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    Plenarprotokoll 13/210 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 210. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1997 Inhalt: Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 19107 A Absetzung von Tagesordnungspunkten 19107 D Nachträgliche Ausschußüberweisungen 19107 D Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Peter Conradi, Dr. Alfred Dregger und Dieter Schanz 19108 C Zusatztagesordnungspunkt 2: Erklärung durch die Bundesregierung zum Vertrag von Amsterdam und zum bevorstehenden Europäischen Rat in Luxemburg am 12./13. Dezember 1997 in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 4: Europapolitische Debatte a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 (Drucksache 13/ 9339) 19108 C b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Euro (Euro-Einführungsgesetz) (Drucksache 13/ 9347) 19108 D c) Antrag der Gruppe der PDS: Demokratisierung der EU durch ihre Osterweiterung (Drucksache 13/9357) . . . . 19109 A d) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu dem Antrag der Abgeordneten Andrea Gysi, Manfred Müller (Berlin), weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Durchführung einer Volksabstimmung über die Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland an der vom Maastrichter Vertrag beschlossenen Europäischen Währungsunion und die Ratifizierung der Ergebnisse der Regierungskonferenz zur Überprüfung und Revision des Vertrages über die Europäische Union (Drucksachen 13/7307, 13/9332) 19109 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Kristin Heyne, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Verbraucherschutz bei Einführung des Euro wahren - frühe Euronutzung ermöglichen (Drucksache 13/9373) 19109 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Lippelt, Christian Sterzing, Dr. Angelika Köster-Loßack und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Europäische Union demokratisch erweitern - eine historische Aufgabe (Drucksache 13/9374) 19109 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Steffen Tippach, Heinrich Graf von Einsiedel, wei- terer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Neuverhandlung des Amsterdamer Vertrags (Drucksache 13/9379) 19109 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Erste Beschlußempfehlung und erster Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorlage der Kommission über die Erweiterung der Europäischen Union hier: Agenda 2000 1. Eine stärkere und erweiterte Union (VOL.!) 2. Die Erweiterung der Union - eine Herausforderung (VOL.II) 3. Zusammenfassungen und Schlußfolgerungen der Stellungnahmen der Kommission zu den Beitrittsanträgen zur Europäischen Union folgender Länder: Bulgarien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Tschechische Republik, Rumänien, Slowenien, Slowakei (Drucksachen 13/8391, 13/9418) . . . 19109 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . . 19109 D Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD 19113 D, 19121 D, 19126 C Rudolf Seiters CDU/CSU 19117 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19120C, 19122 A Dr. Helmut Haussmann F.D.P 19122 C Manfred Müller (Berlin) PDS 19124 B Dr. Guido Westerwelle F.D.P. 19126 A Dr. Gero Pfennig CDU/CSU 19127 A Dr. Norbert Wieczorek SPD 19128 D Rudolf Seiters CDU/CSU 19129 A Christian Sterzing BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19131 C Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P 19132 D Uwe Hiksch SPD 19134 A Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU 19135 D Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 19137 C Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . 19138 A Michael Stübgen CDU/CSU . . . . . 19138 D Tagesordnungspunkt 5: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999) (Drucksachen 13/9324, 13/ 9381) 19140 A b) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder (Erbrechtsgleichstellungsgesetz) (Drucksachen 13/9328, 13/9382) 19140 A Namentliche Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 13/9381 . . . . 19140 C Ergebnis 19141 A Namentliche Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 13/9382 19140 C Ergebnis 19144 C Zusatztagesordnungspunkt 13: Vereinbarte Debatte zum Thema „Stabile Rentenbeiträge" Wolfgang Vogt (Düren) CDU/CSU . . 19143 B Ottmar Schreiner SPD 19147 A Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19149 A Dr. Gisela Babel F.D.P 19149 D Petra Bläss PDS 19150 D Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 19151 C Tagesordnungspunkt 14: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung (Drucksachen 13/ 8704, 13/8869, 13/9327, 13/9419) . . . 19152 C Namentliche Abstimmung über die Nr. 2 der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 13/9419 19152 C Ergebnis 19154 C Zusatztagesordnungspunkt 15: Vereinbarte Debatte zum Thema „Post" Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 19153 A Hans Martin Bury SPD 19156 D Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19158 B Gerhard Jüttemann PDS 19159 A Dr. Max Stadler F D P. 19159 C Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU . . 19160 B Zusatztagesordnungspunkt 16: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Postgesetz (Drucksachen 13/7774, 13/8702, 13/8800, 13/9420) 19160 C Zusatztagesordnungspunkt 17: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 13/4386, 13/6721, 13/7234, 13/9421) 19160D Zusatztagesordnungspunkt 18: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Fortentwicklung des Haushaltsrechts von Bund und Ländern (Haushaltsrechts-Fortentwicklungsgesetz) (Drucksachen 13/8293, 13/8875, 13/9326, 13/9422) 19160 D Tagesordnungspunkt 20: Überweisungen im vereinfachten Verfahren e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 19. März 1997 zur Änderung des Vertrags vom 23. November 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Einbeziehung der Gemeinde Büsingen am Hochrhein in das schweizerische Zollgebiet (Büsinger Staatsvertrag) (Drucksache 13/9040) 19161 A f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergaberechtsänderungsgesetz) (Drucksache 13/9340) . 19161 B g) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Beamtenrechtsrahmengesetzes und anderer dienstrechtlicher Vorschriften (Drucksache 13/ 8934) 19161 B h) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sprengstoffgesetzes und anderer Vorschriften (Drucksache 13/8935) 19161 C i) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und anderer Gesetze (Strafprozeßanpassungsgesetz) (Drucksache 13/8939) 19161 C j) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (Drucksache 13/ 8940) 19161 C k) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften (Drucksache 13/9109) 19161 D l) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Agrarstatistikgesetzes und anderer Gesetze (Drucksache 13/9110) 19161 D m) Erste Beratung des von den Abgeordneten Christina Schenk, Dr. Heidi Knake-Werner, weiteren Abgeordneten und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung für Frauen und Männer (Vereinbarkeitsgesetz) (Drucksache 13/9380) 19161 D n) Antrag der Abgeordneten Dr. R. Werner Schuster, Tilo Braune, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Reform der ärztlichen Ausbildung (Drucksache 13/8901) 19162 A p) Antrag der Gruppe der PDS: Feminine und maskuline Sprachform in Rechtsvorschriften des Bundes (Drucksache 13/8865) 19162 A Zusatztagesordnungspunkt 6: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (Drucksache 13/ 9378) 19162 A b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 39 GG) (Drucksache 13/9393) 19162 B Tagesordnungspunkt 21: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz) (Drucksachen 13/ 4898, 13/9416) 19162 C b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1998 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1998) (Drucksachen 13/8833, 13/9409) . . . 19162 D c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Abgeordneten Helmut Wilhelm (Amberg), Franziska Eichstädt-Bohlig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Richtlinie für ökologisches Bauen bei Baumaßnahmen des Bundes (Drucksachen 13/ 7089, 13/8966) 19163 A d) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz: Tätigkeitsbericht 1993 und 1994 des Bundesbeauftragten für den Datenschutz - 15. Tätigkeitsbericht - gemäß § 26 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (Drucksachen 13/ 1150, 13/7699) 19163 A e) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Einführung eines Konsultationsverfahrens betreffend die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern auf dem Gebiet des Seeverkehrs sowie die diesbezüglichen Aktionen in den internationalen Organisationen und eines Genehmigungsverfahrens für Seeverkehrsabkommen (Drucksachen 13/7959 Nr. 2.4, 13/9383) 19163 B f) Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Haushaltsführung 1997 Außerplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 09 02 Titel 67122 - Kosten im Zusammenhang mit der Veräußerung der Bundesrohölreserve - (Drucksachen 13/8535, 13/8594 Nr. 1.4, 13/ 9042) 19163 C g) Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Haushaltsführung 1997 Überplanmäßige Ausgaben bei Kapitel 10 02 Titel 656 58 - Zuschüsse zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit - bis zur Höhe von 110 Mio. DM (Drucksachen 13/8546, 13/8594 Nr. 1.5, 13/9043) . . 19163 D h) Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Haushaltsführung 1997 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 11 13 Titel 656 04 - Zuschüsse zu den Beiträgen zur Rentenversicherung der in Werkstätten beschäftigten Behinderten - (Drucksache 13/8806, 13/8893 Nr. 5, 13/9044) 19163 D i) Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Haushaltsführung 1997 Einwilligung in überplanmäßige Ausgaben bei Kapitel 23 02 Titel 836 02, 836 04 und 836 05 - Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland - an Einrichtungen der Weltbankgruppe (Internationale Entwicklungsorganisation - IDA) - am Kapital der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) und am Afrikanischen Entwicklungsfonds (AfDF) (Drucksachen 13/8749, 13/8893 Nr. 4, 13/9091) 19164 A j) Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Haushaltsführung 1997 Überplanmäßige Ausgaben bei Kapitel 17 04 - Bundesamt für den Zivildienst - a) Kapitel 17 04 Titel 68123 (Sonderleistungen) b) Kapitel 17 04 Titel 671 42 (Zuschüsse an Beschäftigungsstellen zur Entlastung vom Aufwand für Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung der Dienstleistenden) (Drucksachen 13/8843, 13/9066 Nr. 4, 13/9092) . . 19164 B k) Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 60 04 Titel 66102 - Zinszuschüsse im Rahmen des Gemeindeprogramms der Kreditanstalt für Wiederaufbau - (Drucksachen 13/8648, 13/8352 Nr. 1.4, 13/9093) 19164 B l) Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Haushaltsführung 1997 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 25 02 Titel 893 01 - Prämien nach dem WohnungsbauPrämiengesetz - (Drucksachen 13/ 8807, 13/8893 Nr. 6, 13/9106) . . . . 19164 C m) Beschlußempfehlung des Haushaltsaus - schusses zu der Unterrichtung durch die Präsidentin des Bundesrechnungs - hofes als Vorsitzende des Bundesschuldenausschusses: Bericht des Bundesschuldenausschusses über seine Tätigkeit sowie die Verwaltung der Bundesschuld im Jahre 1996 (Drucksachen 13/ 7748, 13/9107) 19164 C n) Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses Übersicht 8 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 13/ 9053) 19164 D o-q) Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 258, 259 und .260 zu Petitionen (Drucksachen 13/9255, 13/9256, 13/9257) . 19165 A Zusatztagesordnungspunkt 7: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu Reaktionen in der Öffentlichkeit zum Eintreffen der Bescheide zum Krankenhausnotopfer . 19165 B Dr. Ruth Fuchs PDS 19165 B Eva-Maria Kors CDU/CSU 19166 B Regina Schmidt-Zadel SPD 19167 A Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19168 C Jürgen W. Möllemann F.D.P. . . . . . 19169 D Horst Seehofer, Bundesminister BMG 19170 D Ulf Fink CDU/CSU 19172 B Gudrun Schaich-Walch SPD 19173 B Dr. Gregor Gysi PDS 19174 C Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU 19176 A Dr. Hans-Hinrich Knaape SPD 19177 A Wolfgang Zöller CDU/CSU 19178 A Dr. Wolfgang Wodarg SPD 19179 A Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Abgeordneten Hans Martin Bury, Lilo Blunck, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (Drucksache 13/8163) 19179 D Hans Martin Bury SPD 19180 A Norbert Röttgen CDU/CSU 19182 A Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19183 C Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . . 19184 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 19185 D Rainer Funke, Parl. Staatssekretär BMJ . 19186 C Lilo Blunck SPD 19187 D Tagesordnungspunkt 8: a) Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Beer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ächtung von Landminen (II) (Drucksachen 13/3748, 13/7870) . . 19189 D b) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 230 zu Petitionen: (Weltweites Verbot von Landminen) (Drucksache 13/8497). . . 19190 A c) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 231 zu Petitionen (Verzicht auf Landminen, bzw. Qualitätsstandards für Selbstzerstörungseinrichtungen) (Drucksache 13/ 8498) 19190 A Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19190 B Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . 19191 B Volker Kröning SPD 19193 A, 19198 B Dr. Olaf Feldmann F.D.P 19194 C Steffen Tippach PDS 19195 C Wolfgang Dehnel CDU/CSU 19196 A Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 19196 D Tagesordnungspunkt 9: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften (Drucksache 13/9388) 19198 C b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Margareta Wolf (Frankfurt) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung (Drucksache 13/8846) . . . 19198 D Karl-Heinz Scherhag CDU/CSU . . . 19198 D Ernst Schwanhold SPD 19200 D Jörg Tauss SPD 19201 C Ernst Hinsken CDU/CSU 19203 D Margarete Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19204 D Karl-Heinz Scherhag CDU/CSU . . 19205 B Ernst Hinsken CDU/CSU 19206 B Jürgen Türk F.D.P 19207 B Rolf Kutzmutz PDS 19208 B Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 19209 D Margarete Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19210 C Ernst Hinsken CDU/CSU 19212 C Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Günter Graf (Friesoythe), Hans-Peter Kemper, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Reform des Bundesgrenzschutzes (Drucksache 13/8977) . . . 19214 B Hans-Peter Kemper SPD 19214 C Michael Teiser CDU/CSU 19218 A Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19220 B Dr. Max Stadler F D P. 19221 C Ulla Jelpke PDS 19222 C Manfred Kanther, Bundesminister BMI 19223 C, 19227 A Uta Titze-Stecher SPD 19226 B Uwe Hiksch SPD 19227 B Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lebenslanges Lernen (I): Berufliche Weiterbildung in Deutschland ausbauen (Drucksache 13/8899) . 19228 A Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzgrundlage der gesetzlichen Krankenversicherung in den neuen Ländern (GKV-Finanzstärkungsgesetz) (Drucksache 13/9377) 19228 B Tagesordnungspunkt 14: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Individualentschädigung für tschechische Opfer des Nationalsozialismus (Drucksache 13/ 8871) 19228 B b) Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Dr. Helmut Lippelt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Errichtung einer Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Zwangsarbeit" (Drucksache 13/ 8956) 19228 B c) Antrag der Abgeordneten Andrea Fischer (Berlin), Volker Beck (Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für die osteuropäischen Opfer von NS-Zwangsarbeit (Drucksache 13/9218) 19228 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Günter Verheugen, Rudolf Scharping und der Fraktion der SPD: Errichtung eines Sozialwerks für tschechische NS-Opfer (Drucksache 13/9395) 19228 D Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19228 D Günter Verheugen SPD 19230 B Dr. Burkhard Hirsch F D P. 19232 B Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19233 A Ulla Jelpke PDS 19233 D Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten, Gert Weisskirchen (Wiesloch), Lisa Peters und weiterer Abgeordneter: Visumfreiheit für die baltischen Staaten (Drucksache 13/ 9390) 19234 B Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/ CSU 19234 C Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Christa Luft, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Novellierung des Gesetzes über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen (Vermögenszuordnungsgesetz) (Drucksache 13/ 9068) 19236 C Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 19236 D Nächste Sitzung 19237 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 19238* A Anlage 2 Deutscher Anteil an Führungspositionen in der EU im Vergleich zu den anderen Mitgliedstaaten MdlAnfr 50, 51 Wolfgang Schulhoff CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Werner Hoyer AA . 19238* B Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Christian Müller (Zittau) (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P.: Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur erblichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder (Tagesordnungspunkt 5 b) 19240* A Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Friedrich Merz CDU/CSU zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung (Zusatztagesordnungspunkt 14) 19240* A Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Wolfgang Zöller CDU/CSU zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung (Zusatztagesordnungspunkt 14) 19240* C Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dieter Maaß (Herne) und Wolfgang Weiermann (beide SPD) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung (Zusatztagesordnungspunkt 14) 19240* C Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag: Reform des Bundesgrenzschutzes (Tagesordnungspunkt 11) Helmut Heiderich CDU/CSU 19240* D Dr. Dionys Jobst CDU/CSU 19241* A Rudolf Meyer (Winsen) CDU/CSU . . 19241* C Otto Regenspurger CDU/CSU 19241* D Jürgen Sikora CDU/CSU 19242* A Engelbert Nelle CDU/CSU 19242* A Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 12 (Antrag: Lebenslanges Lernen (I): Berufliche Weiterbildung in Deutschland ausbauen) Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19242* C Werner Lensing CDU/CSU 19243* B Franz Thönnes SPD 19244* D Dr. Karlheinz Guttmacher F.D.P. . . . 19246* D Maritta Böttcher PDS 19247* C Elke Wülfing, Parl. Staatssekretärin BMBF 19248* D Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 13 (Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzgrundlage der gesetzlichen Krankenversicherung in den neuen Ländern) Angelika Pfeiffer CDU/CSU 19250* B Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU 19251* A Dr. Martin Pfaff SPD 19251* D Klaus Kirschner SPD 19254* C Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19255* D Dr. Dieter Thomae F.D.P 19256* D Dr. Ruth Fuchs PDS 19257* D Dr. Erwin Vetter, Minister (Baden-Württemberg) 19258* C Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 19259* C Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 14 (a - Antrag: Individualentschädigung für tschechische Opfer des Nationalsozialismus, b - Antrag: Errichtung einer Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Zwangsarbeit", c - Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für die osteuropäischen Opfer von NSZwangsarbeit) sowie zu Zusatztagesordnungspunkt 8 (Antrag: Errichtung eines Sozialwerks für tschechische NS-Opfer) Wolfgang Zeitlmann CDU/CSU 19260* C Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 15 (Antrag: Visumfreiheit für die baltischen Staaten) Reinhold Hiller SPD 19261* D Gert Weisskirchen SPD 19262* C Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19263* A Ulrich Irmer F.D.P 19263* C Ulla Jelpke PDS 19264* B Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI 19264* C Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 16 (Antrag: Novellierung des Gesetzes über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen) Dr. Michael Luther CDU/CSU 14265* C Wolfgang Ilte SPD 19267* B Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19268* D Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 19269* B Rainer Funke, Parl. Staatssekretär BMJ 19269* D 210. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1997 Beginn: 10.36 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Braun (Auerbach), Rudolf CDU/CSU 11. 12. 97 Dr. Däubler-Gmelin, Herta SPD 11. 12. 97 Dreßler, Rudolf SPD 11. 12. 97 Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 11. 12. 97 90/DIE GRÜNEN Homburger, Birgit F.D.P. 11. 12. 97 Ibrügger, Lothar SPD 11. 12. 97 Imhof, Barbara SPD 11. 12. 97 Kriedner, Arnulf CDU/CSU 11. 12. 97 Kurzhals, Christine SPD 11. 12. 97 Marx, Dorle SPD 11. 12. 97 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 11. 12. 97 Müller (Völklingen), Jutta SPD 11. 12. 97 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 11. 12. 97 * Reschke, Otto SPD 11. 12. 97 Rupprecht, Marlene SPD 11. 12. 97 Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 11. 12. 97 90/DIE GRÜNEN Seuster, Lisa SPD 11. 12. 97 Vosen, Josef SPD 11. 12. 97 Zwerenz, Gerhard PDS 11. 12. 97 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Fragen des Abgeordneten Wolfgang Schulhoff (CDU/CSU) (Drucksache 13/9352 Fragen 50 und 51): Wie hoch ist der deutsche Anteil an Führungspositionen in der EU im Vergleich zu den anderen Mitgliedstaaten (relativ und absolut)? Ist nach Meinung der Bundesregierung Deutschland personell in den EU-Institutionen mit Führungskräften unterrepräsentiert, und wenn ja, wie plant sie den deutschen Anteil zu erhöhen? Als einer der großen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist die Bundesrepublik Deutschland daran interessiert, in den EU-Institutionen personell so vertreten zu sein, wie es ihren politischen und wirtschaftlichen Interessen entspricht. Deutsches Personal soll daher vor allem in jenen Bereichen tätig sein, in denen unser Land einen wichtigen sachpolitischen Beitrag leisten kann, wie er sowohl national als auch in anderen internationalen Organisationen zum Tragen kommt. Für die EU-Kommission als personalstärkster EU-Institution bedeutet dies: Umfangreiche deutsche Präsenz, in erster Linie auf Leitungsebene, in den Bereichen Außenbeziehungen, Wirtschaft und Finanzen, Industrie, Verkehr, Landwirtschaft, aber auch bei Entwicklungspolitik und Umweltschutz. Besonders in den zukunftsorientierten Bereichen, z. B. bei der Anlagen zum Stenographischen Bericht Telekommunikation und in der Gemeinsamen Forschungsstelle, fällt der starke deutsche Personalanteil ins Auge. Das besetzungsgebundene Interessenprofil wird fortlaufend überprüft; wo wichtige Positionen zu besetzen sind, werden entsprechende Schritte einer qualitativ hochwertigen Besetzung unternommen. Der Beitritt Schwedens, Finnlands und Österreichs, die ihrerseits erst einen eigenen Personalanteil aufbauen mußten, reduzierte zwar die zahlenmäßige deutsche Präsenz ebenso wie jene der anderen Mitgliedstaaten - die für Deutschland bedeutsamen Positionen und Bereiche konnten jedoch gehalten werden. Die gleichen Zielsetzungen gelten - mit jeweils institutionsbedingten Prämissen - für den Rat, den Europäischen Gerichtshof, den Rechnungshof und die Europäische Investitionsbank. Bezogen auf die in den EU-Institutionen insgesamt tätigen 9 561 Beamten der Laufbahngruppe A (vergleichbarer Höherer Dienst) stellt Deutschland 1 220 (12,76 %), Frankreich 1326 (13,87 %), Großbritannien 1091 (11,41 %) und Italien 1 192 (12,47 %). Damit entfällt bei den EU-Institutionen im Bereich des Höheren Dienstes auf Deutschland der zweithöchste Personalanteil. Bezogen auf die jeweiligen nationalen Personalanteile bei den einzelnen Institutionen liegt Deutschland auf Platz 2 im Europäischen Parlament (14,35 %), im Generalsekretariat des Rates (12,23 %), in der Kommission (12,40 %) und in der Europäischen Investitionsbank (14,18 %). Der vergleichsweise geringere deutsche Personalanteil beim Europäischen Gerichtshof (10,30 % und damit Platz 3) und dem Europäischen Rechnungshof (10,77 % und damit Platz 4) hängt vor allem damit zusammen, daß dort überwiegend Spezialisten nachgefragt werden, die auf dem freien Arbeitsmarkt, besonders in Deutschland, günstigere Berufsmöglichkeiten finden. Der zahlenmäßige deutsche Anteil korrespondiert - unter Berücksichtigung gewisser jahrgangs- und institutionsbedingter Schwankungen - mit jenem der anderen großen EU-Mitgliedstaaten. Insgesamt entspricht die Besetzung von EU-Führungspositionen (A1-A3) mit deutschem Personal dem politischen und wirtschaftlichen Interessenprofil der Bundesrepublik Deutschland. Andererseits hat die laufende Überprüfung unserer Personalpräsenz gezeigt, daß Deutschland in Einzelbereichen der EU-Kommission unverkennbar Aufholbedarf hat. Dies gilt vor allem für die Bereiche Personal und Verwaltung. Indirekte Steuern und Zölle, Beschäftigung und Soziales sowie Finanzkontrolle. Um hier zu einer Verbesserung zu kommen, wurden, vorausschauend auf die Personalentwicklung der nächsten Jahre, wichtige Stellen für eine Besetzung mit deutschen Beamten identifiziert. Darüber hinaus wird gerade in diesen Bereichen deutsches Nachwuchspersonal gefördert und der Mittelbau mit Blick auf die Übernahme künftiger Führungsfunktionen gestärkt. Im Zuge der ressortübergreifenden Koordinierung sind Bestrebungen im Gange, namentlich für den Europäischen Gerichtshof und den Europäischen Rechnungshof qualifiziertes Personal zu gewinnen, um den Abstand zu anderen Mitgliedstaaten zumindest zu verringern. DEUTSCHES PERSONAL IN DEN EU-INSTITUTIONEN 4. Dezember 1997 EUROPÄISCHES PARLAMENT D F GB I B DK E GR IRL L NL P A FIN S AND SUMME 89 99 73 81 42 24 52 32 18 9 26 25 15 13 19 3 620 14,35 % 15,97 % 11,77 % 13,06 % 6,77 % 3,87 % 8,39 % 5,16 % 2,90 % 1,45 % 4,19 % 4,03 % 2,42 % 2,10 % 3,06 % 0,48 % 100,00 % GENERALSEKRETARIAT DES RATES DER EU D F GB I B DK E GR IRL L NL P A FIN S AND SUMME 34 33 27 35 21 12 27 15 11 5 16 12 14 8 8 0 278 12,23 % 11,87 % 9,71 % 12,59 % 7,55 % 4,32 % 9,71 % 5,40 % 3,96 % 1,80 % 5,76 % 4,32 % 5,04 % 2,88 % 2,88 % 0,00 % 100,00 % EUROPÄISCHE KOMMISSION A-Beamte D F GB I B DK E GR IRL L NL P A FIN S AND SUMME 715 919 673 712 616 170 566 329 194 54 298 234 87 77 112 9 5 765 12,40 % 15,94 % 11,67 % 12,35 % 10,69 % 2,95 % 9,82 % 5,71 % 3,37 % 0,94 % 5,17 % 4,06 % 1,51 % 1,34 % 1,94 % 0,16 % 100,00 % LA-Beamte D F GB I B DK E GR IRL L NL P A FIN S AND SUMME 227 112 194 184 183 134 167 142 20 10 84 132 8 94 79 11 1 781 12,75 % 6,29 % 10,89 % 10,33 % 10,28 % 7,52 % 9,38 % 7,97 % 1,12 % 0,56 % 4,72 % 7,41 % 0,45 % 5,28 % 4,44 % 0,62 % 100,00 % Gemeinsame Forschungsstelle D F GB I B DK E GR IRL L NL P A FIN S AND SUMME 85 62 56 122 62 14 27 28 4 5 20 14 5 3 4 4 515 16,50 % 12,04 % 10,87 % 23,69 % 12,04 % 2,72 % 5,24 % 5,44 % 0,78 % 0,97 % 3,88 % 2,72 % 0,97 % 0,58 % 0,78% 0,78 % 100,00 % WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS D F GB I B DK E GR IRL L NL P A FIN S AND SUMME 6 10 6 9 4 2 7 3 1 1 3 2 1 1 1 0 57 10,53 % 17,54 % 10,53 % 15,79 % 7,02 % 3,51 % 12,28 % 5,26 % 1,75 % 1,75 % 5,26 % 3,51 % 1,75 % 1,75 % 1,75 % 0,00 % 100,00 % AUSSCHUSS DER REGIONEN D F GB I B DK E GR IRL L NL P A FIN S AND SUMME 6 7 4 3 4 2 6 3 1 0 2 2 2 1 1 0 44 13,64 % 15,91 % 9,09 % 6,82 % 9,09 % 4,55 % 13,64 % 6,82 % 2,27 % 0,00 % 4,55 % 4,55 % 4,55 % 2,27 % 2,27 % 0,00 % 100,00 % GERICHTSHOF DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN D F GB I B DK E GR IRL L NL P A FIN S AND SUMME 17 24 13 17 25 10 11 10 11 6 7 3 4 3 4 0 165 10,30 % 14,55 % 7,88 % 10,30 % 15,15 % 6,06 % 6,67 % 6,06 % 6,67 % 3,64 % 4,24 % 1,82 % 2,42 % 1,82 % 2,42 % 0,00 % 100,00 % EUROPÄISCHER RECHNUNGSHOF D F GB I B DK E GR IRL L NL P A FIN S AND SUMME 21 34 25 12 22 5 15 10 8 6 11 13 1 8 4 0 195 10,77 % 17,44 % 12,82 % 6,15 % 11,28 % 2,56 % 7,69 % 5,13 % 4,10 % 3,08 % 5,64 % 6,67 % 0,51 % 4,10 % 2,05 % 0,00 % 100 % EUROPÄISCHE INVESTITIONSBANK D F GB I B DK E GR IRL L NL P A FIN S AND SUMME 20 26 20 17 9 5 12 7 6 2 9 4 2 1 1 0 141 14,18 % 18,44 % 14,18 % 12,06 % 6,38 % 3,55 % 8,51 % 4,96 % 4,26 % 1,42 % 6,38 % 2,84 % 1,42 % 0,71 % 0,71 % 0,00 % 100,0 % Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Christian Müller (Zittau) (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P.: Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur erbrechtlichen Gleichtellung nichtehelicher Kinder (Seite 19144 C) - Drucksache 13/9382 - (Tagesordnungspunkt 5 b) Bei der namentlichen Abstimmung habe ich versehentlich mit Ja gestimmt. Ich erkläre, daß mein Votum Nein lautet. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Friedrich Merz (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung (Zusatztagesordnungspunkt 14) Der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zum Gesetz zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung - Drucksachen 13/8704, 13/8869, 13/9327 - vermag ich aus folgenden Gründen nicht zuzustimmen: 1. Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung ging von einem zeitlichen Zusammentreffen von Rentenstrukturreform und Umfinanzierung durch 1 Punkt Mehrwertsteuer zugunsten eines höheren Bundeszuschusses in die Rentenversicherung aus. Dieser notwendige und richtige zeitliche Zusammenhang wird durch die jetzt vorgesehene Anhebung der Mehrwertsteuer zum 1. April 1998 aufgelöst. 2. Die isolierte Mehrwertsteuererhöhung zum 1. April 1998 bei allenfalls unverändertem Renten-Beitragssatz von 20,3 % im Jahr 1998 erhöht die Steuer- und Abgabenlast und damit die Staatsquote weiter, obwohl die schwierige wirtschaftliche Lage der Bundesrepublik Deutschland das Gegenteil dringend erfordert. 3. Die Mehrwertsteuererhöhung verteuert ohne Entlastung bei den Sozialabgaben die im Inland angebotenen Waren und Dienstleistungen. Damit werden das Handwerk, der Dienstleistungssektor, der gewerbliche und industrielle Mittelstand sowie der Handel erneut weiter belastet. Gerade dort wären schnellst mögliche Kostenentlastungen angezeigt gewesen. Diese Erklärung gebe ich gleichzeitig im Namen meines Kollegen Gerhard Schulz (Leipzig) ab. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Wolfgang Zöller (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung (Zusatztagesordnungspunkt 14) Dem vorgelegten Gesetzentwurf kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht zustimmen, da erst gestern -10. Dezember 1997 - die Anhörung zu den „610 DMArbeitsplätzen" stattgefunden hat. Die Auswertung liegt noch nicht vor, die aus meiner Sicht jedoch für eine sachgerechte Bewertung notwendig ist. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dieter Maaß (Herne) und Wolfgang Weiermann (beide SPD) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung (Zusatztagesordnungspunkt 14) Hiermit möchten wir feststellen, daß wir in der offenen Abstimmung zur Gegenfinanzierung zur Beitragssenkung der Renten (Drs. 13/9419, Anlage 1) mit Gegenstimme votierten. Anlage 7 Erklärung nach j 31 GO zur Abstimmung über den Antrag: Reform des Bundesgrenzschutzes (Tagesordnungspunkt 11) Helmut Heiderich (CDU/CSU): Als Bundestagsabgeordneter, in dessen Wahlkreis sich ein Bundesgrenzschutzstandort befindet, der aufgelöst werden soll, gebe ich nach § 31 Geschäftsordnung folgende Erklärung ab: Seit dem Jahr 1995 bin ich unablässig für den Erhalt der in meinem Wahlkreis liegenden BGS-Standorte eingetreten. In einer Vielzahl von Gesprächen und Interventionen beim zuständigen Bundesminister des Innern habe ich die Probleme dargestellt, die sich aus den vorgesehenen Auflösungen für die Standortgemeinde und die weiteren Betroffenen ergeben. Der heutige Antrag der SPD, das Strukturkonzept des Bundesministers des Innern zurückzuziehen und zu überdenken, ist jedoch keine tragfähige und noch weniger eine bessere Alternative zum jetzigen Reformkonzept. Er ist ganz offensichtlich aus rein parteitaktischen Überlegungen gestellt worden. Außerdem macht der SPD-Antrag keinerlei Aussage für den Erhalt von BGS-Standorten. Vielmehr erkennt der Antrag „die Notwendigkeit einer Strukturreform des BGS durchaus an". Das einzige Ziel des Antrags ist es, trotz Kenntnis aller Initiativen den Anschein zu erzeugen, die SPD tue mehr für die betroffenen Standorte als wir. Dies ist nachweislich nicht der Fall. Im Gegenteil, auch der SPD-Antrag geht davon aus, daß Standorte aufgelöst werden. Aus diesem Grunde werde ich, trotz der vorgetragenen Bedenken zum Reformkonzept des Bundesministers des Innern, den Antrag der SPD-Fraktion ablehnen. Dr. Dionys Jobst (CDU/CSU): Als Bundestagsabgeordneter, in dessen Wahlkreis der Bundesgrenzschutzstandort Nabburg aufgelöst werden soll, gebe ich nach § 31 der Geschäftsordnung folgende Erklärung ab: Die Auflösung des BGS-Standortes Nabburg ist falsch und nicht gerechtfertigt. Er erfüllt alle fachlichen Kriterien, die für eine Beibehaltung sprechen. Der Standort liegt im Vergleich zu den anderen BGS-Standorten in Bayern am nächsten zur tschechischen Grenze. Er hat einen unmittelbaren Autobahnanschluß. Auch die strukturpolitischen Gründe rechtfertigen und fordern seinen Erhalt. Nabburg ist eine Kleinstadt mit 6 300 Einwohnern in einem strukturschwächeren Gebiet. Die Standorte in Bayern, die fortbestehen sollen, befinden sich in Oberzentren. Im Falle des Standortes Oerlenbach mit seinen 5 700 Einwohnern hat man strukturpolitische Gründe berücksichtigt, was verständlich ist. Warum nicht bei Nabburg? In einer Reihe von Gesprächen und Interventionen beim zuständigen Bundesminister des Innern habe ich auf die gravierenden Probleme hingewiesen, die sich aus einer Auflösung des BGS-Standortes Nabburg für die Stadt und die Region ergeben. Die Entscheidung ist weder den BGS-Angehörigen noch der Bevölkerung dieser Region zu vermitteln. Sie wird als unbegründet und ungerecht empfunden. Der Antrag der SPD-Fraktion, das Strukturkonzept des Bundesministers des Innern zurückzuziehen und durch ein neues zu ersetzen, ist aber keine Alternative zum jetzigen 'Reformkonzept und ist offensichtlich aus parteitaktischen Überlegungen gestellt worden. Die SPD-Fraktion erkennt in ihrem Antrag die Notwendigkeit einer Strukturreform des Bundesgrenzschutzes durchaus an. „Durch die politischen Veränderungen in Osteuropa und durch die Wiedervereinigung Deutschlands hat sich die Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig verändert", wird in dem Antrag ausgeführt. Eine Verstärkung des grenzpolizeilichen Einzeldienstes, insbesondere im Bereich der Ostgrenze, sowie die Einrichtung von Inspektionen seien derzeit notwendig. Außerdem müsse die bahnpolizeiliche Präsenz bei der Zugbegleitung und auch in den Bahnhöfen intensiviert werden. Der SPD-Antrag gibt, auch wenn örtliche Oppositionspolitiker einen anderen Eindruck zu vermitteln suchen, außerdem keine Garantie, daß die zur Auflösung vorgesehenen BGS-Standorte - und so auch Nabburg - erhalten bleiben, denn auch er beinhaltet die Schließung von BGS-Standorten, „ausschließlich an Sicherheits- und Wirtschaftslichkeitsaspekten" orientiert. Aus diesem Grunde werde ich, trotz meiner nachhaltigen Ablehnung der Einzelentscheidung gegenüber dem Standort Nabburg, gegen den SPD-Antrag stimmen. Rudolf Meyer (Winsen) (CDU/CSU): Dem Antrag der SPD-Fraktion stimme ich nicht zu. Ich bin der Auffassung, daß das vorliegende Konzept des Bundesinnenministers zur Neuorganisation des BGS schlüssig ist. Es trägt den zukünftigen Anforderungen der Aufgabengebiete des BGS Rechnung. Gleichwohl bin ich bis heute der festen Überzeugung, daß der bisherige Standort Winsen/Luhe aufgrund seiner vielfältigen Vorzüge einen gewichtigen Platz im neuen BGS-Konzept hätte einnehmen können. Die diese Position belegenden Argumente sind dabei von allen Beteiligten offensiv in die Diskussion eingebracht worden. Ich nehme jedoch zur Kenntnis und erkenne auch an, daß alternative Lösungen ebenso zu einem erfolgreichen Zukunftskonzept des BGS führen können. Ich bin der Auffassung, daß das vorliegende Konzept einschließlich der dazugehörigen Abwicklung der nicht mehr benötigten Standorte konsequent und weitsichtig erarbeitet wurde. Der Antrag der SPD bietet dagegen keine Alternative. Er ist offensichtlich aus rein parteitaktischen Überlegungen gestellt worden. Er zielt darauf ab, Koalitionsabgeordnete, die sich durch das neue BGS-Konzept benachteiligt fühlen, eine Möglichkeit der weiteren und für alle Beteiligten schädlichen Zeitverzögerungen zu eröffnen und dabei der Bundesregierung eine Abstimmungsniederlage zuzufügen. Ein solches Vorgehen trage ich nicht mit. Ich lehne daher den Antrag der SPD ab. Otto Regenspurger (CDU/CSU): Als Abgeordneter des Bundeswahlkreises Coburg gebe ich folgende Erklärung ab: Ich werde dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen und begründe es wie folgt: Der Antrag der SPD, das Strukturkonzept des Bundesministers zurückzuziehen, ist ein reiner Schaufensterantrag. Er will nur Unruhe in die Wahlkreise tragen und die örtlichen Abgeordneten erwecken den Eindruck, als ob durch die Annahme des Antrags Standorte gerettet werden könnten. Im Gegenteil! Er enthält nicht einen einzigen Vorschlag, welcher Standort erhalten bleiben soll. So ist auch kein Antrag zum Erhalt des Standortes Coburg erkenntlich. Im Antrag der SPD steht: Der Deutsche Bundestag erkennt die Notwendigkeit einer Strukturreform des Bundesgrenzschutzes durchaus an. Durch die politischen Veränderungen in Osteuropa und durch die Wiedervereinigung Deutschlands hat sich die Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig verändert. Neue Kriminalitätsformen und kriminalgeographische Brennpunkte haben sich entwickelt und verändern sich ständig. Diese SPD-Feststellung erlaubt dem Innenminister Konsequenzen für eine Standortauswahl nach seinen Kriterien. Er hat hier die alleinige Organisationszuständigkeit. Den jetzt vorliegenden Schlußfolgerungen des BMI zur Standortauswahl kann ich allerdings nicht folgen. Zumindest die Aus- und Fortbildung kann zum Beispiel in Coburg verbleiben. Sie findet hier Arbeits- und Lebensbedingungen, die an anderer Stelle erst noch geschaffen werden müssen, bzw. überhaupt nicht realisiert werden können. In Oerlenbach zum Beispiel, wohin eine Verlagerung der Aus- und Fortbildung erfolgen soll, müssen die Voraussetzungen erst mit großem finanziellen Aufwand geschaffen werden. Ich habe deshalb den Bundesrechnungshof eingeschaltet, um eine Verschwendung von Steuergeldern zu verhindern. Dies ist niemandem zumut- und vermittelbar. Ich wiederhole nochmals: Im Antrag der SPD wird nicht ein einziger Erhalt eines Standortes gefordert, auch nicht für Coburg, sondern sogar attestiert, daß Standorte aufgegeben werden könnten. Für mich ist es besonders wichtig, daß notwendige Veränderungen sinnvoll, nachvollziehbar und für das betroffene Personal sozialverträglich gestaltet werden müssen. Jürgen Sikora, Engelbert Nelle (beide CDU/CSU): Als Bundestagsabgeordnete, in deren Wahlkreisen sich Bundesgrenzschutzstandorte befinden, geben wir nach § 31 Geschäftsordnung folgende Erklärung ab: Aus unterschiedlichen Gründen sind wir für den Erhalt der in unseren Wahlkreisen liegenden BGS-Standorte eingetreten. In einer Vielzahl von Gesprächen und Interventionen beim zuständigen Bundesminister des Innern haben wir auf die gravierenden Probleme hingewiesen, die sich aus den vorgesehenen Auflösungen für die Standortgemeinden ergeben. Darüber hinaus ist im Falle des Standortes Goslar der Bundesrechnungshof eingeschaltet worden, um die Wirtschaftlichkeit der vorgesehenen Veränderungen zu überprüfen. Der Antrag der SPD, das Strukturkonzept des Bundesministers des Innern zurückzunehmen und durch ein neues zu ersetzen, ist keine tragfähige und noch weniger eine bessere Alternative zum jetzigen Reformkonzept und ist ganz offensichtlich aus rein parteitaktischen Überlegungen gestellt worden. Außerdem gibt der SPD-Antrag keine Garantie für den Erhalt der in unseren Wahlkreisen liegenden BGS-Standorte. Vielmehr erkennt die SPD in ihrem Antrag die Notwendigkeit einer Strukturreform des Bundesgrenzschutzes an, die ebenfalls die Aufgabe von BGS-Standorten beinhaltet. Das einzige Ziel des Antrags ist es, in Kenntnis unserer Initiative und in der Hoffnung unserer Zustimmung zu diesem Antrag, der Bundesregierung eine Abstimmungsniederlage beizubringen. Aus diesem Grunde werden wir, trotz unserer vorgetragenen Bedenken zum Reformkonzept des Bundesministers des Innern, den Antrag der SPD-Fraktion ablehnen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 12 (Antrag: Lebenslanges Lernen (I): Berufliche Weiterbildung in Deutschland ausbauen) Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Lebenslanges Lernen ist heute in aller Munde. 1996 fand das Jahr des lebensbegleitenden Lernens der EU statt, im Juli 1997 eine weltweite Konferenz zum Lifelong Learning der UNESCO in Hamburg. 150 Nationen dieser Erde waren vertreten. Auch Bundespräsident Herzog betonte die Bedeutung des Lebenslangen Lernens. Gleichzeitig hat das Weiterbildungssystem in Deutschland einen rasanten Boom erlebt. Das hat seine Gründe: Immer rascher gewinnen neue Erkenntnisse Eingang in unsere Arbeitswelt. Schon heute werden jährlich 10 Prozent der Arbeitsplätze durch neue mit höherer oder anderer Qualifikation ausgetauscht. Die Folge ist ein verändertes Verhältnis von Aus- und Weiterbildung. Der schnelle Innovationsrythmus entwertet die Erstausbildung. Man ist heute mit einer beruflichen Erstausbildung nichts mehr - man kann nur etwas werden. Der „Beruf fürs Leben" gehört der Vergangenheit an. Der alte Spruch „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" gilt nicht mehr. Richtig muß es heißen: „Grete und Hans lernen ihr Leben lang." Es ist schön, wenn Herr Röttgers „Lernfeste" zum lebenslangen Lernen veranstaltet und die Wichtigkeit der Weiterbildung betont. Doch das ist auf unserem Weg in die Lerngesellschaft zu wenig. Die gesamte Weiterbildung muß endlich auf eigene Füße gestellt werden. Wir müssen dafür sorgen, daß nicht nur über Weiterbildung geredet wird. Lebenslanges Lernen muß für möglichst viele Menschen möglich werden. Von der Regierungskoalition gehen hier keine Impulse aus. Es hat sich genügend Handlungsdruck aufgestaut. Ich nenne sechs Entwicklungen, an denen die verfehlte Weiterbildungspolitik deutlich wird. Erstens. Die wildwüchsige Expansion hat zu einem unüberschaubaren Weiterbildungsmarkt geführt. Für die Menschen bedeutet dies: Sie wissen häufig nicht, wo sie welchen Kurs besuchen können, wie die Schulung finanziert werden kann und ob das erworbene Zertifikat überhaupt anerkannt wird. Die Versuche der Bildungsträger, einheitliche Qualitätsstandards zu entwickeln, sind bisher fehlgeschlagen. Zweitens. Bei den Fortbildungsordnungen sollten Sie Dampf machen. Wie kann es sein, daß wir heute über 2 000 Rechtsvorschriften für 350 Weiterbildungsberufe haben? Lediglich beim Handwerk gibt es hier Vereinheitlichungen. Drittens. Die Studenten und Studentinnen demonstrieren - und auch die Regierungsparteien bekunden ihre Sympathie. Gleichzeitig haben Sie die Weiterbildung an den Hochschulen aus ihrem HRG-Entwurf weitgehend fallen lassen. Der Weiterbildungs- paragraph 21 soll einfach gestrichen werden. Wie bei der ganzen Hochschulmisere wollen Sie auch hier das nötige Geld nicht einstellen. Viertens. Rekordarbeitslosigkeit fordert breite Qualifizierungskonzepte. Die Bundesregierung aber tut alles, diese zu verhindern. Sie hat die Mittel für Fortbildung und Umschulung dieses Jahr um mehr als 2,5 Milliarden DM gekürzt. Sie verurteilen damit viele Arbeitslose zum Nichtstun. Gleichzeitig betreiben Sie Kahlschlag im Sektor der beruflichen Weiterbildung. Bis zu 20 000 Weiterbildner und Weiterbildnerinnen werden ihren Arbeitsplatz verlieren. Das traurige Fazit Ihrer Politik: Mehr Arbeitslose - weniger Qualifizierung. Fünftens. Das anfangs hochgelobte Meister-BAföG ist inzwischen ein Meister-Flop. Statt der erwarteten 90 000 Teilnehmer werden es auch 1997 kaum mehr als 30 000. Geringe Freibeträge, die Anrechnung selbst von kleinen Vermögen und die geringen Unterhaltszahlungen wirken kaum motivierend. Doch was macht die Regierungskoalition? Sie macht aus dem Meister-BAföG ein Meister-SparföG. Der Bildungsminister hat den Etat 1997 um 16 Millionen DM gekürzt und die Regierungskoalition den Etat für 1998 um 20 Millionen. Sie sparen die Bildung kaputt. Sechstens. Auch der sogenannte Bildungsurlaub gilt am Standort Deutschland bis heute als Luxus. Von den Anspruchsberechtigten nehmen jährlich nur knapp 3 Prozent überhaupt an einer Weiterbildung im Rahmen der Freistellungsmöglichkeiten teil. Für die Zukunftsminister ist das aber scheinbar kein Thema. Hier müssen wir endlich handeln. Der Reformstau bei der beruflichen Weiterbildung ist zu lösen. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Notwendig sind die Einführung einer Bundesrahmenordnung für die Weiterbildung, die Durchsetzung übersichtlicher Qualitätsstandards für den Weiterbildungsbereich, die Schaffung von modularen Weiterbildungsabschlüssen, die bundesweite Regelung des sogenannten Bildungsurlaubes und schließlich die solide finanzielle Absicherung der Weiterbildung einschließlich des Meister-BAföGs. Unser Ziel ist es, den Weiterbildungsmarkt auf zukunftsweisende Fundamente zu stellen. Es ist nun an Ihnen, vom Reden zum Handeln zu kommen. Tun sie etwas dafür! Werner Lensing (CDU/CSU): Angesichts der globalen Herausforderungen, vor denen unsere Wirtschaft und Gesellschaft stehen, wird keine gewissenhafte Politik die Notwendigkeit eines lebensbegleitenden Lernens bestreiten wollen. Ist doch die Weiterentwicklung von Qualifikation und Kompetenzen eine entscheidende bildungspolitische, aber zugleich auch wirtschafts- und gesellschaftspolitische Aufgabe. Der vorliegende Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen wird allerdings dem gebotenen Anspruch nicht gerecht. Ich will das begründen. Neben den sattsam bekannten Phrasen bezieht sich dieser Antrag auf die veralteten Vorstellungen der 70er Jahre, die freilich längst von der Realität eines modernen Weiterbildungsmarktes überholt worden sind. Der schon vom Grundsatz her falsche Ansatz, der sich im übrigen ebenso in der Großen Anfrage der SPD-Fraktion zu Stand und Perspektive der beruflichen Weiterbildung widerspiegelt, geht von der irrigen Vorstellung aus, daß sich Lernen angeblich nur in der traditionellen institutionalisierten Form möglichst unter staatlicher Aufsicht vollziehen kann. Mit Staatsdirigismus und Planwirtschaft lassen sich jedoch die realen Entwicklungen einer hochkomplexen und global vernetzten Industriegesellschaft auf keinen Fall in den Griff bekommen. Die Verzahnung von Tätigkeit und Lernen hat derart an Bedeutung gewonnen, daß derzeit zu Recht von einem Paradigmenwechsel innerhalb der Weiterbildung gesprochen werden muß. Dieser Wechsel vollzieht sich bereits in vielen Bereichen. Betriebliche Weiterbildung: Neue Formen des „Lernens im Arbeitsprozeß" entwickeln sich durch eine Neugestaltung der Beziehungen zwischen Arbeitsorganisation und Personalentwicklung. Bildungsinstitutionen: Berufliche Weiterbildungseinrichtungen, die auf dem Markt agieren, verstehen sich zunehmend als Dienstleister. Qualifikationserhalt: Auch hier entwickeln sich beispielsweise im Falle von Arbeitslosigkeit neue Strategien. Das Arbeitsförderungsreformgesetz - AFRG - eröffnet neue Wege des Verzahnens von Arbeiten und Lernen. Wissenschaftliche Diskussion: Hinter der zunehmenden Begriffsvielfalt von Weiterbildung, lebensbegleitenden oder selbstorganisiertem Lernen, von Personal- und Kompetenzentwicklung wird das Bemühen erkennbar, den gestiegenen und weiter steigenden Anforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft durch neue Formen des Lernens gerecht zu werden. Mit einer Konzentration auf institutionalisierte Formen der Weiterbildung allein kann aber den notwendigen Anpassungsprozessen an wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen bei weitem nicht entsprochen werden. Viele Betriebe haben bereits erkannt, daß eine hohe Lernkultur ein Wettbewerbsfaktor ersten Ranges ist. Deshalb experimentieren sie mit neuen Formen des arbeitsintegrierten Lernens. Nach einer Untersuchung des Institutes der deutschen Wirtschaft Köln zur betrieblichen Weiterbildung mit zirka 1 400 Unternehmen aus Industrie, Handwerk und Dienstleistungssektor steht das Lernen in der Arbeitssituation mit 91,4 Prozent aller Weiterbildungsmaßnahmen deutlich im Mittelpunkt. Durch eine moderne Schwerpunktsetzung entsteht auf Grund der Politik der Bundesregierung ein breites Netzwerk unterschiedlichster Lernmöglichkeiten, das dem einzelnen vielfältige Optionen für die persönliche und berufliche Entwicklung durch Lernen eröffnet. Folgerichtig läßt sich unsere Weiterbildungspolitik von den Prinzipien der Eigenverantwortung, der Selbstorganisation, der dezentralen Steuerung durch den Weiterbildungsmarkt sowie der Subsidiarität leiten. Nur mit diesen Prinzipien kann den hochgradig vernetzten und sich immer weiter differenzierenden Lernbedürfnissen in Wirtschaft und Gesellschaft entsprochen werden. Bei der Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen setzt die Bundesregierung bewußt auf diese Schwerpunkte: Verstärkung des gesellschaftlichen Dialogs, um bei steigender Bedeutung kontinuierlicher Qualifikations- und Kompetenzentwicklung eine möglichst breite Bewußtseinsbildung in allen Teilen der Gesellschaft über das veränderte Verständnis von Weiterbildung entscheidend zu fördern; Entwicklung neuer Bewertungssysteme, um die Lernintensität von Arbeitssystemen wie auch die Beurteilung individueller Berufstätigkeiten unter eigenen Kompetenzkriterien hinreichend bewerten zu können; Umbau der wissenschaftlichen Infrastruktur weil Qualifikations- und Kompetenzentwicklung nicht mehr ohne kontinuierliche wissenschaftliche Beobachtung und Entwicklung auskommen; Weiterentwicklung der institutionalisierten beruflichen Weiterbildung unter fairen Wettbewerbsbedingungen, weil diese ein wesentlicher Bestandteil im Netzwerk unterschiedlicher Lernmöglichkeiten darstellen; Weiterentwicklung von Qualitätsstandards für die Weiterbildungsangebote, um unsere Verbraucher wirksam vor unseriösen Angeboten zu schützen; Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, weil diese immense Chancen für die Erweiterung der Lernmöglichkeiten auch von Erwachsenen bieten. Aus dem großen Katalog der Maßnahmen, die nicht zuletzt durch die Vorgaben der Koalitionsfraktionen initiiert wurden, möchte ich nur auf zwei richtungsweisende Entscheidungen hinweisen, die der Aufstiegsweiterbildung im Jahr 1996, dem „Europäischen Jahr des lebensbegleitenden Lernens", wichtige Impulse gegeben haben. Die erste Entscheidung betrifft das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz - AFBG -, das im April 1996 verabschiedet wurde. Dieses AFBG setzt einen vollständig neuen bildungspolitischen Akzent, indem es zum einen Rechtsanspruch auf staatliche Förderung einräumt und zum anderen durch die Steuerfinanzierung des sogenannten Meister-BAföG ein deutliches Signal für die Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung gibt. Ganz im Gegensatz zu dem im Grünen-Antrag vermittelten Eindruck ist das Meister-BAföG ein absolutes Erfolgsmodell, finanzieren doch immer mehr Fachkräfte und Techniker ihre Weiterbildung durch das AFBG. Nicht von ungefähr wurden in Anerkennung des ungebrochenen Interesses für Meisterqualifikationen als Voraussetzung für eine professionelle Unternehmensführung die Mittel im Haushalt 98 um weitere 4 Millionen DM auf insgesamt 120 Millionen DM erhöht. Trotz Sparzwängen allerorten konnten wir hier eine Steigerung von immerhin 3,4 Prozent durchsetzen. Der Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen, eine staatliche Förderung bereits bei einem Volumen von nur 200 Stunden einsetzen zu lassen, ist erstens nicht finanzierbar und führt zweitens zu einer Vielzahl schwieriger und oft diskriminierender Beurteilungen über die Förderwürdigkeit einzelner Projekte. Wenn die Grünen die Diskussion während der Entstehung der Aufstiegsfortbildungsförderung verfolgt hätten, wüßten sie, daß wir - übrigens im Konsens mit der SPD - von vornherein kein allumfassendes und für den Staat unbezahlbares Weiterbildungsförderungsgesetz einrichten wollten. Eine zweite wichtige Entscheidung in Sachen Aufstiegsfortbildung ist mit der „Vereinbarung zur beruflichen Fortbildung gemäß § 42 Berufsbildungsgesetz bzw. gemäß § 42 Handwerksordnung" gefallen. Diese so wichtige Entscheidung wird von den Grünen in ihrem Antrag überhaupt nicht erwähnt. Sollten sie diese nicht kennen? Manchmal - ich muß es hier einmal sagen dürfen - habe ich tatsächlich den Eindruck, als seien die letzten zehn Jahre Weiterbildungspolitik an den Grünen vorbeigegangen. Ich erwähne diese Vereinbarung hier deshalb so ausführlich, weil ihr Zustandekommen bester Beweis dafür ist, daß sich Weiterbildung als öffentliche Aufgabe, aber gleichwohl offener Weiterbildungsmarkt nicht gegenseitig ausschließen müssen. Voraussetzung für das Gelingen des marktwirtschaftlich gesteuerten Weiterbildungsmarktes ist allerdings, daß öffentliche Verantwortung für die Weiterbildung nicht notwendigerweise mit der Einordnung in die Staatsverwaltung gleichgesetzt wird, wie dies die Grünen fordern. Die Anzahl der regionalen Fortbildungsregelungen, die bereits im Jahr 1996 auf 2608 angewachsen war, kann nun endlich auf ein für alle Beteiligten überschaubares Volumen reduziert werden. Zusammen mit der steuerfinanzierten Förderung des Erwerbs von Weiterbildungsabschlüssen durch das Meister-BAföG stellen die beiden genannten Rahmenbedingungen für den Ausbau von Weiterbildungsabschlüssen im Konsens von Staat und Sozialparteien so etwas wie Fixpunkte der öffentlichen Verantwortung dar - im Netzwerk einer weitgehend „ungeregelten" Weiterbildung. Die Weiterentwicklung unserer Lernkultur ist eine eminent wichtige Aufgabe. Sie ist zu wichtig, um ihr mit den alten Konzepten des Obrigkeitsstaates zu begegnen. Franz Thönnes (SPD): Wir debattieren heute über eines der wichtigsten Themen in einem rohstoffarmen Land. Wir sprechen erneut über die berufliche Bildung, diesmal nicht über die Erstausbildung, sondern über die berufliche Weiterbildung. Damit behandeln wir ein Themenfeld, das herausragende Bedeutung für die Beschäftigungschancen aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland hat. Die lebensbegleitende Weiterbildung ist die bildungspolitische Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Für die SPD-Fraktion war klar, daß mit der Verabschiedung des unzureichenden Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes das Thema „Berufliche Weiterbildung" nicht erledigt sein durfte. Unter dem Aspekt der tiefgreifenden Veränderungen der Wirtschaft und der Arbeitswelt, der Globalisierung von Produktion und Märkten sowie der fortschreitenden technischen und der demographischen Entwicklung kommt diesem Thema eine ganz besondere Bedeutung zu. Deshalb hat die SPD-Fraktion mit ihrer Gro- ßen Anfrage „Lebensbegleitendes Lernen: Perspektiven der beruflichen Weiterbildung" vom Januar diesen Jahres dafür gesorgt, daß die Thematik weiterhin auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages bleibt. Nachdem die Bundesregierung auf die gestellten 92 Fragen am 17. September 1997 geantwortet hat, ist nun eine intensive Auswertung und Bewertung ihrer Antworten notwendig. Deshalb ist es ein wenig bedauerlich, daß die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nun vorschnell mit einem Beschlußantrag kommt, dem in Teilbereichen sicherlich zugestimmt werden kann, dem aber ebenso in anderen Sektoren Unzulänglichkeit hinsichtlich der Analyse sowie der daraus gezogenen Schlußfolgerungen bescheinigt werden muß. Auch ist es bedauerlich, daß für dieses wichtige Thema zum jetzigen Zeitpunkt nur eine Gesamtdebattenzeit von 30 Minuten vorgesehen ist, geht es doch unter dem Gesichtspunkt von dringend notwendigen Innovationen und Verbesserung der Qualifikationen um einen zentralen Investitionsbereich. Wir alle wissen, daß in Zukunft vor allem Umfang, Qualität und Schnelligkeit, mit der neue Ideen produziert und Veränderungen bei Produkten und Prozessen realisiert werden, wettbewerbsentscheidend sind. Daher ändern sich auch die Anforderungen an die Menschen. Nicht länger gefragt ist das Vorratslernen in der Jugend und im frühen Erwachsenenalter. Niemand kann sich heute mehr zurücklehnen und sagen: „Ich habe jetzt ausgelernt". Die zentrale Schlüsselqualifikation ist das „Lernen lernen". Notwendig ist die ständige Weiterbildung. Die Basis hierfür muß in der Erstausbildung geschaffen werden. Das Erwerbsleben wird in Zukunft nicht mehr in der starren Abfolge von Bildung und Arbeit organisiert sein. Beide Bereiche werden ineinander übergehen und sich zunehmend verzahnen. Wir werden zu flexiblen Beschäftigungs- und Bildungsbiographien kommen. Lernen am Arbeitsplatz, Lernen in der Arbeit durch die Arbeit, „learning by doing" und Lernen mit Unterstützung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien werden zunehmen. So wird Weiterbildung zu einem lebensbegleitenden Prozeß, der den einzelnen immer wieder erneut herausfordert und die Gesellschaft auffordert, durch Rahmenbedingungen für Chancengleichheit zu sorgen. Die alleinige Reduzierung der Qualifizierungspolitik auf die Mechanismen von Angebot und Nachfrage im Weiterbildungsmarkt führt zu Brüchen und Ungleichheiten. So werden Angebotsstrukturen und die Qualität von Weiterbildungsmaßnahmen nicht durchschaubar und die nachvollziehbare Vergleichbarkeit von Abschlüssen ist ebenso nicht in einem ausreichenden Maß gewährleistet. Wir stimmen mit der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung überein, daß die Schaffung moderner Rahmenbedingungen eine Grundvoraussetzung für lebensbegleitendes Lernen in flexiblen Weiterbildungsstrukturen darstellt. Weiterbildung braucht verläßliche Rahmenbedingungen, was Finanzierung und Qualitätssicherung anbetrifft. Wer hier aus ideologischen Gründen nur auf die Kräfte des Marktes und des Wettbewerbs verweist, fördert Verzettelung und Ineffizienz. Deshalb sind Staat und Tarifpartner gefordert, Rahmenbedingungen und Möglichkeiten für Weiterbildung und Qualifikation der Arbeitnehmer zu verbessern. In diesem Zusammenhang ist es interessant, daß die Bundesregierung in der Beantwortung der Großen Anfrage der SPD-Fraktion bei der Datenerhebung nahezu ausschließlich auf Fakten von Wirtschaftsinstituten und regierungsnahen Stellen