Rede von
Dr.
Jürgen
Rüttgers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Nein. Sie haben in Ihrer langen, thesenhaften Frage mehrere Behauptungen aufgestellt, und ich möchte jetzt deutlich machen, wo ich anderer Meinung bin. Die Angebotsorientierung, verehrter Herr Kollege Schily, werden Sie auch im Zusammenhang mit strukturellen Reformen, die Sie gerade bejaht haben, nicht dadurch stärken, daß Sie etwa in die sozialen Sicherungssysteme mehr Geld hineinpumpen. Zum anderen bestreite ich angesichts der Globalisierung die These, daß einfach dadurch, daß den Menschen in unserem Land via Lohn mehr Geld gegeben wird, die Binnennachfrage steigt. Wenn Sie heute irgend jemandem Geld in die Hand geben und derjenige ein Auto kauft, dann wissen Sie eben nicht, ob das Auto in Köln, in Gent oder in Granada produziert worden ist. Deshalb ist es ein Irrtum, zu glauben, man könne mit diesen Methoden der Wachstumsförderung - egal, ob angebots- oder nachfrageorientiert
- mit dem Problem der Arbeitslosigkeit fertig werden.
Wir brauchen vielmehr strukturelle Reformen. Das ist genau der Punkt, den ich hier ansprechen wollte. Daß wir dies von seiten der Bundesregierung und der Koalition versuchen und tun, ist bekannt. Daß wir dafür länger brauchen, als wir uns dies wünschen, ist auch wahr.
Ich möchte auf einen Aspekt hinweisen, der gestern in der Diskussion überhaupt nicht angesprochen worden ist. Es werden - das ist sehr erfreulich -
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
wieder zunehmend junge Ingenieurinnen und Ingenieure auf dem Arbeitsmarkt gesucht.
Das ist ein Punkt, über den wir noch vor drei Jahren mit großer Sorge gesprochen haben. Wir wissen heute, daß der Beruf des Ingenieurs in den nächsten Jahren eine ausgesprochen nachgefragte Tätigkeit sein wird.
Wir haben im vergangenen Jahr das erstemal seit 1984 eine Trendwende, einen realen Zuwachs, bei den Lehrstellen gehabt. Die Zahl der Arbeitslosen, die unter 25 Jahre alt sind, liegt im Januar dieses Jahres um 4476 unter der des Vorjahres. Wir haben bei den jungen Leuten eine Entwicklung gegen den Trend, die zusammen mit den beiden anderen Entwicklungen zeigt, daß wir auf dem richtigen Weg sind. Ich möchte diesen Weg fortsetzen und will ihn noch zuspitzen und verstärken.
Kollege Schily, das ist einer der Punkte, bei dem ich ein Stück weit mit vielen hadere. Das ist übrigens jetzt nicht nur parteipolitisch einzusortieren. Das richtet sich vielmehr auch an die Eliten in diesem Lande. Wir alle gehören dazu. Wir alle miteinander haben die strukturellen Veränderungen noch nicht so beherzt angepackt, wie es notwendig ist.
Ich will dies mit einem Dreipunkteprogramm für Arbeit durch Innovationen versuchen:
Punkt eins: Initiative für mehr Selbständigkeit. Wir wissen, daß junge High-Tech-Unternehmen in den ersten fünf Jahren durchschnittlich zwölf neue Arbeitsplätze schaffen. Deshalb habe ich den Wettbewerb für Ausgründungen aus Hochschulen ausgeschrieben. Die Bewilligungen werden noch in diesem Jahr erteilt. Deshalb gibt es den Wettbewerb für Neugründungen im Multimediasektor, um die inzwischen bei 150 pro Jahr liegende Zahl der Gründungen noch weiter zu erhöhen.
Was wir allerdings zusätzlich brauchen, ist ein privates Netzwerk von Menschen und Finanzen, die potentielle Gründer unterstützen. Jeder von uns weiß, daß in den Vereinigten Staaten eine Viertelmillion privater Investoren Jahr für Jahr rund 15 Milliarden US-Dollar in jährlich etwa 30000 Neugründungen von innovativen Unternehmen investiert. Die Amerikaner nennen diese Leute „business angels". Ich bin fest davon überzeugt, daß es solche Menschen auch in Deutschland gibt. Das sind Unternehmer, Seniormanager, in Wirtschaftsdingen erfahrene Hochschullehrer, Finanzexperten und Anwälte. Das sind Menschen mit Erfahrung und Kapital, die bereit sind, Geld und Wissen zur Verfügung zu stellen, um Existenzgründern den Weg zum Erfolg zu ebnen, die dann allerdings später auch an ihrem Erfolg teilhaben möchten.