Rede von
Dr.
Günter
Rexrodt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jahrzehntelang haben festgefügte Strukturen dafür gesorgt, daß auf einem der wichtigsten Märkte dieses Landes, dem Energiemarkt, kein Wettbewerb bestanden hat. Das wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf geändert.
Die bisherigen Strukturen sind nicht der einzige Grund, aber einer der wichtigsten Gründe dafür, daß die Industriestrompreise in Deutschland im Einzelfall um bis zu 30 Prozent über dem europäischen Durchschnitt liegen. Heute haben wir die große Chance, das alte Recht grundlegend zu reformieren und moderne Strukturen im Energiesektor zu schaffen.
Meine Damen und Herren, das steht in einer Reihe mit anderen liberalisierten Märkten in Deutschland. In diesem Zusammenhang verweise ich auf den Mobilfunk und die Preisstürze, die dort erfolgt sind, sowie auf die neuen Angebote bei Kurierdiensten. Ohne Wettbewerb wäre es nie dazu gekommen.
Diese Energierechtsreform, die wir heute beschließen wollen, wird diese Entwicklung, wird diese Liberalisierungserfolge fortschreiben. Alle werden von den niedrigeren Preisen und den besseren Bedingungen bei der Versorgung profitieren.
So erwartet der Verband der Energieabnehmer Preissenkungen für die Stromtarifkunden von mindestens 20 Prozent. Auch die kleinen Kunden werden profitieren - im Unterschied zu dem, was immer behauptet wird. Es war immer ein Argument der Bremser und der Besitzstandswahrer, daß die Kleinen für die Großen zahlen müßten. Das ist schlichtweg unwahr, meine Damen und Herren.
Stadtwerke können in Zukunft ihren Strom billiger einkaufen und dann auch entsprechend billiger an ihre Kunden, an alle Kunden weitergeben. Zum Schutz der kleinen Kunden wird sicherheitshalber außerdem noch die Genehmigungspflicht für Stromtarife beibehalten. Die Mißbrauchsaufsicht durch die
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Kartellbehörden bleibt erhalten. Sie wird sogar effizienter ausgestaltet, denn die Kartellbehörden können in Zukunft Marktpreise zum Vergleich heranziehen. Das hat es bisher nie gegeben.
Darüber hinaus ist Vorsorge getroffen, daß die Kunden in ländlichen Gebieten mit hohen Versorgungskosten angemessen an den Preisvorteilen und Verbilligungen teilhaben können.
Meine Damen und Herren, Kernstück der Reform ist die Abschaffung der geschlossenen Versorgungsgebiete, also der jetzt bestehenden Gebietsmonopole.
- Auf die Härtefallklauseln komme ich noch zu sprechen; das betrifft ja das Stromeinspeisungsgesetz.
Der Kölner Industriebetrieb kann in Zukunft seinen Strom in Bayern kaufen, und die Berliner Wohnungsbaugesellschaft mit 15 000 Wohnungen kann ihren Strom aus Hessen oder anderen Regionen beziehen. Das haben wir gewollt.
Das geschieht entweder im Wege der Durchleitung über das vorhandene Netz des Flächenversorgers bzw. das Netz des Stadtwerkes oder - soweit ökologisch vertretbar - über eine Direktleitung zu einem anderen Versorgungsunternehmen.
Wirksamer Wettbewerb hängt vor allem davon ab, daß die Durchleitung ein ganz normaler, ein ökonomischer Vorgang wird, so wie das in der Telekommunikation in ähnlicher Form auch der Fall ist und in Zukunft noch mehr sein wird. Für Strom wird daher ein prinzipieller Anspruch auf Netzzugang ins Gesetz geschrieben. Ich bitte das einmal zur Kenntnis zu nehmen. Der Netzinhaber darf die Leistungen Dritter nicht schlechter behandeln als die eigenen Lieferungen. Das steht im Gesetz, und daraus wird sich eine Rechtsprechung entwickeln.
Wenn es zum Streit um die Bedingungen kommt, ist der Netzinhaber in der Beweispflicht und nicht umgekehrt. Das macht den Kunden stark, und das wollen wir auch.
Eine ausgewogene Verbändevereinbarung kann ein nützlicher Rahmen für die Durchleitung sein. Aber natürlich will ich die Katze nicht im Sack kaufen. Nach Abschluß der Verhandlungen und wenn sich die Dinge entwickelt haben und ein Urteil möglich ist, werden wir das überprüfen, und ich sage ganz klar: Sofern die Verbändevereinbarung nicht funktioniert, werde ich nicht zögern, von der Ermächtigung Gebrauch zu machen, die auch im Gesetz steht, nämlich die Durchleitung durch Rechtsverordnung zu regeln.
Darin ist doch alles enthalten: Erst einmal setzen wir darauf, daß das durch den Markt und die Fachleute geregelt wird, und für den Fall, daß das nicht möglich ist, haben wir uns in das Gesetz den Vorbehalt, das anders zu regeln, hineingeschrieben. Was wollen Sie überhaupt?
