Rede von
Christian
Lenzer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie zunächst alle sehr herzlich. Wir sind heute morgen wieder unter uns. Das kann der Sache nur dienlich sein.
Ich möchte mit einem Zitat beginnen:
„Zukunft möglich machen" lautet der kategorische Imperativ des ausklingenden Jahrhunderts. Er ist kein philosophisches Konstrukt, sondern politisches Programm, Antwort auf die dreifache Herausforderung, vor der Deutschland an der Jahrtausendschwelle steht.
Mit diesem Aufmacher beginnt der Bundesforschungsbericht 1996, der ja ein wichtiges Dokument auch für die heutige Debatte ist, bevor er sich dann mit den Fragen der inneren Einheit, des weltwirtschaftlichen Wandels und der weltpolitischen Veränderungen beschäftigt.
In der Tat kann es nicht oft genug gesagt werden: Wissen ist der Rohstoff der Zukunft. Daraus entsteht Arbeit. Revolutionierten an der Schwelle zum 20. Jahrhundert Elektrizität und Maschinenbau die Gesellschaft, so sind es heute die Informationstechnik und Mikroelektronik, also Technologien, die mit der Erfindung des Transistors vor 50 Jahren begonnen haben.
Die zweite revolutionierende Entwicklung, über die im Moment heftig diskutiert wird, ist die Biooder Gentechnik. Konzentrierte sich die Forschung am Anfang dieses Jahrhunderts schwerpunktmäßig auf das Verstehen der unbelebten Materie und war geprägt durch die großen Fortschritte der Physik, so stehen heute die Biowissenschaften auf Platz eins der Hitliste. Die Geheimnisse des Lebens werden in zunehmendem Maße entschlüsselt, was für die Besiegung bis jetzt unheilbarer Krankheiten, um nur ein klassisches Beispiel zu nennen, unzweifelhaft ein herausragender Fortschritt ist. Auf der anderen Seite aber - mit diesen Diskussionen haben wir uns immer stärker zu beschäftigen - stoßen die Forscher immer öfter an die Grenzen von Ethik und Moral, so daß sich die Frage stellt, ob der Mensch all das darf, was er kann.
Der technische Fortschritt ist so rasant, daß es häufig schwerfällt mitzuhalten. Es gibt aber keine Alternative. Stillstand hieße Rückschritt und Verlust von Wohlstand und Arbeitsplätzen. Damit wäre eine Fülle weiterer Probleme verbunden, wie wir alle wissen. Uns bleibt nur eine Wahl: Wir müssen an der Spitze des Fortschritts mithalten. Nur dann können wir Zukunft zum Wohle der Menschen gestalten.
Die nötigen Voraussetzungen dazu haben wir. Das ist nicht selbstverständlich. Alles Wissen ist in unserem Land; wir müssen es nur gezielt und punktuell besser nutzen. Ich empfehle in diesem Zusammenhang die Lektüre des Bundesforschungsberichtes 1996. 1996 klingt zwar in einer so schnellebigen Zeit - heute sind wir bereits im Jahre 1998 - schon etwas antiquiert. Aber der Bericht enthält eine Fülle von statistischem Material und von grundsätzlichen Aussagen, die sicherlich von großer Bedeutung sind.
Meine Damen und Herren, ich glaube, man kann feststellen: Die deutsche Forschungslandschaft ist gut. Sie muß sich nur immer wieder - wie wäre es auch anders möglich - den wechselnden Herausforderungen anpassen. Neue wissenschaftliche Ziele müssen aufgegriffen und alte aufgegeben werden, wenn ein Thema ausgeforscht ist. Das ist nicht immer einfach. Die Strukturen müssen sich dem anpassen, auch wenn schmerzhafte Einschnitte erforderlich sind. Als Folge des Ergebnisses einer Evaluation zum Beispiel haben wir das mehrfach erfahren.
Christian Lenzer
Natürlich braucht eine gute Forschungslandschaft auch einen entsprechenden finanziellen Rahmen. Ich möchte nichts beschönigen: Hier besteht ein wunder Punkt. Wir brauchen mehr Mittel für die Forschung.