zurückgreift, jedoch die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen von Gewerkschaften bzw. ihrer Archive keine Berücksichtigung finden. So sehr die Bundesregierung auch die Notwendigkeit des lebensbegleitenden Lernens betont, so unzulänglich bleiben jedoch ihre Aktivitäten. Dies ist angesichts ihrer grundsätzlichen Haltung gegenüber ihrer politischen Verantwortung durchaus nachvollziehbar. Mit der alleinigen Zuweisung der Verantwortung für Weiterbildung auf den einzelnen unter dem Deckmäntelchen der Subsidiarität entzieht sich die Bundesregierung ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung und trägt zu einer Festigung ungleicher Chancen in der beruflichen Weiterbildung bei. Die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage geben deshalb auch keinen Anlaß zur Zufriedenheit: Zahlreiche wichtige Daten stehen der Bundesregierung nicht zur Verfügung: Sie kann nicht einmal Erkenntnisse über die berufliche Weiterbildung im Öffentlichen Dienst machen. Es ist falsch, wenn die Bundesregierung die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland durch die gegenwärtigen Realitäten als nicht beeinträchtigt ansieht. So differiert die Beteiligung an beruflicher Weiterbildung stark nach Berufspositionen, Bildungs- und Qualifikationsniveau, Berufsgruppen- und Branchenzugehörigkeit, nach Alter, Geschlecht und Wohnorten. Noch immer erhalten die Beschäftigten mit bereits relativ guten Qualifikationen einen wesentlich besseren Zugang zur Weiterbildung als an-und ungelernte Arbeitskräfte. Auch sinkt mit abnehmender Betriebsgröße die Intensität der Weiterbildung. Der Bund hat keinerlei Absicht von seiner Rahmengesetzgebungskompetenz Gebrauch zu machen. Es fehlt der Wille, mehr Transparenz herzustellen. Der „Markt" der Weiterbildung bleibt unübersichtlich. Es fehlen Konzepte zur Sicherung der Qualität und zum Teilnehmerschutz. Die Datenlage hinsichtlich des wichtigen Faktors „Weiterbildungspersonal" ist mehr als dürftig. Von einer organisierten Qualifizierungspolitik dieser bedeutenden Zielgruppe kann keine Rede sein. Vorausschauende Bildungspolitik, die Antworten auf die Fragen nach dem Aufbau von Medienkompetenz oder der Förderung der IuK-Technologien gibt, wird in Bonn nicht betrieben. Bei der Weiterbildungsforschung erweisen sich die Antworten erneut als Bescheinigung großer bestehender Defizite. So erfreulich es ist, daß die Weiterbildungsbereitschaft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den letzten Jahren gestiegen ist, so kritikwürdig ist jedoch die Politik der Bundesregierung, die ungeachtet einer zunehmenden Undurchschaubarkeit des Weiterbildungsmarktes nahezu einzig und allein auf die Kräfte von Angebot, Nachfrage und Wettbewerb setzt. Sind einerseits die Teilnehmeraufwendungen inzwischen auf einen Anteil von 38 Prozent an den Gesamtaufwendungen gestiegen, so sind die Aufwendungen für Weiterbildung und Qualifizierung in der Arbeitsförderung in letzter Zeit zwischen 20 und 30 Prozent reduziert worden. Leider bleibt auch der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen in mehreren Teilen unzureichend gegenüber den Herausforderungen der Zukunft. Die Strukturen des Lernens und der Weiterbildung wandeln sich ebenfalls immer schneller. Die Weiterbildung der Zukunft wird viel stärker mit der Arbeit verzahnt sein. Die Weiterbildung der Zukunft wird größere Anteile umfassen, die heute noch der beruflichen Erstausbildung zugerechnet werden. Die Weiterbildung der Zukunft wird stärker auf individuell geplantem, individuell gestaltetem, zeit- und ortsunabhängigen Lernen beruhen. Die wachsenden Möglichkeiten des Fernunterrichts durch die neuen Kommunikationstechnologien finden keinerlei Erwähnung. Weiterbildung hat eine europäische und - angesichts der zunehmenden Verflechtung der Wirtschaft - eine globale Komponente; diese gilt es auszubauen und zu entwickeln und zwar nicht nur für die bereits Hochqualifizierten. Es fehlt völlig eine Einbindung der Weiterbildungspolitik in eine europäische Beschäftigungs- und Qualifizierungspolitik für einen europäischen Arbeitsmarkt. Und verkannt wird ebenso, daß Weiterbildung zunehmend als Instrument der Personalentwicklung eingesetzt wird. Wir werden angesichts der Bedeutung des Themas die Antworten der Bundesregierung sorgfältig auswerten und die berufliche Weiterbildung im kommenden Jahr erneut mit einem angemessenen Zeitbudget auf die Tagesordnung setzen. Denn es kommt darauf an, Strategien zu entwickeln, die über den heutigen Tag hinausreichen. Erstens. Moderne Ausbildungsordnungen müssen die berufliche Erstausbildung und Weiterbildung miteinander verzahnen. Wir wollen die ungünstige Verteilung der Zeiten der Erstausbildung und der Weiterbildung verändern. Notwendig sind eine gestraffte und reformierte Erstausbildung, die den frühzeitigen Berufseinstieg ermöglicht, und diverse über das Arbeitsleben verteilte Weiterbildungsphasen, die der praxisnahen Auffrischung, der Verbreiterung des Wissens und auch der Spezialisierung dienen. Zweitens. Es muß sichergestellt werden, daß Angebote der beruflichen Weiterbildung im Hinblick auf die Inhalte und die fachliche Eignung des Lehrpersonals hohe und gleichbleibende Qualität bieten. Darum müssen die Grundlagen der Qualitätssicherung im BBiG, in der HWO, im FernUSG, im AFBG und im AFG sowie die darauf beruhenden Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit kontinuierlich fortentwickelt werden. Wenn die Bundesregierung in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage die Regelungen im Fernunterichtsschutz-Gesetz als wirkungsvoll ansieht und dieses Gesetz zu einer Verbesserung der Qualitätssicherung beigetragen hat, so ist zu prüfen, inwieweit hier Schlußfolgerungen für die Qualitätssicherungspolitik in anderen Sektoren der Weiterbildung gezogen werden können. Drittens. Die öffentliche Hand muß ihre Verantwortung für die Weiterbildung in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, den gesellschaftlichen Gruppen, den Trägern und sonstigen an der Weiterbildung Beteiligten wahrnehmen. Zusammenarbeit von Staat und Privaten bedeutet in diesem Zusammenhang, daß der Staat den Rahmen setzt, die Mindestversorgung und -qualität sichert und die übrigen Beteiligten nach definierten Regeln die Verantwortung für die Durchführung übernehmen. Viertens. Vor dem Hintergrund bestehender Freistellungsregelungen durch die Bildungsurlaubs- und Freistellungsgesetze der Mehrzahl der Länder ist angesichts neuer orts- und zeitunabhängiger Möglichkeiten der Qualifizierung über neue und zeitgemäße adäquate Weiterbildungsanspruchsregelungen zu diskutieren. Fünftens. Zentral für die Akzeptanz und den Zugang zu Weiterbildung ist die Herstellung von möglichst großer Transparenz des Weiterbildungsangebots auf regionaler Ebene sowohl in inhaltlicher als auch in qualitativer Hinsicht. Sechstens. Die konkurrierenden Kompetenzen von Bund und Ländern in Fragen der Weiterbildung müssen moderiert werden. Eine wichtige Rolle kann dabei die Konzertierte Aktion Weiterbildung spielen. Siebtens. Eine Schlüsselrolle für den Erfolg von Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nimmt das Weiterbildungspersonal ein. Sind dessen Qualifizierung und soziale Absicherung auf hohem Niveau, hat dies auch positive Rückwirkungen auf die Bildungsmaßnahmen und den individuellen Nutzen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Achtens. Die Zukunft gehört dem Aufbau regionaler Netzwerke der beruflichen Weiterbildung. Ziel der Bildungspolitik muß es sein, die berufliche Weiterbildung zu einem integrativen Bestandteil des Bildungswesens in Deutschland zu machen. Die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der beruflichen Weiterbildung muß über alle Gruppen hinweg wachsen. Dazu bedarf es eines klaren Konzepts, wie Inhalte, Finanzierungsformen, Träger, Qualitätssicherungssysteme, Zertifizierungsregelungen und Weiterbildungsforschung aussehen sollen. Weiterbildungspolitik ist Innovationspolitik. Weiterbildungspolitik ist Zukunftspolitik. Dr. Karlheinz Guttmacher (F.D.P.): Im Zeitalter der Informationsgesellschaft und Globalisierung wird lebenslanges Lernen auch in Deutschland zu einem immer wichtigeren Faktor für die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Die Sicherung des Arbeitsplatzes und der Zugang zu neuen Beschäftigungsfeldern erfordern die Bereitschaft, sich Neues anzueignen. Im Laufe seines Erwerbslebens wechselt der Mensch heute durchschnittlich dreimal seine berufliche Tätigkeit. Es ist enorm wichtig, das Bewußtsein für die Notwendigkeit lebenslangen Lernens zu schaffen und die Möglichkeiten für Weiterbildung transparent und öffentlich zu machen. Das Lernverhalten hat sich in unserer Gesellschaft bereits verändert und es wird sich in den nächsten Jahren noch wesentlich differenzierter gestalten. Es wird keine „Einmalausbildung" mehr geben, sondern die Lernabschnitte verteilen sich auf unser gesamtes Leben. Der Behaltenseffekt des erworbenen Wissens wird sich erhöhen. Bei diesem neuen Lernverhalten müssen die Ausbildungszeiten flexibilisiert werden. Hierzu gehören bereits flexiblere Einschulungen, attraktive Abschlüsse nach 9- und 10jähriger Schulzeit, „Freischußregelung" für Abiturienten als Experimentierklausel, verstärkte Nutzung des Überspringens einer Jahrgangsstufe und Freischußregelung in allen möglichen Studienrichtungen. Die berufliche Ausbildung muß differenzierter erfolgen. Leistungsstarken Berufsauszubildenden muß in gleicher Ausbildungszeit ein zusätzliches Lehrangebot unterbreitet werden. Die Bildungswege von der beruflichen Erstausbildung über die Meister- und Technikerausbildung, über die Fachhochschule bis hin zur Universität müssen durchlässig sein. In weiten Abschnitten der Ausbildung wird die Weiterbildung die Lehr- und Lernmethode sein. Gerade die berufliche Aufstiegsfortbildung zu Meistern und Technikern hat sich über die berufliche Weiterbildung bewährt. Aber auch die Aufstiegsausbildung als Kompaktausbildung unter Nutzung des Meister-BAföG wird gut angenommen. Für leistungsschwache Berufsauszubildende ist in einer verkürzten Zeit ein in sich geschlossener Teil der Lehrunterweisungen anzubieten mit der Möglichkeit, in einer Weiterbildung den Lehrstoff, der für einen vollständigen Berufsabschluß notwendig ist, zu komplettieren. Bündnis 90/Die Grünen fordern eine bundeseinheitliche Rahmenordnung der beruflichen Weiterbildung mit dezentraler Organisationsstruktur, die von regionalen Weiterbildungsräten begleitet werden. Weiterbildung ist in Deutschland weniger staatlich geregelt als die übrigen Bildungsbereiche. Den vielfältigen und sich rasch ändernden Anforderungen an die in der Weiterbildung zu vermittelnden Inhalte kann am effektivsten durch eine Struktur entsprochen werden, die sich an den Prinzipien der Vielfalt und des Wettbewerbs orientiert. Nur durch die Vielfalt der Angebote und durch die Pluralität der Anbieter bzw. Träger der Weiterbildung kann den sehr unterschiedlichen Interessen der Teilnehmer an Fort- und Weiterbildung entsprochen werden. Allerdings erfordert ein solches, nach marktwirtschaftlichen Prinzipien ausgerichtetes pluralistisches Weiterbildungssystem eine Ordnung, die von dezentralen Verantwortungs- und Finanzierungsstrukturen ausgeht, in der sich Tarifparteien, Betriebe, Verbände, Weiterbildungseinrichtungen und öffentlichrechtliche Institutionen den Markt teilen. Für den Bereich der Weiterbildung sind auf Bundesebene rechtliche Regelungen im Berufsbildungsgesetz der beruflichen Aufstiegsweiterbildung - AFBG - im Hochschulrahmengesetz, im Bundesausbildungsgesetz und im Fernunterricht enthalten. Darüber hinaus kommen auf Bundesebene in der konzentrierten Aktion Weiterbildung alle Beteiligten aus den unterschiedlichen Bereichen der Weiterbildung, die Spitzenverbände der Weiterbildung, Sozialpartner, Vertreter des Bundes, der Länder und Kommunen zusammen, um in einem übergreifenden Dialog ihrer gemeinsamen Verantwortung zu entsprechen, ein umfassendes, qualitativ und quantitativ anspruchsvolles Weiterbildungsangebot zu gewährleisten. Die jüngste Pressemitteilung des Kuratoriums der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung, in der alle Spitzenverbände vertreten sind, hat mitgeteilt, daß die Weiterbildung in den Unternehmen als Instrument der Verbesserung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit immer mehr in Anspruch genommen wird. 14 000 Unternehmen haben sich aus Industrie, Handwerk, Dienstleistung sowie Land- und Forstwirtschaft an der beruflichen Weiterbildung beteiligt. Der Analyse zufolge haben sich 75 Teilnehmer pro 100 Beschäftigten weitergebildet. Um die berufliche Weiterbildung ist es gut bestellt. Maritta Böttcher (PDS): Wie internationale Trendanalysen zeigen, ist der dramatischen Umbruchsituation, vor der die Menschheit heute steht, mit ihrer Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, der Verdrängung gemeinwesenbezogener Wertorientierung durch ökonomischen Egoismus und einer zunehmenden stabilitätsgefährdenden strukturellen Arbeitslosigkeit, mit traditionellen Mitteln nicht mehr zu begegnen. Als Konsequenzen für die Bildungspolitik ergeben sich vor allem Schlußfolgerungen für lebenslanges, kompetenzentwickelndes, praxisbezogenes Lernen möglichst aller Menschen - einschließlich der sogenannten „bildungsfernen" Gruppen -, die allerdings in der Gesellschaft dann auch verläßliche, lernmotivierende Lebens- und Arbeitsperspektiven finden müssen. Sicher sind wir uns hier alle einig hinsichtlich der Notwendigkeit, unter den Bedingungen eines sich ständig verändernden Arbeitsmarktes schnell veraltende Qualifikationen anzupassen bzw. zu erneuern. Aus den Umbruchprozessen in den neuen Bundesländern ist zu lernen, daß es dabei keinesfalls nur um das Feld einer eng begrenzten, von der Wirtschaft organisierten ausschließlich „beruflichen Weiterbildung" geht. Vielmehr wurden Weiterbildung und Umschulung unter den Bedingungen des Wegbrechens der Industrie und der damit verbundenen Massenarbeitslosigkeit weniger betrieblich als AFG-gefördert von überall aus dem Boden schießenden Bildungs- und Qualifizierungsfirmen organisiert und hatten eine ganze Reihe Funktionen zu erfüllen: Überbrückungsfunktion, um Zeit zu gewinnen; Mittel, um im Beruf zu bleiben; Mittel, ein neues Berufsfeld zu erschließen, weil das alte wegbrach; Mittel zum Aufstieg; Mittel, um selbstbestimmt ein neues Berufsfeld zu erschließen. Eine besondere Problematik der Qualifizierungsprozesse in den neuen Bundesländern war das Erlernen von Fähigkeiten und Verhaltensmustem für marktwirtschaftliche Situationen. Insofern hatte Weiterbildung mehr zu leisten, als beruflich zu qualifizie- ren: Sie mußte den sich vollziehenden Kultur-, Werte- und Orientierungswandel unterstützen und ging so auch über die Einübung neuer Technologien, Verwaltungs- und Rechtsvorschriften hinaus. In Auswertung der Umstrukturierungsprozesse in den neuen Bundesländern unter dem Aspekt der Weiterbildung und Umschulung entwickelte sich eine sogenannte Adäquatheits- und Effizienzdebatte, in der die Bestimmung der Bedarfslage, die Durchführung der Qualifizierungsmaßnahmen wie auch deren Ergebnisse äußerst kritisch bewertet wurden. So wurde festgestellt, daß der Qualifizierungsbedarf auf der Basis vermuteter Defizite ohne vorherige Bedarfs- und Bestandsanalysen und in weitgehender Unkenntnis der qualifikatorischen Voraussetzungen der Maßnahmeteilnehmer und -teilnehmerinnen bestimmt worden sei. Die AFG-geförderte Weiterbildung sei in stärkerem Maße an den Angeboten der freien Träger und Qualifizierungsgesellschaften als am Bedarf orientiert gewesen. Die eingesetzten Weiterbildnerinnen seien auf die neuen Aufgaben unzureichend vorbereitet gewesen. Und schließlich habe die ungenügende Bedarfsanalyse zu Überangeboten in einigen Bereichen geführt, zum Beispiel Wirtschaftskaufleute. Da die Weiterbildung inzwischen sowohl von den Teilnehmerzahlen als auch dem Finanzvolumen her zum größten Bildungsbereich geworden ist, gewinnt die Auseinandersetzung über dessen Struktur und Entwicklungsweg an Gewicht. Soll der demokratische Anspruch unserer Gesellschaft erhalten bleiben, dann kann Weiterbildung nicht als Privatsache der Bürgerinnen und Bürger behandelt und Geschäftemachern überlassen werden. Insofern kann sich der Staat nicht aus der Struktursicherung der Grundversorgung zurückziehen. Öffentliche Weiterbildung muß Teil der kommunalen Daseinsvorsorge bleiben. Staatliche Verantwortung ist dabei nicht gleichbedeutend mit staatlicher Trägerschaft bzw. Verstaatlichung. Um der Tendenz entgegenzuwirken, daß Weiterbildung die selektiven Wirkungen der Erstausbildung verstärkt, ist für ein differenziertes, erschwingliches, erreichbares und zielgruppenorientiertes Angebot zu sorgen. Es ist die Frage zu klären, welche gesetzlichen Voraussetzungen notwendig sind, um eine kontinuierliche Finanzierung der Weiterbildung zu sichern, damit materielle Gründe nicht zu Weiterbildungshemmnissen werden, die soziale Polarisierungen fördern. Die ganzen schönen Ideen vom „lernenden Unternehmen" und der „Marktsicherung" der Weiterbildung werden durch gewinnorientiertes „outsourcing" genauso ad absurdum geführt wie die bereits im Berufsbildungsbericht 1996 genannten Zahlen das Gegenteil belegen: Nur 10 Prozent der Unternehmen haben ein spezielles Weiterbildungsbudget, und in nur 5 Prozent gibt es einen eigenständigen Bereich „berufliche Weiterbildung"; in 67 Prozent gibt es keine Personal- und Qualifikationsanalysen, und nur 3 Prozent beschäftigen Mitarbeiter, die sich hauptamtlich mit Weiterbildung befassen. Wir unterstützen die Forderung nach einem Bundesrahmengesetz für Weiterbildung, nach Ländergesetzen, die auch Qualität zum Thema machen, nach Rechtsverordnungen des Bundes für Fortbildungsgänge mit überregionaler Bedeutung, einschließlich der Überprüfung der Tausenden von Kammerregelungen im Hinblick auf eine überregionale Nachfrage bei Beibehaltung von Kammerregelungen, wenn Fortbildungsbedarf von ausschließlich lokaler Bedeutung vorliegt. Da Weiterbildung immer mehr zum Erfordernis eines jeden Berufslebens wird, setzen wir uns für gleiche Zugangschancen, Weiterbildungsangebote, aus denen persönlicher und gesellschaftlicher Nutzen gezogen werden kann und die Zurückdrängung kommerzieller Interessen auf dem Weiterbildungsmarkt ein. Insbesondere bei Arbeitslosigkeit ist der Rechtsanspruch auf Weiterbildung zu garantieren. Ich möchte einen spezifischen Aspekt des Integrationsproblems - Einheit von beruflicher, allgemeiner und politischer Bildung; Kompetenzlernen - ansprechen. Wir vertreten die Auffassung, daß Demokratie politische Bildung braucht, die unter anderem von den Parteien nahestehenden Stiftungen geleistet wird. Die Stiftungen der im Bundestag vertretenen Parteien erhalten jährlich Gelder in Millionenhöhe aus dem Bundeshaushalt. Symptomatisch ist eine Ausnahme: Das Parlament verweigert die Bereitstellung finanzieller Mittel für die der PDS nahestehende Stiftung „Gesellschaftsanalyse und Politische Bildung e.V.", der damit keine den anderen Parteien vergleichbare Chance eingeräumt wird, politische Bildungsarbeit zu leisten. Auch das gehört für mich zum Kapitel: Weiterbildung in einer demokratischen Gesellschaft. Elke Wülfing Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Es ist das erklärte bildungspolitische Ziel der Bundesregierung, das lebensbegleitende Lernen und die berufliche Weiterbildung auszubauen. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion zu Stand und Perspektiven der beruflichen Weiterbildung vom 17. September 1997 ausführlich deutlich gemacht hat, hat sie vielfältige Aktivitäten hierzu eingeleitet. Die Lösungsansätze, die in dem vorliegenden Antrag eingefordert werden, gehen in die falsche Richtung. Sie gehören in das bildungspolitische Repertoire der 70er Jahre, und sind von der Realität überholt. Ich hoffe, daß sich die Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen in ihrer Weiterbildungspolitik zum Prinzip des an der Arbeitswirklichkeit orientierten lebensbegleitenden Lernens bekennt. Die Formulierung des Antrags läßt leider nicht darauf schließen. Die Bedeutung des lebens- und arbeitsbegleitenden Lernens steigt. Innovationen und gesellschaftliche Entwicklung sind ohne dieses Lernen nicht denkbar. Aber gerade wegen dieser umfassenden Bedeutung sind die Prinzipien der Eigenverantwortung, der Selbstorganisation und der Subsidiarität unverzichtbar. Es geht um die Integration des Lernens in den jeweiligen Tätigkeitszusammenhang und nicht um die Monopolisierung der Weiterbildung in Staatshand. Seit den 70er Jahren wird die Weiterbildung als vierte Säule des Bildungswesens gefordert. Die reale Entwicklung zeigt jedoch, daß Betriebe und Sozialpartner in Selbstverantwortung zum Ausbau der Weiterbildung zunehmend beigetragen haben. Die Bedeutung der öffentlich verantworteten Weiterbildung geht relativ zurück, insbesondere auch in sozialdemokratisch geführten Ländern. Dies ist Folge der zunehmenden Differenzierung und Spezialisierung der Lerninhalte, die staatliche Weiterbildung überhaupt nicht vorhalten kann. Nicht planwirtschaftliche Ordnungsvorstellungen für die Weiterbildung sind der richtige Weg, sondern wichtig und richtig ist die Stärkung des Weiterbildungsmarktes und die Unterstützung der Eigenverantwortung der Bürger, der Betriebe und der Sozialpartner. Beispiel: Ein Logistikunternehmen aus dem Münsterland (Vor 20 Jahren 200-Mitarbeiter-Spedition/ heute 2 500 Mitarbeiter: Logistik): Nach dem Unternehmensgrundsatz „vom Markt her denken, zum Markt hin handeln" sieht es es als seine Aufgabe an, Mitarbeiter auf die sich ständig ändernden Anforderungen des Marktes vorzubereiten. Dafür wurde Mitte des Jahres ein hochmodernes Schulungszentrum in Betrieb genommen. Die Unternehmensleitung verfolgt die Philosophie, daß nur das breite Wissen der Mitarbeiter das Unternehmen zu einem kompetenten Partner im Wettbewerb macht, eine Philosophie, die von unserem Haus ausdrücklich geteilt wird. Schulungen werden nicht nur arbeitsspezifisch, sondern auch zur allgemeinen Weiterbildung angeboten. Von der Größe her ist es auf 2 500 Mitarbeiter hin ausgerichtet. Es steht aber auch anderen Firmen offen. Auszüge aus dem Schulungsangebot: Basisveranstaltungen für alle neuen Mitarbeiter und Lehrlinge. Hier erfolgt eine Grundinformation über das Unternehmen, die Mitarbeiter, Arbeitsweise und Unternehmensphilosophie. EDV und Kommunikation (Windows, Internet, E -Mail, spezielle Kundensoftware, Datenbanksysteme etc.) Fachreferate/Seminare/Workshops (zum Beispiel Gefahrgutschulung, kundenorientiertes Training etc.) Fremdensprachkurse (Englisch, Französisch, Niederländisch, Aufbauschulungen) Ein solches Beispiel sollte Schule machen. Auch die Bundesregierung hat den Aufbau und die Weiterentwicklung der Lernkultur in der Gesellschaft als weiterbildungspolitisches Ziel formuliert. Hierzu wurden eine große Zahl von Maßnahmen eingeleitet, die im einzelnen in der Antwort auf die Große Anfrage nachzulesen sind, ich möchte nur auf folgende Punkte hinweisen: Verstärkung der Forschung und Entwicklung in der beruflichen Weiterbildung. Mit den Forschungsprogrammen „Standortsicherung durch berufliche Kompetenzentwicklung" und „Lernen im sozialen Umfeld" werden neue Weiterbildungsansätze, die sich in den Betrieben und Regionen abzeichnen, mit rund 40 Millionen DM (gemeinsam mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds) gefördert. Bei diesen Programmen geht es um die Verbesserung der Lernintensität von Arbeitsplätzen und um neue Strategien des Qualifikationserhalts bei Arbeitslosigkeit. Das Meister-BAföG orientiert sich an der ordnungspolitischen Grundvorstellung, daß die Aufstiegsfortbildung nicht Aufgabe der Versichertengemeinschaft, sondern eine generelle bildungspolitische Aufgabe ist. Mit der Unterstützung interdisziplinärer Ansätze zur Weiterbildungsforschung tragen wir dem Gedanken Rechnung, daß Weiterbildung und kontinuierliches Lernen nicht nur eine pädagogische, sondern in vielfältiger Weise auch eine arbeitsorganisatorische, arbeitspsychologische und auch betriebswirtschaftliche Aufgabe ist. In der Qualitätssicherung beruflicher Weiterbildung wurden neue Wege erprobt. Wir benötigen ein Qualitätssicherungssystem, keine Oberbehörde: Die Stärkung des Verbraucherbewußtseins etwa durch Checklisten des Bundesinstituts für Berufsbildung; Neufassung der Qualitätskriterien der Bundesanstalt für Arbeit; die Förderung der Bildung von Qualitätsringen auf der Anbieterseite von Weiterbildung. Versuche, gemeinsam mit der Stiftung Warentest, haben darüber hinaus ergeben, daß dieses auf anderen Märkten erfolgreiche Instrument der Qualitätssicherung auch die Weiterbildung wirksam unterstützen kann. Im übrigen zeigt gerade die Entwicklung in den neuen Bundesländern, daß sich der Markt selbst vielfach der schwarzen Schafe entledigt. Mit der Durchführung von Zukunftsforen und der Herausgabe umfangreicher Materialien zur Kompetenzentwicklung werden neue Formen der Berichterstattung über die Qualitätssicherung in der Weiterbildung erprobt. Die Bundesregierung wird diese Erprobungen auch in den nächsten Jahren intensiv fortsetzen. Die Forderung nach einer Bundesrahmenordnung lehnt die Bundesregierung aus grundsätzlichen inhaltlichen und ordnungspolitischen Erwägungen ab. Sie ist kein geeignetes Instrument, um einen Beitrag zur Verbesserung unserer Lernkultur zu leisten, denn es geht nicht um Weiterbildungsansprüche an den Staat, sondern um Lernnotwendigkeiten, die sich aus der individuellen Lernsituation ergeben. Sie müssen selbst organisiert werden. Die Erfahrungen mit der Teilnahme an gesetzlich verbrieften Weiterbildungsveranstaltungen von unter 2 Prozent zeigen, daß der Bildungsurlaub offensichtlich kein geeignetes Instrument zum Ausbau der Weiterbildung darstellt. Dies zeigt beispielsweise auch das Scheitern des Qualifizierungs-Tarifvertrages im Metallbereich von Nordwürttemberg/Nordbaden. Hier sind neue Ansätze notwendig, um auch Bildungsbenachteiligte für ein lebensbegleitendes Lernen zu gewinnen. Wir müssen Abstand nehmen von der Vorstellung, daß das in der Ausbildungsphase erlernte Wissen für ein ganzes Arbeitsleben reicht. Dies hat aber zur Konsequenz, daß bisherige Vorstellungen über Zertifizierung und Anerkennung überdacht werden müssen. Internationale Entwicklungen wie zum Beispiel der Umgang mit Kompetenzbilanzen, das heißt, Fähigkeiten, die nicht zertifiziert, aber doch vorhanden sind, müssen wir sorgfältig beobachten. Aus internationalen Studien ist bekannt, daß 80 Prozent der Kompetenzen, die der einzelne benötigt, durch Lernen im Prozeß der Arbeit und im sozialen Umfeld, aber nicht in Bildungseinrichtungen erworben werden. „Learning by doing" oder „learning on the job". Lassen Sie mich abschließend festhalten: Wir werden beharrlich weiter an der kontinuierlichen Verbesserung der Lernkultur in der Gesellschaft arbeiten. Die Entmündigung der in der Regel gut qualifizierten Bürger durch eine „Verkursung der Gesellschaft" ist nicht der richtige bildungspolitische Weg. Deshalb wird die Bundesregierung die Forderungen des Antrags der Grünen nicht weiterverfolgen. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 13 (Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzgrundlage der gesetzlichen Krankenversicherung in den neuen Ländern) Angelika Pfeiffer (CDU/CSU): Ich möchte meine Rede mit einem Dank beginnen. Mein Dank gilt Minister Seehofer, der frühzeitig unter Hinweis auf die schwierige Finanzsituation der gesetzlichen Krankenversicherung in den neuen Ländern eine Arbeitsgruppe initiiert hat, die ein Konzept erarbeiten sollte, mit dem unvermeidliche Beitragssatzanhebungen im Jahr 1998 vermieden werden können. Es ist insbesondere sein Verdienst, daß diese Gruppe aus Vertretern der neuen Länder und der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen schnell zu einem Ergebnis gekommen ist. Diesem Konzept stimmen Sozial- bzw. Gesundheitsminister der neuen Länder ebenso zu wie die Vertreter aller Krankenkassen. Auch die überwiegende Zahl der westlichen Bundesländer unterstützt den gefundenen Lösungsansatz. Alle Beteiligten teilen unsere Einschätzung, daß die wirtschafts- und beschäftigungspolitische Situation in den neuen Bundesländern dramatischer ist als in den alten. Die jüngst veröffentlichten Zahlen zur GKV-Finanzentwicklung der ersten drei Quartale 1997 belegen nachdrücklich die Notwendigkeit von solidarischen Unterstützungsmaßnahmen. Die westdeutschen Krankenkassen verfügten Ende September 1997 noch über Finanzreserven in einer Größenordnung von rund 4,1 Milliarden DM. Demgegenüber ist im Osten in den ersten drei Quartalen ein Defizit von rund 0,9 Milliarden DM entstanden, das sich mit den aufgelaufenen Altschulden des Jahres 1996 auf knapp 2,1 Milliarden DM summiert. Dies entspricht einer Größenordnung von umgerechnet 0,7 Beitragssatzpunkten. Wenn man berücksichtigt, daß das aktuelle Beitragssatzniveau in der GKV Ost mit 14 Prozent um 0,4 Prozentpunkte über dem Niveau der GKV West liegt, dürfte einleuchtend sein, warum ein Defizitabbau durch Beitragssatzanhebungen nicht realisierbar ist. In Einzelfällen müßten Krankenkassen ihren Beitrag um bis zu 2 Prozent erhöhen, was in dieser Region unvertretbar wäre. Wir müssen bei unseren aktuellen Überlegungen einfach davon ausgehen, daß wir eine entscheidende Trendwende bei der Arbeitslosigkeit, die sich positiv auf die Sozialversicherungen auswirken würde, im nächsten Jahr nicht erwarten können. Leider! Es besteht also akuter Handlungsbedarf. Unser Gesetz sieht zur Entspannung der Situation im Osten ein zeitlich abgestuftes Maßnahmenbündel vor. Schon aus Gründen der Akzeptanz steht dabei an erster Stelle eine Intensivierung der Sparanstrengungen. Ich habe durchaus Verständnis für Aussagen, daß eine Solidarhilfe nur schwer vermittelbar ist, wenn die Pro-Kopf-Ausgaben im Osten statistisch deutlich die des Westens übersteigen. Dabei wird insbesondere auf die Arzneimittelausgaben verwiesen. Aber auch hier können wir im dritten Quartal 1997 anhand der vorgelegten Zahlen erkennen, daß die Beteiligten vor Ort sich dieser Aufgabe angenommen haben. So können wir im dritten Quartal einen Rückgang bei den Arzneimittelausgaben von über 20 Prozent verzeichnen. Zu diesem Stichwort Sofortmaßnahmen gehören auch Bemühungen der Krankenkassen, durch die Vereinbarung von Bonusprogrammen und einer Überprüfung von Einweisungsverordnungen zu Einsparungen zu kommen. Von den Landesregierungen wird insbesondere ein weiterer und verstärkter Abbau von Überkapazitäten in der stationären Versorgung erwartet. Neben dieser Sofortmaßnahme gelten für das Jahr 1998 die sog. Selbsthilfemaßnahmen. Mit diesen soll die Zeit bis zum Inkrafttreten eines gesamtdeutschen Risikostrukturausgleichs überbrückt werden. Die Krankenkassen erhalten Gelegenheit, auf freiwilliger Basis innerhalb der jeweiligen Krankenkassen oder Kassenart über bereits bestehende Möglichkeiten hinaus sich gegenseitig zu unterstützen. Wesentliches Element dieses Gesetzentwurfs ist die Einführung des gesamtdeutschen Risikostrukturausgleichs ab dem Jahr 1999. Genau dieser Punkt ist Anlaß für heftige Diskussionen mit einigen Ländern gewesen. Ich möchte auf dieses Thema schon aus Zeitgründen jetzt nicht weiter eingehen, weise aber ausdrücklich darauf hin, daß wir den Anliegen dieser Länder dadurch entgegengekommen sind, daß die Ausgleichstransfers im ersten Jahr auf den Betrag von 1,2 Milliarden DM begrenzt werden. Dabei handelt es sich um ein Zugeständnis, das uns nicht leichtgefallen ist. Wegen dieser Begrenzung kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß es einzelne Krankenkassen gibt, die ihre Defizite trotz strengster Aus- gabendisziplin und trotz der RSA-Mittel nicht gänzlich abbauen können. Um in solchen Fällen Beitragssatzanhebungen vorzubeugen, haben wir zusätzlich vorgesehen, daß unter Beachtung enger zeitlicher und sachlicher Grenzen eine Darlehensfinanzierung erlaubt wird. Festzuhalten bleibt aber, daß nur mit einem gesamtdeutschen Risikostrukturausgleich den neuen Ländern eine Perspektive zur dauerhaften Bewältigung ihrer Finanzstrukturprobleme gegeben werden kann. Um allen Beteiligten die Zustimmung zu diesem Gesetz zu erleichtern, haben wir eine zeitliche Befristung bis zum Jahr 2001 vorgesehen. Daraus folgt zwingend, daß wir uns in der nächsten Legislaturperiode mit der Gesamtthematik erneut auseinandersetzen müssen. Dabei können alle Gesichtspunkte angesprochen werden, kein Thema sollte von vornherein zum Tabu erklärt werden. Hier und jetzt geht es allerdings um eine schnelle Hilfe für die notleidenden Krankenkassen in den neuen Ländern. Diese Solidaraktion darf nicht mit Themen belastet werden, die ein Zustandekommen dieses Gesetzes verhindern. Ich bitte dies bei der Diskussion in den nächsten Wochen zu berücksichtigen und schließe mit der Bitte um Unterstützung für diesen Gesetzentwurf. Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) (CDU/CSU): Ich habe durchaus Verständnis für das Anliegen, stetig steigende Transferleistungen im Grundsatz zu hinterfragen, und zwar egal, ob es sich um solche im Zusammenhang mit dem allgemeinen Finanzausgleich der Länder oder solche aufgrund des Risikostrukturausgleichs, kurz RSA, handelt. So ist es auch nicht illegitim, die Frage zu stellen, ob die Empfänger solcher Transferleistungen alles unternehmen, um durch strukturelle Veränderungen vor Ort diese Transfers zugunsten der „Zahler" zu begrenzen. Nun haben die Länder Baden-Württemberg und Bayern allerdings nicht die Exklusivrechte für solche Begrenzungsdebatten gepachtet. So habe ich bereits vor zwei Jahren erstmals darauf hingewiesen, daß ich den RSA für keine Dauereinrichtung halte. Dessen Sinn war und ist eigentlich, eine Chancengleichheit zwischen den Kassenarten in der Startphase des Wettbewerbs herzustellen. Irgendwann muß diese Phase allerdings schon aus Gründen der Logik beendet sein. Das heißt für mich, zunächst eine Begrenzung des Ausgleichvolumens ab dem Zeitpunkt X, dann eine stufenweise Reduzierung auf die Größe Y. Was sich hinter X und Y im einzelnen verbirgt, muß in Ruhe und Sorgfalt mit allen Beteiligten und mit Experten erörtert werden. Nur, weder diese Frage noch die zu den grundsätzlichen Konsequenzen einer Regionalisierung, die ja weit über regionalisierte Beiträge hinausgeht, können im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum GKV-Finanzstärkungsgesetz abschließend behandelt werden. Dafür fehlt uns neben der Zeit eine grundsätzliche Bereitschaft fast aller, darüber zu diskutieren. Wir benötigen für die Kassen in den neuen Ländern aber eine schnelle und verläßliche Perspektive, daß ihnen geholfen wird. Eine Belastung dieses Gesetzes mit Themen, die nichts mit einer schnellen und unkomplizierten Hilfsaktion zu tun haben, darf es nicht geben. Regionalisierung ist weder im Bund noch in den Ländern mehrheitsfähig, das heißt, eine Verknüpfung verhindert das Zustandekommen dieses Gesetzes. Das darf nicht sein. Wir können nicht in Bonn ein Problem erkennen und öffentlich benennen, hier die schwierige finanzielle Situation der Ost-GKV, dann dank Minister Seehofer mit den Betroffenen schnell eine zufriedenstellende Lösung erarbeiten, um anschließend mit der Diskussion über Fundamentalthemen diese gute Lösung zu verhindern. Wer will dies eigentlich den Menschen noch erklären? Ich weise darauf hin, daß alle Beteiligten bei diesem Gesetz auf Eigeninteressen schon verzichtet haben oder noch werden verzichten müssen: So zum Beispiel die AOK auf eine Ausweitung des RSA, der VdAK auf eine sofortige Abschaffung des RSA, wir auf eine Begrenzung des RSA, die SPD auf Forderungen nach der Einführung neuer Budgetierungen sowie eine Absenkung der Arzneimittelpreise in den neuen Ländern usw. Wir werden davon Abstand nehmen müssen, mit diesem Gesetz eine neue Gesundheitsreform zu verbinden, weil das Gesetz sonst scheitert. Das kann aber niemand mit den daraus folgenden Konsequenzen verantworten. Mit der Befristung bis 2001 haben wir die Voraussetzung dafür geschaffen, in der nächsten Legislaturperiode über alle streitigen Themen in Ruhe zu reden. Ich appelliere jetzt aber an alle, die es angeht: Konzentrieren wir uns darauf, die Menschen in den neuen Ländern vor Beitragssatzanhebungen in der GKV zu bewahren. Klammern wir Themen, die dazu keinen unmittelbaren Beitrag leisten, aus. Stimmen Sie bitte letztendlich dem Gesetz in der jetzt vorliegenden Form zu. Dr. Martin Pfaff (SPD): In der letzten Sitzungswoche vor Weihnachten geschehen anscheinend noch Zeichen und Wunder. Sie liefern uns und auch den Versicherten zumindest einige kleine Zeichen der Hoffnung. Das erste Zeichen: Mit der teilweisen, in seiner Höhe begrenzten, und auch zeitlich begrenzten Ausweitung des Risikostrukturausgleichs auf die gesamte Bundesrepublik kehren die Gesundheitspolitiker der Regierungskoalition zum Konzept einer bundesweiten Solidarität zurück. Durch diesen Finanztransfer von 1,2 Milliarden DM für 1999 und 2000 kann der Kollaps der Ostkrankenkassen verhindert werden. Dies ist prinzipiell zu begrüßen. Die finanzielle Sozialmauer zwischen den Kassen West und Ost fällt zwar nach so vielen Jahren der Vereinigung nicht vollständig und sofort, es werden aber breite Schneisen geschlagen. Denn dies zeigt: Die Solidarität zwischen den Starken und den Schwachen darf nicht an der Grenze zwischen dem Westen und dem Osten Deutschlands und schon gar nicht an der Grenze der Bundesländer enden. Wir brauchen eine bundeseinheitliche Absicherung gegen das Krankheitsrisiko. Das Niveau der Absicherung darf nicht durch die im jeweiligen Bundesland vorherrschende Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage bestimmt werden. Und schon gar nicht darf die von Bayern und Baden-Württemberg als Alternative zum bundesweiten Risikostrukturausgleich geforderte Regionalisierung des Risikostrukturausgleichs ab 2001 Wirklichkeit werden. Es wäre das Ende der sozialen bundesweiten GKV. Und es zeigt auch: Ein breiter Konsens für gesundheitspolitische Maßnahmen ist möglich, wenn der sozialpolitische Kurs stimmt: Wenn sich CDU/CSU und F.D.P. nur darauf hätten einigen können, wäre vieles möglich gewesen. Und das 2. Zeichen: Für 1998 soll die unselige Koppelung von Beitragserhöhung und höheren Zuzahlungen ausgesetzt werden. Kranke Menschen bleiben somit von einem der unsozialsten und skrupellosesten Mechanismen verschont: Sie werden nicht für die Folgen von Politikversagen bestraft, die sie gar nicht selbst zu verantworten haben oder das sie mit eigener Kraft gar nicht verhindern können. Bisher bleibt es aber allein bei der Ankündigung: eine Gesetzesvorlage gibt es nicht. Jedenfalls ist dies eine sehr unehrliche Geschichte: Aus Angst vor den Wählerinnen und Wählern wurde ein unsinniger Mechanismus nur für 1998 ausgesetzt. Der ehrlichere Weg wäre gewesen, einzugestehen, wie unsinnig die Kopplung, Beitragshöhe und Zuzahlung ist, und diese ganz zu streichen. Dazu ist aber dieser Bundesminister, diese Bundesregierung, nicht fähig! Und ich möchte auch nicht weiter kommentieren, mit welcher Nonchalance dieser Bundesminister verabschiedete Gesetze entweder ganz aushebelt - Beispiel: Positivliste - oder schlicht und einfach aussetzt - im Fall der Zuzahlungsorgie der 1. und 2. Neuordnungsgesetze im positiven Sinne. Darüber hinaus darf niemals vergessen werden: Viele der Finanzprobleme der Ostkassen sind von der Regierungskoalition zu verantworten: Die Ansatzpunkte der 1. und 2. Neuordnungsgesetze sind völlig falsch gewählt: Sie setzen die Kostendämpfungspolitik fort, die seit Lahnstein eigentlich durch eine Politik der Strukturreformen abgelöst werden sollte. Der jetzige Handlungsbedarf bei den Ostkassen geht auch darauf zurück, daß die Steuerungsinstrumente des Gesundheitsstrukturgesetzes 1993 vom zuständigen Bundesminister ausgesetzt, verwässert oder konterkariert worden sind. Vor allem aber gehen die Finanzierungsprobleme der Ostkassen auf die Arbeitsmarktprobleme im Osten Deutschlands zurück: Hätte die Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Bundesregierung nicht so kläglich versagt, wären die Probleme in diesem Umfang sicherlich nicht entstanden. Was sollte durch den Risikostrukturausgleich insgesamt bewirkt werden? Durch den Ausgleich unterschiedlicher - historisch bedingter und von den Kassen so gut wie nicht beeinflußbarer - Versichertenstrukturen erfüllt der Risikostrukturausgleich erfolgreich zwei unabdingbare Funktionen einer reformierten GKV-Struktur: Erstens die Schaffung gleicher Startchancen im Wettbewerb der Kassen um Versicherte und zweitens die Vermeidung von bewußten Risikoselektionen durch die Kassen in diesem Wettbewerb. Ein mit Risikostrukturausgleich und Versichertenwahlfreiheiten gleichermaßen verbundener Nebeneffekt ist die Angleichung der Beitragssätze innerhalb der GKV. Der bundesweite kassenartenübergreifende Risikostrukturausgleich hat sich trotz der von manchen Seiten - insbesondere von den Zahlerkassen - geäußerten Kritik in seiner derzeitigen Ausgestaltung bewährt. Dies gilt sowohl für seine technische Durchführung als auch für den Umfang der im Ausgleich berücksichtigten Faktoren. Ohne den Risikostrukturausgleich hätte die Abschaffung des rein ausgabenorientierten KVdR-Ausgleichs zu enormen Beitragssatzunterschieden geführt: GKV-Beitragssätze um die 20 Prozent wären bei manchen Kassen zum Beispiel bei der Bundesknappschaft, die Folge gewesen. Ohne Risikostrukturausgleich bzw. bei seiner Abschaffung würde die Versicherten- bzw. Risikoselektion der Kassen wirtschaftlich belohnt und somit einem „Rosinenpicken" Tür und Tor geöffnet. Zudem trägt der Risikostrukturausgleich zur Vermeidung der vielfach als Menetekel an die Wand gemalten Einheitsversicherung bei, indem erst durch ihn alle Kassen - auch solche mit althergebrachten, von ihnen nicht zu verantwortenden schlechten Versichertenstrukturen - eine Chance haben, in Zukunft im Wettbewerb zu bestehen. Der Risikostrukturausgleich ist somit also auch als Grundlage für einen effizienzsteigernden Wettbewerb zwischen den Kassen der gesetzlichen Krankenversicherung konzipiert. Es gilt: Ohne Risikostrukturausgleich kein Kassenwettbewerb. Wie sieht nun eine erste Bilanz des heutigen GKV- Finanzstärkungsgesetzes aus? Erstens. Positiv zu bewerten ist, daß der Grundlohnausgleich konsequent aus der Erkenntnis folgt, daß zwar die Leistungsausgaben je Versichertem - derzeit in Ostdeutschland 93,8 Prozent des Westniveaus - sich dem Westniveau annähert, daß aber die beitragspflichtigen Einnahmen der ostdeutschen GKV-Mitglieder - nur 80,5 Prozent des westdeutschen Niveaus - deutlich darunter liegen, u. a. wegen der hohen Arbeitslosigkeit im Osten. In anderen Worten: Der Finanzbedarf der ostdeutschen Kassen ist im 1. Halbjahr 1997 lediglich um 0,2 Prozent je Mitglied gestiegen. Dagegen sank die Finanzkraft, das heißt die beitragspflichtigen Einnahmen, um 0,6 Prozent bei den ostdeutschen Kassen. Ein Grundlohnausgleich ist deshalb für die Übergangsphase 1999 und 2000 das richtige Mittel der Wahl. Die mangelnde Finanzkraft muß durch solidarische Unterstützung aus dem Westen ausgeglichen werden. Zweitens. „Mild positiv" zu bewerten ist darüber hinaus der Appell in Richtung einer wirksamen Ausgabensteuerung bei den Ausgabenkategorien, bei denen der Osten deutlich über dem Westniveau liegt, zum Beispiel Arzneimittelkosten, Rettungsdienst etc. Allerdings darf die Qualität der erbrachten Leistungen nicht negativ beeinflußt werden. Und: Ein Steuerungsmechanismus ist nicht vorgesehen: Die Kassen der Länder müssen selbst sehen, wie sie die Ausgabensteuerung hinkriegen. Drittens. Positiv ist auch - wenn auch von untergeordneter Bedeutung -: Der von der Expertengruppe gemachte - und im Gesetzentwurf aufgenommene - Vorschlag „Bestehende Möglichkeiten freiwilliger kassenarteninterner Finanzausgleiche und finanzieller Hilfen ... " ist zu erweitern. Sie stellt die systemkonformere Lösung dar. Ausgabenausgleiche sind zwar nicht der Weisheit letzter Schluß, angesichts der gebotenen Eile sind sie aber als Übergangslösung zu befürworten. Aber: Rechtskreisübergreifende Ausgleiche haben nur bei § 265a SGB V Relevanz. Und kassenarteninterne Ausgleiche für aufwendige Ausgaben sollten auf Spitzenverbandsebene und nicht auf Landesebene, wie vorgesehen, ermöglicht werden. Denn wenn sich ein Landesverband verweigert, kommen diese Ausgleiche nicht zustande. Viertens. Bedenklich dagegen ist: Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen sieht eine Lösung des gegenwärtigen Defizits über weitere Kreditaufnahmen der ostdeutschen Kassen vor. Damit wird die gegenwärtige Praxis legalisiert. Dies kann lediglich als kurzfristige Sofortmaßnahme gerechtfertigt werden. Eine Defizitfinanzierung innerhalb der GKV kann immer nur eine zweitbeste Lösung darstellen, da hiermit Probleme lediglich in die Zukunft verschoben werden. Wie sollen die Ostkassen ihre Kredite zurückzahlen? Fünftens. Problematisch sind des weiteren die Begrenzung des Grundlohnausgleichs auf 1,2 Mil-harden DM - dies ist ein Akt politischer Willkür, kein Reflex der Systemlogik; er führt zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Ländern - sowie die zeitliche Befristung auf die Jahre 1999 bis 2001: Wenn danach nichts geschähe, würde altes Recht wieder gelten. Offensichtlich setzt die Koalition auf einen Wahlsieg der SPD, die dann den Risikostrukturausgleich in richtiger Form einführen soll. Sechstens. „Gemischt" zu beurteilen ist, daß es keine Rechtsangleichung geben wird: Ein Anheben der Beitragsbemessungsgrenze ist zwar prinzipiell zu begrüßen, weil damit ein Mehr an Solidarität möglich wird. Eine Anhebung der Selbstbeteiligungen auf West-Niveau - das heißt, Geringfügigkeitsgrenze wäre auf Westniveau angehoben worden - würde aber zu mehr Härtefällen führen. Dies würde eine zusätzliche Belastung der AOK-Ost mit sich bringen. Aus dieser gemischten Bilanz ergeben sich die folgenden Forderungen: Nachdem Herr Minister Seehofer sich mit der „dritten Stufe der Gesundheitsreform" von den Lahnsteiner Konsenslösungen verabschiedet hat, sind wesentliche Ziele des GSG letztlich aufgegeben worden. Der vorliegende Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen greift bezüglich des Risikostrukturausgleichs zu kurz. Weitere Reformen sind notwendig: Erstens. Ein gesamtdeutscher Ausgleich muß ab 2001 eingeführt werden. Er muß alle Ausgleichsfaktoren des Risikostrukturausgleichs umfassen. Zweitens. Sinnvolle Parameter für den Kassenwettbewerb müssen gefunden werden. Drittens. Regionale Beitragssatzkalkulation sollte gemäß der tatsächlichen Versorgungsstrukturen erfolgen. Zu eins: Grundsätzlich kann und muß durch die Umgestaltung des bisher für neue und alte Länder getrennt durchgeführten Risikostrukturausgleiches in einen gesamtdeutschen Ausgleich mittelfristig Finanzkraft und Finanzbedarf aller deutschen Kassen systemkonform, solidarisch und effizienzfördernd ausgeglichen werden. Bei sich aneinander anpassenden Lebensbedingungen zwischen Ost und West nimmt das Transfervolumen des Risikostrukturausgleichs automatisch ab. Es handelt sich also beim Risikostrukturausgleich insofern um einen systemkonformen Automatismus: Führt eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik zu einer Angleichung der Lebens- und Einkommensverhältnisse in West- und Ostdeutschland und führt der Wettbewerb der Kassen über die von der Bundesregierung propagierte „Abstimmung mit den Füßen" der Versicherten zur erwünschten Angleichung der Versichertenstrukturen, so geht - theoretisch - das Volumen des Risikostrukturausgleichs gegen Null. Zu zwei: Der Risikostrukturausgleich ist als Grundlage für einen effizienzsteigernden Wettbewerb zwischen den Kassen der gesetzlichen Krankenversicherung konzipiert. Effizienzsteigerungen wirken selbstverständlich primär dort beitragssatzsenkend, wo über 90 Prozent der GKV-Kosten anfallen: auf der Angebotsseite des Gesundheitswesens. Ein solidarischer GKV-Wettbewerb ist dementsprechend so auszugestalten, daß die Kassen den ihnen durch die erweiterten Versichertenwahlfreiheiten entstehenden Wettbewerbsdruck an die Leistungsanbieter weitergeben können. Voraussetzung hierfür sind sinnvolle Wettbewerbsparameter, mit denen die Kassen die Art der Leistungserbringung beeinflussen können. Die gegenwärtige Gesetzeslage bietet diese Möglichkeit so gut wie nicht und konzentriert den Kassenwettbewerb so zwangsläufig auf einen ausgabentreibenden Konditionenwettbewerb und unerwünschte Risikoselektionen. Das haben Sie, Herr Bundesminister, und diese Regierungskoalition zu verantworten. Zu drei: Bereits 1989 hat der Sachverständigenrat der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen festgestellt, daß - aufbauend auf einem bundesweiten, kassenartenübergreifenden Risikostrukturausgleich - eine regionale Beitragssatzkalkulation sinnvolle Voraussetzung für einen effizienzfördernden Kassenwettbewerb ist: Während der Risikostrukturausgleich letztlich Unterschiede in den Nachfragerstrukturen ausgleicht, sollen die Anbieterstrukturen „vor Ort" von den Kassen beeinflußt werden. Auch nach Einführung des Risikostrukturausgleichs variieren die Beitragssätze u. a. in den Regionen. Dies ist wesentlich auf regional unterschiedliche - vom Risikostrukturausgleich bewußt nicht ausgeglichene - Versorgungsstrukturen zurückzuführen. So leiden insbesondere die Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin mit ihrem dichten, maximalversorgenden und dementsprechend teueren Angebotsstrukturen unter hohen GKV-Beitragssätzen. Zwei Probleme verbleiben nach dem gesamtdeutschen Risikostrukturausgleich: Problem 1: Einerseits schert in den Flächenstaaten zum Beispiel auch die AOK mit der Beitragssatzkalkulation auf Länderebene alle Versicherten über einen Kamm, zahlen also die Versicherten der schlechter versorgten ländlichen Regionen die Maximalversorgung der Großstädte mit. Problem 2: Andererseits profitieren aber zum Beispiel die direkten Umlandregionen der Stadtstaaten von der dortigen Maximalversorgung, ohne jedoch einen angemessenen Beitrag hierfür zu leisten. Pro regionale Beitragssatzkalkulationen im Gefolge eines bundesweiten kassenartenübergreifenden Risikostrukturausgleichs: Zwar ist eine regionale Beitragssatzkalkulation grundsätzlich zu begrüßen: Sie entspricht dem Äquivalenzprinzip, stärkt die regionalen Zuständigkeiten und ist im Gegensatz zur bundesweiten Mischkalkulation der Ersatzkassen und etlicher Betriebskrankenkassen wettbewerbskonform. Aber regionale Beitragssätze müssen, um die genannten Aspekte zu berücksichtigen, gemäß den tatsächlichen Versorgungsstrukturen abgegrenzt werden. Und diese Versorgungsstrukturen korrespondieren eben nicht automatisch mit den Grenzen der Bundesländer. Die Lösung dieses Dilemmas liegt in einer einheitlichen, aber von den Ländergrenzen unabhängigen Beitragssatzkalkulation aller Kassen: Der Risikostrukturausgleich gewährleistet einen solidarischen Ausgleich innerhalb der GKV und setzt die Voraussetzungen für einen effizienzsteigernden Kassenwettbewerb. Der Wettbewerb findet innerhalb der Regionen, und zwar innerhalb der Versorgungsregionen, statt. Maßgeblich für die Beitragssatzkalkulation müssen also die tatsächlichen Versorgungsstrukturen sein, die sich zum Beispiel über Krankenhauseinzugsbereiche oder Raumordnungsregionen definieren. Wenn eine solche Regionsabgrenzung insbesondere im Falle der Stadtstaaten auch zu weiteren Finanzierungsströmen zwischen den Bundesländern führt, so werden durch eben diese Transfers die Voraussetzungen für den geforderten Kassenwettbewerb geschaffen. Als Fazit kann festgehalten werden, daß es sich bei der „Regionalisierung" der Beitragssätze zur GKV um zwei Paar Stiefel handelt: Eine Regionalisierung führt zum Zusammenbruch des Sozialstaats, sie führt zur Kleinstaaterei wie vor Bismarcks Zeiten. Und sie ist grundsätzlich abzulehnen. Eine Regionalisierung, nachdem ein bundesweiter kassenartenübergreifender Risikostrukturausgleich stattgefunden hat, kann ein wirksames Instrument zur Steuerung der Angebotssituation sein - wenn die Region richtig gebildet wird. Klaus Kirschner (SPD): Das, was der Bundesgesundheitsminister mit der sozialen Krankenversicherung veranstaltet, gleicht einem Tollhaus. Vor zwei Monaten meinte der Gesundheitsminister, seine Reformarbeit zur gesetzlichen Krankenversicherung sei definitiv beendet. Herr Minister Seehofer, die heutige Debatte spricht nicht für Sie. Im Gegenteil, die ohnehin kurzen Halbwertzeiten Ihrer Gesetze erfahren hier und heute einen weiteren Höhepunkt. Wo sind Ihre Antworten in den Neuordnungsgesetzen auf die katastrophale Finanzsituation der Krankenkassen in den neuen Bundesländern? Ihre Gesetze der sogenannten 3. Stufe der Gesundheitsreform tragen weder zur Lösung der Finanzprobleme noch zur Lösung der überkommenen Struktur- bzw. Modernisierungsprobleme des Gesundheitswesens bei. Und erst recht nicht orientieren sie sich an den Gesundheitsproblemen der Bürgerinnen und Bürger. Ich stelle fest, Sie waren und sind nicht in der Lage, Lösungen aus einem Guß anzubieten. Das wäre allerdings jetzt für die Finanzproblematik der Ost-Krankenkassen dringend notwendig gewesen. Wie dem auch sei, nachdem Sie erstens einen vernünftigen Anpassungsprozeß der neuen Länder an die West-Länder verhindert haben - ich erinnere hier auch daran, daß Sie durchaus beachtliche Teile des Versorgungssystems der neuen Länder, wie z. B. Gesundheitszentren oder Dispensair-Einrichtungen plattgemacht haben -, nachdem Sie zweitens bei Ihrer Krankenbelastungsreform vom Sommer vorsätzlich die Hilfe für die Ost-Krankenkassen verweigert haben, muß jetzt dringend eine Lösung für die OstKrankenkassen in den neuen Bundesländern und vor allem für die Versicherten und Arbeitgeber als Beitragszahler gefunden werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist längst überfällig: Die Sozialmauer zwischen West und Ost muß fallen. Der Fall der Sozialmauer ist zu wichtig, als daß dieses Thema zu einem internen Parteienstreit verkommen darf. Die steigende Beitragsbelastung für die Versicherten und Arbeitgeber in den neuen Bundesländern ist nicht mehr länger zu akzeptieren. Ich appelliere daher eindringlich an Sie, Herr Minister Seehofer: Stoppen Sie als stellvertretender Parteivorsitzender der CSU den Versuch Ihrer Partei in Bayern, sich der jetzt geforderten Solidarität mit den Versicherten und Arbeitgebern in den neuen Bundesländern zu entziehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU und CSU, lassen Sie es nicht zu, daß Sie sich unter dem Druck vor allem Bayerns und Baden-Württembergs vom dringend notwendigen bundesweiten Risikostrukturausgleich verabschieden. Ein Abschied vom bundesweiten Risikostrukturausgleich würde den ohnehin schon eingeleiteten Prozeß der Entsolidarisierung in der Krankenversicherung beschleunigen und die von der Verfassung geforderte Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland weiter aushöhlen. Hören Sie auf mit Ihrer Kleinstaaterei. Die SPD will einen bundesweiten Risikostrukturausgleich. Wenn Sie den allerdings gemeinsam mit der SPD verwirklichen wollen, Herr Minister Seehofer, dann muß Ihr Gesetzentwurf Mindestansprüchen genügen: Erstens. Das Gesetz muß Perspektiven für die Zukunft aufzeigen. Zweitens. Sparziele müssen eindeutig im Gesetz formuliert werden. Drittens. Solidarität darf nicht einseitig belasten. Zu den Perspektiven: Nachdem schon die vom Bundeskanzler versprochenen blühenden Landschaften nicht kommen, zementieren Sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Sozialmauer. Erstens. Sie führen einen abgespeckten Risikostrukturausgleich ein und manipulieren ihn auch noch, indem Sie ihn gesetzlich - und das völlig systemfremd - fixieren. Zweitens. Anstatt konkret Angebotsstrukturen umzubauen, anstatt konkrete Sparziele im Gesetz zu definieren, treiben Sie die Krankenkassen weiter in die Perspektivlosigkeit, wenn Ihre Antwort für das nächste Jahr lapidar lautet: Nehmt weiter Kredite auf. Notwendig ist ein verbindliches Konzept mit gesetzlich vorgegebenen strikten Ausgabenobergrenzen für die Ost-Krankenkassen. Denn Solidarität bedingt auch, daß das Ausgabenniveau je Versicherten in den neuen Bundesländern dem Ausgabenniveau je Versicherten in den alten Bundesländern entspricht. Deshalb frage ich Sie: Wo ist Ihr konkretes Konzept im Gesetzestext, damit insbesondere im Bereich der Arzneimittel das wesentlich höhere Ost-Ausgabenniveau abgesenkt wird? Zur Erinnerung: Bei den Arzneimitteln liegen die Ost-Ausgaben pro Kopf rund 13,5 Prozent über dem West-Niveau. Das gleiche frage ich sie für den Bereich der Fahrt- und Verwaltungskosten der Ost-Krankenkassen. Hier müssen klare Sparziele ins Gesetz. Und damit wir uns nicht falsch verstehen: Sparziele nicht für die kranken Menschen, sondern Sparziele dort, wo Geld im System verschwendet wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, uns wird heute ein doch sehr abgespeckter Gesetzentwurf präsentiert. Es wurde ja bereits einmal mit Vertretern der neuen Bundesländer ein Vorschlag erarbeitet. Der Titel lautete damals: Rechtsangleichungsgesetz. Jetzt lautet Ihr Titel: Finanzstärkungsgesetz. Zunächst einmal ein Kompliment für Ihren Erfindungsreichtum bei Gesetzestiteln. Besser allerdings wäre es, Sie würden Ihre Kreativität nicht an irgendwelchen Gesetzestiteln verschwenden, sondern Sie würden Ihre Kreativität in tragfähige, auf Dauer ausgerichtete Reformen stecken. Jetzt soll also doch keine vernünftige - ich betone: vernünftige - Rechtsangleichung mehr stattfinden? Wie, Herr Minister Seehofer, wollen Sie denn den Versicherten und Arbeitgebern im Westen bei einem monatlichen Einkommen des Arbeitnehmers von 6 300 DM erklären, es müßten weiter aus 6 300 DM Beiträge an die Krankenkasse gezahlt werden und zusätzlich müsse man jetzt solidarisch sein und die Ost-Krankenkassen mit einer Beitragssatzsteigerung von 0,1 Beitragssatzpunkten finanziell unterstützen, wenn gleichzeitig Versicherte und Arbeitgeber bei einer Ost-Krankenkasse mit dem gleichen Einkommen nur einen Beitrag aus 5 250 DM zahlen? Das würde bedeuten, daß der Beitrag zu den Ost-Krankenkassen 12 mal im Jahr aus 1 050 DM weniger gezahlt wird, als es Versicherte und Arbeitgeber mit gleichem Einkommen an die West-Krankenkasse zahlen. Damit Sie nicht nachrechnen müssen: Es macht eine Differenz von 1701 DM jährlich ab dem Jahr 1998 aus. Herr Minister Seehofer, hier scheinen Sie ein doch merkwürdiges Verständnis von Solidarität zu haben. Wenn man sich allerdings Ihre Politik betrachtet, dann ist klar festzustellen: Sie haben generell ein Problem damit, in Deutschland den sozialen Zusammenhalt zu fördern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, für die SPD-Bundestagsfraktion erkläre ich: Wir wollen den sozialen Zusammenhalt