Bei Gas richtet sich der Netzzugang nach den Generalklauseln des Kartellrechts.
Meine Damen und Herren, es ist von Anfang an argumentiert worden, wir wollten die Kommunen mit diesem Gesetz an die Kandare nehmen. Das waren immer vorgeschobene Argumente der Besitzstandswahrer; das war immer falsch.
Das Aufkommen der Kommunen aus der Konzessionsabgabe wird durch zahlreiche Sonderbestimmungen im Gesetz geregelt. Der kommunale Querverbund, also die Verrechnung der Gewinne des Stadtwerks mit Verlusten aus anderen Betrieben, kann beibehalten werden. Die Stromerzeugung auf der Basis der Kraft-Wärme-Kopplung, vor allem bei den Stadtwerken, ist besonders geschützt. Für eine Übergangszeit bis Ende 2005 wird auf der Ortsstufe ein alternatives Zugangsmodell zugelassen.
Das letztere, diese Option, ist eine Konzession, mit der ich leben kann, weil am Ende Wettbewerb herrscht und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle da sind. Da kann man, wenn notwendig, wenn gewollt, eine Übergangszeit hinnehmen. Aber niemand kann vom Wettbewerb ausgenommen werden. Das kann auch niemand wollen, meine Damen und Herren. Wer meint, die Stadtwerke hätten im Wettbewerb keine Chance, der verkennt nämlich die Situation. Mit der Reform verschaffen wir den Stadtwerken die Möglichkeit, sich von teuren Strom- und Gaslieferanten zu trennen und billigere, günstigere zu nehmen. Außerdem können sie den Trumpf der Kundennähe, den sie ja haben, voll ausschöpfen.
Viele Stadtwerke sehen im übrigen diesem neuen Wettbewerb mit sehr viel Selbstvertrauen entgegen. Meine Damen und Herren, das waren in den letzten Monaten die leisen Stimmen, die nicht mit dem übereinstimmten, was die Funktionäre gesagt haben, die das nur mit Kopfschütteln begleitet haben.
Den besonderen Interessen der ostdeutschen Wirtschaft, der ostdeutschen Braunkohleverstromung, haben wir durch eine Übergangsregelung Rechnung getragen, die der besonderen Situation der Länder gerecht wird. Auch da muß irgendwann Wettbewerb sein. Wir wollen am Schluß niemanden vom Wettbewerb ausnehmen.
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Meine Damen und Herren, die Reform beweist, daß mehr Wettbewerb und mehr Umweltschutz Hand in Hand gehen können. In Zukunft hat Umweltschutz den gleichen Stellenwert wie die Sicherheit und die Preiswürdigkeit der Versorgung. Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung und aus erneuerbaren Energien wird besonders berücksichtigt. Das Stromeinspeisungsgesetz bleibt erhalten. Dabei wird künftig die Stromerzeugung aus Biomasse voll einbezogen. Die schwierigen Abgrenzungsprobleme des geltenden Rechts werden dadurch, daß wir auch Biomasse begünstigen wollen, mit einem Schlag beseitigt.
Aber, meine Damen und Herren, wir müssen auch den Tatsachen ins Gesicht sehen. Das Stromeinspeisungsgesetz hat einen Zuwachs an Windkraftanlagen gebracht, vor allem in den Küstenregionen, der so nicht vorhersehbar war. Das wiederum hat zu einer Verzerrung der Strompreise zu Lasten der Küstenregionen geführt. Das kann auch niemand bestreiten.
Jetzt sollen die Lasten durch Härteklauseln, die wir aufgenommen haben, besser verteilt werden. Das ist der Sinn der Sache. Ganz einfach, wir machen Härteklauseln.
Mittelfristig kann aber auch die Höhe der Förderung kein Tabu sein. Wenn ich das sage, dann will ich das Ergebnis eines Nachdenkens und des Prüfens, des Ob und Wie nicht antizipieren. Aber keiner kann uns abverlangen - ich glaube, auch diejenigen nicht, die unmittelbar damit befaßt sind, auch unternehmerisch -, daß das auf Dauer ein Tabu ist. Jetzt arbeiten wir erst einmal mit den Härteklauseln.
Meine Damen und Herren, der erneut gestellte Antrag der Grünen für einen bundesweiten Ausgleich wäre ein Rohrkrepierer zu Lasten der erneuerbaren Energien geworden. Mir ist schlicht unverständlich, warum die Prozeßaussichten der Stromwirtschaft beim Verfassungsgericht in Karlsruhe durch einen solchen Antrag, wenn er durchkäme, drastisch verbessert werden sollen. Ich habe das Stromeinspeisungsgesetz vor dem Verfassungsgericht immer verteidigt. Ihr Antrag könnte - ich sage es bewußt vorsichtig und im Konjunktiv - darauf hinauslaufen, daß man es als verfassungsfeindliche, verfassungsfremde Abgabenregelung deutet, und dann wäre die Regelung erledigt. Das kann auch nicht in Ihrem Interesse sein.