Wirtschaft und Staat müssen noch mehr tun, wenn wir ein wirkliches High-Tech-Land werden bzw. - das ist noch wichtiger - bleiben und wenn wir unsere technologische Wettbewerbsfähigkeit international sichern wollen.
Natürlich können wir uns der allgemeinen politischen Forderung nach Sparsamkeit nicht verschließen. Aber wir müssen sehr genau aufpassen, daß wir nicht an der falschen Ecke, nämlich gerade bei Bildung und Forschung - in diesen wichtigen, zukunftsträchtigen Bereichen -, irgend etwas kaputtsparen.
- Nein, meine Damen und Herren von der Opposition, so einfach ist das nicht. Auch Sie müssen da mitwirken. Man kann nicht nur auf die Regierenden mit dem Finger zeigen.
Ich komme in diesem Zusammenhang auf meinen Vorschlag, den prozentualen Zuwachs beim Bildungs- und Forschungsetat an der Steigerung des Bruttosozialproduktes zu orientieren, zurück, den ich einmal bei der Diskussion über den Haushalt 1998 gemacht hatte. Dies muß ja kein Automatismus sein. Aber man sollte sich schon bemühen, Forschung und Bildung mit den entsprechenden Mitteln auszustatten.
Ein besonderes Augenmerk muß auf die Industrieforschung in den neuen Bundesländern gelegt werden. Hierzu wird noch ein spezieller Beitrag geleistet werden. Die Wiederansiedlung von Forschung und Entwicklung in den produzierenden Betrieben muß weiterhin mit Nachdruck gefördert werden. Substantielle Kürzungen der Fördermittel der öffentlichen Hände im Bereich der ostdeutschen Industrieforschung sind noch für längere Zeiträume nicht akzeptabel. Die Kooperationsmöglichkeiten zwischen KMU und Forschungseinrichtungen müssen verbessert werden, und die Ergebnisse der wirtschaftsnahen Forschungen müssen der eigenen Wertschöpfung in den neuen Bundesländern noch besser zugute kommen.
Ich nenne als Beispiel nur einmal die „Personalförderung Ost" des BMWi, die „Marktvorbereitende Industrieforschung" ebenfalls des BMWi und die „Förderung und Unterstützung von technologieorientierten Unternehmensgründungen" unseres eigenen Hauses, des BMBF. Sie müssen konsequent weitergeführt werden.
Es wäre unvollständig, wenn ich an dieser Stelle nicht voller Stolz auf einen großen Erfolg verweisen würde, nämlich auf das - ich will es einmal so nennen - sächsische Silicon Valley, jedenfalls im Ansatz. Deutschland ist auf dem besten Weg zur Weltspitze in einem Teilbereich der Mikroelektronik. Das Rezept dazu ist innovatives Know-how, gut ausgebildetes Personal, eine gute Infrastruktur und das Prinzip „Klotzen und nicht Kleckern". Daß sich jetzt Siemens, Motorola und Wacker zusammengetan haben, um in Dresden mit dem Projekt „300 plus" eine Mikrochip-Produktion auf der Basis von 300 Millimeter Wafern aufzubauen, ist wirklich ein exzellentes Signal für den Standort Deutschland. Mehr als 8 000 Arbeitsplätze werden durch diesen Innovationssprung bei der Mikroelektronikfertigung gesichert. HighTech-Ausgaben in Höhe von 5,5 Milliarden DM, davon Investitionen in Höhe von 4,3 Milliarden DM werden angestoßen. Zirka 50 Firmen und Institute sind an den Forschungsarbeiten beteiligt - dies bedeutet also eine gewaltige Breitenwirkung -, die das BMBF mit rund 250 Millionen DM fördert. Hier ist in einem großen Synergieeffekt zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Staat ein Center of Excellence, wie das so schön heißt, geschaffen worden, das weltweite Bedeutung hat.
- Ich bin der sächsischen Sprache nicht ganz so mächtig. Ich kann sie ein bißchen nachahmen, aber mehr nicht.
