Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Natürlich zieht ein Forschungsbericht eine Bilanz. Insofern müssen wir uns auch mit einem Rückblick auseinandersetzen. Ich möchte aber weitgehend auf Perspektiven - Stichwort: Zukunft - eingehen und einige Überlegungen, die aus unserer Arbeitsgruppe in der F.D.P. kommen, im Zusammenhang mit zukünftigen Entwicklungen vortragen.
Der Bundesforschungsbericht stellt eine, wie ich meine, umfassende Bestandsaufnahme dar. Er liefert einen guten Überblick über die Struktur der Forschungslandschaft in der Bundesrepublik. Dabei möchte ich besonders die positive Bilanz im Aufbau der Forschungsstruktur in den neuen Bundesländern herausstellen, den Auf- und Ausbau der Hochschulen und der außeruniversitären Forschungsinstitutionen.
Dabei will ich die nach wie vor bestehenden Schwierigkeiten in der industriellen oder industrienahen Forschung nicht verschweigen. Hier besteht weiterhin Handlungsbedarf. Dazu liegt ja zur Beschlußfassung eine Beschlußempfehlung unseres Ausschusses vor. Ich will darauf inhaltlich nicht näher eingehen, sondern nur die Erwartung ausdrükken, daß die Bundesregierung ihre Bemühungen um Verbesserungen weiter intensiviert und die in der Beschlußempfehlung geforderten Maßnahmen und Vorschläge in vollem Umfang umsetzt.
Der Bundesforschungsbericht belegt darüber hinaus die umfangreichen internationalen Kooperationen, die internationalen Verflechtungen in Wissenschaft und Forschung, insbesondere innerhalb der EU und mit den mittel- und osteuropäischen Staaten. Hinsichtlich der EU-Erweiterung werden die Kontakte zu den Beitrittsländern gewiß weiter intensiviert werden müssen. Dies ist eine auf der Hand liegende Aufgabe.
Unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände möchte ich den vorliegenden Bericht als eine gute Bilanz bezeichnen. Er zeigt aber auch - das darf und soll der Ehrlichkeit halber nicht verschwiegen werden, wenn wir uns nicht selbst belügen wollen -, daß es Defizite gibt und daß die Situation von Wissenschaft und Forschung nicht optimal und nicht befriedigend ist. Vor allem im Hinblick auf die Finanzlage ist es dringend geboten, in den öffentlichen Haushalten Prioritäten zugunsten von Bildung, Wissenschaft und Forschung neu festzusetzen.
Aber um auch dies deutlich zu sagen: Es geht nicht nur um das Geld. Eine Vielzahl von Gesetzen, Vorschriften und Reglementierungen, die allenfalls noch ihre Berechtigung und ihren Sinn in der Wirtschaftswelt haben, wirken sich außerordentlich hemmend und hinderlich - ja verhindernd - in Wissenschaft und Forschung aus. Ich halte es für eine der dringendsten Aufgaben der Forschungspolitik, das Regelungsgestrüpp zu durchforsten und endlich solche rechtlichen, administrativen und finanziellen Rahmenbedingungen zu schaffen, die wissenschafts-
und forschungsadäquat sind,
und das gleichermaßen für Hochschulen, Forschungsinstitutionen und die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Industrie.
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann
In diesem Zusammenhang sei eine Feststellung erlaubt. Die Festlegung im öffentlichen Bereich, die Personalstellen jährlich um 2 Prozent abzubauen, ist richtig und nachdrücklich zu unterstützen. Für öffentliche Einrichtungen jedoch, die wissenschafts-
und forschungsorientiert sind, führt ein solcher jährlicher Stellenabbau zu einer Überalterung des Forschungspersonals und verbaut jungen Nachwuchskräften die gebotenen Entwicklungsmöglichkeiten. Ich mahne hier Revision an.
Lassen Sie mich an dieser Stelle eines mit Nachdruck feststellen - und ich bin Herrn Thierse dankbar dafür, daß er Gleiches getan hat -: Der Leistungsstand der Forschung in Deutschland ist entgegen manchen Unkenrufen und trotz vielfältiger Restriktionen und Schwierigkeiten noch immer und Gott sei Dank sehr hoch, dank der ungebrochenen Begeisterung, ja, lassen Sie mich sagen: dank der ungebrochenen Besessenheit der Forscher und Wissenschaftler, dank ihrer Kreativität und ihres Engagements, Schwierigkeiten und Engpässe zu überwinden. Dafür gebührt unseren Wissenschaftlern und Forschern auch einmal unser Dank. Wir sollten ihnen unsere Anerkennung dafür aussprechen.
Ihre Leistungen genießen in hohem Maße Ansehen in der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft.
Das ist natürlich nicht in allen Forschungs- und Entwicklungsfeldern gleichermaßen der Fall. Das kann es auch gar nicht sein, denn auch in der Wissenschaft ist internationale Arbeitsteilung, ist Konzentration auf Felder der Exzellenz gefordert und damit auch eine Intensivierung der Wechselbeziehungen unerläßlich. Verlangen wir also nicht, auf allen Feldern exzellent sein zu müssen, aber reden wir auch den Leistungsstand und die Leistungsfähigkeit der Forschung in Deutschland nicht herunter. Reden wir die deutsche Forschung doch nicht schlecht! Das würde letztlich nur zu Entmutigung, zu Demotivation und zum Nachlassen des begrüßenswerten Engagements der Forscher und Wissenschaftler führen.
