Rede von
Dr.
Heinrich L.
Kolb
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Kollegin Bulmahn, ich habe mich auf die Debatte natürlich gut vorbereitet. Ich habe den Bericht dabei, ich habe auch die Seite 76 aufgeschlagen. Ich kann Ihnen bestätigen: Sie haben die Zahlen richtig vorgelesen. Es bleibt bei dem, was ich gesagt habe: Ab 1993 - dem Zeitpunkt, ab dem wir die Standortdebatte so intensiv führen - gibt es einen deutlichen Aufwärtstrend. Wir brauchen gar nicht darüber zu streiten, daß es in 1991/92 einen starken Bruch gab. Ab 1993 zeigt die Entwicklung deutlich nach oben. Das zeigt: Wir sind mit unserer Forschungs- und Innovationspolitik auf einem guten Weg.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung unterstützt die Forschungs- und Innovationsentwicklung mit einer Doppelstrategie für mehr Innovationsdynamik. Zum einen verbessern wir die Rahmenbedingungen für innovative Unternehmen, zum anderen haben wir konkrete Maßnahmen entwickelt, die die Gründung technologieorientierter Unternehmen fördern, die die Innovationsfähigkeit mittelständischer Unternehmen stärken und die neue Technologiefelder erschließen.
Wir haben damit innovationspolitische Akzente gesetzt, von denen ich als Mittelstandsbeauftragter der Bundesregierung nur einige wenige aufgreifen möchte: Erstens - ergänzend zu dem, was Minister Rüttgers hier gesagt hat -: Die Kultur der Selbständigkeit wird weiter ausgebaut. Der Kollege Schily ist nicht mehr hier, aber vielleicht kann er es im Protokoll nachlesen: Die Selbständigenquote ist in den letzten Jahren, seit 1982, in der Tat wieder angestiegen. Heute haben wir eine Selbständigenquote von 8,9 Prozent. Das ist zugegebenermaßen etwas weniger als Ende der 50er/Anfang der 60er Jahre - damals betrug sie 14 Prozent -, aber das unterstreicht nur, wie wichtig es ist, daß wir auf dem Feld der Existenzgründungen voranschreiten, auch und gerade aus Gründen der Beschäftigung.
Übrigens haben 1997 rund 500 000 Mitbürger den Sprung in die Selbständigkeit gewagt. Das Problem, wenn man es denn so nennen darf, ist, daß im gleichen Zeitraum 430 000 Existenzen liquidiert - nur ein
Parl. Staatssekretär Dr. Heinrich L. Kolb
Teil von ihnen ist in Konkurs gegangen - worden sind. Wenn wir uns hier über Selbständigkeit unterhalten, müssen wir auch fragen, wie der Saldo - die Nettogröße: Unternehmensgründungen pro Jahr - deutlich stabilisiert und gesteigert werden kann.
Wir fördern die Selbständigkeit durch eine Reihe von Maßnahmen: Wir unterstützen mit gut 2 Milliarden DM mittelständische Unternehmen im Rahmen des EigenkapitalhilfeProgramms. Im Rahmen des ERP-Innovationsprogramms haben wir 1,5 Milliarden DM zur Verfügung, um Unternehmen bei der Lösung ihrer Innovationsfinanzierung zu helfen. Mit dem von uns gestarteten Beteiligungsfonds Ost leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Eigenkapitalsituation. Und: Die verbesserten Rahmenbedingungen werden ergänzt durch spezifische Fördermaßnahmen wie das Beteiligungsprogramm für technologieorientierte Unternehmen, dessen Volumen allein im letzten Jahr um rund 50 Prozent gestiegen ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, man muß also ganz deutlich sehen: Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der Ausstattung mit Eigenkapital und der Innovationsfähigkeit eines Unternehmens. Deswegen ist es so wichtig und richtig, daß wir hier einen Schwerpunkt setzen.
