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    Plenarprotokoll 13/206 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 206. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 26. November 1997 Inhalt: Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 18631 A Tagesordnungspunkt I (Fortsetzung): Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1998 (Haushaltsgesetz 1998) (Drucksachen 13/8200, 13/8883) . . . 18631 B Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1997 (Nachtragshaushaltsgesetz 1997) (Drucksachen 13/8199, 13/8803) 18631 A Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt (Drucksachen 13/9004, 13/9025) . . . 18631 B in Verbindung mit Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Abgeordneten Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS: Ausweis der Mittel für den Bundesnachrichtendienst (Drucksachen 13/6531, 13/7299) . . 18631 B Rudolf Scharping SPD 18631 D Michael Glos CDU/CSU 18636 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18642 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 18648 A, C Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 18649 B Dr. Gregor Gysi PDS 18654 B, 18685 B Dr. Christa Luft PDS 18657 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 18658 A Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saar- land) 18669 C Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . 18675 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . 18677 C Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 18683 B Rudolf Scharping SPD 18684 A Namentliche Abstimmung 18686 D Ergebnis 18689 C Einzelplan 05 Auswärtiges Amt (Drucksachen 13/9005, 13/9025) . . 18687 B Günter Verheugen SPD 18687 C Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU . 18692 A Otto Schily SPD 18694 B Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18694 C Ulrich Irmer F.D.P 18695 A Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18695 C Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU . 18696 D, 18704 C Dr. Helmut Haussmann F.D.P 18697 C Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18699 A Steffen Tippach PDS 18699 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 18700 C, 18703 B Ulrich Irmer F.D.P 18702 D Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18703 A Eckart Kuhlwein SPD 18703 C Karl Lamers CDU/CSU 18706 A Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung (Drucksachen 13/9013, 13/9025) . . 18708 A Walter Kolbow SPD 18708 A Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 18712 A Erwin Horn SPD 18713 D Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18714 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . 18716B, 18720 B Uta Zapf SPD 18718 A Otto Schily SPD . 18718 D Ernst Kastning SPD 18719 C Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 18720 C Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 18721 C, 18723 C Dr. Burkhard Hirsch F D P. 18723 B Paul Breuer CDU/CSU 18724 B Manfred Opel SPD 18725 D Namentliche Abstimmungen 18726 D Ergebnisse 18727C, 18730 A Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Drucksachen 13/9019, 13/9025) . . . 18732 C Dr. Emil Schnell SPD 18732 C Michael von Schmude CDU/CSU 18735A, 18742 A Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18737 C Armin Laschet CDU/CSU 18737 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18738C, 18740C, 18743 A Dr. Winfried Pinger CDU/CSU 18740 B Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P 18740 D Dr. Willibald Jacob PDS 18743 B Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 18744 B Dr. R. Werner Schuster SPD 18746 A Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz (Drucksachen 13/9007, 13/9025) . . . . 18747 C in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 13/9017, 13/9025) . . . 18747 C Gunter Weißgerber SPD 18747 D Manfred Kolbe CDU/CSU 18749 B Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18751 A Otto Schily SPD 18752B, 18762 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . . 18753 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 18754 D Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 18756 B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . 18757 D, 18760 D Norbert Geis CDU/CSU 18758 C Norbert Geis CDU/CSU 18760 A Dr. Susanne Tiemann CDU/CSU . . . 18761 A Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18761 C Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 13/9006, 13/9025) . . . 18763 C in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung (Drucksachen 13/9023, 13/9025) . . . 18763 C Uta Titze-Stecher SPD 18763 D Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 18766 C Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18768 B Dr. Max Stadler F D P. 18770 A Ulla Jelpke PDS 18771 B Herbert Frankenhauser CDU/CSU . . 18772 C Fritz Rudolf Körper SPD 18773 C Manfred Kanther, Bundesminister BMI 18774 C Nächste Sitzung 18775 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 18777* A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Einzelplan 14 - Bundesministerium der Verteidigung Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 18777* B Dr. Olaf Feldmann F.D.P 18779* A Gabriele Fograscher SPD 18779* B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 18779* D Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU und Hans-Dirk Bierling CDU/CSU 18780* A Ernst Kastning SPD 18780* B Roland Kohn F.D.P. 18780* C Manfred Kolbe CDU/CSU 18780* C Heidemarie Lüth PDS 18780* D Dr. Martin Pfaff SPD 18781* B Jürgen Türk F.D.P 18781 * D Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Einzelplans 06 - Bundesministerium des Innern - und des Einzelplans 33 - Versorgung - Manfred Kanther, Bundesminister BMI . 18782* A 206. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 26. November 1997 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 26. 11. 97 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Dreßler, Rudolf SPD 26. 11. 97 Hartmann, Hanns-Peter PDS 26. 11. 97 Heubaum, Monika SPD 26. 11. 97 Homburger, Birgit F.D.P. 26. 11. 97 Kriedner, Arnulf CDU/CSU 26. 11.97 Kurzhals, Christine SPD 26. 11. 97 Lehn, Waltraud SPD 26. 11. 97 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 26. 11. 97 Erich Marx, Dorle SPD 26. 11. 97 Reschke, Otto SPD 26. 11. 97 Scheel, Christine BÜNDNIS 26. 11. 97 90/DIE GRÜNEN Schenk, Christina PDS 26. 11. 97 Schlee, Dietmar CDU/CSU 26. 11. 97 Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 26. 11. 97 90/DIE GRÜNEN Siebert, Bernd CDU/CSU 26. 11. 97 Stübgen, Michael CDU/CSU 26. 11. 97 Vosen, Josef SPD 26. 11. 97 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 26. 11. 97 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Einzelplan 14 - Bundesministerium der Verteidigung Hans Büttner (Ingoldstadt) (SPD): 1. Meine Ausführungen über die Lage der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, wie ich sie bereits am 11. November 1993 in einer aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages formuliert habe, gilt im Grundsatz noch heute: CDU/CSU und F.D.P. sowie die von ihnen gebildete Regierung haben bis heute im Gegensatz zu den USA, Frankreich, England oder Japan auf eine eigenständige Industrie- und Technologiepolitik verzichtet. Die Investitionsentscheidungen der Regierung sind planlos und auch für die Unternehmen der Luft- und Raumfahrtindustrie kaum planbar. Zu lange wurde im Rahmen der europäischen Koordinierungsbemühungen zivile und militärische Kooperation im Bereich der Luft- und Raumfahrt getrennt verfolgt. Auch nach Abschluß der WTO-Abkommen, die eine staatliche Subventionie- rung ziviler Luft- und Raumfahrtprojekte auf Druck der USA nicht mehr oder nur noch eingeschränkt zuläßt, haben die Bundesregierung aber auch der in Deutschland industriell führende Daimlerkonzern an dieser Trennung festgehalten und damit wesentlich zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten in der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, sowie zu Technologieverlagerungen innerhalb der EU beigetragen. 2. Der Zusammenschluß von McDonnell Douglas und Boeing in den USA führt eindrucksvoll vor Augen, wie vordringlich die Schaffung einer europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie ist, die sowohl den zivilen als auch den militärischen Teil umfaßt. Denn nur so lassen sich Synergien in Forschung und Entwicklung sinnvoll zusammenfassen und ermöglichen eine annähernde Wettbewerbsgleichheit mit der US-amerikanischen Konkurrenz, bei der zivile Subvention über den militärischen Bereich auch unter den jetzt gültigen WTO-Regeln möglich bleibt. 3. Bis zum Ende des kalten Krieges 1989 war der militärische Bereich der Luft- und Raumfahrtindustrie weitgehend von rein militärischen Vorgaben bestimmt. Ansätze einer besseren Verzahnung mit dem zivilen Bereich, was technologie- und strukturpolitisch sinnvoll gewesen wäre, sind weitgehend unterblieben und wurden zum Beispiel vom Daimlerkonzern gegen die Vorstellungen der Arbeitnehmervertretung in der Praxis auch nach dem Ende des kalten Krieges konterkariert. Dabei spielte die Regierungskoalition eine erbärmliche Rolle. Obwohl erhebliche staatliche Forschungsmittel und Aufträge dem Konzern zufließen, wurde weitgehend unterlassen, eigene struktur- und technologiepolitische Vorstellungen durchzusetzen. 4. Die Mitte der achtziger Jahre getroffene Entscheidung auf europäischer Ebene ein eigenes Jagdflugzeug, den Jäger 90, zu entwickeln und zu beschaffen, hatte neben den unter dem Gesichtspunkt des kalten Krieges militärischen Anforderungen auch das Ziel, eine eigenständige militärische Komponente einer europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie aufzubauen. Ob die damals formulierten militärischen Anforderungen sinnvoll oder zumindest geboten waren, kann heute dahingestellt bleiben. Daß man dabei so sehr auf die eigenständige militärische Komponente im Rahmen europäischer Kooperation setzte, anstatt bereits damals auf eine sinnvolle Verzahnung militärischer und ziviler Komponenten abzuzielen, ist im nachhinein nur damit zu erklären, daß strukturpolitische Entscheidungen angesichts der Erfahrungen des kalten Krieges in dem Glauben getroffen wurden, mit dem militärischen Konzept stünde man auf einer krisenunabhängigen sicheren Seite. Dies erweist sich nun speziell für Bayern nach dem Zusammenbruch des Ostblocks als eine - damals nicht voraussehbare - Fehlentscheidung. 