An diesem Beispiel - Sie haben mir gerade das Stichwort gegeben - für gut angelegte Investitionen in die Zukunft könnte sich vielleicht ein gewisser Ministerpräsident Schröder einmal ein Beispiel nehmen. Ich denke noch voller Schrecken daran, welche Wortwahl er in dieser Woche in den Auseinandersetzungen der Aktuellen Stunde gefunden hat.
Überhaupt ist das Verständnis der Opposition von Innovation immer noch sehr innovationsbedürftig. Es kann ja schon als Fortschritt gewertet werden, daß der Parteivorsitzende im letzten Jahr in Düsseldorf die Genossen darum gebeten hat, zunächst die Chancen neuer Technologien zu sehen und nicht von vornherein immer nur die Risiken in den Vordergrund zu stellen. Dem ist nichts hinzuzufügen, dem kann man eigentlich nur zustimmen. Wir wollen hoffen, daß das noch weiter um sich greift.
Schöne Reden auf Kongressen sind eine Sache; es muß aber auch auf allen Ebenen entsprechend gehandelt werden. Jede Verzögerungstaktik verspielt Chancen und damit Arbeitsplätze für den Standort Deutschland.
Lassen Sie mich einige wenige Beispiele nennen: Die Blockadehaltung der SPD hat - das muß man ganz deutlich sehen - dem Bereich der Bio- und Gentechnik lange Jahre sehr geschadet. Ich begrüße es, daß offensichtlich auch in Ihren Reihen ein gewisser Umdenkungsprozeß stattgefunden hat. Wir können heute voller Stolz feststellen, daß sich in der Bundesrepublik Deutschland inzwischen etwa 300 Unternehmen dieses Bereichs angesiedelt haben. Der Bioregio-Wettbewerb des Bundesministers für For-
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schung und Technologie war ein sehr großer Erfolg. Mit München, dem Rhein-Neckar-Gebiet, dem Rheinland und Jena - das ist besonders wichtig: eine Stadt aus den neuen Bundesländern - konnten wir Regionen auswählen, die sich durch besondere Kompetenz auf diesem Gebiet auszeichnen.
Zum Bereich der Energietechnik will ich nur soviel sagen: Ich bedauere es außerordentlich, daß die Energiepolitik der SPD und ihr halbherziges Bekenntnis zur Forschung im Kernenergiebereich dazu führen, daß Milliardenbeträge vergeudet werden. Statt dessen wird immer von Markteinführungshilfen bei der Solarenergie gesprochen. Niemand will das geringschätzen: Als Beispiel nenne ich die beiden neuen Firmen, die sich mit der Solarzellenfabrikation beschäftigen: Shell/Pilkington in Gelsenkirchen und ASE in Alzenau. Aber ich meine, man muß die Dinge zurechtrücken; man darf sie nicht verzerrt sehen.
Als persönliche Bemerkung darf ich einmal einfügen: Nach fast 30 Jahren Abgeordnetendasein hier in Bonn kommt man manchmal in Verlegenheit, eine gewisse Rückschau zu halten. Ich greife deshalb gern ein Beispiel aus der Vergangenheit heraus: Was wäre wohl passiert, wenn sich Franz Josef Strauß vor Jahrzehnten nicht vehement - gegen das Heer aller Bedenkenträger - für den Airbus eingesetzt hätte?
In diesen Tagen haben wir gerade Rückzahlungen in Höhe von 1,4 Milliarden DM bekommen, die in die Bundeskasse geflossen sind. Das ist zwar nur ein Anfang. Aber ich glaube, es ist aller Ehren wert und verdient eine lobende Erwähnung.
Wo wären wir gelandet, wenn wir - angesichts der enormen Wirtschaftskonzentration, insbesondere in den USA, in diesem Bereich - praktisch anstehen müßten? Ich nenne nur einmal Boeing, McDonnel Douglas und Rockwell auf der einen Seite, Lockheed Martin und Northrop Grumman sowie Raytheon und Hughes auf der anderen Seite. Ich glaube, wir müssen in diesem Bereich erhebliche Anstrengungen unternehmen. Forderung für die Zukunft ist daher, einen breiten Marktzugang zu sichern, ein großes Know-how zu garantieren und letztlich auch die dafür notwendige starke Finanzkraft zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang sollten wir die Airbus Single Corporate Entity, das einheitliche Management mit klaren ökonomischen Prinzipien, lobend erwähnen.
