Rede von
Wolfgang
Schmitt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden heute über die politische Ausgestaltung des Hermes-Instrumentariums.
Die Hermes-Kreditversicherung ist das wichtigste Instrument bundesdeutscher Außenhandelsförderung. Als Politikinstrument muß sich auch die Exportförderung darauf überprüfen lassen, ob sie anderen Politikzielen zuwiderläuft. Daß das zweite zutrifft, zeigt die Gewährung von Hermes-Bürgschaften für den Drei-Schluchten-Staudamm in der Volksrepublik China.
Bislang ist allerdings nicht abschließend geklärt, inwieweit bei der Gewährung von Exportbürgschaften außer rein ökonomischen auch andere Kriterien berücksichtigt werden. Der Bundeswirtschaftsminister erweckt den Eindruck, als gehe es in erster Linie um Rentabilitätsfragen und finanzielle Risiken.
Die Existenz des interministeriellen Ausschusses, der letztlich über die Gewährung von Ausfuhrbürgschaften entscheidet, deutet allerdings darauf hin, daß ganz allgemein die Frage eine Rolle spielt, ob die Gewährung einer Bürgschaft den Interessen der Bundesrepublik Deutschland entspricht. Dies sind sicherlich nicht nur rein ökonomische Interessen; sondern da spielt Politik ganz allgemein eine Rolle.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Anfrage des Kollegen Ingomar Hauchler, SPD, selbst eingeräumt, daß umweltpolitische und menschenrechtliche Kriterien bei der Beurteilung einer Exportgewährleistung sehr wohl eine Rolle spielen können. Man kann also festhalten: Die Bundesregierung läßt sich in ihrer Entscheidungsfindung prinzipiell auch von politischen Kriterien leiten. Das behauptet sie zumindest. Ich verweise unter anderem auf die restriktive Handhabung von Rüstungsexporten, wenn das auch bei weitem nicht ausreichend ist.
Worüber streiten wir uns also? Reicht das Instrumentarium aus, reichen die Regeln aus, um bei der Bürgschaftsgewährung entsprechende Politikziele verfolgen zu können? Wir glauben, daß die bestehende Situation erhebliche Defizite aufweist: Erstens ein Transparenzdefizit. Obwohl es sich bei Hermes-Krediten um ein Politikinstrument handelt und ein öffentliches Interesse an der Handhabung eines solchen Instrumentes besteht, ist die Beteiligung der Öffentlichkeit und des Parlamentes unzureichend. In Zukunft soll Transparenz sichergestellt werden, indem die Öffentlichkeit und das Parlament erfahren, wer für welches Projekt welche Deckungssumme beantragt hat.
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang wird eingewandt, derartige Publizität stelle einen Wettbewerbsnachteil dar; es handele sich bei diesen Informationen um schützenswerte Betriebs- und Geschäftsdaten.
Blicken wir über den Tellerrand: Die US-amerikanische Eximbank - das Pendant zu Hermes - kommt unseren Vorstellungen von Transparenz und Beteiligung der Öffentlichkeit sehr viel näher. Allerdings wird niemand behaupten, daß US-amerikanischen Firmen daraus gravierende Wettbewerbsnachteile entstehen.
Zweites Defizit. Entgegen den Bekundungen der Bundesregierung gegenüber dem Kollegen Hauchler deutet die Praxis der Bürgschaftsgewährung darauf hin, daß bei der Entscheidungsfindung letztlich allein kommerzielle Kriterien Berücksichtigung finden. Beispiele: Drei-Schluchten-Projekt in China - wie erwähnt -, die Gewährung von Bürgschaften für den Weiterbau des Atomkraftwerkes Mochovce in der Slowakei, der Export von Rüstungsgütern in die Türkei, nach Indonesien oder Korea.
Damit es zu einem ausgewogeneren Verfahren kommt, schlagen wir vor, daß in Zukunft das Bundesumweltministerium und - neben den Vertretern der Wirtschaftsverbände - unabhängige Entwicklungs-
und Umweltexperten an den Beratungen beteiligt werden. Dabei ist natürlich Vertraulichkeit zu wahren; das versteht sich von selbst.
Meine Damen und Herren, daß es so etwas wie einen kalten Krieg an der Außenhandelsfront gibt, habe ich an anderer Stelle schon einmal erwähnt. Die G-8-Staaten haben das auf ihrem Gipfel in Denver im Grunde genommen anerkannt, indem im Abschlußkommuniqué festgestellt wurde, daß die Exportförderungspolitiken der größten Industriestaaten einer Harmonisierung bedürfen. Wir denken, daß dies als Akt einer ökonomischen Rüstungsbegrenzung durchaus Sinn macht und daß die Bundesregierung dieses Anliegen tatkräftig unterstützen sollte.
Ein international abgestimmtes Vorgehen hätte im übrigen auch die internationale Kontroverse zum Drei-Schluchten-Projekt, die letztlich für die amerikanische Initiative in Denver verantwortlich war - ich erwähnte das Abschlußkommunique -, zu einem besseren Ergebnis geführt. Man muß hier noch einmal sagen: Letztlich hat es die Bundesregierung zu verantworten, daß diese Chance versäumt wurde.
Ich möchte noch kurz die Korruptionsbekämpfung ansprechen. Welche Folgen eine endemisch um sich greifende Korruptionskultur haben kann, erleben wir derzeit in Südostasien und speziell in Indonesien. Insider geben freimütig zu, daß bis zu 20 Prozent der Auftragssumme als Schmiergelder zu zahlen sind. Das Hermesinstrumentarium muß so ausgerichtet werden, daß dies in Zukunft unterbleibt.
Zwei Bemerkungen zum Schluß: Erstens. Die Kompetenz und Qualität der Risikobewertung der Hermes-Versicherungs-AG selbst ist zumindest in Zweifel zu ziehen, wenn man in „Die Zeit" vom 17. Oktober letzten Jahres blickt. Darin hat der Chef der Her-
Wolfgang Schmitt
I mes-Versicherungs-AG, Herr Dr. Janus, die Zahlungsunfähigkeit Indonesiens - obwohl die Zeichen in eine andere Richtung deuteten - schlicht und einfach damit bestritten, daß er behauptete, Indonesien verfüge über Währungsreserven in Höhe von 28 Milliarden US-Dollar. Wir wissen, daß sie längst wie der Schnee in der Sonne dahingeschmolzen sind.
Zweitens. Wir rufen mit unserem Antrag nicht zum Sturm auf ein Instrument der deutschen Exportförderung auf, sondern zu dessen Reform im Sinne der Politikziele, die auch der Bundeskanzler nicht müde wird auf internationalen Konferenzen als handlungsleitend für die Politik der Bundesregierung und für die Bundesrepublik Deutschland zu reklamieren. In diesem Sinne dürfte Ihnen, meine Damen und Herren, eine wohlwollende Behandlung unseres Antrages wohl nicht allzu schwer fallen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.