5. Inwieweit der Jäger 90 bzw. der Eurofighter bzw. das EFA 2000 heute militärisch als vordringlich betrachtet werden kann, muß zumindest hinterfragt werden. Sowohl die Veränderung der Bedrohungssituation nach dem Zusammenbruch des Ostblocks als auch die sich neu entwickelnden Aufgabenstellungen einer europäischen Verteidigungsorganisation, haben bereits 1993 den Schluß zugelassen, daß unter den neuen Gegebenheiten eine europäische Entscheidung für den Eurofighter in seiner damaligen Form nicht getroffen worden wäre. Bereits damals bestand unter den Fachleuten die mehrheitliche Meinung, daß angesichts der neuen militärischen Situation und Aufgabenstellung, sowie den gebotenen neuen Kooperationsformen zwischen ziviler und militärischer Luft- und Raumfahrtindustrie in Europa, das Projekt Future Large Aircraft (FLA) Priorität hätte erhalten müssen. Entsprechende Vorschläge hat die SPD-Bundestagsfraktion bereits damals nach Abstimmung mit dem Konzernbetriebsrat der DASA unterbreitet. Ein sinnvolles Umsteuern auf die neuen Gegebenheiten bei Sicherung der vorhandenen Arbeitsplätze sowie des technischen Know how an den Standorten wäre möglich gewesen. Entsprechende Initiativen auf europäischer Ebene hat die Bundesregierung jedoch ebenso unterlassen wie auch der Daimlerkonzern nicht von seiner strikten Trennung von militärischer und ziviler Luft- und Raumfahrt Abstand genommen hat. 6. Die jetzt vorliegende Beschaffungsvorlage für den Eurofighter wird all diesen Anforderungen nicht gerecht. Sie läßt weder erkennen, ob die Gesamtzahl der zu beschaffenden Jagdflugzeuge angesichts der gemeinsamen europäischen Verteidigungsaufgaben sinnvoll ist, noch zeigt sie Perspektiven auf, wie auf Grund der europäischen Haushaltszwänge die notwendige FLA-Projektierung vorangetrieben werden kann. Allerdings ist das Projekt Eurofighter derzeit das wichtigste Unternehmen europäischer Kooperation militärischer Luftfahrt und damit eine wichtige Ergänzung der Bemühungen zum Aufbau einer gemeinsamen europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie als Gegenpol zu dem sich übermächtig entwickelnden US-amerikanischen Konzern Douglas/ Boeing. Die trotz hoher nationaler staatlicher Forschungs- und Auftragsmittel wenig nationale Standortverantwortung zeigende Haltung des DASA-Daimlerkonzerns läßt zudem befürchten, daß jetzt ein Ausstieg aus dem Eurofighterprogramm in Deutschland zu einem erheblichen Verlust von Know-how und Arbeitsplätzen im Bereich der Luft- und Raumfahrtindustrie führen würde, was bei einem früheren Tätigwerden der Bundesregierung hätte vermieden werden können. 7. Der Deutsche Bundestag steht auf Grund der konzeptionslosen Luft- und Raumfahrtpolitik der Bundesregierung deshalb vor einer schwierigen Entscheidung: Ein Ja zu der Vorlage bindet auf Jahre die beschränkten öffentlichen Mittel für ein Projekt, das sowohl was das Know-how als auch die Zahl der Jäger angeht, sicherheitspolitisch nicht die höchste Priorität besitzt. Ein Nein würde zwar langfristig die Chancen auf eine schlagkräftige, verzahnte europäische Luft- und Raumfahrtindustrie verbessern, mittelfristig aber Arbeitsplätze und Know-how in Deutschland gefährden und wahrscheinlich unwiderbringlich in andere europäische Länder verlagern. Vor diesem Hintergrund kann ich dem Einzelplan 14 und der darin enthaltenen Beschaffungsvorlage nicht zustimmen. Zwar halte ich eine grundsätzliche positive Entscheidung für die Beschaffung für richtig, nicht jedoch die in der Vorlage genannte Anzahl. Angesichts der Aufgaben, die die nationalen europäischen Streitkräfte im Rahmen der EU und der NATO und als Auftragnehmer von UNO-Aufgaben wahrnehmen können sollen, bezweifle ich, daß die in der Vorlage genannte Beschaffungszahl erforderlich ist. Insofern sehe ich mich auch durch die Stellungnahme des Bundesrechnungshofes bestätigt. Statt dessen ist zu prüfen, die durch eine geringere Beschaffung frei werdenden Mittel unverzüglich in ein FLA-Projekt zu stecken, das sich zudem auch im zivilen Bereich nutzen läßt. Dabei haben auch die Herstellerkonsortien finanzielle Verantwortung mit zu übernehmen. Auf Grund dieser Position kann ich aber auch dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht zustimmen. Der Antrag meiner eigenen Fraktion enthält zwar die meisten der von mir aufgeführten Positionen, er kommt jedoch zu einem anderen Schluß, weshalb ich mich dabei, nach sorgfältiger Gewissensprüfung, der Stimme enthalten werde. 8. Diese Entscheidung treffe ich auch mit Rücksicht auf die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Falsche politische Entscheidungen der CDU/CSU und der Bundesregierung sowie des Daimlerkonzerns dürfen nun nicht auf dem Rücken der betroffenen Werktätigen ausgetragen werden. Allerdings weise ich auch entschieden verdeckte Drohungen einiger Betriebsräte zurück, die an dem Abstimmungsverhalten zu dem Projekt ein Für oder Wider von Arbeitnehmerinteressen festmachen wollen. Die Verantwortung für den Verlust von Arbeitsplätzen in der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie tragen ausschließlich die Parteien, die seit nunmehr 15 Jahren die Mehrheit im Parlament stellen. Sie haben sowohl beim Aufbau einer gemeinsamen europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie versagt, als auch beim Erstellen eines längerfristig tragbaren europäischen Sicherheitskonzepts. Sie haben zudem alles unterlassen, die Konzerne in die Arbeitsplatz- und Standortverantwortung mit einzubeziehen. Vor allem der Daimlerkonzern, die Bundesregierung und die Bayerische Staatsregierung haben deshalb jetzt dafür zu sorgen, im Interesse der Sicherung der Standorte in Bayern und insbesondere in Manching, daß die technologischen Voraussetzungen des Standorts und die Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu genutzt werden, sowohl militärische als auch zivile Entwicklung und Flugerprobung in Manching zu konzentrieren. Nur so läßt sich dau- erhaft garantieren, daß hochwertige Arbeitsplätze in Bayern und am Standort Manching erhalten bleiben. Die Arbeitnehmervertretungen in der Luft- und Raumfahrtindustrie sollten, wie ihre Vorgänger in der Vergangenheit, auf diesen Zusammenhang hinweisen und sich nicht zum Büttel einer arbeitnehmerfeindlichen Industrie- und Wirtschaftspolitik machen lassen. Dr. Olaf Feldmann (F.D.P.): 1. Der Eurofighter ist ein Relikt des kalten Krieges. Weder Freiheit noch Sicherheit Deutschlands hängen vom Eurofighter ab. Der Eurofighter hat keine nationale Priorität. Dem Eurofighter fehlt der militärische Gegner. Der Gegner ist offensichtlich weniger militärischer, sondern mehr industriepolitischer Art. Ich bin nicht bereit, ein Wettrennen zwischen europäischer und amerikanischer Rüstungsindustrie mit deutschen Steuergeldern zu subventionieren. 2. Unsere außenpolitische Leitidee ist zwar supranational, doch verteidigungspolitisch handeln wir immer noch national. Wir müssen unsere sicherheitspolitische Konzeption grundlegend überdenken. Die Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, GASP, ist überfällig. Vor der Entscheidung für einen Jäger brauchen wir ein Konzept für eine wirklich gemeinsame Verteidigung in Europa und eine echte Aufgabenverteilung im Bündnis. Nicht jeder Staat muß alles haben: den besten Panzer, den besten Jäger, die beste Fregatte. 3. Die dem Parlament zugesagte Möglichkeit, getrennt über Entwicklung und Beschaffung des Eurofighters jeweils frei entscheiden zu können, ist faktisch nicht gegeben. Dabei zieht das Argument der Vertragstreue im Bündnis allerdings nicht: Es gibt bisher keinen Produktionsvertrag - somit auch keinen Vertrauensbruch. Abgesehen davon sind gerade die Briten aus mehreren Gemeinschaftsprojekten ausgestiegen, vom Kampfhubschrauber Tiger bis zur Panzerhaubitze. 4. Der Eurofighter schafft keine, sondern gefährdet Arbeitsplätze, zum Beispiel im Heeresausrüstungsbereich. Der Verdrängungseffekt im Verteidigungshaushalt ist groß. Auch der Verteidigungsminister kann jede vom Parlament bewilligte Mark nur einmal ausgeben. Die Eurofighter-Arbeitsplätze sind hoch subventioniert und keine Arbeitsplätze unter marktwirtschaftlichen Bedingungen. 5. Angesichts der haushaltspolitischen Situation hat dieses 30 Milliarden teure, größte deutsche Rüstungsprojekt keine Priorität. Diese 30 Milliarden würden besser zur Entlastung des Haushalts und der Steuerzahler eingesetzt. Ich kann der Beschaffung des Eurofighters nicht zustimmen. Da ich den Einzelplan 14 ansonsten mittrage, wähle ich die mildeste Form der Ablehnung und enthalte mich. Gabriele Fograscher (SPD): Die Bundeswehr hat den Auftrag der Landes- und Bündnisverteidigung. Dazu gehört auch in Zukunft die Fähigkeit der Luftverteidigung in einem Verteidigungskonzept der Streitkräfte. Für die Luftverteidigung ist ein modernes Jagdflugzeug unverzichtbar. Die Phantom ist veraltet, es bedarf der Anschaffung eines modernen Jagdflugzeuges. Da eine derartige Investition aus diesen Gründen nötig ist, halte ich es für sinnvoll, daß ein neues Jagdflugzeug in Deutschland bzw. mit deutscher Beteiligung entwickelt und gebaut wird. Sicherlich ist dabei auch die Verläßlichkeit Deutschlands als Bündnispartner von Bedeutung. Obwohl die Beschaffungsvorlage der Bundesregierung für den Eurofighter 2000 nicht alle Fragen beantwortet (technischer Entwicklungsstand, Hauptbewaffnung, Kostenvolumen), kann ich in der jetzigen Situation nur für die Beschaffung des Eurofighters 2000 stimmen. Die Beschaffung des Eurofighters 2000 sichert in den nächsten 15 Jahren etwa 18 000 hochqualifizierte Arbeitsplätze in der Luft- und Raumfahrtindustrie und auch in der Zulieferindustrie. Die meisten dieser Arbeitsplätze befinden sich in Bayern, zahlreiche im Regierungsbezirk Schwaben. Bis heute gibt es kein alternatives ziviles Projekt, das diese Arbeitsplätze sichern könnte. Als bayerische und vor allem als schwäbische Abgeordnete ist mir sehr an dem Erhalt dieser qualifizierten Arbeitsplätze gelegen. Mit der Zustimmung zu diesem Rüstungsprojekt ist mein persönlicher Gewissenskonflikt nicht gelöst. Es bleibt weiterhin mein Ziel, daß Arbeitsplätze im zivilen Bereich gesichert und geschaffen werden, Konversionsprogramme entwickelt und Abrüstungsbemühungen verstärkt werden. Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Ich kann der Beschaffung des sogenannten Eurofighters nicht zustimmen. Nach dem insoweit unwidersprochenen Gutachten des Bundesrechnungshofes beträgt zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Preis für den Ankauf von 180 Flugzeugen über 30 Milliarden DM. Das ist angesichts der finanziellen Lage des Bundeshaushaltes und angesichts des mangelhaften Standes der Entwicklung und Erprobung schon wirtschaftlich nicht vertretbar. Die Zweckbestimmung des Flugzeugs bleibt unklar, sein Export in Länder auch außerhalb der NATO wird nicht verhindert werden können. Ich bin der Überzeugung, daß die Bundesrepublik weit mehr Sicherheit erwerben könnte, wenn sie statt dessen auch nur einen Bruchteil dieses Betrages für soziale Aufgaben, für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und für Bildung und Ausbildung im Inland, in Europa und in Ländern der Dritten Welt investieren würde. Ich begrüße es, daß durch die ausdrückliche Abstimmung im Plenum die individuelle Verantwortung jedes einzelnen Abgeordneten für seine Entscheidung in dieser Sache festgestellt wird. Ich stimme daher dem Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 13/9209 zu und werde mich bei dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/9145 der Stimme enthalten, weil ich die Begründung nicht teile. Dr.-Ing. Rainer Jork (CDU/CSU) und Hans-Dirk Bierling (CDU/CSU): Wenn wir heute der Produktion des Eurofighters im Zusammenwirken europäischer Staaten mit deutschem Anteil zustimmen, dann nicht in Erwartung einer kurzfristigen, unmittelbaren Bedrohung der Bundesrepublik oder allein geprägt durch einen positiven Erwartungseffekt für technische Innovation und Arbeitsplätze in Deutschland. Geprägt durch den tiefen Wunsch, daß gewaltsame Konflikte und Kriege - möglichst bereits im Ansatz - verhindert werden mögen, glauben wir jedoch nicht, daß ein waffenloses, zu wenig wehrfähiges oder gar ein neutrales Deutschland ungefährdet oder zur Friedenssicherung ausreichend in der Lage wäre. Nüchternes Denken und verantwortungsvolles Handeln kann sich nicht auf Utopien und Wunschdenken allein gründen, sondern muß auf realen Bedingungen fußen. Real ist leider in unserer Welt, daß durch Ignoranz und Begierde, gepaart mit Aggressivität, täglich neue größere oder kleinere Konflikte vom Zaune gebrochen werden, daß Wehrlosigkeit eher zu Aggression ermutigt. Wenn Verteidigungsfähigkeit gefragt ist, dann halten wir, auch im Interesse der Sicherheit unserer Soldaten, ein ausreichend hohes technisches Niveau für erforderlich. Verfügbarkeit über Waffensysteme muß im Einklang mit Verantwortung für die Schöpfung einhergehen. Wir vertrauen auf die Mechanismen in unserer Demokratie, die dieser Verantwortung zu entsprechen haben und jedwede Aggression verhindern müssen und können. Wir hoffen und fordern, daß in Zukunft eine aktionsfähige Gemeinschaft, vor allem in Europa, entsteht, die sich rechtzeitig und wirksam dafür einsetzt, daß Kriege bereits im Ansatz verhindert werden. Dann muß auch die Zeit kommen, in der die steigenden Ausgaben für hochkomplizierte Waffensysteme zugunsten humanistischer Anliegen weiter reduziert werden. Ernst Kastning (SPD): Zur Erfüllung des Auftrages der Bundeswehr, der Landes- und Bündnisverteidigung, gehört auch künftig die Fähigkeit zur Luftverteidigung in einem kombinierten Verteidigungskonzept der Streitkräfte. Die Erhaltung der Luftverteidigungsfähigkeit erfordert die Beschaffung eines modernen Jagdflugzeuges, das die Phantom ablöst, deren Lebensdauer erschöpft und deren Technologie veraltet ist. Ausgehend von dieser Grundüberzeugung halte ich aus Gründen der Verteidigungssicherheit (mit industriepolitischem Nebeneffekt) und der Verläßlichkeit Deutschlands im Bündnis die Beschaffung des Waffensystems Eurofighter 2000 für erforderlich. Obwohl die Beschaffungsvorlage der Bundesregierung noch einige Fragen bezüglich des technischen Entwicklungsstandes des Flugzeugs und seiner Hauptbewaffnung sowie des gesamten Kostenvolumens aufwirft, kann ich in der jetzigen konkreten Entscheidungssituation nur mit ja stimmen. Da die Bejahung des Beschaffungsvorhabens Eurofighter nur über die Zustimmung zum Einzelplan 14 zum Ausdruck gebracht werden kann, werde ich dem Einzelplan 14 in der zweiten Lesung zustimmen. Daraus folgt konsequenterweise, daß ich zu allen Anträgen, die die Ablehnung dieses Beschaffungsvorhabens oder die Streichung des entsprechenden Haushaltsansatzes zum Ziel haben, mit nein stimmen werde. Roland Kohn (F.D.P.): Gemäß § 31 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages erkläre ich zu meinem Abstimmungsverhalten zum Eurofighter folgendes: Den vorliegenden Anträgen, die Beschaffung des Eurofighter generell abzulehnen, stimme ich nicht zu. Da der Eurofighter aber mit erheblichen technischen, finanzpolitischen, haushaltspolitischen und sicherheitspolitischen Problemen behaftet ist, trage ich den Beschaffungsvorschlag der Bundesregierung zum Eurofighter nicht mit. Richtig wäre es gewesen, dem Vorschlag des Bundesrechnungshofes zur Risikominderung zu folgen, und jetzt bis zu 100 Flugzeuge zu beschaffen; über die Beschaffung weiterer Flugzeuge jedoch erst nach Abschluß des Truppenversuchs und nach Vorlage der Einführungsgenehmigung für das vollständig ausgerüstete und bewaffnete Waffensystem, voraussichtlich im Jahre 2007, erneut zu beschließen. Manfred Kolbe (CDU/CSU): Grundsätzlich stimme ich dem Bau und der Beschaffung des Eurofighters 2000 zu. Neben der militärischen Notwendigkeit halte ich es insbesondere auch für erforderlich, daß Europa und Deutschland im Flugzeugbau nicht den internationalen Anschluß verlieren. Gerade im Flugzeugbau steckt ein großes Innovationspotential, zum Beispiel in der Flugtechnik, der Computertechnik, der Elektronik und der Metallurgie. Flugzeugbau ist High-Tech, bedeutet Zukunft, und deshalb ist es grundsätzlich richtig, das Flugzeug in Europa zu bauen und nicht in den USA oder Rußland zu kaufen. Vor diesem industriepolitischen Hintergrund ist es aber nicht akzeptabel, daß die Industrie in den östlichen Bundesländern am deutschen Auftragsvolumen von über 23 Milliarden DM nach Mitteilung des Bundesverteidigungsministeriums nur mit 45 Millionen DM beteiligt ist, also mit nur 0,2 Prozent! Seit 1992 ist immer wieder auf die Notwendigkeit einer angemessenen Beteiligung von Unternehmen aus den östlichen Bundesländern an der Produktion hingewiesen worden, ohne daß in diesen fünf Jahren Ergebnisse erzielt worden sind. Die Bundesregierung wird auch unglaubwürdig, wenn sie einerseits von der Wirtschaft ein stärkeres Auftragsvolumen Ost einfordert, andererseits bei eigenen Auftragsvergaben es nicht durchsetzt. Aus diesem Grunde enthalte ich mich heute der Stimme. Heidemarie Lüth (PDS): Ich stimme dagegen, weil der Eurofighter eine militärpolitische Unsinnigkeit ersten Ranges darstellt. Ich stimme dagegen, weil die Anschaffung des Eurofighters nur die Interessen der Rüstungsindustrie befriedigt und ihrer Profitmaximierung dient. Ich stimme dagegen, weil die Anschaffung des Eurofighters mit Anschaffungskosten von über 100 Milliarden DM verbunden ist. Ich lehne die Anschaffung des Eurofighters gemeinsam mit 80 Prozent der Bevölkerung der Bundesrepublik ab. Ich lehne die Anschaffung des Eurofighters ab, weil ich damit auch dem Votum des Petitionsausschusses entspreche. Ich lehne die Anschaffung des Eurofighters ab, weil gerade auch noch in den vergangenen Tagen und Wochen Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel in Chemnitz und in Leipzig, Vereine wie Friedensweg e.V. und der Versöhnungsbund e.V. auf den Straßen Unterschriften gegen die Anschaffung gesammelt haben. Ich stimme gegen die Anschaffung des Eurofighters, weil die durch ihn ermöglichte Sicherung der Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie einem Vielfachen in der zivilen Produktion und noch mehr Arbeitsplätzen im sozialen Bereich gegenüberstehen. Ich lehne die Anschaffung des Eurofighters ab, weil mit seinem Bau die weltweite Aufrüstung weiter angeheizt wird. Ich lehne die Anschaffung des Eurofighters ab, weil nicht die Aufrüstung auf der Tagesordnung steht, sondern Senkung der Militärausgaben und Erhöhung der Ausgaben für friedliche Konfliktbewältigung und Zivilen Friedensdienst. Dr. Martin Pfaff (SPD): Auch wenn ich den Haushaltsplan des Bundesministers für Verteidigung in seiner Gesamtheit ablehne, möchte ich mich hiermit für die Fortführung des Projektes Eurofighter aussprechen. Um die wesentlichen Begründungen nochmals klarzumachen, folgen die entscheidenden Punkte: Wie mir die Verteidigungsexperten der SPD-Bundestagsfraktion versichern, benötigt die Bundesrepublik Deutschland aus sicherheitspolitischer Sicht einen Nachfolger für die Phantom. Es wäre naiv davon auszugehen, jegliche Bedrohung von außen sei seit Ende des kalten Krieges ein für allemal vorbei: Ein Ende der Geschichte gibt es nicht. Und ohne Verteidigungsfähigkeit steht unsere Zukunft auf wackligen Füßen. Ich spreche mich für das Projekt aber auch aus, weil wir - als eine der führenden Industrienationen - nicht von der technologischen Entwicklung abgekoppelt werden dürfen. Das Projekt ist eine technologisch gewaltige Herausforderung. Wir sollten selber das produktionstechnische Know-how entwickeln und realisieren, um einen zukunftsfähigen Hochtechnologie- und Produktionsstandort Deutschland zu fördern. Stellt die Bundesrepublik den Nachfolger der Phantom nicht im Inland her, muß dieser im Ausland gekauft werden. Da ist mir das Hemd schon näher als der Rock. Und ich befürworte auch nicht zuletzt als örtlicher Abgeordneter den Bau - und ich sage dies ganz offen -, weil insgesamt 18 000 hochqualifizierte Arbeitsplätze, davon 500 bis 600 allein in Augsburg, betroffen sind - mitsamt der schicksalhaften Bedeutung für die potentiell betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DASA und deren Familien. Eine - wie oftmals vorgeschlagene - Alternative, einen vergleichbaren Auftrag im zivilen Flugzeugbau aus öffentlichen Mitteln zu realisieren, wäre zwar auch aus meiner Sicht wünschenswert, ist jedoch in Anbetracht der desolaten Haushaltslage leider absolut realitätsfern. Auch wenn mit dem Projekt sofort begonnen würde, würden die Arbeitsplätze nicht rechtzeitig und im nötigen Umfang gesichert. Darüber hinaus möchte ich auch folgendes nochmals betonen: Ich halte die aktuelle und speziell die öffentliche Diskussion um die Produktion des Eurofighters für legitim, notwendig und demokratisch gut. Es darf aber nicht vergessen werden, daß die durchaus begründete und verständliche Heftigkeit der Diskussion, den Gutteil der Brisanz diejenigen zu vertreten haben, die in Bonn an den Schalthebeln der Macht sitzen. Schließlich ist es die Regierungskoalition, welche die Verantwortung für die gegenwärtige wirtschafts- und finanzpolitische Misere trägt. Hätten wir heute nicht ein solch dramatisches Ausmaß an Arbeitslosigkeit, könnten und würden öffentliche Steuermittel reichhaltiger fließen und die kostenbezogene Debatte müßte für niemanden so weit in den Vordergrund gerückt werden. Diese aktuelle Problematik des Eurofighter-Projektes ist nicht von der Opposition zu verantworten. Ich habe mich nachhaltig bemüht, bei den zuständigen