Rede von
Uwe-Bernd
Lühr
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es heute mit einem absoluten verfahrensmäßigen Novum zu tun: Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt eine Aktuelle Stunde, weil der Bundesrat - vielleicht - eine Verschärfung des Asylbewerberleistungsgeset-
Uwe Lühr
zes plane. Eine Entscheidung des Bundesrates darüber, ob die Empfehlungen der Ausschüsse für Inneres und Gesundheit tatsächlich im Plenum des Bundesrates verabschiedet und als Gesetzentwurf des Bundesrates eingebracht werden würden, war aber noch gar nicht sicher, als der Antrag für eine Aktuelle Stunde gestellt wurde. Das hat sich in der Tat erst heute früh entschieden - interessanterweise mit der Zustimmung des Landes Niedersachsen!
Wir haben aber mittlerweile eine eingehende Stellungnahme des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, der eine Reihe Vorbehalte äußert.
Wir sind also sozusagen in der nullten Lesung eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Kritik an Entscheidungen des Ältestenrates sind ja nicht opportun. Das weiß ich sehr wohl. Dennoch denke ich, daß dieses Verfahren keine Schule machen sollte.
Meine Damen und Herren, der Gesetzesantrag des Landes Berlin ist durch die Empfehlungen der Bundesratsausschüsse zwar erheblich erweitert worden, aber ohne genauere Prüfung ist aus meiner Sicht noch fraglich, ob er damit auch wirklich verbessert wurde.
Der ursprüngliche Antrag des Landes Berlin bestand nur darin, entsprechend einer Regelung, die es im Bundessozialhilfegesetz bereits gibt, solchen Menschen die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht zu gewähren, die offensichtlich deswegen ins Land kommen, um diese Leistungen zu erhalten, bei denen also die Geldleistung das Motiv für die Einreise ist. Eine solche Regelung wäre in der Tat sinnvoll gewesen.
Ausländer mit einem gefestigten Aufenthaltsstatus, die die höheren Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz erhalten, müssen sich unter Umständen entgegenhalten lassen, daß die Leistungsgewährung der Grund für ihre Einreise war.
Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, das Menschen mit nicht so gefestigtem Aufenthaltsstatus erfaßt, fehlt allerdings bisher eine solche Regelung. Zwar darf man schon darüber nachdenken, ob es richtig sein kann, daß Ausländern, die sich illegal einschleusen lassen, um die im Verhältnis zum Heimatland üppigen Geldleistungen, von denen die Schleuserkosten abgezweigt werden, in Anspruch zu nehmen - nach geltender Rechtslage auch dann, wenn sie keinen Asylantrag stellen -, ein Anspruch auf diese Leistungen zusteht, der nicht einmal eingeschränkt werden kann. Allerdings durfte es schon sehr verwundern, wenn ausgerechnet aus dem SPD- dominierten Bundesrat, der sonst immer als Besitzstandswahrer auftritt, einige Einschnitte in soziale Leistungen vorgeschlagen werden, die eher als ein Versuch anzusehen sind, die Regelungen des Ausländerrechts zu umgehen.
Menschen, die sich, wie etwa die Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, nur noch auf Grund einer Duldung im Bundesgebiet aufhalten, obwohl sie prinzipiell ausreisen könnten, würden, ginge es nach dem Beschluß des Bundesrates, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nur noch gewährt, „soweit" - ich zitiere - „dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist".
Da muß ich mich schon fragen, wann das denn der Fall sein soll. Eine derart unbestimmte Formulierung ließe eine Absenkung der Leistungen bis auf null zu. Der Status der Duldung wird doch nicht ohne Grund erteilt, sondern deswegen, weil die Ausreise in das Heimatland mit Gefahr für Leib oder Leben verbunden oder sonst rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist. Wir erteilen diesen Menschen ausländerrechtliche Duldungen, weil es eben nicht sinnvoll ist, diese Menschen in ein von vornherein aussichtsloses Asylverfahren zu drängen.
Für Bürgerkriegsflüchtlinge haben wir im Ausländergesetz einen Sonderstatus geschaffen, auf dessen Umsetzung sich Bund und Länder noch immer nicht einigen konnten.
Wenn man solchen Menschen vorübergehend über eine Duldung den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglicht, dann hat der Staat auch eine Pflicht, diesen Menschen ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen und ihnen zumindest das Existenzminimum zu sichern.
Dazu gehört mehr als nur Butterbrot und Rückfahrkarte. Hier kann man an die Adresse des Innenministeriums nur sagen: Wer sich geduldet im Bundesgebiet aufhält, ist gerade nicht illegal, sondern legal hier im Lande.
Es darf nicht sein, daß man diesen Flüchtlingen, die sicherlich nicht freiwillig gekommen sind, sondern wegen der schlimmen Zustände in ihrem Land, die Mittel für eine menschenwürdige Existenz in unserem Land verweigert und dadurch versucht, sie zur Ausreise zu zwingen. Geduldete Bürgerkriegsflüchtlinge und abgelehnte Asylbewerber haben bei uns im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern nicht die befriedigende Alternative, bis zu ihrer Ausreise ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu bestreiten, weil sie gleichzeitig ein Arbeitsverbot trifft.
Nach dem Beschluß des Bundesrates von heute vormittag, diese Änderungswünsche zum Asylbewerberleistungsgesetz als Gesetzentwurf einzubringen, werden wir noch genügend Gelegenheit haben, uns im einzelnen mit diesen Regelungen im üblichen parlamentarischen Verfahren auseinanderzusetzen. Ich gehe davon aus, daß die Hinweise des Hohen
Uwe Lühr
Flüchtlingskommissars dabei eine nicht untergeordnete Rolle zu spielen haben.