Rede von
Siegmar
Mosdorf
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns heute mit einem wichtigen Instrumentarium der Außenwirtschaftsförderung. Ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen zunächst einmal sagen, daß sich das Hermes-Instrumentarium, das wir seit vielen Jahrzehnten kennen, gut bewährt hat. Man muß dafür dankbar sein, daß man mit diesem Instrumentarium eine gute Absicherung vieler außenwirtschaftlicher Projekte erreicht hat. Man muß auch denjenigen, die sich hier besonders engagieren - das Stichwort 30 000 Anträge ist eben schon gefallen - danken.
Solche Instrumentarien wie die Hermes-Versicherung sind im Bereich der OECD-Volkswirtschaften nicht so oft vertreten. Zu dieser Erkenntnis kommt man, wenn man die Eximbank in den USA betrachtet. Es gibt bei uns also durchaus gewachsene Strukturen, die beizubehalten sich lohnen.
Was wir wollen, ist eine Reform der Hermes-Strukturen und eine Reform der Instrumente, die es in diesem Bereich gibt, weil wir glauben, daß sich die Weltwirtschaft ganz grundlegend verändert hat. Diese Veränderung führt dazu, daß in zunehmendem Maße gar nicht mehr so sehr die Produkte an sich, sondern die Finanzierung der Produkte entscheidend sind. Wir haben bei vielen Gelegenheiten immer wieder gesehen, daß manche Auftragserteilungen an der Finanzierung gescheitert sind. Wir merken zunehmend, daß die Finanzierungsfrage zur kardinalen Wettbewerbsfrage wird.
Wenn man sich anschaut, wie manche OECD- Volkswirtschaften mit soft loans operieren und uns damit sozusagen wegkonkurrieren, obwohl unsere Produkte gleichwertig sind und nur Unterschiede in der Finanzierungsfrage bestehen, dann muß man feststellen, daß die Frage, wie man mit diesem Problem im Zuge der Globalisierung umgeht, sehr wichtig ist.
Ich möchte gern zehn Punkte nennen, die wir für reformbedürftig halten und von denen wir glauben, daß es für sie einen dringenden Handlungsbedarf gibt und daß man sie nicht unverändert lassen kann.
Der erste Punkt betrifft die Frage der Harmonisierung. Wir haben innerhalb der europäischen Volkswirtschaften, aber auch in den anderen OECD-Volkswirtschaften völlig unterschiedliche Deckungspolitiken und unterschiedliche Deckungskonditionen, die natürlich - das gilt immer, wenn staatliche Dekkungsinstrumente vorgesehen sind - die Wettbewerbssituation verzerren. Wir können nicht auf ein gemeinsames Europa zusteuern, wenn wir in diesem Punkt nicht zu einer Harmonisierung kommen. Das führt nämlich ansonsten zu einer Verzerrung von Wettbewerbsstrukturen. Deswegen brauchen wir möglichst rasch - und nicht erst 1999, wenn OECD- Vereinbarungen vorgesehen sind - harmonisierte Handlungsweisen. Wir brauchen sie schneller, weil jetzt über die Aufteilung des Weltmarktes entschieden wird.
Siegmar Mosdorf
Der zweite Punkt. Wir wollen eine stärkere Ausrichtung des Hermes-Instrumentariums in Richtung Versicherungsstrukturen und Versicherungsgebühren in bezug auf den Mittelstand. Es ist wahr: Von den 30 000 Anträgen sind 73 Prozent vom Mittelstand gestellte Anträge. Wenn man sich aber die Volumina ansieht, dann stellt man fest, daß hier das Verhältnis genau umgekehrt ist. Der Mittelstand hat dann nur einen relativ kleinen Anteil. Wir wollen deshalb einen stärkeren Akzent auf die Förderung des Mittelstandes legen. Wir wollen, daß der Mittelstand das Instrumentarium, das er teilweise gar nicht kennt und das er teilweise wegen der Komplexität zuwenig nutzt, stärker nutzen kann. Man sollte dem Mittelstand möglicherweise mit speziellen Prämienrabatten besonders helfen.