Ministerien in Bonn und vor Ort den Vorschlägen der DASA-Betriebsräte in Richtung Konversion zur Realisierung zu verhelfen. Leider waren auch diese Bemühungen vergeblich. Auch deshalb fühle ich mich bestärkt in meiner Haltung für den Bau des Eurofighters. Aus den genannten Gründen stimme ich gegen den gesamten Verteidigungshaushalt, obwohl ich für das Projekt Eurofighter bin, und ich stimme auch deshalb gegen den Antrag der Grünen. Mit vielen Argumenten meiner eigenen Fraktion stimme ich überein, komme aber zu anderen Schlußfolgerungen. Deshalb werde ich mich bei diesem Antrag enthalten. Jürgen Türk (F.D.P.): Ich stimme gegen den oben genannten Änderungsantrag, weil er generell die Streichung der Kosten für die vorgesehene Beschaffung des Eurofighters 2000 vorsieht. Ich habe aber eine ablehnende Haltung gegenüber der mit dem Verteidigungshaushalt zu beschließenden Beschaffungsanzahl des Eurofighters in der Höhe von 180 Stück, den zu hohen Stückpreis und der noch unzureichenden Erprobung. Um auch im Verteidigungsbereich sparsam mit Mitteln umzugehen, möchte ich folgendes empfehlen: Die Beschaffung einer begrenzten Anzahl neuer russischer Jagdflugzeuge (MIG 29 M) mit einem Stückpreis von 40 Millionen DM, und zwar als Ersatz für die alte MIG 29 A, die zur Zeit in der Bundeswehr Dienst tut. Diese kostengünstigere Beschaffung würde gleichzeitig schrittweise die militärische, politische und wirtschaftliche Integration Rußlands nachhaltig fördern. Die Bestellung einer ersten Losgröße Eurofighter 2000 bis zu 100 Stück. Ein weiterer Zukauf wird unter den Vorbehalt des Bedarfes gestellt. Einen Jagdflugzeugmix aus Eurofighter 2000 (mit großem Anteil) und MIG 29 M (mit kleinem Anteil) langfristig in Dienst zu stellen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Einzelplans 06 - Bundesministerium des Innern - und des Einzelplans 31 - Versorgung - Manfred Kanther, Bundesminister des Innern: Maßstab verantwortungsvoller Innenpolitik ist die Fähigkeit, auf wechselnde gesellschaftliche Problemfelder angemessen und zügig zu reagieren. Diesem hohen Anspruch ist die Bundesregierung auch in der laufenden Legislaturperiode in vollem Umfang gerecht geworden. Innenpolitik muß in erster Linie die innere Sicherheit als Grundlage der freien Entfaltung aller rechtstreuen Bürger festigen. Die Bekämpfung neu eingetretener Gefährdungslagen verlangt aber nicht nur das notwendige gesetzgeberische Instrumentarium. Ergänzend hinzukommen müssen grundlegende administrative Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene. Überall hat die Koalition in beeindruckender Weise das Handwerkszeug für die Verbrechensbekämpfung verstärkt: Das Verbrechensbekämpfungsgesetz rückt der organisierten Kriminalität über eine Kronzeugenregelung zu Leibe, verschärft den Haftgrund der Wiederholungsgefahr, führt das beschleunigte Verfahren ein und verschärft die Strafvorschriften gegen das Schlepperunwesen. Das Korruptionsbekämpfungsgesetz packt über strengere Strafvorschriften, die Einbeziehung von Korruptionsvorgängen in der privaten Wirtschaft ins Strafrecht sowie über wesentliche Verschärfungen des öffentlichen Dienstrechts einen wichtigen Teilaspekt organisierter Kriminalität an. Das Bundeskriminalamtgesetz gibt der deutschen Zentralstelle zur Verbrechensbekämpfung eine moderne Rechtsgrundlage und klar definierte Eingriffsbefugnisse. Das Bundesgrenzschutzgesetz enthält das notwendige Instrumentarium für die vielfältigen und anspruchsvollen Aufgaben der Polizei des Bundes. Die Novellierung des Ausländergesetzes verbessert die Möglichkeiten zur Abschiebung schwerkrimineller Ausländer, auch als Reaktion auf die Beteiligung an gewalttätigen Demonstrationen. Der in der parlamentarischen Beratung befindliche Gesetzentwurf zur Änderung von Artikel 13 GG wird zusammen mit dem interfraktionellen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität das elektronische Abhören von Gangsterwohnungen ermöglichen und die Vorschriften gegen die Geldwäsche deutlich verbessern. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen können mit diesen Meilensteinen der Verbrechensbekämpfung in Deutschland endlich wichtige Lücken im Schutz der Bürger gegen das organisierte Verbrechen geschlossen werden. Im gemeinsamen Kampf gegen Alltags- und Massenkriminalität habe ich die Länder zu einer „Aktion Sicherheitsnetz" aufgerufen. Eine entschlossene Sicherheitsstrategie, die der heutigen Gefährdungslage gerecht werden will, muß auf einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Bürger aufbauen, alle staatlichen und kommunalen Kräfte bündeln, die Präsenz der Polizei verstärken, die Justiz in den staatlichen Sicherheitsauftrag stärker einbeziehen und sich zu einem konsequenten Vorgehen gegen jede Form von Kriminalität und Störung der öffentlichen Ordnung bekennen. Kriminalitätsbekämpfung gibt es allerdings nicht zum Nulltarif. Trotz Haushaltsengpässen hat der Bund seit 1993 seine Aufwendungen für Bundeskriminalamt und Bundesgrenzschutz kontinuierlich gesteigert. Allein für den Bereich des BGS ist der Haushaltsansatz von 2,15 Milliarden DM in 1993 auf 3,12 Milliarden DM in 1998 und damit um mehr als 45 Prozent angestiegen. Die Politik aller Länder muß diesen Weg entschlossen und kreativ mitgehen. Denn hier liegt ein entscheidendes Bewährungsfeld für eine funktionierende föderative Ordnung. Mit dem Aufbau des Europäischen Polizeiamtes Europol sind wir auch im europäischen Bereich entscheidend vorangekommen. Innerhalb eines vernünftigen Kontrollrahmens soll Europol Mitte 1998 seine Tätigkeit als leistungsfähige europäische Zentralstelle aufnehmen und uns international in die Lage versetzen, mit der Entwicklung der organisierten Kriminalität Schritt zu halten. Im Rahmen der Schengener Kooperation wurde die Zusammenarbeit vertieft. Der unverzichtbaren Sicherung der Außengrenzen dient die Neustrukturierung des Bundesgrenzschutzes, die unter anderem die polizeilichen Einsatzschwerpunkte an den Grenzen zu Polen und zur Tschechischen Republik personell und materiell massiv verstärkt. Die Zahl der dort eingesetzten Polizeivollzugsbeamten ist von 2700 im Jahr 1992 auf heute 5800 angestiegen. Nach Abschluß der Reform werden an diesen Grenzen insgesamt 7400 Polizeivollzugsbeamte im Einsatz sein. Das Konzept verdeutlicht insgesamt, daß die Erfüllung des polizeilichen Sicherheitsauftrages oberstes Ziel und damit zentraler Ausgangspunkt aller konzeptionellen Überlegun- gen zur Neukonzeption des Bundesgrenzschutzes ist. Schwerpunkt im Bereich der Ausländerpolitik war die Novellierung des Ausländergesetzes. Sie ermöglicht nicht nur die erleichterte Ausweisung schwerkrimineller Ausländer, sondern regelt auch andere, die Integration von Ausländern verbessernde Bereiche, die sich die Koalition zu Beginn dieser Legislaturperiode zum Ziel gesetzt hatte. Vor allem geht es auch weiterhin um eine entschiedene Umsetzung des geltenden Rechts in administrative Praxis - ein immerwährender Auftrag vor allem für die Länder. Im Bereich des öffentlichen Dienstes gestaltet das Dienstrechtsreformgesetz 1997 das Beamtenrecht unter Aspekten von Effizienz, Leistung, Mobilität und Führungsverhalten im öffentlichen Dienst grundlegend neu. Der versorgungsrechtliche Teil dieser Reform setzt den von mir vorgelegten Versorgungsbericht um: Neben der Anhebung der allgemeinen Antragsaltersgrenzen, der Kürzung der Zurechnungszeiten bei Dienstunfähigkeit und der Begrenzung des Ruhegehalts wird in Zukunft insbesondere die Bildung einer Versorgungsrücklage aus Beiträgen der Beamten im Vordergrund stehen. Diese Rücklage wird bis zum Jahr 2013 auf 66 Milliarden DM angestiegen sein und es damit ermöglichen, die prognostizierten Versorgungsausgaben der Gebietskörperschaften zu mindern. Das ehrgeizige Ziel „schlanker Staat" ist auf gutem Weg. Das Gesetz zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren steht beispielhaft für den Abbau überflüssiger Reglementierung. Die erfolgreiche Neustrukturierung des gesamten Zivilschutzes sollte auch anderen Bereichen erschließbares Verschlankungspotential ebenso wie den Weg zeigen, mit weniger Mitteln effektivere Strukturen zu verwirklichen. Der Sachverständigenrat „schlanker Staat" hat seine Arbeit am 12. September 1997 beendet und konkrete Neuerungsschritte zu diesem Thema und ihrer schnellen Umsetzung in die Praxis vorbereitet. Der auf Staatssekretärsebene eingesetzte Lenkungsausschuß Verwaltungsorganisation wird die vielfältigen Ansätze zur Modernisierung der Bundesverwaltung übergeordnet steuern und jährlich über die Fortschritte der Modernisierungsmaßnahmen auch im Hinblick auf den Berlin-Umzug informieren. Weitere Erfolge kann die Bundesregierung auch in dem schwierigen Bereich der Aussiedlerpolitik verbuchen. Die Lage der deutschen Minderheiten in Osteuropa hat sich fast überall stabilisiert. Mit deutlich weniger als 150 000 Personen ist für 1997 der geringste Zuzug seit 1987 zu erwarten. Schließlich hat das mit den Ländern abgestimmte Wohnortzuweisungsgesetz zu einer besseren Verteilung der Aussiedler in Deutschland beigetragen. Das erleichtert die notwendige Integration. Das gleiche gilt für die eingeführten Sprachprüfungen, die zugleich den Mißbrauch der Zuzugsmöglichkeiten einschränken. Vier Jahre Kulturarbeit des Bundesinnenministeriums stehen für weitere Fortschritte auf dem Weg zur inneren Einheit. Das mit Beginn des Haushaltsjahres 1995 für die neuen Länder und Berlin ins Werk gesetzte „Leuchtturmprogramm" ist auf bundesweite Beachtung gestoßen. Dankenswerterweise hat die Kulturpolitik der Bundesregierung immer großes Verständnis beim Deutschen Bundestag gefunden. Sie kann daher auch 1998 fortgesetzt werden. Vor allem im Denkmalschutz können wir nicht sparen, sondern müssen jetzt handeln, damit nicht unwiderbringliche Kulturgüter verloren gehen. Im Sport ist es in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Sportbund gelungen, neue Konzepte zu entwickeln, die einen noch effektiveren Einsatz der Bundesmittel zur Förderung des Spitzensports ermöglichen. Gerade mit Blick auf die im nächsten Jahr mit den Olympischen Winterspielen und den Paralympics in Nagano/Japan anstehenden sportlichen Großereignisse sind damit erfolgreiche Weichen für die Zukunft gestellt. Der Sport bleibt aber weiter gefordert, die verschiedenen Strukturelemente in einem nationalen Spitzensportkonzept zusammenzuführen, wobei insbesondere dem Nachwuchsbereich ein besonderer Stellenwert zukommt. Ziel ist es, ein durchgängiges Förderkonzept von der Talentsichtung bis zur Begleitung der Weltklasseathleten zu schaffen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Schäuble


