Rede von
Michaele
Hustedt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in dieser Legislaturperiode sehr intensiv über dieses Gesetzesvorhaben gesprochen. Nun ist es Zeit für eine Zwischenbilanz; denn wir sind noch lange nicht am Ende dieser Debatte angelangt.
Wir glauben, daß die Reform des Energiewirtschaftsgesetzes absolut überfällig ist. Aus unserer Sicht behindern die Stromkonzerne und auch die Monopolwirtschaft nicht nur jeglichen Wandel in Richtung umweltverträgliche Energieerzeugung; sie setzen zudem auf eine umweltfeindliche zentralistische Energieerzeugungsstruktur. Sie sind damit au-
Michaele Hustedt
ßerordentlich innovationsfeindlich, auch weil sie nicht auf neue Technologien setzen.
Sie haben jahrzehntelang überhöhte Preise von Verbrauchern und Industrie genommen und kaufen sich mit ihren Kampfkassen, die sie sich gesetzeswidrig angelegt haben, Schritt für Schritt in die Infrastruktur in diesem Lande ein. Das bedeutet auch, daß sie undemokratisch sind und zunehmend zum Staat im Staate werden.
Deswegen sagen wir ganz eindeutig und ganz klar ja zum Wettbewerb, ja zur Einführung des Wettbewerbs im Energiebereich. Von seiten der Bundesregierung wird manchmal unterstellt, nur sie sei für den Wettbewerb. Es waren aber die Bündnisgrünen, die als erste in dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, in dem die Einführung des Wettbewerbs gefordert wird. Wir fordern den weitestgehenden Wettbewerb, einen viel weitergehenden, als im Gesetzentwurf der Bundesregierung formuliert war.
Das hat die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf eindeutig anerkannt. Wir sagen eindeutig ja zum Wettbewerb. Wenn man von Wettbewerb spricht, muß man einen fairen und echten Wettbewerb meinen, denn es geht nicht um Sprechblasen. Man muß darüber sprechen, was die Ausgangsbedingungen sind. Schließlich starten wir nicht bei Null, sondern wir starten aus einer Monopolwirtschaft heraus.
Deswegen ist die Konsequenz, daß man die Neuen und Schwächeren beim Einstieg in den Wettbewerb bewußt stärken muß, damit es nicht infolge des Wettbewerbs zu starken Konzentrationsprozessen kommt, die zumindest wir nicht wollen.
Sonst wäre die Situation mit einem 100-Meter-Lauf vergleichbar, bei dem der eine 50 Meter vor dem Ziel und der andere an der Startlinie startet. Die Stromkonzerne haben Kampfkassen, und sie wollen den Wettbewerb zur Herbeiführung eines Konzentrationsprozesses nutzen. Wenn wir das nicht wollen, dann müssen wir im Gesetzgebungsverfahren dagegen Vorsorge treffen.
- Ich komme dazu.
Die entscheidende Rolle - Herr Hinsken, das wissen auch Sie - spielt die Frage der Netze; denn diese sind ein natürliches Monopol. Jeder, der Energie erzeugt, muß den Strom durch diese Netze leiten und hat keine Chance, Strom an ihnen vorbei zu liefern.
Die Netze sind jedoch im Besitz der großen Stromkonzerne, die gleichzeitig Strom produzieren. Damit können sie den Besitz der Netze nutzen, um Mitkonkurrenten, die keine Stromnetze besitzen, vom Markt fernzuhalten.
Wir haben deswegen in unserem alternativen Gesetzentwurf die eigentumsrechtliche Trennung der Netze vorgeschlagen, wie es in Norwegen, Großbritannien und Kalifornien gehandhabt wird. Nicht die Verstaatlichung, sondern die eigentumsrechtliche Trennung der Netze würde die größte Wettbewerbsintensität schaffen.
Das Mindeste, das wir gefordert haben, sind ein funktionierender Durchleitungstatbestand und eine buchhalterische Trennung. Beides hat Minister Rexrodt am Anfang abgelehnt. Ich finde es außerordentlich gut, daß die CSU, gerade Sie, Herr Hinsken, in diesem Bereich nachgefordert hat.
Ein Punkt fehlt uns noch: Das ist die entscheidende Frage, wie der Preis für die Durchleitung gestaltet werden könnte. Im Telekommunikationsbereich wurde auf Wunsch der Stromkonzerne ein Festpreis in die Verordnung aufgenommen.