fördern. Wir wollen keine soziale Mauer zwischen den neuen und den alten Bundesländern. Das, was Sie hier heute vorgelegt haben, Herr Minister Seehofer, wird den zu lösenden Problemen nicht gerecht. Wenn Sie auf der einen Seite den OstKrankenkassen und vor allem den Beitragszahlern eine echte Perspektive bieten wollen und auf der anderen Seite von den West-Kassen und deren Beitragszahlern ein solidarisches Verhalten einfordern wollen, dann muß nachgebessert werden. Die Lösungswege habe ich Ihnen skizziert. Auf dieser Basis können wir uns verständigen. Monika Knoche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ist die Bundesregierung oder gar Bundesminister Seehofer mit dem Finanzstärkungsgesetz der Retter des Ostens? Je genauer hingeschaut wird, um so deutlicher wird, daß kein Glorienschein über ihnen glänzt. Das GKV-Finanzstärkungsgesetz ist kein akzeptabler Kompromiß, wiewohl der Osten eine Lösung braucht. Aber eben nur eine, die auch „gesamtdeutsch" eine richtige Richtung einschlägt. Die Krisenanalyse der Neuordnungsgesetze war falsch. In Wahrheit ist die akute finanzielle Notlage der Ostkrankenkassen kein Ausdruck einer kurzfristigen Finanzierungskrise der Ostkrankenkassen. Sie ist Folge einer völlig verfehlten Regierungspolitik. Die vereinigungsbedingten Lasten sind zu einem großen Teil den sozialen Sicherungssystemen aufgebürdet worden. Eine Steuerfinanzierung wäre sachgerechter und gerechter gewesen. Die Politik der Bundesregierung ging entgegen allen realistischen Betrachtungen von der Entwicklung „blühender Landschaften" im Osten aus. Noch jetzt ist das GKV-Finanzstärkungsgesetz von einer massiven Realitätsverweigerung gekennzeichnet. Es schafft spezifische Ostnachteile, weil mit ihm weiterhin Disparitäten gegeben sind. Und daraus nährt sich der bayerisch-sächsisch-baden-württembergische Regionalismus. In Wahrheit hat die Bundesregierung die neuen Egoismen einzelner Regionen mit zu verantworten. Der Vorschlag, den Wettbewerb auf die Bundesländer auszuweiten, wäre ohne die Schleusenöffnung der Neuordnungsgesetze nicht denkbar. Schon bei der Gesundheitsstrukturgesetzgebung ist der Ausstieg aus der vollen Solidarität eingeleitet worden und Wettbewerb als Regelungsinstrument implementiert worden. Diese aktuellen Bestrebungen zur Regionalisierung der Sozialversicherungssysteme, die beim West-Ost-Transfer auf die politische Bühne kamen sind nicht mit dem Prinzip des Grundgesetzes nach Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in der gesamten Republik vereinbar. Nur eine systemgetreue Lösung, die den übergeordneten bundespolitischen und gesamtgesellschaftlichen Anforderungen Rechnung trägt, ist in der Lage die wettbewerbsegoistischen Kleinstaatereien zurückzudrängen. Ansonsten sind weitere Egoismen und unsoziale Entwicklungen nicht mehr in Bann zu halten. Das sind die Geister des Wettbewerbs, die Sie nicht mehr loswerden. Und noch etwas ist Herrn Seehofer nicht durchzulassen: Alle seine Erfolge sind auf Treibsand gebaut. Die besagte Stabilität ist nicht erreicht. Ursächlich für die Finanzierungsnotlage der GKV in Deutschland sind die hohe Massenarbeitslosigkeit und die niedrige Lohnquote. Diese Faktoren lösen eine anhaltende Einnahmeimplosion aus. Dies gilt im Westen wie im Osten Deutschlands. Diese ökonomischen Fakten wurden und werden von ihm geleugnet, sonst sähe das Gesetz ganz anders aus. Die Arbeitslosenzahlen von fast 20 % in den neuen Bundesländern und die fast vollständigen Eliminierungen ostspezifischer Versorgungsstrukturen haben eine kostenintensive Fehlsteuerung hervorgebracht. Den Ostversicherten kosten die Arzneimittel genau- soviel wie den im Westen. Die doppelt so hohe Erwerbslosenquote bei niedriger Lohnstruktur im Osten verhindert eine Finanzkonsolidierungspolitik. Die Sozialmauer zwischen Ost und West fällt nicht von alleine. Im Gegenteil: Für das Jahr 1997 fallen im Osten die beitragspflichtigen Einnahmen um zirka 0,8 Prozent. Die Finanzkrise der Ostkrankenkassen ist hausgemacht, nicht zuletzt durch die gesetzlich vorgegebene Absenkung der Bemessungsgrundlage von Rentnerinnen und Rentnern und Arbeitslosen von 100 Prozent auf 80 Prozent. Das heißt zirka 5 Milliarden DM p.a. Für die Ostkrankenkassen sind das Einnahmeverluste von etwa 0,4 Beitragssatzpunkten (1,2 Milliarden DM) jährlich. Da fällt Ihnen natürlich der Beitragszuzahlungsautomatismus auf die Füße, so kurz vor der Wahl. Die Kassennot in den neuen Ländern erfordert eine entschiedene Parteinahme für den Ausbau der solidarischen Finanzierung und die Garantie des Sachleistungsprinzips. Deshalb sagen wir: Um zu einer sachgemäßen Lösung zu kommen, muß der spezifische Risikostrukturausgleich unter folgenden Voraussetzungen fortgeschrieben werden. Die Bundesregierung muß der Verpflichtung des Grundgesetzes zur Schaffung einheitlicher Lebensverhältnisse nachkommen und allen Bestrebungen zur Regionalisierung der Sozialversicherungssysteme entgegenwirken. Ein vorläufiger gesamtdeutscher Risikostrukturausgleich ist ab 1. Januar 1999 bis 2001 einzuführen. Er muß neben der Grundlohnsumme auch Einnahmenunterschiede gemessen an der Zahl der Mitglieder sowie die Härtefälle mit umfassen, um weiteren Disparitäten entgegenwirken. Der vorläufige Risikostrukturausgleich ist durch ein Gesetz, welches den Übergang zum vollständigen Risikostrukturausgleich regelt, abzulösen. Eine vollständige Rechtsangleichung von Ost und West bedarf eines komplettierten Risikostrukturausgleich. Für die Krankenkassen ist ein gemeinsamer Überbrückungsfond vorzusehen, der sie verpflichtet, im Jahre 1998, die Ostkrankenkassen zu unterstützen. An einem solchen kassenartenübergreifenden Überbrückungsfond sind alle Westkrankenkassen zu beteiligen. Er muß ein wirksamer Beitrag zur Konsolidierung der Ostkrankenkassen darstellen. Die Finanzierungsbasis der Krankenkassen ist zu verbessern, indem die Beitragsbemessungs- und Versicherungspflichtgrenze analog der Rentenversicherung (Ost und West) anzuheben ist. Darauf hat auch aktuell der Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion hingewiesen. Zusätzlich ist es anzustreben, daß die 610-DM/520-DM-Jobs angemessen in der Versicherungspflicht und der Beitragsbemessung miteinbezogen werden. Alle „Verschiebebahnhöfe" zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen sind offenzulegen und tendenziell zurückzuführen. Die Absenkung der Beitragsbemessungsgrenze für Arbeitslose und Rentnerinnen und Rentner durch die Rentenreform im Jahr 1995 von 100 auf 80 Prozent ist rückgängig zu machen. Gesetze wie z. B. das Sechste SGV-Änderungsgesetz, welches die Regelung zur Bildung von Festbeiträgen für patentgeschützte Arzneimitteln aufhebt sowie die Abgabe von preisgünstig importierten Arzneimittel unterbindet, sind dementsprechend zu korrigieren. Das 1. und 2. NOG sind aufzuheben. Es ist zur solidarisch finanzierten GKV im Rahmen der beitraghälftigen Finanzierung durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite zurückzukehren; alle Zuzahlungen sind tendenziell vollständig zurückzuführen. Das Gesundheitswesen ist an qualitativen Erneuerungsnotwendigkeiten zu orientieren sowie das Gesundheitsinteresse der Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt zu stellen. Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenkassen in den neuen Bundesländern ist alles andere als rosig. Das Defizit ist mittlerweile auf über 2 Milliarden DM angewachsen. Eine Änderung der Situation ist kurzfristig nicht in Sicht. Das liegt an den zurückgehenden Einnahmen, die zum einen auf die hohe Arbeitslosigkeit zurückzuführen sind. Zum anderen spiegelt sich hierin aber auch die ökonomische Vernunft der Tarifparteien wider, auf eine überzogen schnelle Anpassung der Ost-Löhne an die West-Löhne zu verzichten. Man kann die Krankenkassen in den neuen Bundesländern mit dieser Situation nicht alleine lassen. Mit Sparen allein ist es hier nicht getan, auch wenn unbestritten ist, daß es hier noch Spielräume gibt, die konsequent genutzt werden müssen. Dort, wo die Ausgaben der Ost-Krankenkassen über dem Westniveau liegen, ohne daß dies auf unvermeidlichen Besonderheiten beruht, müssen diese Ausgaben konsequent zurückgeführt werden. Es gibt allerdings auch andere Bereiche, darauf möchte ich hier auch einmal hinweisen, die, deutlich unterhalb des Niveaus liegen. Das gilt zum Beispiel bei den niedergelassenen Ärzten, die mit 78 Prozent des Westniveaus unterhalb dessen liegen, was ansonsten in der ostdeutschen Wirtschaft üblich ist. Wir brauchen ein vernünftiges, abgestuftes Verfahren, um Hilfestellung in den neuen Bundesländern leisten zu können, ohne daß die Westkrankenkassen hierdurch übermäßig belastet werden. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf und dem dort vorgesehenen gestuften Verfahren wird es gelingen, die Krankenkassen in den neuen Bundesländern wirkungsvoll zu unterstützen und ihnen die Möglichkeit zu geben, aus eigener Kraft wieder voll funktionsfähig zu sein. Diese Hilfe basiert auf vier Faktoren: 1. Sparen, wo immer das möglich ist. Dazu gehören für mich auch die Verwaltungskosten der Krankenkassen. Dazu gehört für mich aber ebenso die politische Verpflichtung der Kommunen, nicht durch unverschämte Anhebung der Rettungsdienstgebühren dafür zu sorgen, daß ein Teil der Sparanstrengungen wieder zunichte gemacht wird. 2. Die Ermöglichung einer Kreditaufnahme hilft, die schwierige finanzielle Situation zu überbrücken. Daß dabei Kredite bevorzugt innerhalb des eigenen Kassensystems aufgenommen werden sollen, ist ein Gebot der Wirtschaftlichkeit und wird von mir ausdrücklich begrüßt. 3. Die zur Zeit nur getrennt nach Ost und West möglichen kassenarteninternen Hilfen sollen ab nächstem Jahr auch bundesweit möglich sein. Ich gehe davon aus, daß die anderen Krankenkassen nur bereit sein werden, ihren Kollegen in den neuen Bundesländern zu helfen, wenn erkennbar wird, daß die Empfängerkasse alle Anstrengungen unternimmt, die möglich sind, um die finanzielle Situation zu stabilisieren. 4. Ab 1999 dann die bundesweite Durchführung eines Teils des Risikostrukturausgleichs, indem die unterschiedlich hohen Grundlöhne ausgeglichen werden. Wir gehen davon aus, daß es möglich sein wird, das Volumen von circa 1,2 Milliarden DM vom Westen in den Osten umzuschichten, ohne daß es hierdurch zu merklichen Beitragssteigerungen im Westen kommt. Die im Zusammenhang mit der Hilfe für die OstKrankenkassen ins Gespräch gebrachte Regionalisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, von bayerischer Seite aus gar die Regionalisierung sämtlicher Sozialversicherungssysteme, war und ist nicht gerade hilfreich. Solange man zu den Empfängern gehört, nimmt man die Zahlungen gerne mit. Steht Unterstützung für andere an, spricht man auf einmal von der Notwendigkeit individueller Verantwortung. Natürlich habe ich Verständnis dafür, daß sich Bundesländer wie zum Beispiel Bayern, die nach wie vor die Instandhaltungsinvestitionen in den Krankenhäusern finanzieren, darüber ärgern, wenn andere das nicht tun. Aber das kann doch kein Grund sein, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Selbstverständlich habe ich Verständnis dafür, daß man sich Gedanken darüber macht, wie man jede einzelne Krankenkasse dazu bringen kann, möglichst wirtschaftlich mit den Versichertengeldern umzugehen und wie man jedes Land dazu bringen kann, sich Gedanken über eine wirtschaftliche und leistungsgerechte Vorhaltung zu machen. Aber die Idee der Regionalisierung ist doch überhaupt nicht durchdacht. Wie sähe es denn im Bayerischen Wald aus, wenn es bei den Ortskrankenkassen keinen landesweit einheitlichen Beitragssatz gäbe? Warum sollte gerade ein landesweiter Risikostrukturausgleich durchgeführt werden mit entsprechend willkürlichen Grenzen? Wenn man will, daß die Ströme, die zwischen einzelnen Krankenversicherungsträgern hin und her fließen, begrenzt werden, dann muß man den Risikostrukturausgleich zurückführen und nicht, wie einige Bundesländer das vorhaben, regionalsieren und damit noch komplizierter machen als es bisher schon der Fall ist, ohne es dadurch gerechter zu gestalten. Ich appelliere deshalb an alle Beteiligten, die dringend benötigte Hilfe für die Ost-Krankenkassen nicht durch eine Überfrachtung der Diskussion zu gefährden. Hier müssen wir noch einmal in Ruhe miteinander reden, welcher Weg der bessere ist im Sinne einer optimalen, möglichst preiswerten Versorgung unserer Bevölkerung mit Gesundheitsleistungen ist. Dr. Ruth Fuchs (PDS): Bei allen Unwägbarkeiten, die mit einem so komplizierten Prozeß natürlicherweise verbunden sind, wie ihn die deutsche Wiedervereinigung nun einmal darstellt, sind unter anderem zwei Dinge von unabhängigen Fachleuten stets richtig vorausgesehen worden. Erstens, daß es im Osten nicht in Kürze blühende Landschaften geben würde, sondern daß die wirtschaftliche Angleichung - so, wie sie nun einmal angegangen wurde - ein sehr langer und von Rückschlägen begleiteter Prozeß werden würde. Zweitens. Wer den neuen Bundesländern das bundesdeutsche Gesundheitssystem einfach überstülpt, mußte wissen, daß er früher oder später mit den gleichen Kosten einschließlich der zugehörigen erheblichen Mittelverschwendungen konfrontiert sein würde. Inzwischen sind beide Voraussagen Wirklichkeit geworden. Damit mußte sich auch die Schere zwischen Kostenentwicklung und Beitragseinnahmen der gesetzlichen Krankenkassen immer weiter öffnen. Eine Zeitlang wurde die Situation mit Krediten, das heißt in diesem Zusammenhang mit ebenso fragwürdigen wie zweischneidigen Instrumenten, noch kaschiert. Nun aber liegt das Kind tief im Brunnen, und im Osten drohen ohne sofortiges Eingreifen Beitragserhöhungen von mehreren Prozentpunkten. Dies ist zweifellos weder mit der wirtschaftlichen Situation in den neuen Bundesländern noch mit der Verpflichtung zur Angleichung der Lebensverhältnisse in Gesamtdeutschland zu vereinbaren. Der Gesundheitsminister steht nun vor der Aufgabe, diese Zeitzünderbombe möglichst rasch und unauffällig zu entschärfen - schon um zu vermeiden, daß sie mitten im Wahlkampf hochgeht. Mit dem vorliegenden GKV-Finanzstärkungsgesetz soll im Kern eine in der Sache begrenzte und zeitlich befristete Ausweitung des in Ost und West bisher getrennt bestehenden Risikostrukturausgleichs der Krankenkassen auf das ganze Bundesgebiet vorgenommen werden. Die ursprünglichen Vorstellungen des Ministers gingen allerdings wesentlich weiter. Natürlich wäre es höchste Zeit und wesentlich wirkungsvoller, jetzt den vorzeitigen generellen Übergang auf den ohnehin vorgesehenen gesamtdeutschen Risikostrukturausgleich einzuleiten. Von dieser zweifellos richtigen Konsequenz ist mittlerweile nicht mehr viel übriggeblieben. Im vorliegenden Gesetz ist nur noch - im Sinne eines ersten Schrittes - vom Ausgleich der unterschiedlichen Grundlohnsummen und auch dies nur mit einer von vornherein vorgegebenen Obergrenze von 1,2 Milliarden DM jährlich die Rede. Angesichts der starren Ablehnungshaltung der Länder Bayern und BadenWürttemberg wurde das Ganze obendrein auf lediglich drei Jahre befristet. Aber selbst diese Zugeständnisse scheinen den Matadoren von der Lega Süd noch lange nicht zu reichen. Nun haben sie ein neues politisches Junktim aufgemacht und fordern die Regionalisierung des Risikostrukturausgleiches ab 2002. Abgesehen von der generellen Abenteuerlichkeit dieser Forderung, wäre die ursprüngliche Absicht des Ministers dann allerdings endgültig in ihr genaues Gegenteil verkehrt. Vor diesem Hintergrund kann man dieses Gesetz zumindest als einen Schritt in die richtige Richtung bezeichnen. Die Frage wird allerdings sein, wie weit es dem Minister gelingen wird, die verbliebenen Reste seines Rettungsversuches überhaupt noch ins Ziel zu bringen. Schon der bisherige Widerstand aus den eigenen Reihen läßt nichts Gutes vermuten. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, daß die wirkliche Aufgabe der Regierung unverändert darin besteht, endlich ein langfristig tragfähiges Konzept für die finanzielle Konsolidierung der gesetzlichen Krankenkassen vorzulegen - und zwar in Ost und West gleichermaßen. Statt dessen erleben wir wieder nur eine Neuauflage des von dieser Koalition und ihrer Regierung nun schon sattsam bekannten Flickwerks in der Gesundheitspolitik. Minister Dr. Erwin Vetter (Baden-Württemberg): Es mag Sie verwundern, daß zu einem Gesetzentwurf zur Stärkung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung in den neuen Ländern ein Vertreter des Landes Baden-Württemberg das Wort ergreift. Ich tue dies deshalb, um einige Mißverständnisse auszuräumen, und auch deshalb, weil wir mehr tun sollten, um in der gesetzlichen Krankenversicherung zu strukturellen Veränderungen zu kommen, die unser anerkannt gutes Gesundheitswesen auch in Zukunft leistungsfähig und finanzierbar erhalten. Die baden-württembergische Landesregierung unterstützt den Weg, den das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) und die Neuordnungsgesetze (NOG) eingeschlagen haben: mehr Wettbewerb, mehr Eigenverantwortung, mehr Selbstverwaltung und Effizienz. Auf diesem Weg sollen weitere Schritte gegangen werden. Unser Vorschlag beinhaltet folgende Komponenten: regionalisierte Beitragssätze, einen regionalisierten Risikostrukturausgleich, eine Solidaritätskomponente in Höhe von 25 Prozent, eine Soforthilfe für die notleidenden Krankenkassen in den neuen Bundesländern. Wir erwarten durch dieses Modell keine Sofortentlastung für die Länder die heute die Hauptlast tragen. Wir wollen aber, daß die Weichen gestellt werden und die Richtung der künftigen Entwicklung stimmt. Bevor ich weitere Ausführungen zu unserem Modell mache, möchte ich Mißverständnisse ausräumen. Baden-Württemberg hat noch nie und hat auch jetzt nicht die Regionalisierung der Beitragssätze in der Arbeitslosen- und der Rentenversicherung gefordert. In diesen Bereichen sind ein bundeseinheitlicher Beitragssatz und ein bundeseinheitliches Leistungsrecht für uns systemimmanent und ein wesentlicher Grundpfeiler unseres sozialen Sicherungssystems. Was wir jedoch fordern, sind durchgehend regionalisierte Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung auch für die Ersatzkassen. Wir werden in dieser Forderung vom Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen in seinem Jahresgutachten 1995 und auch durch das renommierte Institut für Gesundheits- und Sozialforschung in Berlin unterstützt. Regionalisierte Beitragssätze, bei denen jede Region über Quantität und Qualität ihres Gesundheitswesens selbst entscheidet und diese dann auch selbst bezahlt, führen zu mehr Wettbewerbs- und Beitragsgerechtigkeit und damit auch zu mehr Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Länderübergreifende Mischkalkulationen verwischen diese Verantwortlichkeiten und führen zu unwirtschaftlichen Verhaltensweisen. Im übrigen fordern wir damit nichts Neues; regionale Beitragssätze gibt es in der gesetzlichen Krankenversicherung schon seit eh und je. Auch die Vertragsverhandlungen zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern finden auf regionaler Ebene statt. Deshalb sind durchgehend regionalisierte Beitragssätze für uns nur konsequent und ein Schritt in die richtige Richtung. In diesem Zusammenhang noch ein Wort an die Ersatzkassen. Regionalisierte Beitragssätze bedeuten nicht, daß wir auch eine andere Organisationsstruktur der Ersatzkassen wollen. Wie sich diese organisieren, ist deren Sache. Zum zweiten wird uns im Zusammenhang mit unserer Forderung nach Regionalisierung des Risikostrukturausgleichs der Vorwurf gemacht, wir verhielten uns unsolidarisch und dächten nur an unseren eigenen Geldbeutel. Dieser Vorwurf hält einer genaueren Betrachtungsweise nicht stand. Wir wollen in der Tat in einer ersten Stufe die Regionalisierung des Risikostrukturausgleichs, also den Ausgleich der Strukturunterschiede zwischen den Kassen auf der Ebene des Landes. Der Risikostrukturausgleich ist ja zusammen mit der Freigabe des Kassenwettbewerbs in das Gesetz aufgenommen worden und soll im Interesse der Wettbewerbsgleichheit strukturelle Unterschiede zwischen den Kassen ausgleichen. Wettbewerb zwischen den Kassen, vor allem bei regionalisierten Beitragssätzen, findet jedoch überwiegend in der Region statt. Dort sind die Strukturunterschiede zwischen den Kassen also zuerst auszugleichen. Nun sehen wir aber auch, daß es nicht nur in den neuen, sondern auch in den alten Bundesländern Strukturen wie hohe Arbeitslosigkeit, einen hohen Rentneranteil sowie ein niedriges Lohnniveau gibt, die die Einnahmeseite der gesetzlichen Krankenversicherung wegbrechen lassen. Hier ist natürlich unsere Solidarität gefordert, und hier werden wir selbstverständlich diese Solidarität auch leisten. Wir haben daher im Interesse dieser gesamtdeutschen Solidarität neben der Regionalisierung des Risikostrukturausgleichs in einer zweiten Stufe eine bundesweite Ausgleichskomponente vorgeschlagen, über deren Höhe und Ausgestaltung noch zu entscheiden sein wird. Eine von uns durchgerechnete Modellvariante würde zum Beispiel dazu führen, daß der Beitragssatz in den neuen Bundesländern um 0,4 Prozentpunkte abgesenkt, der Beitragssatz in den alten Ländern um 0,1 Prozentpunkte angehoben werden müßte. Ergebnis also: Wir sind durchaus für gesamtdeutsche Solidarität, aber auf der Grundlage von sauberen nachvollziehbaren und wirtschaftlichen Strukturen, die die Aufgaben- und Ausgabenverantwortung klar erkennen lassen. Solidarität gepaart mit Selbstverantwortung, das ist unser Ziel. Ich denke, es ist nicht unsolidarisch, wenn wir meinen, daß die Anstrengung eines Landes, seine Strukturen im Gesundheitswesen so effizient und wirtschaftlich wie möglich zu gestalten, letztlich auch zu einem guten Teil den Versicherten und den Arbeitgebern dieses Landes zugute kommen muß. Wir wünschen uns, jetzt einen kräftigeren Schritt in Richtung Regionalisierung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Wie verstehen, daß die Krankenkassen in den neuen Ländern, auch im Interesse der Lohnnebenkosten und damit des Arbeitsmarktes, sofort Hilfe brauchen. Wir begrüßen die Befristung und verstehen sie so, daß durch die vorgesehene Regelung keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden sollen. Ich bin nach wie vor überzeugt, daß wir in der GKV eine weitere Modernisierung brauchen. Ich halte unser Modell der regionalisierten Beitragssätze und des regionalisierten Risikostrukturausgleichs, flankiert von einer gesamtdeutschen Solidaritätskomponente, für ein innovatives Modell und einen grundvernünftigen Kompromiß zwischen nationaler Solidarität und föderaler Verantwortung. Und ich denke, wir werden die Zukunft nicht durch Festhalten an Überkommenem, sondern vor allem mit dem Mut zu Neuem gewinnen. Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: Es gibt drei überzeugende Gründe, diesen Gesetzentwurf zu unterstützen. Erstens: Angesichts eines neu hinzugekommenen Defizits der Krankenkassen in den neuen Ländern in den ersten drei Quartalen 1997 von knapp 1 Milliarde DM - zusammen mit den Altschulden von 1996 erreicht es sogar 2,1 Milliarden DM - ist der Handlungsbedarf unübersehbar. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern mit ihren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und auf das Lohn- und Gehaltsniveau der Beschäftigten führt zu Beitragsausfällen bei den Krankenkassen. Es wäre fatal, wenn es uns nicht gelingt, hier zu helfen. Wir würden Beitragssatzsteigerungen bis zu 17 Prozent und einen weiteren Abbau von Arbeitsplätzen durch dies en Lohnzusatzkostenanstieg erleben. Wenn wir jetzt nicht handeln, haben wir über kurz oder lang Probleme, die die Leistungsfähigkeit unserer gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt in Frage stellen können. Schon deshalb sind wir gut beraten, rasch und effizient zu helfen. Zweitens: Das mit diesem Gesetzentwurf vorliegende Konzept ist zur Lösung der Probleme geeignet. Es ist ausgewogen, ursachenorientiert und konsensfähig. Es setzt dort an, wo die Probleme liegen, nämlich bei der Einnahmenseite. Niemand wird damit über Gebühr belastet. In den alten Ländern halten sich die Belastungen in so engen Grenzen, daß voraussichtlich keine Beitragssatzsteigerungen notwendig sind. Und schließlich drittens: Es ist unser gemeinsames Ziel, die sozialen und wirtschaftlichen Lebensverhältnisse in den neuen Bundesländern anzugleichen. Wir erleben jetzt eine Situation, in der unsere Bereitschaft zur Solidarität auf dem Prüfstand steht. Um diese Solidarität mit den neuen Ländern bitte ich alle Beteiligten. Ich verstehe das Interesse daran, über neue Finanzierungsmodelle nachzudenken. Wir werden die Gelegenheit haben, in den Ausschüssen darüber zu sprechen. Aber jetzt brauchen wir schnelle und wirksame Hilfen für die Ost-Krankenkassen: Ich appelhere deshalb an alle, sich auf pragmatische Lösungskonzepte zu konzentrieren, wie sie das GKV-Finanzstärkungsgesetz bietet. Konkret sieht das GKV-Finanzstärkungsgesetz folgendes zeitlich abgestuftes Maßnahmenbündel vor: Zunächst sind Sofortmaßnahmen erforderlich, die auf die kurzfristige Vermeidung von Beitragssatzerhöhungen zielen. Die Krankenkassen und die Lan- desregierungen sind in diesem Zusammenhang aufgefordert, alle Möglichkeiten der Einsparungen auszuschöpfen und im Vergleich zu den alten Bundesländern überdurchschnittlich hohe Leistungsausgaben wie zum Beispiel bei Fahrtkosten, Arzneimitteln und Verwaltungskosten abzubauen. Daß solche Einsparungen möglich sind, zeigen ja die Finanzergebnisse des dritten Quartals 1997. Zusätzlich erhalten die Krankenkassen bis Ende 1998 die Möglichkeit, unter engen Voraussetzungen Kredite zum Ausgleich ihres Defizits aufzunehmen. Für das Jahr 1998 sieht das Gesetz Selbsthilfemaßnahmen zwischen den Krankenkassen vor. Das heißt, die Krankenkassen können bereits ab 1998 freiwillig untereinander solidarische Hilfe leisten. Der Schwerpunkt des Konzepts liegt in der teilweisen Aufhebung der Trennung des Risikostrukturausgleiches zwischen 1999 und 2001. Der Ausgleichstransfer ist im Startjahr finanziell und im übrigen zeitlich begrenzt und findet nur bezogen auf den Ausgleich der Finanzkraftunterschiede statt. Damit wird dem Interesse der Geberkassen und der alten Länder ausreichend Rechnung getragen. Die Krankenkassen in den neuen Ländern erhalten durch die Einführung eines gesamtdeutschen Risikostrukturausgleiches ab 1. Januar 1999 zusätzliche Mittel in einer Größenordnung von rund 1,2 Milliarden DM. Dies entspricht rechnerisch einer Entlastung von rund 0,4 Beitragssatzpunkten und einer Belastung der Krankenkassen in den alten Ländern von knapp 0,1 Beitragssatzpunkten. Durch die gesetzliche Begrenzung der West-Ost-Transfers auf höchstens 1,2 Milliarden DM ist 1999 eine höhere Be- oder Entlastung ausgeschlossen. Mit einer zeitlichen Befristung des gesamtdeutschen Finanzkraftausgleichs tragen wir den Prognoseunsicherheiten über die weitere Finanzentwicklung Rechnung. Der Gesetzgeber wird dadurch zu einer zeitnahen Überprüfung der Neuregelung veranlaßt. Ich gehe davon aus, daß diese Überprüfung nicht zu einer Beendigung der gesamtdeutschen Solidarität, sondern zu einem weiteren Abbau der Sozialmauer führen wird. Durch diese Regelungen ist der gesamtdeutsche Risikostrukturausgleich systemgerecht und vertretbar. Wir orientieren uns mit diesem Gesetz an den Vorschlägen der Experten, die eine Anpassung im Risikostrukturausgleich bereits vor Jahren gefordert hatten. Auch der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen hat in seinem Sondergutachten von 1995 ausdrücklich einen gemeinsamen Risikostrukturausgleich gefordert. Wir alle haben mit diesem Gesetz die Chance, erneute Belastungen der Beitragszahler, der Bürgerinnen und Bürger und ihrer Familien in den neuen Ländern, der Arbeitgeber, Betriebe und Unternehmen im Osten Deutschlands zu verhindern. Wenn wir diese Chance jetzt verpassen, kann es bis zum Beginn eines erneuten parlamentarischen Verfahrens in der nächsten Legislaturperiode für eine vertretbare und ausgewogene Lösung zu spät sein. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 14 (a - Antrag: Individualentschädigung für tschechische Opfer des Nationalsozialismus, b - Antrag: Errichtung einer Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Zwangsarbeit", c - Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für die osteuropäischen Opfer von NS-Zwangsarbeit) sowie zu Zusatztagesordnungspunkt 8 (Antrag: Errichtung eines Sozialwerks für tschechische NS-Opfer) Wolfgang Zeitlmann (CDU/CSU): Mit einer Reihe von Anträgen fordert die Fraktion von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN wieder einmal zu einer weiteren - bislang angeblich vernachlässigten - Aufarbeitung von NS-Unrecht auf. Vor dem Hintergrund, daß bereits in den siebziger Jahren Zweifel gehegt wurden, ob es zumutbar sei, der seinerzeitigen Nachkriegsgeneration die Finanzlast neuer Kriegs- und NS-Folgeregelungen aufzubürden, und angesichts der Anerkennung der vorbildlichen deutschen Rückerstattungs- und Entschädigungsleistungen auf der internationalen Nazigold-Konferenz in London in der vorigen Woche mag dies verwundern. Andererseits zeigt die aktuelle Nazigolddiskussion, daß nicht nur wir Deutschen von der Vergangenheit immer wieder eingeholt werden. Wir wollen und dürfen vor dem vielfältigen Leid, das in deutschem Namen während des Dritten Reichs begangen wurde, nicht die Augen verschließen. Unsere nationale Verantwortung bleibt unbestreitbar. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht Lücken im deutschen Entschädigungsrecht, die es jetzt zu schließen gelte. Das Parlament muß sich diesen Fragen stellen. Wir werden dies in den anstehenden Ausschußberatungen tun - in ausgewogener Sicht der Dinge. Angesichts der unermeßlichen Schäden des Krieges und der NS-Verfolgung haben sich der Bundesgesetzgeber und alle Bundesregierungen der Aufgabe gestellt, angemessen hierfür Ausgleich zu gewähren. Die Reihe der deutschen Rückerstattungs- und Entschädigungsregelungen und ihrer Novellierungen ist lang. Die internationale Anerkennung dieser Maßnahmen auf der Londoner Konferenz habe ich bereits erwähnt. Das in den zurückliegenden Jahrzehnten geschaffene Regelwerk hat immer die unterschiedlichen Schädigungstatbestände bei den Opfern des NS-Regimes, aber auch die unterschiedlichen individuellen Verfolgungsschicksale im Blick gehabt. Bewußt ist der Verfolgung aus rassischen, religiösen und politischen Gründen die zentrale Stelle im Wiedergutmachungsrecht eingeräumt worden. Von Zwangsarbeit waren während des Zweiten Weltkrieges unzählige Personen in vielfältiger Form betroffen. Solche Schicksalsschläge des Krieges sind daher stets als eine Frage des Reparationsrechts erachtet worden. Es hätte allen in Frage kommenden Staaten selbst oblegen, aus von Deutschland ent- nommenen oder erhaltenen Reparationen die besonderen Kriegsschäden für ihre Bevölkerung auszugleichen. Über 50 Jahre nach Kriegsende solle aber die Reparationsfrage obsolet geworden sein. Die Bundesrepublik konzentriert seit den 70er Jahren ihre internationalen Anstrengungen auf die Sicherung zukunftsgerichteter Zusammenarbeit. Im Verhältnis zu den Staaten des ehemaligen Ostblocks ist sie auf die Festigung demokratischer und marktwirtschaftlicher Strukturen gerichtet, um das Wohlergehen der Völker zu befördern. Gerade die tschechische Regierung hat dies auch so gesehen. Die amtliche Begründung zum tschechischen Gesetz über die Gewährung eines einmaligen Geldbetrags an einige Opfer nationalsozialistischer Verfolgung - so der offizielle Titel dieses Gesetzes vom 2. 9. 1994 - weist aus: „Nach Februar 1948 hat das kommunistische Regime schrittweise allen Zusagen aus der Zeit 1945-1947 über die Hilfe an Opfer der nazistischen Verfolgung aus den Finanzmitteln des damaligen Fonds der nationalen Erneuerung, der aus dem nach dem Krieg aufgrund der Dekrete des Staatspräsidenten konfiszierten Vermögen errichtet wurde, gebrochen." Das tschechische Gesetz hat 1994 die lange vernachlässigte Selbstverpflichtung wieder aufgegriffen und erfüllt. Im Verhältnis zur Tschechischen Republik konnte eine Verständigung vor dem Hintergrund gefunden werden, daß die tschechische Regierung in den letzten Jahren nach dem bereits zitierten Gesetz aus eigenen Mitteln in Höhe von fast. 100 Millionen DM tschechischen Opfern der nationalsozialistischen Besatzung und Verfolgung individuelle Entschädigungen gewährt hat. Sicherlich hat dieser Sachverhalt die unterschiedliche Bemessung der deutschen und tschechischen Beiträge zum Zukunftsfonds - hier 140 Millionen DM, dort rund 25 Millionen DM - beeinflußt. Bewußt hat die deutsch-tschechische Gemeinsame Erklärung jedenfalls nicht weitere individuelle Entschädigungen, sondern beispielhaft auf geführte Projekte für NS-Opfer vorgesehen. Viele Zwangsarbeiter des Zweiten Weltkriegs waren zugleich Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes. Sie nahmen an deutschen Wiedergutmachungsleistungen in Höhe von 100 Milliarden DM teil. Die Berechtigten können so zwar keinen Lohn für die geleistete Zwangsarbeit, wohl aber Entschädigungen für die Zeit der Inhaftierung, für Gesundheits- und Berufsschäden erhalten. Derzeit führen 22 ehemalige jüdische Zwangsarbeiter einen Musterprozeß gegen die Bundesrepublik Deutschland. Erst im Verlauf des Prozesses kam zutage, daß alle Kläger bereits Einmalleistungen zwischen 10 000 und 56 000 DM erhalten haben. Fast alle erhielten darüber hinaus laufende Leistungen von durchschnittlich 900 DM. In 21 Fällen hat das Landgericht Bonn die Klagen abgewiesen. Es hat anerkannt, daß die BEG-Leistungen ausdrücklich durch Gesetz für abschließend erklärt worden sind und dabei auch etwaige Zwangsarbeit abgegolten wurde. In einem Fall wurde der Klage stattgegeben, weil die Klägerin nur - durchaus vergleichbare - außergesetzliche BEG-Härteleistungen erhält. Unsere Aufgabe bleibt es, zu entscheiden, ob ungeachtet der bestehenden Rechtslage hier politisch Handlungsnotwendigkeiten gesehen werden (müssen). Wir werden dies vor dem Hintergrund aller maßgeblichen Entscheidungskriterien, aber auch im Bedenken der Folgen tun. Lassen Sie mich abschließend wenige Worte zur Forderung sagen, daß Unternehmen, die im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter beschäftigt haben, erneut und möglichst großzügiger zugunsten eines Zwangsarbeiterfonds und zugunsten der Stiftungen „Verständigung und Aussöhnung" in Warschau, Moskau, Minsk und Kiew - auch diese Forderung steht noch im Raum - Beiträge leisten sollen. Bislang summieren sich Leistungen der Unternehmen zwischen 1958 und 1988 auf insgesamt 75,5 Millionen DM. Und jede zusätzliche Leistung zur Milderung der in vielen Fällen noch fortwirkenden Leiden ist hoch willkommen. Aber die Entscheidung bleibt den Unternehmen überlassen. Werden sie abgelehnt - dies ist bekanntlich jüngst bei einem Firmenjubiläum geschehen -, sind unsere Einwirkungsmöglichkeiten begrenzt. Bitte bedenken Sie, verehrte Kollegen der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, auch, wie lange und wie oft noch Unternehmen, deren heutige Prosperität mit Sicherheit keine Folge des Krieges ist, an solche moralischen Verpflichtungen erinnert werden sollen. Auch hier gilt: Über den Forderungen der Vergangenheit darf die Sicherung von Gegenwart und Zukunft nicht vernachlässigt oder gar vergessen werden. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 15 (Antrag: Visumfreiheit für die baltischen Staaten) Reinhold Hiller (Lübeck) (SPD): Der Zusammenbruch der Sowjetunion hat den baltischen Völkern nach langen schweren Jahren der Unfreiheit, der Fremdbestimmung, Unterdrückung und Besetzung erstmals die Möglichkeit gegeben, ihr Schicksal in freier Selbstbestimmung zu gestalten. Die Überwindung der Teilung unseres Kontinents hat dem Ostseeraum wieder die historische Perspektive eröffnet. Der Zusammenbruch des Warschauer Vertrages gibt die Chance, an die Traditionen der Hanse anzuknüpfen. Das Miteinander von Menschen verschiedener Nationalität und der kulturelle Austausch vor dem Hintergrund eines aufblühenden Handels soll den Norden zu einem Modell für das Gelingen der europäischen Integration machen. Der demokratische Prozeß im Osten Europas ist gegenwärtig und - da darf man sich trotz der immer wieder leutselig beschworenen Männer- und Saunafreundschaft Kohl/Jelzin nicht täuschen - noch nicht unumkehrbar geworden. Die jüngste Ankündigung Jelzins bei seinem Besuch in Skandinavien, die Stärke der im Gebiet von Kaliningrad stationierten russischen Truppen wesentlich zu vermindern und die eher reservierte Reaktion in der Öffentlichkeit, zeigen wie kompliziert die politische Entwicklung ist und wie bedroht die jungen Demokratien im Osten auch heute noch sind. Die in bestimmten politischen Kreisen begonnene Diskussion um eine neuerliche „Regermanisierung" des nördlichen Ostpreußens, um eine von Deutschland aus geförderte Neuansiedlung von Deutschen lassen bei mir als Lübecker Bundestagsabgeordneten und besonders an der Geschichte des Ostseeraumes Interessierten die Alarmleuchten aufblinken. Politisches Ziel muß es sein, die Integration des gesamten Baltikums einschließlich des Gebietes um Kaliningrad in Richtung Europa zu fördern. Als stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Baltischen Parlamentariergruppe konnte ich in zahlreichen Gesprächen mit Kollegen und Kolleginnen feststellen, daß dies auch interfraktionell in diesem Hause Gültigkeit hat. Es ist für mich immer wieder interessant, wenn ich an der lange Jahre völlig undurchlässigen deutschdeutschen Grenze beobachte, daß trotz aller bürokratischen und politischen Hemmnisse der gegenseitige kulturelle und wirtschaftliche Austausch zwischen den baltischen Ländern und der Bundesrepublik in Gang kommt. Kulturelle Veranstaltungen, Ausstellungen, Konzerte und Vorträge helfen, die gegenseitigen Barrieren des gegenseitigen Nichtkennens und Nichtgenugwissens von einander zu schließen und nie völlig abgerissene Beziehungen wieder zu intensivieren. Schiffe mit den Flaggen der baltischen Staaten, das estnische blau-weiß-schwarz oder das litauische gelb-grün-rot sind heute in westlichen Ostseestädten keine seltenen Gäste mehr. Besuche zwischen Kirchengemeinden, die Musik von Bach vortragen, oder von estnischen Künstlern, Straßenmusiker aus Litauen im weihnachtlichen Straßenbild wären noch vor kurzem unmöglich gewesen. Trotz der beschriebenen Fortschritte ist der Weg zu einer völligen Normalisierung noch weit und beschwerlich. Die Bundesrepublik Deutschland hat wegen ihrer historischen Schuld eine besondere Verantwortung für den voranschreitenden politischen und gesellschaftlichen Entwicklungsprozeß. Der vorliegende und heute zur Abstimmung stehende fraktionsübergreifende Antrag ist ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung. Bei einer breiten Zustimmung für diesen Antrag, um den ich hier werbe, bekommt die Bundesregierung von den Abgeordneten des Deutschen Bundestages für die Gespräche den notwendigen Rückenwind, um im Interesse der Menschen und des friedlichen Zusammenlebens zu vernünftigen Lösungen zu kommen. Wer wie ich einmal die Gelegenheit hatte, persönlich den Alltag in der Visaabteilung einer deutschen Botschaft in einem der drei baltischen Länder zu erleben, wird in seiner Auffassung bestätigt: Dieser bürokratische Irrsinn muß ein Ende haben! Sicherheitsbedenken oder die Angst vor der russischen Mafia rechtfertigen kein Nein. Ein visafreier Reiseverkehr hilft nicht den Kriminellen, den Geschäftemachern und den Reisenden mit guten Beziehungen. Diese sind bereits da, sie können ohne Schwierigkeiten mit den Visabestimmungen umgehen und wissen die Wege, die bürokratischen Hindernisse zu überwinden. Sie legen aber den Ehrlichen, dem Schüleraustausch, intensiven sportlichen und kulturellen Kontakten, familiären oder freundschaftlichen Besuchen unnötige Steine in den Weg. Die Balten haben bereits die Möglichkeit, in ihre benachbarten skandinavischen Länder visafrei einzureisen. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen! Die Menschen in den drei Staaten setzen große Hoffnungen auf eine Integration in die Europäische Gemeinschaft und in die NATO. Der Weg wird schwierig und es ist zu befürchten, daß er sehr viel langwieriger und steiniger wird als gegenwärtig erhofft. Wir müssen den Balten die Gewißheit geben, daß ihr Freiheitskampf gegen das Joch Moskaus nicht vergeblich war, daß sie zu Europa gehören und daß wir keine neuen Mauern nach Osten ziehen! Deshalb plädiere ich für die gegenseitige Visumfreiheit mit den baltischen Staaten Litauen, Estland und Lettland. Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD): Mit diesem Antrag macht der Deutsche Bundestag deutlich: Wir wollen, daß Estland, Lettland und Litauen endgültig zu Europa gehören. Lange Jahre hatte der Westen von der Sowjetunion gefordert, seine Einwohner müßten ihr Recht auf Freizügigkeit wahrnehmen können. Die Schlußakte von Helsinki, die die europäischen Staaten auf dieses Menschenrecht verpflichtete, wurde als zentrales Ergebnis der Politik des Friedens und der Entspannung von allen europäischen Staaten 1975 unterzeichnet. Sieben Jahre ist es nun her, daß die Blockkonfrontation zwischen Ost und West ihr Ende fand, weil die Menschen im europäischen Osten sich gegen die kommunistische Diktatur auflehnten. Seither haben Estland, Lettland und Litauen ihre Staatlichkeit fortgesetzt und neubegründet. Alle drei Baltischen Staaten haben sich auf den schwierigen Weg der inneren Reformen begeben, der sie nach Europa führt. Wenn auch Probleme und Konflikte nicht zu übersehen und auch noch nicht alle überwunden sind, so sind doch die vergangenen sieben Jahre für alle drei Baltischen Staaten eine Erfolgsgeschichte. Sie wird in ihrer Gesamtbilanz auch nicht geschmälert, wenn zu bedauern ist, daß die Staatsbürgerschaftsgesetze besonders Lettlands und Estlands minderheitenfreundlicher gestaltet werden könnten. Die gewonnene baltische Freiheit sollte für alle Menschen, die im Baltikum leben, gelten. Freiheit ist unteilbar. Der Deutsche Bundestag will mit der Visafreiheit ein unübersehbares Zeichen für die Integration des Baltikums nach Europa setzen. Visafreiheit besteht bereits mit den Ländern Skandinaviens, Island, Großbritannien und Irland, Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn. Mit Slovenien und der Schweiz sind entsprechende Verträge abgeschlossen worden, die 1998 in Kraft treten werden. Es wäre gut, wenn Deutschland nicht der letzte mitteleuropäische Staat wäre, der einen solchen Schritt vollzieht. Unsere Verbundenheit mit dem Baltikum, unsere historische Verantwortung gegenüber dem Schicksal der Menschen, die auch wegen deutscher Schuld zu lange unterdrückt worden sind, macht es notwendig, daß der Bundestag die Bundesregierung auffordert, so bald als möglich mit den Regierungen in Tallinn, Riga und Vilnius die Visafreiheit durchzusetzen. Eine rasche Realisierung wird mithelfen, daß Lettland und Litauen darin unterstützt werden, auch nach den für sie enttäuschenden Entscheidungen der Europäischen Kommission ihre Hoffnungen nicht verlieren, im Integrationsprozeß. eine neue Chance zu haben. Gerd Poppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die historische und kulturelle Zugehörigkeit des Baltikums zu Europa ist unbestritten. Dementsprechend verdeutlicht der Abschluß der Assoziierungsverträge zwischen der EU und den drei baltischen Ländern im Juli 1995 die Bereitschaft beider Seiten, die Zukunft gemeinsam zu gestalten. Die Annahme demokratischer Verfassungen, die Durchführung freier Wahlen und die Perspektive einer Einbürgerung auch der starken russischen Minderheiten haben darüber hinaus auch die Aufnahme in den Europarat ermöglicht. Erklärtes Ziel aller drei baltischen Staaten ist es, Demokratie und Marktwirtschaft zu errichten und zu stabilisieren. Jeder, der sich heute im Baltikum umsieht, kann erkennen, daß dieser Prozeß schon weit fortgeschritten ist. Die baltischen Länder waren im Gegensatz zu den Staaten Mittel- und Osteuropas bis 1991 unmittelbare Bestandteile der Sowjetunion. Ihre ökonomische und politische Entwicklung wurde dadurch noch stärker behindert als die ihrer westlichen Nachbarn. Umso bemerkenswerter ist deshalb ihre Entwicklung in den letzten sechs Jahren. Gelingt die euro-atlantische Einbindung, werden Litauen, Lettland und Estland auf kurz oder lang ebenso selbstverständliche Mitglieder dieser Gemeinschaft wie Dänemark, Portugal oder Deutschland sein. Vor diesem Hintergrund ist es eigentlich nicht zu verstehen, warum Deutschland, das sich selbst gerne als „Anwalt der Balten" sieht, es bisher im Gegensatz zu den skandinavischen Staaten, Großbritannien und Irland versäumt hat, den Esten, Letten und Litauern die visumfreie Einreise zu ermöglichen. Deutschland hat eine besondere historisch begründete Verantwortung für das Schicksal des Baltikums und sollte daher mit Nachdruck für die Eingliederung dieser drei Länder in die Europäische Union und die transatlantischen Strukturen 'eintreten. Dies ist auch erklärte Politik der Bundesregierung. Die Aufhebung der Visumpflicht ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Auf diese Weise wird der Ausbau der zwischenstaatlichen Kontakte und des kulturellen Austauschs um ein Vielfaches erleichtert. Hinzu kommt, daß die jetzige Visumpflicht aufgrund der großen Zahl der Anträge kaum Einzelfallprüfungen zuläßt. So kommt es nur selten zur Ergreifung von Straffälligen und eventueller illegaler Zugang kann auch bisher kaum verhindert werden. Nachdem die NATO im Juli dieses Jahres entschieden hat, die baltischen Staaten nicht in einer ersten Welle aufzunehmen und die Europäische Union aller Voraussicht nach auf ihrem anstehenden Luxemburger Gipfel lediglich Estland zu Beitrittsverhandlungen einladen wird, könnte das Vertrauen in die westliche Integrationsbereitschaft einen erheblichen Dämpfer erleiden. Aufgrund dieses „doppelten Zurückweisungsschocks" insbesondere für Lettland und Litauen ist die Einführung der Visumfreiheit nicht nur problemlos möglich, sondern auch ein Signal von besonderer politischer Bedeutung. Sie kann und sie soll von den Bürgern in den baltischen Staaten verstanden werden als ein Zeichen dafür, daß Deutschland ungeachtet der Entscheidungen der NATO und der EU ein unverändert großes Interesse an der Entwicklung der baltischen Staaten und der Intensivierung der Beziehungen hat. Ulrich Irmer (F.D.P.): Über sechs Jahre sind seit der Unabhängigkeit der baltischen Staaten vergangen. In dieser Zeit haben die Balten tragfähige demokratische Strukturen aufgebaut und den schwierigen Übergang zu einer funktionierenden Marktwirtschaft weitgehend abgeschlossen. Ihr Mut zur Veränderung und ihre Kraft bei der Neugestaltung ihrer Wirtschaft und Gesellschaft verdienen unseren Respekt und unsere Anerkennung. Wir Deutschen haben aus der Geschichte eine besondere Verantwortung gegenüber den baltischen Staaten. Deutschland hat sich deshalb von Anfang an aktiv für die Einbeziehung Estlands, Lettlands und Litauens in die euroatlantischen Strukturen eingesetzt. Mit dem Europa-Abkommen hat die Europäische Union den Weg für die Aufnahme der mittel- und osteuropäischen Reformstaaten freigemacht. Wenn es auch so aussieht, daß konkrete Aufnahmeverhandlungen zunächst nur mit Estland aufgenommen werden können, so ist doch sichergestellt, daß auch den beiden anderen baltischen Staaten eine konkrete Beitrittsperspektive erhalten bleibt. Sollte es ihnen gelingen, die noch bestehenden Defizite schnell abzubauen, so ist es durchaus möglich, daß alle drei baltischen Staaten noch zum selben Zeitpunkt Mitglieder der Union werden können. Meine Damen und Herren, im Gegensatz zu unseren anderen mittel- und osteuropäischen Nachbarn, die auch zu Zeiten der Sowjetunion ihre staatliche Selbständigkeit nie aufgeben mußten, verfügten die baltischen Staaten nicht über ein eigenes souveränes Staatswesen, sondern standen unter unmittelbarer sowjetischer Herrschaft. Wir haben immer die deutsche Mitverantwortung für diese Entwicklung betont und unser Verständnis für den besonders ausgeprägten Willen der Balten, unabhängige und gleichberechtigte Staaten in Europa zu sein. Sie erwarten zu Recht von uns, daß wir diesen Worten auch Taten folgen lassen. Wir haben uns oft als Anwalt der Balten bezeichnet. Es kann daher von uns erwartet werden, daß wir uns neben unserem Einsatz für den Beitritt zur Europäischen Union schon jetzt für die Einführung der Visumfreiheit für die baltischen Staaten verwenden. Die Voraussetzungen hierfür sind gegeben: Die baltischen Staaten sind der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 beigetreten und haben innerstaatlich die Voraussetzungen für die Aufnahme von Flüchtlingen geschaffen. Die Grenzbehörden sind technisch und tatsächlich zur effektiven Kontrolle an den Übergangsstellen in der Lage, die Ausstattung des Grenzschutzes wird schrittweise verbessert. Ferner sind die technischen Voraussetzungen für die fälschungssichere Ausstellung von Reisedokumenten geschaffen worden. Die baltischen Staaten sind darüber hinaus bereit, eng mit der Bundesrepublik Deutschland in allen Fragen des bilateralen Reiseverkehrs zusammenzuarbeiten. Rücknahmeübereinkommen sind bereits abgeschlossen oder befinden sich im fortgeschrittenen Verhandlungsstadium. Wir sollten in Anbetracht dieser Fortschritte bei der Beurteilung der praktischen Durchführbarkeit des visumsfreien Reiseverkehrs mit den baltischen Staaten keine strengeren Maßstäbe anlegen als an uns selbst bzw. unsere Schengen-Partner. Sie gehören überdies nicht auch zu den Staaten, bei denen die Aufgabe der Visumspflicht einstimmig mit den Schengen-Partnern vereinbart werden müßte. Der Einführung der Visumfreiheit für Litauen, Lettland und Estland steht daher auch unter praktischen Erwägungen nichts mehr entgegen. Das entscheidende Argument ist jedoch das politische. Gerade weil die Einbindung der baltischen Staaten in die Europäischen Institutionen bis hin zum Beitritt zur Union noch einige Zeit dauern wird, ist die Einführung der Reisefreiheit bereits zum jetzigen Zeitpunkt ein wichtiges europapolitisches Signal an die Balten, das dazu beitragen wird, die Region zu stabilisieren und den Reformprozeß weiter zu beschleunigen. Ulla Jelpke (PDS): Wir werden dem vorliegenden Antrag zustimmen. Die PDS würde es allerdings noch lieber sehen, wenn die Visumspflicht zum Beispiel auch gegenüber allen übrigen osteuropäischen Staaten aufgehoben werden würde. Erlauben Sie mir aber bitte noch zwei Anmerkungen - weil ich glaube, daß in der Frage der Freizügigkeit mit unterschiedlichem Maß gemessen wird: 1. Wenn die Aufhebung der Visumspflicht gegenüber den baltischen Staaten damit begründet wird, daß diese Assoziationsabkommen mit der EU abgeschlossen haben, dann muß ich darauf hinweisen, daß zwischen der EU und der Türkei seit 1963 auch ein solcher Assoziationsvertrag existiert. Aber im Falle der Türkei wurde die Frage der Freizügigkeit wohlweislich stets ausgeklammert. Im Gegenteil: Erst in diesem Jahr wurde die Visapraxis gegenüber der Türkei mit der Einführung des Kindervisums noch verschärft, und zwar mit den Stimmen einer ganzen Reihe von Abgeordneten, die den heutigen Antrag unterschrieben haben. 2. Also am Assoziationsstatus kann es nicht liegen, daß für die baltischen Staaten die Visumspflicht aufgehoben werden soll. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, daß es sich um Staaten handelt, die jahrzehntelang Mitglied des Warschauer Paktes keine Reisefreiheit kannten - zumindest nicht nach Westeuropa? Aber auch hier: Fehlanzeige. Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Innenausschuß: Sie wissen so gut wie ich, wie eindringlich und mit welch langem Atem sich zum Beispiel die Vertreter Rumäniens und Bulgariens für die Lockerung der rigiden Visumspraxis der EU - und damit auch der Bundesrepublik bemühen, erinnern Sie sich doch nur an unsere gemeinsame Ausschußreise nach Sofia. Immer wieder scheitern diese beiden Länder an der unnachgiebigen Haltung insbesondere des Bundesinnenministeriums. Offenkundig wird gegenüber den baltischen Staaten ein privilegierender Sonderkurs gefahren. Ich frage mich, wo aus deutscher Sicht die Hintergründe für die Bevorzugung des Baltikums liegen. Können sie möglicherweise bis in die Zeiten zurückreichen, wo mit Ostpreußen ein deutscher Vorposten in dieser Region existierte? Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Der Antrag fordert die Bundesregierung auf, mit den baltischen Staaten baldige gegenseitige Visumfreiheit zu vereinbaren. Der Antrag unterstützt damit die Zielsetzung unserer Politik, denn wir streben für die Zukunft einen visumfreien Reiseverkehr zwischen den baltischen Staaten und Deutschland an. Die Visumfreiheit halten wir für einen wichtigen Schritt, die baltischen Staaten an die Europäische Union heranzuführen. Zugleich wäre sie auch Anerkennung für die Reformbemühungen der baltischen Regierungen. Die Bundesregierung hat jedoch auch immer darauf hingewiesen, daß aus der Visumfreiheit keine Sicherheitsrisiken für Deutschland entstehen dürfen. Ich begrüße es deshalb, daß in der Begründung des Antrags die Visumfreiheit unter den Vorbehalt gestellt wird, daß die notwendigen Sicherheitserfordernisse erst gewährleistet sein müssen. Unser Ziel muß es deshalb sein, zunächst Sicherheitsdefizite in den baltischen Staaten zu beheben, um dann anschließend zu Rückübernahmeabkommen und Visumfreiheit zu kommen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat das Bundesinnenministerium erhebliche Vorleistungen erbracht und Anstrengungen unternommen. Dazu gehört polizeiliche Ausstattungshilfe für Estland, Lettland und Litauen in Höhe von jeweils 3 Millionen DM in den Jahren 1995 bis 1998. Damit sollen zum Beispiel ein Funk-, Telefon- und Datenverarbeitungsnetz für die Landespolizeien ausgebaut und Ausbildungsmaßnahmen durchgeführt werden. Darüber hinaus beteiligt sich das Bundesinnenministerium aktiv an Projekten, die aus Mitteln der Europäischen Gemeinschaft, aus dem PHARE-Programm finanziert werden, zum Beispiel führen wir gemeinsam mit dem schwedischen Innenministerium das Projekt „Telekommunikations- und Informationssystem für die Ostgrenze Lettlands" durch. Daneben unterstützen wir die baltischen Regierungen durch Beratung und Zurverfügungstellung von technischem Know-how bei der Einführung neuer Paßsysteme und dem Aufbau einer Asyl- und Ausländerverwaltung. Wir erkennen an, daß die baltischen Staaten bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität, der Organisation und Ausstattung des Grenzschutzes und bei den Sicherheitsstandards im Paß- und Ausweiswesen erhebliche Fortschritte erzielt haben. Im Bereich des Asyl- und Flüchtlingsrechts ist hervorzuheben, daß die baltischen Staaten der Genfer Flüchtlingskonvention beigetreten sind und Asylgesetze verabschiedet haben, die an westeuropäische Standards ausgerichtet sind. Erfreulich ist vor allem, daß Lettland den im Frühsommer dieses Jahres zunächst eingelegten geographischen Vorbehalt zur Genfer Konvention kürzlich aufgehoben hat. Ungeachtet aller Fortschritte gibt es aber nach wie vor empfindliche Sicherheitsrisiken. Bei zwei Bereisungen der Bundesregierung 1996 und im Sommer dieses Jahres wurden u. a. folgende Defizite festgestellt: In allen drei Staaten befindet sich der Grenzschutz organisatorisch und personell noch im Aufbau. Neben Berufspolizisten sind noch Wehrpflichtige im Einsatz. Die technischen Hilfsmittel für die Kontrollen an den Grenzübergängen und an der Grünen Grenze weiden zwar allmählich internationalen Standards angenähert. Ausreichend leistungsfähige EDV-Netze und Datenendstationen zu effektiven aktuellen Überprüfungen an der Grenze sind allerdings noch nicht flächendeckend eingeführt. In Litauen ist die Grenze zu Weißrußland noch nicht markiert, und eine nicht markierte Grenze kann auch nicht geschützt werden. Auch die Kriminalpolizei befindet sich noch im Aufbau. Dazu hat sie zugleich mit wachsender organisierter Kriminalität zu kämpfen, die zum Teil über Rußland und Weißrußland in die baltischen Staaten eindringt. Im Paß- und Dokumentenbereich sind die mit deutscher Hilfe entwickelten technischen Konzepte zur Herstellung fälschungssicherer Dokumente noch nicht umgesetzt. Als Ergebnis ist festzustellen, daß die baltischen Staaten noch nicht hinreichend gegen illegale Zuwanderung aus den östlichen Nachbarstaaten geschützt sind. Die Gewährung der Visumfreiheit kommt deshalb gegenwärtig noch nicht in Betracht, denn das Ziel illegaler Zuwanderung sind nicht die baltischen Staaten, sondern die westeuropäischen Staaten, vor allem Deutschland. Es besteht daher die konkrete Gefahr, daß illegale Zuwanderer aus nichtbaltischen Staaten und die organisierten Kriminellen durch Verwendung gefälschter oder sogar echter Reisepässe der baltischen Staaten den visumfreien Reiseverkehr mißbrauchen würden. Dabei sind die baltischen Staaten hinsichtlich der erreichten Standards durchaus differenziert zu sehen. So ist zum Beispiel Estland Lettland und Litauen voraus. Aber es gibt in den baltischen Staaten auf hoher politischer Ebene Überlegungen, an den baltischen Binnengrenzen auf Grenzkontrollen zu verzichten. Daher muß eine Analyse der Sicherheitsdefizite für die drei baltischen Staaten einheitlich ausfallen. Lassen Sie mich schließen mit einem Hinweis auf die Visapolitik der Schengen-Staaten. Alle Staaten, die das Schengener Durchführungsübereinkommen anwenden und mithin auf Binnengrenzkontrollen verzichten, halten gegenwärtig noch an der Visumpflicht für die baltischen Staaten fest. Eine einseitige Aufhebung der Visumpflicht durch Deutschland würde Sicherheitsinteressen unserer westlichen Nachbarstaaten mit berühren. Deshalb empfiehlt es sich, daß die Bundesregierung ihre Visumpolitik - wie auch sonst - so auch gegenüber dem Baltikum mit den anderen Anwenderstaaten des Schengener Abkommen abstimmt. Auch das bedarf noch weiterer Anstrengungen. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 16 (Antrag: Novellierung des Gesetzes über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen) Dr. Michael Luther (CDU/CSU): In dem vorliegenden Antrag zum Vermögenszuordnungsgesetz offenbart die PDS wieder einmal ihre verschobene Sicht der Dinge. Säßen wir hier in einem Kommunalparlament, dann wäre ihnen der Applaus der Stadtverordneten und vor allem des Stadtkämmerers sicher. Angesichts knapper Kassen in Bund, Ländern und Gemeinden sind Forderungen nach mehr Geld für jeden Haushälter, wenn er es denn von übergeordneter Stelle einfordern kann, populär. Wir sind aber hier im Bundestag und müssen solche Fragen aus bundespolitischer Verantwortung und vor dem Hintergrund der gesamtstaatlichen Auswirkung behandeln. Die Rechts- bzw. finanzielle Folge dieses Antrags möchte ich angesichts der fortgeschrittenen Stunde gleich vorwegnehmen, um die Absurdität dieses Antrags zu verdeutlichen. Neben einigen technischen Änderungen würde die Umsetzung der PDS Vorschläge für den Bund zu einer kostenträchtigen Verschiebung von Finanzlasten des Bundes auf die Kommunen in Höhe von rund 2 bis 3 Milliarden DM bedeuten, ohne daß sie in der Sache die bestehenden Probleme tatsächlich lösen würden. Trotzdem werde ich kurz auf die Einzelforderungen des Antrags eingehen. Der Begriff des Finanzvermögens ist bereits im geltenden Recht hinreichend definiert. nach Art. 21 Abs. 3 und Art. 22 Abs. 1 Satz 7 Einigungsvertrag haben die Kommunen einen Anspruch auf Rückübertragung des Vermögens, welches sie unentgeltlich an den Zentralstaat hatten abgeben müssen. Davon sind auch Grundstücke erfaßt, die den Kommunen im Rahmen der Bodenreform entzogen worden sind. Ich räume allerdings ein, daß die kommunalen Bodenoder Gemeindefonds, die seinerzeit zur Verwaltung und Verteilung der Bodenreformgrundstücke gebildet worden sind, nicht dazugehören. Ausgeschlossen ist der Restitutionsanspruch der Kommunen gem. § 11 VZOG insofern, als der an sich zurückzugebende Vermögenswert einer Nutzung der Verwaltung oder von Unternehmen zugeführt worden ist. Eine andere Regelung wäre widersinnig und eher kontraproduktiv. Die Restitutionsausschlüsse, die wir seinerzeit im Vermögensgesetz in gleicher Weise festgelegt hatten, fanden im Übrigen damals die Unterstützung des PDS. Das Vermögenszuordnungsgestz ist ein Ausfluß aus dem Einigungsvertrag, der die Zuordnung von ehemaligem Volkseigentum regelt. Sie fordern, daß die Kommunen mehr bekommen. Das hätte man 1990 regeln können. Der Einigungsvertrag hat aber aus meiner Sicht richtigerweise klargestellt, daß der Kommune das Eigentum zusteht, das sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt. Dabei wird nicht gefragt, ob oder wie das Grundstück in das Volkseigentum gelangt ist. Weiterhin steht der Kommune z. B. der kommunale Wohnungsbestand zu. Der Bund hat z. B. die Kommunen von den Altschulden auf dem Wohnungsbestand entlastet. Dem Bund obliegen weitere Folgen des Vermögensgesetzes. Hier verweise ich auf den Entschädigungs- und Ausgleichsfonds, der den Bund finanziell erheblich belastet. Zu nennen sind auch die Aufgaben der Treuhand, die mitunter negative Vermögenswerte verwaltet und Altlastsanierung vorzunehmen hat. Wenn also ehemals volkseigenes Vermögen nach anderen Grundsätzen verteilt werden soll, müssen, so denke ich, auch diese eben aufgeworfenen Fragen mit aufgerufen und neu beantwortet werden. Lassen Sie mich auf noch einen interessanten Aspekt dieses Antrages eingehen. Sie wollen auch Bodenreformgrundstücke, sofern sie nach 1949 grundbuchrechtlich gesichertes Eigentum der Kommunen waren, wieder den Kommunen zuordnen. ich meine, daß Sie dann die Frage, wer denn heute noch Eigentümer solcher Bodenreformgrundstücke sein müßte, neu beantworten müßten. Nur wer unter Einhaltung der Besitzwechselverordnung der DDR 1990 noch Eigentümer dieses als Arbeitseigentum gedachten Vermögens war, ist heute Volleigentümer. Wenn Sie also wollen, daß die Kommunen auf der Grundlage von Zuordnungen von Bodenreformland heute wieder in den alten Stand versetzt werden sollen, dann müssen Sie auch alle Zurückführungen an den volkseigenen Bodenfonds revidieren. Das ist ein Teil der Totalrevision, die wir nicht wollen, weil diese den Aufschwung in den neuen Bundesländern zerstören würde. Jetzt den Versuch zu machen, noch einmal rückwärtsgewandt, am Punkte Null noch einmal alles anders zu machen, erscheint mir nicht sinnvoll. Ihre zweite Forderung ist aus der Sicht der Länder durchaus auch verständlich. Die Erweiterung der Rückgabe von Unternehmen zugunsten der Länder und Kommunen würde eine massive Vermögensverschiebung zu deren Gunsten bedeuten, was aus der Sicht des Bundes nicht leistbar ist; denn dies würde eine einseitige Belastung des Bundes von rund 2 Milliarden DM bedeuten. Sieben Jahre nach der Vereinigung würde dies zudem zu einer völligen Umstrukturierung der Unternehmensstruktur vor allem im Bereich der Energieversorgungsunternehmen - und auf die zielt ihr Antrag ja wohl in erster Linie ab - führen. Die von Ihnen geforderte Umschichtung von Unternehmensbeteiligungen zwänge uns in der Folge dann natürlich auch dazu, die Vermögenszuordnung im Einigungsvertrag insgesamt in Frage zu stellen. Bei allen Unzulänglichkeiten, die damals aufgrund der Dringlichkeit schneller Entscheidungen entstanden waren, lassen sich im Rückblick Sachen immer besser oder anders regeln. Punkt drei zielt auf die sogenannten Rückholfälle. Das von Ihnen Dargelegte ist dem Grunde nach berechtigt. Der Bund mußte damals allerdings schnell handeln, um die nötigen Impulse zu geben, damit es vorangeht. Ich sehe durchaus die Möglichkeit eines Ausgleichs zwischen dem Bund und den Kommunen, hier zu einer Lösung zu kommen. Dies könnte dergestalt sein, daß die Kommunen einen Anspruch auf Rückübertragung der Objekte erhalten, die heute noch für öffentliche Zwecke genutzt werden. Ein solcher Anspruch kann aber nur objektbezogen sein. Denn würde man, wie die PDS es gerne sähe, ihn auf einen Geldausgleich ausweiten, dann wäre doch abzusehen, daß damit manches Loch gestopft würde, ohne daß der eigentliche Zweck, nämlich die Absicherung einer öffentlichen Nutzung, gesichert wäre. Zu Ihrem vierten Vorschlag. Der Vorschlag einer Ausschlußfrist klingt gut. Aber was bringt er, frage ich sie? Er würde uns genau an den Punkt zurückwerfen, der seinerzeit, 1991, zur Verabschiedung des Vermögenszuordnungsgesetzes geführt hatte. Ausgangslage war damals, daß Fälle erfaßt werden sollten, wo die gesetzliche Eigentumszuweisung durch den Einigungsvertrag nicht von selbst griff. Dies waren überwiegend die Fälle, wo die Eigentumsverteilung nach dem Einigungsvertrag nicht von formalen, sondern von inhaltlichen Kriterien abhing. Die PDS verkennt bei der Forderung nach einem finanziellen Ausgleich für verspätete Zuordnungsbescheide unter Punkt 5 die Ursachen, warum diese manchmal auf sich warten lassen. Häufig fehlen einfach wichtige Entscheidungsgrundlagen, die sogar oft von seiten der Kommunen beizubringen wären. Zudem stellt sich bei diesem Ansinnen die Frage, wo und in welcher Höhe der Schaden denn bei der Kommune liegen soll. Investitionen werden durch verspätet ergangene Vermögenszuordnungsbescheide jedenfalls nicht verhindert. Hierfür sorgt die Regelung des § 8 VZOG, die eine entsprechende Verfügungsbefugnis immer ermöglicht. Daß Anträge auf Grund unterschiedlicher Verwaltungsvorgänge zwischen der OFD und der BvS im Verwaltungsgang sind, kennen wir alle aus eigener Erfahrung. Hier könnte man in der Tat über eine Zusammenführung verschiedener Zuständigkeiten nachdenken. Eine solche Prüfung ließe sich aber un- problematisch auf dem Verordnungswege erledigen und wird meines Wissens zur Zeit auch vom Bundesministerium der Finanzen geprüft. Das von Ihnen eingeforderte Verteilungsgesetz ist tatsächlich Bestandteil des Einigungsvertrages und wurde bisher noch nicht vorgelegt. Dies hat aber einfache und nachvollziehbare Gründe: Oberste Priorität für uns als Regierungskoalition hatte die Aufgabe, möglichst schnell für Investitionen zu sorgen und Investoren dafür die nötige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Daß sich die öffentliche Hand über Zuständigkeiten streitet, während Investoren vor der Tür stehen, ist keinem Menschen vermittelbar. Zweitens verkennt eine solche Forderung nach einem Verteilungsgesetz die finanziellen Lasten, die der Bund abweichend vom Einigungsvertrag ohnehin noch zusätzlich zum Aufbau in den neuen Ländern übernommen hat. Man müßte bei einem solchen Gesetz konsequenterweise diese Leistungen mit aufnehmen und verrechnen. Dabei würde sich die Waagschale sehr eindeutig zugunsten des Bundes verschieben. Daher ist fraglich, ob ein solches Gesetz überhaupt noch Sinn macht. Angesichts der von mir dargelegten Aspekte, bitte ich Sie, den vorliegenden Antrag der PDS abzulehnen, da er außer wahlkampftaktischen Gesichtspunkten lediglich eine einseitige Vermögensverschiebung vom Bund auf die Kommunen vorsieht und in der Sache daher nicht weiterführt. Wolfgang Ilte (SPD): Erst gestern im Finanz- ausschuß hatten wir eine teils scherzhaft geführte Auseinandersetzung zum Thema „Schaufensteranträge". Ich glaube mich erinnern zu können, Herr Dr. Rössel, daß Sie diesen Terminus benutzen. Nun wissen wir alle, daß auch sogenannte Schaufensteranträge, wenn sie denn einen konkreten politischen Hintergrund haben, durchaus auch zweckmäßig sein können - aber natürlich auch nicht zwangsläufig sein müssen. Der heute von Ihnen vorgelegte Antrag jedenfalls ist weder zweckmäßig noch sinnvoll. Und da dies bei ihnen ja häufiger vorkommt, brauchen sie sich auch eigentlich nicht zu wundern, daß derartige Anträge von den anderen Fraktionen nur noch begrenzt ernst genommen werden. Nun hat die Geschäftsführung den Antrag federführend dem Finanzausschuß überwiesen, deshalb stehe ich jetzt hier, obwohl ich - wenn ich ehrlich bin - so recht nicht erkennen kann, daß für diesen Antrag eine federführende Zuständigkeit des Finanzausschusses gegeben ist. Ich hätte eher dafür plädiert, daß er in den Rechtsausschuß gehört und die im Antrag angesprochenen steuer- oder finanzpolitischen Fragen vom Finanzausschuß mitberatend zu erledigen sind. Die PDS ist seit einiger Zeit dazu übergegangen, Anträge im Deutschen Bundestag einzubringen und die gleichen Anträge dann in leicht veränderter Form auch noch mal in jedem einzelnen Landesparlament der neuen Länder zur Diskussion zu stellen mit dem Versuch, die Landesregierungen über den Bundesrat zum Tätigwerden zu verpflichten. Bloß: Allein dadurch - was vom Prinzip eigentlich nicht zu beanstanden wäre - wird das inhaltliche Problem nicht richtiger. Darüber hinaus ist es natürlich populär, sich für die Kommunen einzusetzen, insbesondere dann, wenn man eine ostdeutsche Splitterpartei ist und auch nur in der einen oder anderen Kommune mal kommunalpolitische Verantwortung übertragen bekommen hat. Dennoch müssen sie sich natürlich vorhalten lassen, daß sie hier im Deutschen Bundestag daran gemessen werden, inwieweit ihre politischen Vorstellungen alle Ebenen des Staates, nämlich Bund, Länder und Gemeinden mit einschließen. Zum einen hat natürlich selbst die Bundesregierung erkannt, daß in dieser Frage Regelungsbedarf besteht und ist, wenn ich recht informiert bin, gegenwärtig dabei, eine Novellierung vorzubereiten. Zum anderen machen sich natürlich auch Länder und Gemeinden das Problem zu eigen. Deshalb wird gegenwärtig federführend durch die Länder Berlin und Thüringen gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden ebenfalls ein Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zuordnungsrechts im Bundsrat erarbeitet, welches genau alle die Kriterien berücksichtigt, die ich eben genannt habe. Nun zu ihrem Antrag im einzelnen. Und ich gehe das mal der Reihe nach durch. Punkt eins: Das Vermögenszuordnungsgesetz enthält lediglich die formellen Regelungen für den Vollzug der im Einigungsvertrag festgelegten materiellen Zuordnung des volkseigenen Vermögens der ehemaligen DDR. Art. 21, Abs. 3 und Art. 22 Abs. 1 Einigungsvertrag gewähren einen Rückübertragungsanspruch jedoch nur für solche Vermögenswerte, die am 8. Mai 1945 Eigentum der betreffenden Kommune waren. Einen Rückübertragungsanspruch für Vermögenswerte, die nach 1945, insbesondere auf der Grundlage der Bodenreform, den Ländern oder den Kommunen zugewiesen worden sind, hat - wie sie wissen - das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. November 1995, dem sogenannten Hoppegarten-Urteil, abgelehnt. Diese „Bodenreform"-Grundstücke stehen auch nicht den Ländern zu, wie sie in ihrer Antragsbegründung fälschlicherweise behaupten, und zwar auch dann nicht, soweit sie zu DDR-Zeiten in Volkseigentum überführt worden sind und damit den Regelungen des Einigungsvertrages und des Vermögenszuordnungsgesetzes unterlegen. Etwas anderes gilt lediglich für Bodenreformgrundstücke, die einem privaten Bodenreformeigentümer zugewiesen worden sind. Hier hat der Landesfiskus nach den Vorschriften über die Abwicklung der Bodenreform unter bestimmten Voraussetzungen einen Auflassungsanspruch gegenüber den Erben des verstorbenen Bodenreformeigentümers. (Art. 233 §§ 11-16 EGBGB) Für Punkt zwei gilt zunächst das eben Gesagte. Auch für ehemals kommunale Unternehmen gibt es keinen Rückgabeanspruch, sofern die Kommune erst nach 1945 Eigentümer geworden ist. Im übrigen umfaßt der Begriff des „Kommunalen Finanzvermögens" in Art. 22 Abs. 1 Satz 1 des Einigungsvertrages auch Kapitalanteile an ehemals volkseigenen Betrieben, soweit diese kommunalen Aufgaben dienten. Das heißt, in diesen Fällen steht den Kommunen selbstverständlich ein Zuordnungsanspruch auf Unternehmensbeteiligung zu. Das kann nach meiner Auffassung auch gar nicht anders sein. Die von Ihnen in Punkt drei angesprochenen Probleme sehen wir ähnlich, und die eingangs erwähnte Bundesratsinitiative wird entsprechende Regelungen beinhalten, nach denen zuordnungswidrige Verfügungen der Treuhandanstalt oder der BvS entweder rückabgewickelt werden oder aber den betroffenen Kommunen zumindest der Verkehrswert des ihn zustehenden Vermögenswertes gezahlt wird. So, die Punkte vier und fünf fasse ich der Einfachheit halber zusammen. Insbesondere in diesen Punkten wird nach meiner Auffassung deutlich, daß hier der Rechtsausschuß besser federführend hätte tätig werden sollen, denn wie sie wissen - oder wiederum nicht wissen - gibt es im deutschen Recht bei Verwaltungsverfahren, zu denen ja das Vermögenszuordnungsverfahren ebenfalls zählt, keine Ausschlußfristen für die Bearbeitung von Anträgen. Insbesondere schon gar nicht mit der Rechtsfolge, daß der Antrag nach Ablauf der Frist als positiv beschieden gelten soll. Das wäre auch nach meinem - etwas laienhaften Rechtsverständnisses - unlogisch. Selbst wenn wir natürlich dem Bürger gegenüber derartige Regelungen kennen, so macht es doch keinen Sinn, daß Verwaltungen untereinander auf derartige Regelungen zurückgreifen können. Verwaltungen haben nach § 75 Verwaltungsgerichtsordnung die Möglichkeit, Untätigkeitsklagen zu erheben, wenn über einen Antrag ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht sachlich entschieden worden ist. Insofern sehe ich hier auch überhaupt keinen Regelungsbedarf. Eine Schadensersatzpflicht für Nachteile, die auf Grund nicht rechtzeitiger Bescheidung entstanden sind, besteht nach den allgemeinen Verwaltungsrechtsvorschriften ebenfalls nicht. Sie ist auch nicht angemessen, da sie einem ordentlichen Verwaltungsverfahren widersprechen würde. Nicht nur der Antragsteller hat Anspruch darauf, daß sein Antrag schnellstmöglich bearbeitet wird, sondern auch etwaige durch die Entscheidung Betroffene haben einen Anspruch, an dem Verfahren beteiligt zu werden. Die Gefahr, bei Zeitverlust schadensersatzpflichtig zu sein, würde möglicherweise die ordnungsgemäße Verfahrensdurchführung gefährden. Im übrigen ist natürlich auch darauf zu verweisen, daß eine Kommune - soweit sie Träger der Straßenbaulast ist - keinen Vermögenszuordnungsantrag zu stellen braucht. Nach § 5 Abs. 2 Vermögenszuordnungsgesetz muß sie beim zuständigen Grundbuchamt lediglich einen Antrag auf Berichtigung des Grundbuches stellen, um dort als Eigentümer der Straßenfläche verzeichnet zu werden. Insoweit ist der Aufwand für die Vermögenszuordnungsstellen bereits im Einzelfall und im Bereich des Möglichen reduziert worden. Der Punkt sechs ist ebenfalls überflüssig. Soweit die Zuständigkeiten zwischen den Zuordnungsstellen der Oberfinanzdirektionen oder der BvS strittig sind, enthält § 1 Abs. 5 Vermögenszuordnungsgesetz bereits eine ausreichende Regelung. Entweder schließen Oberfinanzdirektion und BvS einvernehmlich eine Zuständigkeitsvereinbarung, oder das BMF bestimmt die zuständige Stelle. Deshalb kann ich jetzt nicht erkennen wo hier Regelungsbedarf bestehen sollte. Und schließlich zu Punkt sieben. Im Punkt sieben sprechen sie ja ein Problem an, welchem sie schon bereits einen eigenen Antrag im Deutschen Bundestag gewidmet haben - natürlich ihrer Verfahrensweise entsprechend auch in den ostdeutschen Landesparlamenten. Im Bundestag handelt es sich um die Drucksache 13/8656 und nennt sich „Vermögen der DDR entsprechend den Festlegungen des Einigungsvertrages verwenden" . Im übrigen ist dies ein ähnlicher Schaufensterantrag wie der, über den wir heute sprechen. Dazu ist im Prinzip nur folgendes anzumerken: Nach Art. 22 Abs. 1 Satz 3 Einigungsvertrag ist die Verteilung des Finanzvermögens durch Bundesgesetz zu regeln. Dieses steht noch aus. Für eine abschließende Stellungnahme, welches Vermögen nun wem zuzuordnen ist, ist es nach unserer Auffassung erforderlich, erst einmal einen Überblick zu erhalten, welche Vermögenswerte überhaupt unter diesen Vermögensbegriff fallen. Dazu haben die Finanzminister der neuen Länder eine entsprechende Aufforderung an Bundesminister Waigel gerichtet. Diese ist aber bis heute nicht beantwortet worden. Und wenn sich die Bundesregierung bequemt, eines Tages ihre dementsprechenden Hausaufgaben zu machen, wären wir gerne bereit, die Ergebnisse zu beurteilen. Heute festzulegen, Länder und Kommunen machen fifty-fifty, wie sie es hier fordern, halte ich einfach nicht für sachgerecht. Zusammenfassend kann ich ihnen nur empfehlen, diesen Antrag zu beerdigen. Selbst eine Überweisung ins Schaufenster hielte ich für völlig unangebracht. Es ist schließlich allzu offensichtlich, daß sie dererlei Anträge lediglich zu populistischen Wahlkampfaktionen in Ostdeutschland benötigen. Leider hat allerdings der Bürger im Regelfall nicht die Möglichkeit, mal hinter die Kulissen derartiger Behauptungen zu schauen. Deshalb ist eine Beerdigung das beste, was diesem Antrag passieren könnte. Vielen Dank. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Problem der Vermögenszuordnung beschäftigt uns schon seit der Verabschiedung des Einigungsvertrages. Das noch von der Volkskammer beschlossene Kommunalvermögensgesetz wurde zwar in die Bundesrepublik übernommen, aber seine Intention, die Kommunen angemessen mit Vermögen auszustatten und damit starke Kommunen als Eckpfeiler einer demokratischen Entwicklung zu schaffen, konnte nur sehr eingeschränkt umgesetzt werden. Die Gesetzgebung nach 1990 war vorrangig bemüht, die investitionsfeindliche Regelung „Rückgabe vor Entschädigung" praktisch ins Gegenteil umzukehren und den Vorrang von Investoren vor Alteigentümern festzuschreiben. Faktisch legte die Treuhandanstalt diese Maxime äußerst großzügig zugunsten der Investoren aus und verkaufte in zahlreichen Fällen Grundstücke und Gebäude, die eigentlich den Kommunen zugestanden hätten, als willkommene Draufgabe an Investoren. So sind im Zuge der Privatisierung von Unternehmen Erholungsheime, Sportstätten, Straßen oder Gesundheitseinrichtungen, die in der Verwaltungshoheit der ehemaligen Volkseigenen Betriebe (VEB) standen, an Unternehmenserwerber übergegangen. Nach Ansicht der Kommunen und ihrer Verbände hätten diese Vermögenswerte zu einem großen Teil entsprechend den gesetzlichen Regelungen über die Vermögenszuordnung an die Kommunen übertragen werden müssen. Ungenügend Gesetzesregelungen und eine restriktive Anwendung der Zuordnungsvorschriften durch THA und BvS haben zahlreiche kommunale Vermögensansprüche zunichte gemacht. Hinzu kommt, daß in der Frage der Vermögenszuordnung, ähnlich wie bei der Finanzverteilung, die Kommunen im föderalen Kräftespiel häufig die schwächsten sind. Dieses Thema wird uns daher im kommenden Jahr erneut beschäftigen. Im Bundesrat wird derzeit ein Gesetzentwurf zur Änderung des Zuordnungsrechts beraten und auch die Bundesregierung wird wohl ebenfalls mit neuen Gesetzesinitiativen zur Bereinigung des Vermögensrechts auf den Plan treten. Meine Damen und Herren, unsere Fraktion hat sich immer für die Belange der ostdeutschen Kommunen eingesetzt, wir haben dies im Falle der sogenannten Kommunalen Altschulden getan, die sozusagen die Kehrseite der heute zur Debatte stehenden Medaille sind. Wir haben dies auch im Falle der Vermögenszuordnung wiederholt getan und so werden wir es auch in den kommenden Beratungen zu diesem Thema halten. Hildebrecht Braun (Augsburg) (F.D.P.): Die PDS hat einen Antrag gestellt, der sich zum Teil an einem Gesetzesvorhaben orientiert, welches vom Bundesrat eingebracht wurde. Die F.D.P. wird den Antrag insgesamt ablehnen. Ich will einige Anmerkungen zu einzelnen Antragsteilen machen: Zu Ziffer 1: Vermögenswerte sind gemäß Artikel 21 Abs. 1 des Einigungsvertrages einer Kommune zuzuordnen, wenn sie dem Verwaltungs- oder dem kommunalen Finanzvermögen zugehören. Beides setzt voraus, daß der Vermögensgegenstand kommunalen Zwecken gedient hat. Unabhängig von einer solchen Zweckbestimmung des Vermögensgegenstandes ist dieser der Kommune zuzuordnen, wenn ein Restitutionsanspruch nach dem Artikel 21 Abs. 3 oder Artikel 22 Abs. 1 Satz 7 in Verbindung mit Artikel 21 Abs. 3 Einigungsvertrag besteht. Der Restitutionsanspruch ist aber nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für aus Bodenreformland in das Eigentum öffentlich-rechtlicher Körperschaften gelangte Vermögenswerte ausgeschlossen. Der Wiedergutmachungsgedanke schließe die öffentliche Restitution aus, wenn der öffentlich-rechtlichen Körperschaft Vermögenswerte entzogen wurden, die sie selbst auf rechtsstaatswidrige Weise erlangt habe. Diesem Lösungsansatz wird nicht widersprochen. Zu Ziffer 2: Nach dem als Bundesrecht fortgeltenden Paragraphen 4 Abs. 2 des Kommunalvermögensgesetzes haben Kommunen Anspruch auf Übertragung von Unternehmen, die kommunalen Aufgaben dienen. Ihnen stehen darüber hinaus Restitutionsansprüche auf ehemalige öffentlich-rechtliche Unternehmen zu. Waren die Kommunen jedoch Anteilseigner an Unternehmen des privaten Rechts, richten sich Ansprüche allein nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes. Diese Rechtslage ist vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden. Zu Ziffer 3: Hier handelt es sich um die sog. zuordnungswidrigen Privatisierungen (Rückholfälle). Hier sind Treuhandunternehmen im Wege des Anteilsverkaufs privatisiert worden, ohne daß nach dem Einigungsvertrag bestehende Restitutions- oder Kommunalisierungsansprüche beachtet wurden. In diesen Fällen können von der Privatisierung miterfaßte Vermögenswerte den Kommunen nicht mehr mit den Mitteln des Zuordnungsrechts als Eigentum zugewiesen werden. Das Gesetz sieht auch keine Ausgleichsansprüche vor. Nach § 6 des Zuordnungsergänzungsgesetzes soll der ursprüngliche Restitutionsanspruch fortbestehen, wenn ein diesbezüglicher Vorhalt in den Privatisierungsantrag aufgenommen worden ist. Dies ist allerdings regelmäßig nicht der Fall gewesen. Der PDS muß zugestanden werden, daß nach einem vom Land Berlin im April 1996 eingebrachten Gesetzentwurf ein Ersatzanspruch, der gegen die BvS gerichtet sein soll, seitens des ursprünglichen Zuordnungsberechtigten geschaffen werden soll, der auf Auszahlung des Verkehrswerts des zu Unrecht privatisierten Vermögenswertes gerichtet ist. Der Bundesrat wird diesem Gesetzesantrag möglicherweise folgen. Während Berlin den Verkehrswert ersetzt haben will, wünscht die PDS gar einen Ersatz nach dem Wiederbeschaffungswert. Dies ist erkennbar illusorisch und von der Sache her falsch. Bei dem vorliegenden Antrag geht es um erhebliche Werte, die von der BvS schwerlich aufgebracht werden können. Es mag daher eine Regelung erwogen werden, die pauschalierte Werte für Flächen unterschiedlicher Qualität ausweist. Gegenwärtig finden in diesem Zusammenhang Besprechungen zwischen den beteiligten Ministerien statt. Angesichts der Schwierigkeit der Materie ist aber nicht mit schnellen Ergebnissen zu rechnen. Zu Ziffer 4: Hier wird beantragt, daß beantragte Vermögenswerte als zugeordnet gelten sollen, wenn ein bestimmter Bescheid nicht ergangen ist. Zuordnungsfiktionen erscheinen in besonderem Maße aus Rechtsgründen bedenklich. Wegen der Kürze der Zeit wird darauf verzichtet, zu den verbleibenden Punkten 5, 6 und 7 noch Stellung zu nehmen. Rainer Funke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Die PDS fordert mit ihrem Antrag eine Reihe von Änderungen im Vermögenszuordnungsgesetz. Klares Ziel ist es, im Vermögenszuordnungsverfahren ausschließlich die Positionen der Kommunen zu verbessern. Mit Ausnahme von Punkt 3 des Antrags — auf den ich später zurück- komme - sieht die Bundesregierung in keinem der angesprochenen Punkte Handlungsbedarf. Dies gilt zunächst für die geforderte Neudefinition des Begriffs „Finanzvermögen" - gemeint ist offenbar das kommunale Finanzvermögen. Die Neudefinition soll so umfassend sein, daß sie auch die zunächst aus der Bodenreform von den Kommunen erlangten Grundstücke erfaßt. Tatsächlich strebt die PDS hier nicht nur eine Klarstellung, sondern eine erhebliche Ausweitung des Begriffs des kommunalen Finanzvermögens an. Nach Artikel 22 Abs. 1 Satz 1 des Einigungsvertrages ist das kommunale Finanzvermögen auf diejenigen Vermögensgegenstände beschränkt, die am 3. Oktober 1990 für Zwecke und Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung tatsächlich genutzt wurden oder für eine solche Nutzung konkret vorgesehen waren. Nur dieser konkrete Bezug rechtfertigt es, kommunales Finanzvermögen gegenüber dem sonstigen Finanzvermögen herauszuheben und den Kommunen unmittelbar zuzuordnen. Daneben ist den Kommunen das Restitutionsvermögen zuzuordnen. Hier kommt es zwar auf den konkreten Bezug des Vermögensgegenstandes zur gemeindlichen Selbstverwaltung nicht an. Aus gutem Grund haben aber die Verwaltungsgerichte - bestätigt vom Bundesverwaltungsgericht - hier das aus der Bodenreform erlangte Grundvermögen gerade aus der öffentlichen Restitution ausgenommen. Der öffentlich-rechtlichen Körperschaft sollen nicht solche Vermögenswerte zurückgegeben werden, die sie selbst - infolge entschädigungsloser Enteignungen Privater - auf rechtsstaatswidrige Weise erlangt hat. Darüber kann auch nicht durch eine Erweiterung des Begriffs „kommunales Finanzvermögen" hinweggegangen werden. Auch hinsichtlich der Frage der Rückgabe ehemaliger kommunaler Unternehmen ist eine Änderung des geltenden Rechts nicht erforderlich. Soweit die Kommunen Anteilseigner an Unternehmen des privaten Rechts waren, richten sich Ansprüche allein nach dem Vermögensgesetz. Dies ist sachgerecht und vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet worden. Darüber hinaus ist auch für die geforderten verfahrensrechtlichen Neuregelungen kein Raum. Die beantragte Fiktion einer Zuordnung auf den Antragsteller stünde nicht nur im Widerspruch zum Zweck des Gesetzes, sondern hätte auch erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge, da zahlreiche Vermögensgegenstände von mehreren Prätendenten beansprucht werden. Die Bundesregierung hat im übrigen bereits Maßnahmen ergriffen, um die Zuordnung von Vermögenswerten zu beschleunigen, so daß das Abarbeitungstempo der Behörden in den letzten Jahren trotz neu eingehender Anträge erheblich gesteigert werden konnte. Ich sehe auch keinen Raum für einen besonderen finanziellen Ausgleich für den Fall, daß durch verspätete Vermögenszuordnungsbescheide materielle Nachteile entstehen. Das Vermögenszuordnungsrecht regelt das Verhältnis zwischen Verfügungsberechtigten und Zuordnungsempfängern. Ansprüche von Zuordnungsprätendenten richten sich gegen die Zuordnungsbehörde nach allgemeinen Regelungen, für weitergehende Regelungen besteht kein Bedarf. Die PDS fordert schließlich eine Festlegung des Anteils der Kommunen an dem den Ländern zustehenden Teil des Finanzvermögens auf 50 Prozent. Eine solche Regelung kann aber keinesfalls im Vermögenszuordnungsgesetz erfolgen. Nach Artikel 22 Abs. 1 Satz 4 des Einigungsvertrages sind die Gemeinden und Gemeindeverbände an dem Länderanteil angemessen zu beteiligen. Die Länder sind somit der ausschließliche Adressat des Einigungsvertrages und haben die Beteiligung der Gemeinden in eigener Zuständigkeit und Verantwortung zu regeln. Lassen Sie mich auf Punkt 3 des Antrags zurückkommen: Auch die Bundesregierung ist der Auffassung, daß das Problem der privatisierten Kommunalobjekte einer gesetzlichen Regelung zugeführt werden sollte. Die Frage kann allerdings nicht im Rahmen des Zuordnungsrechts befriedigend gelöst werden. Insbesondere wird es nicht möglich sein, den Kommunen einen Entschädigungsanspruch auf Verkehrswertbasis einzuräumen. Den hier beanspruchten Verkehrswert konnte die Treuhandanstalt im Hinblick auf ihren Umstrukturierungsauftrag und in der ihr zur Verfügung stehenden kurzen Zeit für die Investorensuche gar nicht erzielen. Die Bundesregierung bereitet deshalb zur Zeit einen Gesetzesentwurf vor, der den Kommunen die Möglichkeit einräumt, noch für Verwaltungszwecke genutzte Einrichtungen privatisierter Unternehmen zu Sonderkonditionen zu erwerben.
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    Rede von Dr. Wolfgang Wodarg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe heute viele neue Dinge gelernt. Ich habe gehört, daß unser Gesundheitsminister genauso wie ein ehemaliger Wirtschaftsminister dieser Republik nicht zwischen Investitionen auf der einen Seite und Instandsetzungskosten auf der anderen Seite unterscheiden kann. Das wird einfach gleichgesetzt.