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Es geht einfach nicht an, in dieser Tonart, wie es hier geschehen ist, über die Probleme des Länderfinanzausgleichs und gesamtstaatlicher Solidarität zu sprechen. Gesamtstaatliche Solidarität gibt es auch gegenüber dem Bundeshaushalt. Diese gesamtstaatliche Solidarität ist in den letzten Jahren von der Mehrheit der

    Dr. Wolfgang Schäuble
    Bundesländer gegenüber dem Bund nicht in ausreichendem Maße erbracht worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wenn wir jetzt dabei sind - vielleicht haben wir doch eine Chance, spät, allzu spät -, den einen oder anderen Punkt voranzubringen, dann muß man auch einmal die Tatbestände, die in unserem Lande nicht in Ordnung sind, beschreiben. Ich nenne einmal eine Bagatelle. Aber eigentlich ist sie keine Bagatelle; sie ärgert die Menschen gründlich. In diesen Tagen verschicken die Allgemeinen Ortskrankenkassen in allen Bundesländern mit Ausnahme des Freistaats Bayern an ihre Mitglieder die Aufforderung, 20 DM als Sonderzahlung zugunsten der Krankenhäuser zu überweisen. Warum ist das notwendig? Das muß man an einem konkreten Beispiel klarmachen. Alle Bundesländer mit Ausnahme des Freistaats Bayern leisten nicht die eigentlich ihnen zufallenden Ausgaben für die Investitionen in Krankenhäusern. Das ist der erste Punkt: Die Bundesländer verweigern die notwendigen Leistungen.
    Der zweite Punkt ist: Wenn es die Länder - mit Ausnahme von Bayern - nicht bezahlen, müssen es die Krankenkassen bezahlen. Wer soll es sonst bezahlen? Die Mehrheit im Bundesrat verweigert die Zustimmung zu der notwendigen Finanzierung über die Beiträge, so daß am Ende dann, wenn man die Krankenhäuser nicht hängenlassen will, nur dieser, der schlechteste aller denkbaren Wege, bleibt. Aber es ist der einzige Weg, diese 20 DM, die eigentlich die Bundesländer leisten müßten, außerhalb des Beitragseinzugsverfahrens von den Versicherten zu bekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist eine Form von Blockade und von Mißbrauch der Bundesratsmehrheit, von der ich finde, daß man damit aufhören sollte.