Es gibt einen dritten Punkt, der uns besonders wichtig ist. In der Veränderung der weltwirtschaftlichen Strukturen nach der Auflösung des Ost-WestSystemgegensatzes gibt es eine ganze Reihe von neuen aufstrebenden Volkswirtschaften, die teilweise noch nicht so bekannt sind. Diese entwickeln sich vor allen Dingen in den Ländern stetig, in denen zum Beispiel, wie im Falle von Georgien oder Aserbaidschan, Rohstoffe eine große Rolle spielen. Wir wollen, daß die Prämienstruktur angepaßt wird und daß zum Beispiel der Rußland-Plafond von 1,5 Milliarden DM auf 2 Milliarden DM erhöht wird. Wir wollen weiterhin, daß für Georgien und Aserbaidschan Sonderplafonds vorgesehen werden, damit wir auf dem Sektor der Exportaktivitäten rascher vorankommen.
Vierter Punkt. Für den Export in die lateinamerikanischen Staaten müssen die Gebühren gesenkt werden - für sie muß es andere Kategorien geben -, weil wir dort unmittelbar mit Wettbewerbern wie Spanien und Italien, aber auch Nordamerika konfrontiert sind, die uns dort mit anderen Gebührenstrukturen den Wettbewerb sehr schwer machen. Wir haben noch immer Gebührenstrukturen in einer bestimmten Wettbewerbskategorie in lateinamerikanischen Ländern, die eine Benachteiligung für die deutsche Wirtschaft bedeuten.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen Punkt hinweisen, der besonders wichtig ist. In demselben Maße, wie die Globalisierung der Weltwirtschaft voranschreitet, exportiert man nicht von einem zentralen Punkt aus Güter in die ganze Welt, sondern produziert teilweise dezentral, von zentral gesteuerten Unternehmen aus in quasi transnationalen Strukturen. Das führt auch dazu, daß man große Infrastrukturprojekte nicht mehr in Teilen anliefert, sondern in Projekten direkt vor Ort erstellt und teilweise sogar die Beteiligung übernimmt. Für diese Hermes-Beteiligung gibt es bisher keine Versicherungsstrukturen. Das ist ein wichtiger Punkt. Insbesondere bei großen Infrastrukturprojekten wird es zunehmend zu direkten Beteiligungen derer, die diese Infrastrukturen erstellen, kommen. Dazu braucht man eine spezielle Form der Versicherung. Das wäre ein neuer Ansatz, den wir bisher nicht haben.
Fünfter Punkt. Die Wertschöpfungs- und Produktionstiefe muß bei den Hermes-Bürgschaften berücksichtigt werden. Wir wollen das nicht protektionistisch anlegen, aber wir wollen schon, daß bei Exportgeschäften vor allem diejenigen Güter abgesichert werden können, deren Wertschöpfungskette in Deutschland ist, das heißt, bei denen man nicht 80 oder 90 Prozent zukauft und wo hier nur die Holding ist, die die Güter dann exportiert oder die entsprechenden Verträge macht. Die Frage, wo die Wertschöpfungskette ist, ist für uns wichtig. Auch das muß bei Hermes bedacht werden.
Sechster Punkt. Exporte sollten nach unserer Auffassung auf Umwelt- und Entwicklungsverträglichkeit geprüft werden, auch strenger geprüft werden. Dazu haben wir eben schon ein Beispiel gehört. Ich glaube, daß das zunehmend eine Rolle spielen wird, wenn man das partnerschaftlich und nicht oberlehrerhaft gegenüber den Schwellenländern macht. Wenn man das gemeinsam macht, kann das möglicherweise sogar ein Wettbewerbsvorteil sein. Es gibt Beispiele, daß Schwellenländer, die an bestimmten Produkten und Infrastrukturen interessiert sind, mit den Exportländern gemeinsame Umweltverträglichkeitsprüfungen und ähnliche Dinge mehr machen. Ich meine, wir sollten hier unser Instrumentarium verbessern.