    (Widerspruch des Abg. Jürgen W. Möllemann [F.D.P.])

    Sie haben immer nur von den Investitionen gesprochen. Diese tätigen die Länder weiter, das ist richtig so und auch legal.

    (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Wir meinen doch die Instandhaltungskosten!)

    - Er meinte die Instandhaltungskosten, hat aber hier von Investitionen gesprochen. Deshalb halte ich das, was er sagte, für irreführend.
    Die Absurdität dessen, was dieser Gesundheitsminister hier eingebracht hat und jetzt umsetzen muß,

    (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Jetzt wird es kleinkariert!)

    wird besonders deutlich, wenn man sich die Auswirkungen anschaut. Eine neugebaute orthopädische Fach- oder Augenklinik, die um ihrer Attraktivität willen sehr gut ausgestattet ist, zum Beispiel mit einem Marmoreingang und neuesten Betten, die super in Schuß ist, bekommt genauso einen Anteil vom Notopfer, wie eine Klinik, die es zum Beispiel wegen kaputter Dächer wirklich nötig hat.

    (Bundesminister Horst Seehofer: Das ist falsch!)

    - Das Notopfer richtet sich einzig und allein nach der Höhe des Budgets des Krankenhauses; davon bekommt es einfach anteilig prozentuale Leistungen ausbezahlt. Das ist eine Gießkannenpolitik, die überhaupt nichts nützt.

    (Bundesminister Horst Seehofer: Absolut falsch!)

    Sie machen sich nicht einmal die Mühe, zu ermitteln, wo Bedarf besteht und etwas zu tun ist, sondern Sie geben das Geld einfach aus.

    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie haben sich nicht die Mühe gemacht, das Gesetz zu lesen!)

    Dann kommt noch etwas besonders Absurdes hinzu, was den Arger, der jetzt in der Bevölkerung entsteht und auf die Krankenkassen zukommt - neben den Kosten -, in einem ganz anderen Licht erscheinen läßt. Gerade in diesem Jahr haben Sie beschlossen, daß die Budgets der Krankenhäuser um 1 Prozent gekürzt werden.

    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Wegen Fehlbelegung!)

    - Wegen sogenannter Fehlbelegung haben Sie denen erst einmal per Gesetz 1 Prozent weggenommen.

    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das ist eine Folge der Pflegeversicherung, die wir zusammen beschlossen haben!)

    Das ist genauso ein Gießkannenprinzip.

    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das hat mit der Pflegeversicherung zu tun!)

    - Natürlich hat das etwas damit zu tun; das ist dasselbe Budget, Herr Zöller!
    Man hat 1 Prozent weggenommen - rin in die Kartüffeln - jetzt bekommen sie 1,1 Prozent wieder. Das sind doch die Verknüpfungen, die Hin-und Herschiebereien, die Sie veranstalten. Das ist dasselbe Geld.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das Geld ist doch zweckgebunden!)

    Sie kommen überhaupt nicht auf die Idee, Ihre Gesetze so zu formulieren, daß solche Schlingerkurse vermieden werden. Das kann keiner mehr verstehen. Die Öffentlichkeit schüttelt mit Recht den Kopf über eine so chaotische Politik.

    (Beifall bei der SPD Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Über Sie! Zum Beispiel über die Einstellung von Leuten, die gar keine Ärzte sind!)

    Ich denke, daß es richtig ist, Blödsinn auch beim Namen zu nennen. Ihre Maßnahmen stoßen bei der Bevölkerung auf Unverständnis und führen zu Ärger, aus dem der Unwillen entsteht, bei so etwas nicht mitmachen zu wollen und sich dagegen zu wehren. Ich habe Verständnis dafür, wenn Leute in diesem Punkt ungehorsam sind. Wer jetzt gleich zivilen Ungehorsam in die Nähe von Kriminalität rückt, der schadet unserer Demokratie.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie bei der PDS)

    Menschen, die das nicht zahlen wollen und dagegen demonstrieren, nehmen ein Risiko und möglicherweise auch Kosten auf sich. Sie müssen Mahngebühren bezahlen und möglicherweise prozessieren. Aber das ist ihnen das wert. Sie sagen, dieser Staat macht Mist. Mist muß auch Mist genannt werden dürfen. Das ist in Ordnung.

    (Beifall bei der SPD und der PDS Ulf Fink [CDU/CSU]: Ihre Rede war aber nicht in Ordnung!)



Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Hans Martin Bury, Lilo Blunck, Ernst Schwanhold, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Geset-

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
zes zur Reform des Versicherungsvertragsgesetzes
- Drucksache 13/8163 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß (federführend) Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Als erster hat der Abgeordnete Hans Martin Bury das Wort.

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    Rede von Hans Martin Bury


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund der Probleme in der gesetzlichen Rentenversicherung wird die private Altersvorsorge immer wichtiger. Ich glaube, Herr Kollege Weng, darin sind sogar wir uns einig.
    Eine wachsende Zahl privater Anbieter wirbt um die Spargelder der Bürgerinnen und Bürger. Im Geschäft mit der Angst hatten in den letzten Jahren diejenigen die besten Karten, die „Sicherheit mit Dividende" verkaufen, nämlich die Lebensversicherungen. Bei rund 80 Millionen abgeschlossenen Lebensversicherungen kommt statistisch gesehen auf jeden Deutschen eine Police.
    Auch wenn die Versicherungsunternehmen in ihren Werbespots unverblümt das Blaue vom Himmel versprechen: Bei dieser Form der Altersvorsorge erhalten die Menschen, die in treuem Glauben an den honorigen Herrn Kaiser und seinesgleichen satte Prämien an die Versicherungskonzerne bezahlen, in der Praxis nur einen Teil dessen, was ihnen eigentlich zusteht.

    (Lilo Blunck [SPD]: So ist das!)

    Denn die Versicherungskonzerne lassen sich die Sicherheit einer meist mageren Mindestverzinsung durch fette Beiträge bezahlen. Wir wollen die Rechte der Versicherungskunden stärken, die Transparenz von Angeboten verbessern und die Rendite für die Versicherungsnehmer erhöhen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Der von der SPD-Bundestagsfraktion vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsgesetzes sieht die Neufassung des § 1 VVG vor. Danach sollen Versicherer künftig verpflichtet werden, Beiträge in ihren Dienstleistungs-, Risiko- und Sparanteil aufzuschlüsseln. Das schafft Transparenz für die Kunden und macht unterschiedliche Angebote überhaupt erst vergleichbar. Transparenz und Information sind Voraussetzungen für einen funktionierenden Wettbewerb. In der Versicherungswirtschaft funktioniert dieser Wettbewerb bislang nicht, weil den Verbrauchern alle relevanten Informationen über die Zusammensetzung der Prämie vorenthalten werden.
    Nach geltendem Recht werden die Sparprämien der Versicherungskunden bei den Versicherern vollständig als Umsatz verbucht. Bei der Ermittlung des
    Überschusses, der an die Kunden auszuzahlen ist, sind die Versicherungsunternehmen an die Rechnungslegungsvorschriften des Handelsgesetzbuches gebunden. Diese Vorschriften sind nicht ausreichend, um die angemessene Beteiligung der Versicherungssparer an den mit ihren Einzahlungen erwirtschafteten Erträgen sicherzustellen. Denn das HGB bietet den Unternehmen eine Fülle von Gestaltungsmöglichkeiten für die Bilanzierung, insbesondere zur Bildung stiller Reserven. Fachleute schätzen den Marktwert der aus den Kundengeldern angehäuften stillen Reserven der Versicherer auf bis zu 300 Milliarden DM.
    Unser Gesetzentwurf stellt klar: Die mit den Spargeldern der Kunden erwirtschafteten Überschüsse gehören vollständig den Versicherungskunden. Experten schätzen, daß jeder Lebensversicherungskunde durchschnittlich zusätzlich 15 000 DM erhalten würde, wenn der SPD-Gesetzentwurf umgesetzt wird. Wir werden nicht hinnehmen, daß die Kunden von Kapitallebensversicherungen weiterhin mit mageren Renditen abgespeist werden, während sich die Versicherungsunternehmen mit den eingezahlten Beiträgen ihre Bilanzen vergolden.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Bei der Beratung über unseren Gesetzentwurf wird sich zeigen, ob Sie sich als Volksvertreter oder als Versicherungsvertreter verstehen.
    Damit hier kein Mißverständnis aufkommt: Wir sind sehr dafür, daß Unternehmen in Deutschland Geld verdienen, Gewinne ausweisen und auch versteuern.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Es ist aber bitter nötig, das zu sagen!)

    Diese Gewinne müssen aber auch in der Versicherungswirtschaft, Herr Kollege Weng, Resultat unternehmerischer Leistungen sein und dürfen nicht aus dem Griff in die Kundenkasse resultieren.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Die separate Ausweisung des Sparanteils bei Kapitallebensversicherungen folgt dem bewährten Vorbild von Kapitalanlagegesellschaften. Damit wird die bisher gängige Praxis der unkontrollierten Vermögensvermischung wirkungsvoll unterbunden. Zukünftig müssen Versicherungsunternehmen die für die Versicherten verwalteten Spargelder als Sondervermögen behandeln. Diese Regelung ist sachgerecht, denn entgegen der von der Versicherungslobby erfolgreich gestreuten Fiktion handelt es sich beim Sparanteil der Kapitallebensversicherung um eine reine Kapitalanlage. Untersuchungen haben eindrucksvoll nachgewiesen, wie absurd die von der Branche verkaufte Behauptung ist, einzig die Kapitallebensversicherung könne über lange Zeiträume eine Mindestverzinsung von 4 Prozent garantieren.
    Selbst diejenigen, die ihr Geld in Bundesschatzbriefen investierten, haben in den letzten Jahrzehn-

    Hans Martin Bury
    ten im Durchschnitt eine höhere Rendite erhalten als die Kunden von Kapitallebensversicherungen;

    (Lilo Blunck [SPD]: So ist das!)

    ganz zu schweigen von Aktiensparern, die ein Vielfaches dessen einstreichen konnten. Wer diese Anlage noch mit einer vernünftigen Risikolebensversicherung kombiniert hat, hat nicht nur mehr Geld im Alter, sondern seine Familie auch viel besser gegen Risiken abgesichert. Denn bei der durchschnittlichen Kapitallebensversicherung ist der darin enthaltene Todesfallschutz regelmäßig viel zu niedrig bemessen.

    (Lilo Blunck [SPD]: Richtig!)

    Die von uns vorgeschlagene Änderung des VVG wird den Wettbewerb in der Versicherungswirtschaft erheblich verbessern. Völlig lächerlich, Herr Funke, ist daher der Vorwurf, unser Gesetzentwurf führe zu einem „Einheitsprodukt" in der Versicherung. Daß ein Mehr an Wettbewerb zur Beschränkung der Produktvielfalt führen soll und damit zu Lasten der Verbraucher geht, ist eine ausgesprochen ungewöhnliche Einschätzung. Herr Funke, wenn ich an die langwierigen Diskussionen, die wir beide miteinander über die Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte oder - bis heute mittag - auch der Postmärkte geführt haben, denke, muß ich sagen: Da habe ich von Ihnen ganz andere Positionen gehört.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Das kann gar nicht sein! Ausgerechnet Funke!)

    Fakt ist, daß wir derzeit in Deutschland ein Einheitsprodukt im Bereich der Lebensversicherungen haben, nämlich die vermögensvermischende Kapitallebensversicherung. Die Gründe hierfür liegen in dem mangelnden Wettbewerb in der Versicherungswirtschaft und der einseitigen steuerlichen Privilegierung der vermögensvermischenden Kapitallebensversicherung, gegenüber allen anderen Anlageformen, auch gegenüber der fondsgebundenen Lebensversicherung. Graf Lambsdorff, zweifellos ein Kenner der Materie, hat ja bereits öffentlich eingeräumt, die Kapitallebensversicherung werde es ohne ihr Steuerprivileg nicht mehr geben. Nun plant die Bundesregierung sogar, die Risikolebensversicherungen zusätzlich zu besteuern - ein skandalöser Vorschlag. Schließlich zählt die Risikolebensversicherung neben der Haftpflicht zu den wenigen Versicherungen, die wirklich fast jeder zur Absicherung existentieller Risiken braucht.
    Neben den steuerlichen Fehlanreizen spielt die reine Provisionsorientierung bei der Versicherungsvermittlung eine entscheidende Rolle für den Verkaufserfolg der Kapitallebensversicherung. Bei keiner anderen Versicherung - abgesehen von der privaten Krankenversicherung - kann der Vermittler eine so hohe Provision einstreichen wie beim Verkauf einer Kapitallebensversicherung. Als direkte Folge des provisionshungrigen Vertriebs sind heute immer mehr Menschen fehl- oder überversichert. Das Land Niedersachsen hat einen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht, der die Schaffung vernünftiger Standards zum Schutz der Verbraucher bei der Versicherungsvermittlung vorsieht - ein dringend notwendiger Schritt.
    Wir schaffen die klassische Kapitallebensversicherung mit garantierter Verzinsung nicht ab, aber sie wird sich dem Wettbewerb stellen müssen. Denn wir sorgen dafür, daß die Zahlen auf den Tisch kommen und die Vermögensvermischungen zu Lasten der Kunden ein Ende haben. Die Versicherer werden dann beweisen müssen, ob ihr Produkt auch bei voller Transparenz hält, was sie versprechen. Die Versicherungslobby scheint da selbst skeptisch zu sein. Denn anders lassen sich die wiederholt vorgebrachten Zweifel an den Zukunftschancen der klassischen Kapitallebensversicherung kaum erklären.
    Unser Gesetzentwurf beseitigt auch die bestehenden Mißstände bei den sogenannten Rückkaufswerten. Die dubiose Praxis, Kunden von Kapitallebensversicherungen bei einer vorzeitigen Kündigung der Police selbst nach mehrjähriger Versicherungsdauer lediglich einen Bruchteil der eingezahlten Beiträge zurückzuerstatten, wird nach dem SPD-Gesetzentwurf bald der Vergangenheit angehören. Die Kunden sollen ein jederzeitiges Rücktrittsrecht erhalten, bei dessen Inanspruchnahme ihnen der Gegenwert ihrer Anteile zu Marktpreisen abzüglich anteiliger Abschluß- und Verwaltungskosten zusteht.
    Die Versicherungslobby tut gerne so, als wenn nur eine verschwindende Minderheit der Versicherten ihren Vertrag vorzeitig kündigt. Mittlerweile ist jedoch belegt, daß fast jeder zweite seinen Vertrag vorzeitig kündigen muß, weil er die Beiträge nicht mehr zu zahlen vermag. Für diese Menschen bietet die Kapitallebensversicherung in der Praxis nicht einmal die garantierte Mindestverzinsung, geschweige denn die versprochene „Dividende". Für sie ist die Kapitallebensversicherung ein Kapitalvernichtungsprodukt.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    „Schön wär's", überschrieb das „Handelsblatt" seinen Kommentar zum SPD-Gesetzentwurf zur Reform des Versicherungsvertragsgesetzes. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegt jetzt an uns, ob es endlich einen funktionierenden Wettbewerb in der Versicherungswirtschaft gibt,

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    ob die Versicherungskunden zukünftig eine deutlich verbesserte Rechtsposition gegenüber den Versicherungsunternehmen haben und ob sie endlich eine angemessene Rendite aus ihren Lebensversicherungspolicen erhalten.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Zu Zeiten der sozialdemokratischen Regierung unter Bundeskanzler Helmut Schmidt war die Praxis der unkontrollierten Vermögensvermischung bei Versicherungen bereits erkannt. In einem Gesetzentwurf zum Versicherungsrecht aus dem Jahre 1982 wurde die Gefahr hieraus resultierender Schädigungen von Versicherten aufgegriffen. Es wird Zeit, daß in Deutschland eine sozialdemokratisch geführte

    Hans Martin Bury
    Bundesregierung das anpackt, was diese „Stillstandsregierung" seit 1982 versäumt hat.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)