    (Hannelore Rönsch [Wiesbaden] [CDU/ CSU]: Er hört nicht zu, er schwätzt nur!)

    - Das macht nichts, solange er nicht stört und keine beleidigenden Zwischenrufe macht. Nein, Frau Rönsch, lassen Sie ihn. Zuhören muß er nicht.
    Ich möchte noch einige Punkte nennen. Der Bundeskanzler hat in seiner großartigen Rede alles Wichtige zur deutschen Politik und zur Politik der Koalition gesagt. Ich möchte Ihnen, Herr Bundeskanzler, für diese großartige Rede den Dank meiner Fraktion aussprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich möchte mich nach der Rede von Herrn Lafontaine auf ganz wenige konkrete Punkte beschränken und sage das eine: Nicht die deutsche Einheit ist das Problem, wie Sie immer tun. Das Problem liegt darin, daß in der Welt Veränderungen stattfinden, die ganz neue Herausforderungen an unsere Wettbewerbsfähigkeit stellen. Das Problem ist, daß die deutsche Wirtschaft darauf in weiten Teilen zwar gut reagiert hat - die Produktivität ist gestiegen -, sich dies aber mit Rationalisierungsfortschritten vermischt. Deswegen haben wir noch immer nicht die entsprechenden
    Fortschritte auf dem Arbeitsmarkt, die wir dringend brauchen.
    Wenn wir dies wirklich ändern wollen, muß die Politik dazu den Beitrag leisten, den sie leisten kann. Aber die Politik kann nicht alles machen. Die Tarifpartner müssen wie auch alle anderen in Wirtschaft und Gesellschaft ihren Teil dazu leisten. Aber wenn wir den Teil, den Politik dazu leisten kann und muß, leisten wollen, dann geht es nicht mit Umfinanzierungen, sondern dann geht es nur, indem wir den Anstieg der Ausgaben durch strukturelle Reformen begrenzen. Hierin liegt unsere Meinungsverschiedenheit bezüglich der Rentenversicherung.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Sie haben heute glücklicherweise das Thema „versicherungsfremde Leistungen", das sowieso nur ein Irrweg und eher ein Verhetzungsthema als ein Lösungsthema ist, gar nicht groß angesprochen.