All diese finanziellen Fördermöglichkeiten werden aber allein nicht ausreichen, weil der Schritt zur Selbständigkeit in den Köpfen anfangen muß. Deutschlands Hochschulen - um es so drastisch zu sagen - produzieren zuwenig Unternehmer. Fast jeder zweite Hochschulabsolvent - über 40 Prozent - versucht beim Staat unterzukommen. Nur jeder zehnte wagt den Schritt in die Selbständigkeit.
Deswegen brauchen wir auch eine neue Wissenschaftskultur der Selbständigkeit.
Die Bundesregierung hat hier gehandelt. Ich habe eine Initiative zur Errichtung von Existenzgründungslehrstühlen und Lehrstühlen für Betriebsführung in mittelständischen Unternehmen an deutschen Hochschulen ins Leben gerufen und - das kann man aus heutiger Sicht sagen - voll ins Schwarze getroffen. An verschiedenen Hochschulen in den alten und den neuen Bundesländern laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Es gibt mittlerweile an der privaten European Business School einen ersten Lehrstuhl. Der Vorlesungsbetrieb wird im nächsten Semester aufgenommen. Wir sind dabei, in Witten-Herdecke, in Berlin, in Dresden, in Karlsruhe, in Köln, in Magdeburg und in Mannheim entsprechende Lehrstühle vorzubereiten.
Unser Ziel, flächendeckende Aktivitäten für Existengzründungslehrstühle anzustoßen, haben wir damit schon fast erreicht. Es vergeht kaum ein Monat, in dem wir nicht neue Anfragen seitens der Hochschulen, aber auch seitens potentieller Sponsoren erhalten. Das zeigt: Wir sind auf gutem Wege, die Kultur der Selbständigkeit auch in den Köpfen zu verankern.
Ich fasse mich jetzt etwas kürzer.
Zweitens. Die Brücke zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung wird weiter gestärkt. Die industrielle Gemeinschaftsforschung mit ihren über 100 Forschungsvereinigungen hilft Meinen und mittleren Unternehmen, gemeinsam anwendungsorientierte Grundlagenforschung durchzuführen. In diesem Jahr werden neben den 1400 laufenden Projekten zirka 350 Projekte neu gestartet.
Drittens. Der Aufbau und die Sicherung der Forschungskapazitäten in Ostdeutschland wird fortgesetzt und weiter beschleunigt. Der Prozeß der Umstrukturierung und des Neuaufbaus ist gut vorangekommen. Die Bundesregierung und die neuen Länder haben seit 1991 rund 6,6 Milliarden DM für die ostdeutsche Industrieforschung bereitgestellt, davon das Bundeswirtschaftsministerium 2,2 Milliarden DM.
Mit 20 Agenturen für Technologietransfer und Innovationsberatung sowie mit 13 technologiespezifischen Transferzentren in den neuen Bundesländern beschleunigen wir die Umsetzung neuer Ideen. Mit dem technologieorientierten Besuchsprogramm TOP fördern wir den Technologieaustausch auf Unternehmensebene.
Aber trotz dieser unbestreitbaren Erfolge sieht die Bundesregierung weiteren Handlungsbedarf. Deswegen sind die FuE-Maßnahmen integraler Bestandteil des im Mai letzten Jahres beschlossenen mittelfristigen Förderkonzepts für die neuen Länder. Damit sind die forschungs- und innovationspolitischen Weichen für den Aufbau Ost bis zum Jahr 2004 gestellt.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Die Bundesregierung setzt auf einen breiten Ansatz der Innovationspolitik, der ganz entscheidend auf die Schaffung und Nutzung unternehmerischer Handlungsspielräume zielt. Es ist zuallererst Aufgabe der Unternehmen, die Märkte von morgen zu suchen. Der Staat kann hierbei nur Hilfestellung leisten. Genau dies haben wir getan, und genau dies werden wir auch künftig konsequent weiter tun.
Vielen Dank.