Im übrigen hat sich auch das Justizministerium nach eingehender, objektiver Prüfung dieser Auffassung angeschlossen. Dieser Entschließungsantrag wäre eine Gefährdung dessen, was wir heute erreicht haben.
Meine Damen und Herren, das Stromeinspeisungsgesetz erfaßt im Moment nur die Stromerzeugung außerhalb der öffentlichen Elektrizitätswirtschaft. Wir fordern aber auch die Versorgungsunternehmen selbst auf, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen. Sie sollten den Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und vor allem aus der KraftWärme-Kopplung auf dem Wege einer freiwilligen
Selbstverpflichtung erhöhen. Ich lehne es seitens der Bundesregierung ab, die Art und Umstände der Energieerzeugung, beispielsweise bei der KraftWärme-Kopplung, quasi von oben herab durch Dekret festzusetzen. Das wollen wir nicht. Wir brauchen auch im Bereich der Technologien den Wettbewerb.
Diesen Wettbewerb gibt es nur, wenn wir ein Stück Markt in diesem Geschäft erhalten.
Was jetzt vorliegt, ist ein fairer Kompromiß. Ich danke insbesondere den Kollegen Friedhoff und Uldall, die als wirtschafts- und energiepolitische Sprecher ihrer Fraktionen die Hauptlast der Arbeit in der Koalition getragen haben.
Lassen Sie mich noch einen Punkt anfügen: Wir haben Klarheit darüber, daß dieser Gesetzentwurf in der jetzigen Form im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig ist, Herr Jung. Das ist die Meinung innerhalb der Koalition nach Prüfung durch die Kollegen. Auch Innen- und Justizministerium haben das nach eingehender Prüfung eindeutig bestätigt.
Die Länder haben meine verbindliche Zusage, daß die praktische Umsetzung des Reformgesetzes in enger Kooperation erfolgen soll. Für mich ist wichtig, daß dieses Gesetz zum Wettbewerb führt. Auf dem Weg dorthin sind Kompromisse richtig. Aber ich stelle ausdrücklich fest: Mit den Kompromissen wurde die Substanz nicht berührt. Die Kompromisse wurden in den Bereichen geschlossen, in denen sie sinnvoll sind, nämlich beim Umweltschutz, bei der Kraft-Wärme-Kopplung, bei der ostdeutschen Braunkohle, bei Optionen und Fristen, also wenn es darum geht, daß man eine gewisse Zeit braucht, um auf ein anderes Modell umzustellen. In diesen Bereichen waren Kompromisse möglich. Das ist in Ordnung; damit kann ich leben. Am Ende aber steht der Wettbewerb; das ist das Entscheidende. Deshalb ist dies ein gutes Gesetz und gleichzeitig ein Gesetz mit Augenmaß.
Nun wollte ich eigentlich an die Opposition und speziell an Sie, Herr Jung, appellieren - Sie hatten ja im Wirtschaftsausschuß anerkannt, daß dieser Regierungsentwurf in wichtigen Punkten auch Ihren Vorstellungen entspricht und Ihnen entgegengekommen ist -,
dem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Herr Jung, ich will einmal Revue passieren lassen, was Sie vorhin vorgetragen haben: Auf der einen Seite beklagen Sie, daß das Gesetz im Zuge der Diskussion verwässert worden sei und daß - wie Sie es ausgedrückt haben - von seiner ursprünglichen Fassung nichts mehr übriggeblieben sei. Auf der anderen Seite sagen Sie, wir seien nicht weit genug gegangen. Diese Aussagen sind in sich nicht schlüssig. Sie sind schlicht falsch. So geht es doch nicht!
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Daran wird wieder einmal deutlich, daß Sie hier Blockade und Opposition um der Opposition willen betreiben.
Daß Sie jetzt noch ein Normenkontrollverfahren anstrengen wollen, bleibt Ihnen unbenommen. Wir sind ein Rechtsstaat. Aber das zeigt - das wird hier im Parlament immer wieder deutlich -, daß Sie blokkieren und Reformen aufhalten wollen. Das ist Ihre Absicht.
- Frau Hustedt, es ist doch so: Es paßt Ihnen nicht, daß die Koalition mit diesem Gesetzentwurf für die Neuordnung von einem der wichtigsten Bereiche unserer Wirtschaft einen Erfolg erzielt und etwas in Bewegung bringt. Ich habe gestern schon darüber gesprochen: Diese Reform ist Ausdruck dessen, daß sich in diesem Land etwas bewegt. Das geben Sie aus parteitaktischen Gründen nicht zu. Ich kann das verstehen. Aber von der Sache her ist Ihre Ablehnung nicht gerechtfertigt.
Die Reform bringt uns in unser aller Interesse ein Stück vorwärts. Der heutige Tag bringt eine wichtige Entscheidung, die einen Meilenstein in der Reformpolitik darstellt. Ich bin überzeugt, das heutige Abstimmungsergebnis liegt im Interesse der Menschen und im Interesse der Arbeitsplätze in diesem Land.
Schönen Dank.