    (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Das ist ja sehr interessant: „Verhetzungsthema! ")

    - Ja, natürlich. Wenn Sie aus der Rentenversicherung alle Leistungen herausnehmen, die nicht durch eigene Beiträge erworben sind, haben sie keinen solidarischen Generationenvertrag mehr. Dann könnte dies auch eine private Lebensversicherung machen. Das ist aber nicht unsere Vorstellung, und ich hoffe, auch nicht die Ihre.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich habe schon versucht, den Kollegen Fischer in Form einer Zwischenfrage darauf hinzuweisen: Die demographische Entwicklung, die der Bundeskanzler beschrieben hat, ist jedenfalls hinsichtlich der steigenden Lebenserwartung erfreulich. Wir sollten nicht darüber klagen, daß die Menschen im Durchschnitt länger leben dürfen, und zwar in besserer Gesundheit als frühere Generationen. Aber wenn dies mit rückläufigen Geburtenzahlen und sinkender Lebensarbeitszeit auf Grund steigender Ausbildungszeiten und eines niedrigeren Ruhestandseintrittsalters verbunden ist, dann ist völlig klar, daß bei dieser demographischen Entwicklung unser System der solidarischen Versorgung für den Ruhestand, der Generationenvertrag, nicht zukunftsfähig ist, wenn wir nicht die Kraft haben, die Renten durch strukturelle Reformen anzupassen. Herr Lafontaine, hier wieder von Rentenkürzungen zu reden war schamlos.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es geht darum, den Anstieg der Renten zu verlangsamen; nicht mehr und nicht weniger. Aber dies ist notwendig.

    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Das weiß er auch!)

    - Deswegen war es schamlos, die älteren Mitbürger erneut durch wahrheitswidrige Aussagen in Unsicherheit zu stürzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Dr. Wolfgang Schäuble
    Es geht nicht um Kürzungen.

    (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Doch!)

    - Nein, hören Sie mit Ihren Lügen und Verleumdungen auf.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Jetzt reicht es aber! Wer lügt denn hier?)

    Es ist wirklich ein Skandal, wie Sie die älteren Menschen wahrheitswidrig verunsichern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die demographische Entwicklung, die unbestreitbar ist, hat auch viele erfreuliche Aspekte. Ich sage es noch einmal: Angesichts der Fülle von Meldungen über Umweltskandale und Nahrungsmittelvergiftungen ist die Botschaft nicht schlecht, daß die Menschen länger leben und in besserer Gesundheit alt werden. So schlecht ist das nicht. Aber wenn die Rente in der Zukunft sicher bleiben soll, müssen strukturelle Reformen sein, die die Dynamik des Anstiegs der Rentenausgaben bremsen, weil unsere Rente anders auf die Dauer nicht zukunftssicher ist.
    Das, was wir, Norbert Blüm und die Koalition gemeinsam, als Rentenreform auf den Weg gebracht und im Bundestag verabschiedet haben, ist notwendig, um die Renten zu sichern. Anders sind sie nicht zu sichern.
    Deswegen ist Ihre Position, nur umzufinanzieren, auf der Ausgabenseite aber nicht zu Einsparungen bereit zu sein, im Interesse der Zukunftssicherheit der Rentnerinnen und Rentner nicht verantwortbar.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Herr Ministerpräsident Lafontaine, die Sache ist ganz einfach: Die Koalition, der Deutsche Bundestag hat nicht nur die Rentenstrukturreform beschlossen. Das unechte Vermittlungsergebnis haben wir zurückgewiesen. Wenn der Bundesrat Einspruch einlegt, werden wir diesen mit der notwendigen Kanzlermehrheit zurückweisen.

    (Jörg Tauss [SPD]: Blockierer!)

    - Wir werden ihn zurückweisen; dann tritt die Rentenreform in Kraft. Die Qualität Ihrer Zwischenrufe ist konstant niedrig, Herr Kollege.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der Deutsche Bundestag hat auch beschlossen, den Bundeszuschuß zur Rentenversicherung zu erhöhen, finanziert durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1 Prozent, und entsprechend den Beitragssatz in der Rentenversicherung zu senken. Darin sind wir uns einig.
    Es gibt Stimmen aus Ihrer Partei - es ist in Ordnung, daß es unterschiedliche Stimmen gibt -, die sagen: 2 Prozent, 3 Prozent. Über die Erhöhung des Bundeszuschusses um 1 Prozent zur Senkung des Rentenversicherungsbeitrags, finanziert durch Erhöhung der Mehrwertsteuer, sind wir uns aber offenbar einig. Dann, verehrter Herr Ministerpräsident, stimmt der Bundesrat zu, und das Gesetz tritt in Kraft. Insoweit sind wir einen Schritt vorangekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Detlev von Larcher [SPD]: „Kapituliert, dann ist es in Ordnung" ! )

    Wenn weitere Schritte zur Einigung möglich sind, soll es mir recht sein. An mir wird es ganz gewiß nicht liegen.
    Eines aber sage ich Ihnen: Glaubwürdigkeit gewinnt man nicht, indem man die Schritte, bei denen man einig ist, nur deswegen nicht macht, weil man sagt: In anderen Punkten ist man noch nicht einig. Wir werden nicht in allen Fragen Einigkeit erzielen; das wäre ja ganz schlimm. Das würde das Wechselspiel zwischen Mehrheit und Minderheit in der parlamentarischen Demokratie gefährden. Es ist aber verantwortungslos, wenn Sie bei den Punkten, in denen wir einig sind und für die wir die Zustimmung des Bundesrates brauchen, Ihre Zustimmung verweigern.
    Sie dürfen Ihre Zustimmung deshalb verweigern, weil die Koalition entsprechend dem Wählerauftrag auf den Feldern handelt, wo die Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich ist. Das tut sie nach dem Grundgesetz.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Jetzt komme ich zur Steuerreform. Sie haben, an die Zuschauerinnen und Zuschauer gewandt, gesagt
    - das machen Sie gern; da merkt man die Absicht -: Jeder private Haushalt, der Ausgaben plant, muß sich das und das überlegen. Herr Ministerpräsident Lafontaine, die Gleichsetzung von Ausgaben und Steuersenkungen offenbart einen Grundirrtum in Ihrem Denken.