Nationale Unternehmen sind hier chancenlos. Ich freue mich, daß sich die Luft- und Raumfahrtindustrie im Aufwind befindet, daß die Krise der Branche nach vielen, vielen Diskussionen und großem Hin- und Hergezerre überwunden zu sein scheint. Nur am Rande will ich erwähnen, daß am 30. Oktober 1997 durch den erfolgreichen Start der Ariane-5-Trägerrakete praktisch ein neues Zeitalter in der Satellitenträgerschaft eingeläutet wurde.
Das war ein sehr großer Erfolg, auf den wir alle miteinander - das gilt für jeden, der daran mitgewirkt hat - stolz sein können.
Der Bundesforschungsbericht 1996 gibt einen exzellenten Überblick über den Stand der Forschung in Deutschland. Ich möchte dabei besonders auch auf die einleitenden Kapitel verweisen. Leider ist es hier aus zeitlichen Gründen nicht möglich, weiter in die Details zu gehen. Aber lassen Sie mich, um über das Allgemeine etwas hinauszugehen, nochmals feststellen: Die deutsche Forschungslandschaft ist gut; sie braucht weltweit keine Konkurrenz zu scheuen. Aber sie kann und muß in Richtung Innovation noch besser, noch leistungsfähiger werden.
Zum Abschluß einige Wünsche für die Zukunft.
- Das wollen wir erst einmal sehen. Es wird sicherlich eine neue Regierung geben. Aber ich glaube, jeder bleibt dort sitzen, wo er jetzt sitzt und wo er sich eingerichtet hat.
- Wir wollen es mit der Erneuerung nicht übertreiben.
Das Forschungspotential an den Hochschulen muß mit Blick auf Innovationen noch intensiver ausgeschöpft werden. Frau Kollegin Bulmahn, Herr Kollege Laermann und ich waren bei der Verleihung des Leibniz-Preises Anfang dieser Woche zugegen. Es war wirklich ein schönes und befriedigendes Erlebnis daß junge Forscher für außergewöhnliche Leistungen ausgezeichnet wurden und daß dort nicht gekleckert wurde, sondern echt Geld hineingesteckt wurde. Auf diesem Wege sollten wir weitergehen.
Dienstleistungen mittels neuer Technik sind noch extrem unterentwickelt. Hier ist ein großes brachliegendes Feld für neue Arbeitsplätze, das es zu beakkern gilt.
Lassen Sie mich die Existenzgründungen, HighTech, Low-Tech erwähnen. Das muß weiter forciert werden. Voller Stolz kann ich auch an den Existenzgründerkongreß der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 28. Januar dieses Jahres in Hannover erinnern.
Innovationsstrategien müssen systematisch verfolgt werden. So braucht auch Innovation - wie die Wachstumsprozesse - in vielen Fällen ihre Zeit und einen langen Atem. Unsere Forschungslandschaft muß deshalb höchst flexibel sein, um auf die Heraus-
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forderungen der Zukunft angemessen und schnell reagieren zu können. Administrative Hemmnisse müssen deshalb auf das absolut Notwendige beschränkt werden. Die Verantwortlichkeiten im Forschungsbereich sollten künftig noch klarer definiert werden. Das gilt insbesondere für die manchmal etwas leidigen Mischfinanzierungen zwischen Bund und Ländern.
Meine Damen und Herren, ich stelle abschließend fest: An der Schwelle zum nächsten Jahrtausend oder zum nächsten Jahrhundert, wenn wir es etwas kleiner machen wollen, ist Deutschland im Bereich von Forschung und Technologie gut gerüstet. Wir haben das Potential an Wissen, an gut ausgebildeten Menschen, Ideenreichtum und Initiative. Wenn wir es verstehen, in allen Bereichen den nötigen Freiraum zur Entfaltung zu geben, dann brauchen wir uns um die Zukunft keine Sorgen zu machen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.