Es ist das gegenwärtige zentrale Thema der Politik, die hohe Arbeitslosigkeit zu überwinden. Deshalb muß sich auch die Forschungspolitik auf dieses Ziel hin orientieren. Das ist unbestritten. Sie muß Methoden entwickeln, um Wachstum und Beschäftigung durch Innovation zu stimulieren. Es kommt darauf an, dem Innovationsprozeß eine stärkere Dynamik zu geben. Dabei gilt es einerseits, zur schnelleren Umsetzung von Grundlagenwissen in anwendungsorientierte Entwicklung und Innovation das Zusammenspiel zwischen Forschungsinstitutionen und Unternehmen zu verbessern, insbesondere die Kooperation mit den innovationsbereiten kleinen und mittleren Unternehmen zu fördern, und andererseits auch die Gründung neuer, meist high-tech-intensiver Unternehmen zu unterstützen.
Innovative Technologiepolitik ist das gemeinsame Leitthema der Anträge von SPD und Bündnis 90/Die Grünen wie auch der Großen Anfrage der Koalitionsfraktionen. In ihrer Antwort auf die Große Anfrage hat die Bundesregierung sehr ausführlich die Maßnahmen und Instrumente zur Förderung und Motivation von Existenzgründungen dargelegt, insbesondere auch die Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung. Aber auch hier gilt, daß nicht in erster Linie oder ausschließlich die Verfügbarkeit von Wagnis- oder Risikokapital der ausschlaggebende Faktor für die Entscheidung zur Selbständigkeit ist - darauf wird Herr Kolb wohl noch eingehen -, sondern zum einen das persönliche Risiko und die individuelle Bereitschaft, ein solches Risiko einzugehen, und zum anderen - eher hinderlich - die Vorschriftenflut auch hier, die manchen Gründer zur Verzweiflung bringt.
Ich habe mit einer Reihe von Existenzgründern, die inzwischen mehr oder weniger erfolgreich sind, Kontakt und habe erst vor einem Jahr zwei meiner wissenschaftlichen Mitarbeiter an der Bergischen Universität zur Existenzgründung ermutigt, mit sanftem Übergang aus dem öffentlichen Dienst. Ich habe hautnah und unmittelbar erfahren, was da an bürokratischen, administrativen Anforderungen auf junge Gründer zukommt. Manch ein Unsinn kommt da auf die Leute zu. Auch hier muß Innovationspolitik ansetzen. Damit müssen wir uns dringend einmal beschäftigen. Das halte ich für wichtiger als Geld.
Ich möchte mich schließlich einem Thema zuwenden, das mir besonders am Herzen liegt. Nach meiner Meinung sind wir in der Forschungs- und Technologiepolitik zu sehr auf Technik, auf neue Produkte und materielle Güter, fixiert. Es gibt aber viele Gründe, unsere Aufmerksamkeit auf die Rolle und Bedeutung der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften im Innovationsprozeß zu richten.
Denn schließlich wissen wir, daß infolge weiter fortschreitender Automatisierung und damit steigender Produktivität neue Arbeitsplätze überwiegend im Dienstleistungssektor entstehen müssen - unter dem erweiterten Begriff Dienstleistung; das ist nicht nur der Dienst im Krankenhaus und die Pflege am Menschen. Hier liegen doch - unbestritten, meine ich - Defizite vor.
Machen wir uns die Definition von Technologie eines Wissenschaftsphilosophen zu eigen, der zwischen einer Maschinentechnologie - der Technologie der Hardware also -, einer sozialen Technologie, wie zum Beispiel der Organisation einer Klinik oder eines Versicherungssystems, und einer intellektuellen Technologie unterscheidet, welche die Bereiche von Service und Wartung - kurz: den weitgefaßten Bereich von Software - umfaßt. So mag deutlich wer-
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann
den, daß der Begriff Technologie gerade im Hinblick auf den Dienstleistungssektor eine notwendige Erweiterung unter Einbeziehung der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften erfahren muß.
Abschließend möchte ich feststellen, daß Innovation und damit Innovationspolitik am Ende einer Kette ansetzt. Voraussetzung ist zunächst, daß jungen Menschen eine ausgezeichnete Ausbildung zuteil wird und daß sich daraus der wissenschaftliche Nachwuchs, eine hochmotivierte, leistungsfähige und leistungsbereite Elite herausbildet. Damit erst werden die Voraussetzungen für neue wissenschaftliche Grunderkenntnisse geschaffen.
Auf diese wiederum bauen zweck- und zielorientierte Entwicklungen auf, die zu Innovationen führen, zu Innovationen führen müssen. Bei aller unbestritten aktuellen Bedeutung und Notwendigkeit von Innovationen zur Sicherung bestehender und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze - an dieser Notwendigkeit läßt auch die F.D.P. keinen Zweifel - vernachlässigen wir Bildung und Ausbildung nicht und räumen wir der Suche nach neuen Erkenntnissen in allen Wissenschaftsdisziplinen den ihr zukommenden, in die Zukunft gerichteten Stellenwert in der Forschungspolitik ein.
Ich möchte mit einem Satz von Popper schließen: Wir können die Zukunft nicht vorhersehen, aber wir müssen sie möglich machen.
Schönen Dank.