Siebter Punkt. Wir glauben, daß wir bei der Förderung der Umwelttechnik, wo wir heute einen Weltmarktanteil von 18, 19 Prozent haben, bei der Hermes-Absicherung eine besondere Prämierung vorsehen sollten. Damit könnten wir diese wichtige Weltmarktposition festigen und stabilisieren und gleichzeitig einen Beitrag zur Entwicklung in den Ländern leisten. Wenn man so will, ist das eine spezielle Rabattierung bei den Prämien für bestimmte Umwelttechnikprojekte. Damit könnte man uns und gleichzeitig diesen Ländern helfen.
Achter Punkt. Die Vergaberichtlinien müssen um eine Antikorruptionsklausel ergänzt werden. Die Exporteure müssen versichern, keine Schmiergelder anzunehmen. Der Versicherungsschutz soll bei nachgewiesener Korruption automatisch erlöschen.
Das ist eine wichtige Sache, die man in die Spielregeln aufnehmen muß. Ich glaube, daß das eine präventive Wirkung hat. Wenn man das in die Vergaberichtlinien aufnimmt, wird sich mancher überlegen, wie er bei solchen Dingen verfährt. Ich weiß, daß das ein schwieriger Punkt ist, weil viele Länder in der Tat mit solchen Instrumentarien arbeiten. Aber das darf uns nicht davon abhalten, hier mit einem guten Beispiel voranzugehen.
Neunter Punkt. Wir sollten noch präziser darüber reden - das wird teilweise schon getan, aber wir sollten das auch in den entsprechenden Gremien tun - und exakt darauf achten, daß da, wo es um die Frage geht, in welche Länder wir Güter exportieren, auch die Frage der Antiterrorismusklausel stärker berücksichtigt wird. Wenn Länder zum Beispiel ganz offensichtlich terroristische Aktivitäten unterstützen, sollten wir versuchen, mit einer Antiterrorismusklausel darauf zu achten, daß dort nicht nur keine Rüstungsgüter hinkommen, sondern daß auch andere
Siegmar Mosdorf
Fragen bedacht werden. Auch das ist ein qualitatives Kriterium, das wir nicht vernachlässigen wollen.
Zehnter und letzter Punkt. Das, was vorhin schon gesagt worden ist und was auch im Antrag der Grünen steht, nämlich daß man eine größere Transparenz herstellen sollte, ist ein richtiges Anliegen. Wir selber haben in unseren Anträgen vorgeschlagen, eine Form von Controlling im Parlament zu organisieren - durch den Wirtschafts- oder Haushaltsausschuß oder wie immer man das strukturiert -, damit die Exekutive ihren Job machen kann und damit die Hermes-Versicherung autonom arbeiten kann. Das ist ja eine private Versicherung. Es geht nur um die Frage, wie die Projekte, die wir für wichtig halten, bei denen wir auch ein „backing" von seiten des Staates geben wollen, letztlich beurteilt werden.
Deshalb scheint mir ein Transparenzreport angebracht zu sein, in dem man klar sagt, wohin die entsprechenden Absicherungen gehen. Zweitens halten wir auch ein schlankes, schlichtes Kontrollgremium auf parlamentarischer Ebene für notwendig, um diese wichtigen finanziellen Abdeckungen im internationalen Verkehr von seiten des Parlaments zu kontrollieren.
Zusammenfassend, meine Damen und Herren: Ich glaube, wir sollten dieses wichtige Instrumentarium im Grundsatz positiv beurteilen. Die zehn Punkte, die ich genannt habe, sind Reformpunkte, über die wir nachdenken sollten. Ich glaube, daß es gemeinsame Ansätze dazu gibt, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, damit wir in einer globalen Weltwirtschaft stärker präsent sein können und damit wir das gleichzeitig auch dort, wo sich der Staat selbst engagiert - und das tut er hier -, nach inhaltlichen Kriterien tun können.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.