Im Bereich der Energieversorgung behaupten Sie, Herr Rexrodt - ebenso hat das Herr Uldall heute morgen getan -, Sie könnten die Preisregelung so nicht vornehmen. Andere Staaten können es und haben es gemacht. Wir haben mit dem schleswig-holsteinischen Vorschlag gezeigt, wie es gehen kann. Wenn Sie sich dazu nicht in der Lage fühlen, muß es wohl an Ihren Fähigkeiten liegen, dann müssen Sie Ihre Konsequenzen daraus ziehen.
Der Deutsche Industrie- und Handelstag hat ausdrücklich den Vorschlag aus Schleswig-Holstein zu diesem Bereich unterstützt. Die VIK, also die Industrie, sagt, die Verbändevereinbarung funktioniere nicht. Die Stromkonzerne fordern in der Verbändevereinbarung drei- bis fünfmal höhere Durchleitungspreise, als in vergleichbaren anderen Ländern verlangt werden.
Herr Hinsken, wenn Sie ernst meinen, was Sie in der letzten Debatte gesagt haben, müssen Sie unserem Antrag zustimmen, damit es auch hier zu einer festen Regelung der Preise kommen wird.
Inwieweit Sie tatsächlich eine Koalition oder eine Partei - das gilt vor allem für die F.D.P. - des Wettbewerbs sind, zeigt die Regelung zur Lex VEAG. Daran wird das ganz besonders deutlich. Die VEAG macht riesige Gewinne, und sie wird außerdem von Stromkonzernen getragen, die ebenso riesige Gewinne gemacht haben. Es ist aus unserer Sicht absolut nicht nötig, hier eine Ausnahme vom Wettbewerb für ein Drittel des deutschen Marktes zu beschließen.
Michaele Hustedt
Wir lehnen das eindeutig ab. Wir wollen den ganzen deutschen Markt für den Wettbewerb öffnen.
Sie, die F.D.P., sagen, Sie seien die Partei der Steuersenkung. Sie schaffen damit einen neuen indirekten Subventionstatbestand für die Braunkohle, den klimaschädlichsten Energieträger überhaupt. Selbst die SPD, die Sie immer als die Partei der Kohlelobbyisten beschimpfen, geht nicht so weit wie Sie mit Ihrer Lex VEAG. Das sollte Ihnen doch eindeutig zu denken geben.
Auch die Chemieunternehmen im Osten haben große Investitionen getätigt. Bekommen sie deswegen eine Abnahmegarantie? - Sie bekommen sie nicht. Das zeigt aus meiner Sicht, wie groß der Einfluß der Stromkonzerne auf diese Bundesregierung noch ist. Ich sage: viel zu groß.
Der zweite Punkt: Bereich Umweltschutz. Wir sind für den Wettbewerb. Der Wettbewerb kann Verkrustung aufbrechen, Dynamik erzeugen und Innovation anstoßen. Aber wir sagen auch: Der Wettbewerb hat keine Richtung. Eine Richtung, ein volkswirtschaftliches Ziel, zum Beispiel die Umweltverträglichkeit, muß man durch die Regulierung des Wettbewerbs schaffen. Dies ist völlig identisch mit der EU-Richtlinie, die genau das formuliert.
Wir stehen - Herr Jung hat das schon gesagt - kurz vor der Klimakonferenz in Kioto. Wenn man das Klimaschutzziel tatsächlich erreichen will, muß man eine Energiewirtschaftsstruktur schaffen, die in der Zukunft eine umweltverträgliche Energieerzeugung bewirkt.
Hinzu kommt: Der Energiemarkt ist ein großer Innovationsmarkt. Man kann nicht immer nur auf alte Techniken setzen. Der Photovoltaik-Markt wächst pro Jahr um 18 Prozent. Wenn man an diesem Zukunftsmarkt teilhaben will, dann muß man auch auf umweltverträgliche Energieversorgung setzen.
Während Sie bei der Lex VEAG eine Vorrangregelung weitestgehender Art für Braunkohle beschlossen haben, haben Sie sich im Bereich der erneuerbaren Energien lange gesperrt, eine Vorrangregelung durchzusetzen. Gut ist, daß jetzt zumindest eine schwache Regelung enthalten ist. Wir fänden es - wir fordern das auch - natürlich wesentlich besser, wenn hier nachgebessert würde.
Aber der Hauptpunkt ist die Frage des Stromeinspeisungsgesetzes. Ich fand es absolut unmöglich, daß Sie in einer Debatte, in der wir darüber diskutiert haben, eine Neuordnung des Energiemarktes durchzusetzen, gleichzeitig eine Diskussion über die Absenkung der Vergütung losgetreten haben. Diese Absenkung hätte bedeutet, daß sich Investitionen in Windkraftanlagen nicht mehr gelohnt hätten.
