aus dem Jahr 1975 unter Berücksichtigung der Entwicklungen in Wissenschaft und Technik sowie an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Mit dem Gesetz werden darüber hinaus auch die Grundlagen für die Beratung des Bundesministeriums für Verkehr auf diesem Gebiet der Entwicklung angepaßt. So wird - dies ist förmlich in dem vorliegenden Gesetzentwurf aufgenommen - beim Bundesministerium für Verkehr ein Gefahrgut-Verkehrs-Beirat eingesetzt, der die Aufgabe hat, „das Bundesministerium für Verkehr hinsichtlich der sicheren Beförderung gefährlicher Güter, insbesondere der Durchführung dieses Gesetzes, zu beraten". Dem Gefahrgut-VerkehrsBeirat werden insbesondere sachverständige Personen aus dem Kreis der Sicherheitsbehörden und -organisationen, der Länder, der Wirtschaftsverbände - einschließlich der Verkehrswirtschaft -, der Gewerkschaften und der Wissenschaft angehören. Sie sehen also, die Bundesregierung ist bereit, mit dem heute zur ersten Lesung vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter für deutliche Verbesserungen einzutreten. Tragen Sie durch konstruktive Beiträge im Verkehrsausschuß zu einer baldigen Umsetzung dieses Gesetzentwurfes bei!
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Burkhard Hirsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Bitte schön.


Rede von Marlene Rupprecht
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Kollegin Rönsch, können Sie mir erklären, warum gestern in unserem Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gerade diese Vorschläge zur Verbesserung der Situation der Demenzkranken von den Mitgliedern der Regierungsfraktionen abgelehnt wurden, während sich im Gesundheitsausschuß alle einmütig dafür ausgesprochen haben, solche Verbesserungen durchzuführen?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hannelore Rönsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Wir können, Frau Kollegin, hier nicht punktuell einzelne Dinge herauspicken und sagen: Das ist eine Konzeption. Mit diesem Altenbericht ist die Grundlage der Altenpolitik dieser Bundesregierung vorgestellt worden. Ich hätte mir schon gewünscht, daß auch von Frau Kollegin Rupprecht - Frau Kollegin Iwersen hat noch die Chance, das eine oder andere Positive zu sagen - erklärt wird, daß diese Gesamtkonzeption auch von Ihnen mitgetragen wird.
    Es kann nicht sein, daß man sich einzelne Punkte herausnimmt und dann an dieser Stelle meint, das sei jetzt eine Konzeption. Lassen Sie uns gemeinsam darüber beraten. Ich sagte Ihnen schon: Altenpolitik wird auch in Zukunft in der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam weiterentwickelt werden müssen. Es reicht nicht, wenn man sich nur einen Teil der älteren Menschen herausnimmt. Altenpolitik muß einen gesamtpolitischen Ansatz haben. Es ist mir ein wenig zuwenig, wenn Sie sich tatsächlich nur auf die Demenzkranken beschränken. Sie stellen in der Gesellschaft einen hohen Anteil - die Ministerin hat darauf hingewiesen -; aber ich meine, daß dies alleine nicht ausreicht.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir haben seit 1990 in der Bundesrepublik Deutschland 3,8 Millionen Wohnungen neu gebaut und haben dadurch insgesamt eine gute Wohnraumversorgung. Dieses größere Angebot dient natürlich ganz besonders den älteren Menschen, weil auch sie hierdurch die Chance haben, sich die für sie angemessene Wohnung herauszusuchen.
    Aber ich wende mich noch einmal ganz bewußt an die mittlere Generation; denn sie ist die Generation der Erben. Das sind jetzt die 45, 50 und 55 Jahre alten Mitbürgerinnen und Mitbürger. Sie erben nun von ihren Eltern. 1995 wurden 150 Milliarden DM Privatvermögen vererbt. Auch diese mittlere Generation fordere ich auf, sich Wohneigentum anzuschaffen, damit das eigene Dach über dem Kopf im Alter dafür sorgt, daß das zur Verfügung stehende Alterseinkommen nicht durch Mietzahlungen entsprechend geschmälert wird.

    (Geit Willner [CDU/CSU]: Das ist eine sehr gute Form der Vorsorge!)


    Hannelore Rönsch (Wiesbaden)

    - Herr Kollege Willner, ich habe vorhin schon darüber gesprochen - ich weiß nicht, ob Sie da schon im Saal waren -, daß unsere Eigenheimzulage für mich die vierte Säule der Altersabsicherung ist, weil mit Wohneigentum natürlich das Alterseinkommen ganz anders abgedeckt ist und die Frage der Wohnung alte Menschen nicht mehr mit Sorge erfüllen muß. Damit haben sie die Chance zu sagen: Ich habe mein Dach über dem Kopf, kann frei entscheiden und meine Wohnung auch entsprechend altersgerecht umbauen.

    (Geit Willner [CDU/CSU]: Da stimmen wir völlig überein!)

    Wenn wir gemeinsam die Bedürfnisse älterer und alter Menschen ernst nehmen, dann erwarte ich auch von der Opposition eine Gesamtkonzeption. Es kann nicht sein, daß man sich einzelne Punkte, die momentan vielleicht noch - das gestehe ich ein - schwer umzusetzen sind, herausnimmt. Legen Sie uns Ihre Konzeption für die Altenpolitik einmal vor,

    (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Das haben wir doch getan!)

    dann sind wir sehr gerne bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren.

    (Vorsitz : Vizepräsident Hans-Ulrich Klose)

    Ich bin ganz sicher: Mit der Altenpolitik, die wir in den vergangenen 16 Jahren den alten Menschen offerieren konnten und durften - ich beziehe hier auch die Pflegeversicherung ein -, werden wir auch im September ganz gut dastehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ach! Nur darum geht es?)