Das hat auch schon Schaden angerichtet, weil es
große Verunsicherung darüber verursacht hat, ob die
umweltfreundliche Energieerzeugung von dieser Bundesregierung, zumindest ihrer Mehrheit, überhaupt gewünscht ist.
Es hat dann einen sehr breiten gesellschaftlichen Widerstand gegeben. An diesem Widerstand haben sich die Arbeitgeber, die Arbeitnehmer, die IG Metall, der Bauernverband und die Umweltverbände beteiligt. Der VDMA, der größte Unternehmensverband Deutschlands, sah sich gezwungen, zu diesem Thema zusammen mit den Bündnisgrünen gegen diese Bundesregierung eine Pressekonferenz zu machen. Das zeigt, wo Sie in dieser Frage stehen: Sie stehen auf der Seite der Minderheiten, auf der Seite der Stromkonzerne.
Durch diesen breiten gesellschaftlichen Widerstand ist es uns gelungen, die Senkung der Einspeisungsvergütung zu verhindern.
Das war ein Ergebnis der großen außerparlamentarischen Bewegung, der guten Oppositionsarbeit, der guten Zusammenarbeit mit dem Bundesrat und mit einer Minderheit auf der Seite der Regierungskoalition: Herr Carstens, Herr Ramsauer, Herr Dörflinger und einige andere.
Wenn Sie jetzt aus der Not eine Tugend machen, Herr Uldall, und so tun, als ob Sie das immer wollten, kann ich nur daran erinnern, daß Sie noch vor kurzem hier im Plenum gesagt haben: Ich werde die Absenkung der Vergütung durchsetzen; das werden Sie schon sehen! - Sie sind damit gescheitert. Das wollen wir hier eindeutig festhalten.
Wir wollen mehr. Wir wollen eine Ausweitung des Stromeinspeisungsgesetzes auf eine kostendeckende Vergütung für Photovoltaik und auch für KraftWärme-Kopplung. Wir wollen auch einen Mindestpreis für die Windenergie festschreiben, damit die Investitionssicherheit auf jeden Fall gegeben ist.
Gut ist aus unserer Sicht, daß Sie den Vorschlag der Grünen aufgenommen haben, daß in Zukunft der Netzbetreiber für die Aufnahme und für die Vergütung verantwortlich ist. Gut ist auch, daß Sie den Vorschlag des Bundesrates aufgenommen haben, nämlich das für Biogas wesentlich bessere Bedingungen geschaffen werden, indem man auch Material aus Lebensmittelfabriken verwerten darf.
Schlecht ist aus unserer Sicht natürlich die FünfProzent-Deckelung. Herr Uldall, Sie haben hier wieder behauptet, dies sei eine rotgrüne Forderung. Es war erstens nie eine rotgrüne Forderung; denn damals waren wir Grüne noch nicht in der Regierung. Sie haben zweitens anläßlich der letzten Plenardebatte zu diesem Thema zu mir gesagt: Bringen Sie es mir schriftlich, daß Finanzminister Möller von diesem Vorschlag zurücktritt. - Ich habe dann zu Ihnen gesagt: Ich bringe es Ihnen schriftlich. Ich habe Ihnen
Michaele Hustedt
diesen Brief vorgelegt. Jetzt halten Sie auch Ihr Versprechen, das Sie mir damals an jenem Tag der Plenardebatte gegeben haben, daß Sie, wenn dies schriftlich vorliegt, Ihren Vorschlag hinsichtlich der Fünf-Prozent-Deckelung zurückziehen.
Sie brauchen gar nicht den Kopf zu schütteln. Sie wissen genau, wovon ich spreche.
Wir haben den Alternativvorschlag vorgelegt
- ich führe meinen Gedanken noch zu Ende; dann können Sie fragen -, daß die Kosten, die das Stromeinspeisungsgesetz verursacht, bundesweit über die Netzgebühren ausgeglichen werden. Dieser Vorschlag ist in der Anhörung zum Stromeinspeisungsgesetz nicht nur vom Bauernverband, den Umweltverbänden, den Windkraftverbänden, sondern auch vom VDMA und - man höre und staune - von Preussenelektra begrüßt worden. Eine breitere Zustimmung kann es nicht geben. Wenn Sie diesem Vorschlag nicht zustimmen, dann zeigt dies, daß Sie - jedenfalls die Mehrheit Ihrer Fraktion - an einer substantiellen Verbesserung des Stromeinspeisungsgesetzes nicht interessiert sind.