    (Zustimmung des Abg. Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.])

    Nach unserem Verständnis ist es nicht so, daß schon alles, was nicht zu 100 Prozent besteuert wird, eine Subvention ist. Es ist umgekehrt. Eigentlich gehört das Geld den Bürgern. Der Staat nimmt einen erheblichen Teil davon an Steuern und Abgaben weg.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Deswegen sind Steuersenkungen keine Ausgabenprogramme. Das ist die Sache mit den Entlastungen und den Ausgaben. Schauen Sie, das Problem ist doch das folgende.

    (Ministerpräsident Oskar Lafontaine [Saarland]: Jetzt bin ich aber gespannt!)

    - Wenn Sie ein bißchen weniger unhöflich gewesen wären, hätten wir heute ganz friedlich debattieren können.

    (Lachen bei der SPD Dr. Peter Struck [SPD]: Da sind Sie gerade richtig, Herr Schäuble!)

    - An mir liegt es nun wirklich nicht. Lesen Sie das Protokoll nach. Die Zuschauerinnen und Zuschauer

    Dr. Wolfgang Schäuble
    werden, wenn sie während Ihrer Rede nicht abgeschaltet haben, das auch überprüfen. Ich bin ganz friedlich.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Wegen Ihrer Rede!)

    Wir haben der Steuerreformkonzeption, die wir im Januar, Herr Bundesfinanzminister, vorgestellt haben, die letzte Steuerschätzung zugrunde gelegt. Dann wurde sie beraten, auch in Gesprächen mit der SPD, die wegen der Bergarbeiterstreiks abgebrochen
    - das ist die Wahrheit - und nicht nur aufgeschoben worden sind. Als die Bergarbeiter nicht mehr gestreikt haben, war eine Terminvereinbarung nicht mehr möglich. Im Januar jedenfalls haben wir dieser Steuerreformkonzeption die aktuellste Steuerschätzung, nämlich die vom November 1996, zugrunde gelegt. Es ist doch so, Herr Bundesfinanzminister?
    Die Steuerschätzungen werden alle halbe Jahre abgegeben, und alle halbe Jahre verändern sie sich. In den letzten zwölf Monaten haben sie sich dramatisch verändert. Damals haben Sie - und viele andere
    - gesagt, eine Nettoentlastung in Höhe von 30 Milliarden DM sei zuviel, sei von Bund und Ländern nicht zu verkraften. Inzwischen - November 1997, ein Jahr später - liegt schon die zweite neue Steuerschätzung vor. In diesen zwölf Monaten sind die Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden laut Steuerschätzung ohne jede Steuersenkung um 30 Milliarden DM zurückgegangen.
    Das heißt, das Volumen, das Sie im Januar als zu hoch für eine Nettoentlastung erklärt haben, entspricht dem Einnahmeverlust, der ohne jede Entlastung eingetreten ist. Das beschreibt das Problem.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zurufe von der SPD)

    - Sogar der Kollege Diller hat das gestern in den Haushaltsberatungen beklagt. Sie können das doch nicht bestreiten.
    Jetzt stehen wir vor dem Problem, was wir tun können, um das zu ändern. Als erstes wird angeführt, die Steuerschlupflöcher zu schließen. Ich warne davor, zu glauben - schauen Sie genau hin! -, man müsse nur zwei Schlupflöcher schließen, und dann sprudelten die Steuereinnahmen wieder. Vielmehr müssen wir - das wird viel mühsamer sein - erstens generell Ausnahmen von der Besteuerung beseitigen.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Das ist der Punkt!)

    Zweitens aber müssen wir die Steuersätze, und zwar alle, deutlich senken.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Richtig!)

    Wenn wir dies nicht tun, werden immer mehr Entscheidungen von Wirtschaftssubjekten - Unternehmern, Arbeitnehmern, privaten Haushalten - immer stärker unter dem Gesichtspunkt getroffen werden, die zu hohe Steuerbelastung zu vermeiden:

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    durch Verlagerung ins Ausland, durch Nutzen von Ausnahmen oder was auch immer.
    Deswegen wird nur eine Kombination aus der Beseitigung von Ausnahmen und der Senkung aller Steuersätze, und zwar möglichst deutlich, das Phänomen der Erosion unserer Steuerbasis beseitigen können.

    (Beifall des Abg. Hans Michelbach [CDU/ CSU] Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!)

    Wenn wir ernsthaft darüber reden wollen, wie man das Problem beseitigen kann, muß eben jeder seine Position ein wenig verändern. Nachdem eine erneute Reduzierung der Steuereinnahmen um 30 Milliarden DM geschätzt wurde, hat der Bundesfinanzminister in der letzten Debatte - nicht gestern, sondern vor ein paar Wochen - gesagt, man müsse sich angesichts dieser Entwicklung stärker darauf konzentrieren, die Steuerstruktur zu verbessern.
    Sie, Herr Ministerpräsident Lafontaine, haben für die sozialdemokratische Seite lange gesagt - ich habe dafür eine Zeitlang ein gewisses Verständnis gehabt, glaube aber, daß diese Position aufgegeben werden muß -, Sie seien nur bereit, Gesetzesänderungen im Steuerrecht zuzustimmen, wenn sie vor der nächsten Bundestagswahl in Kraft treten. Das war Ihre Position, auf Grund deren wir uns auf 1998 konzentrieren mußten - wohlwissend, daß man eine richtige Steuerstrukturreform nicht in einem Jahr hinbekommt, sondern dafür ein paar Jahre braucht, sie in Stufen in Kraft setzen muß. Wenn Sie sich insofern bewegen, haben wir schon eine bessere Chance auf eine Einigung. Dann haben wir auch eine bessere Chance, uns beim Thema der Entlastungswirkungen, der Auswirkungen von Begrenzungen der Ausnahmen auf die Haushalte von Bund und Ländern, zu verständigen.
    Ich stehe nicht an, die Erfahrungen aus den Verhandlungen im Vermittlungsausschuß über die aufkommensneutrale Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer einzubeziehen. Es bestand ja das Problem, daß die Gewerbekapitalsteuer sofort wegfällt, während die Verbesserung der Einnahmen für die Kommunen durch Verbreiterung der Bemessungsgrundlage erst ein bis zwei Jahre später eintritt. Das hat zu einer Art Überkompensation der Ausfälle durch die Gewerbekapitalsteuer geführt. Also wird es vielleicht vernünftig sein zu sagen: Laßt uns über die zeitliche Reihenfolge der Vorhaben - Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und Inkraftsetzung der Steuersatzsenkung - so entscheiden, daß die öffentlichen Haushalte von Bund und Ländern nicht weiter notleidend werden. Aber Voraussetzung ist natürlich, daß beides in einem Gesetz festgelegt wird. Der Termin des Inkrafttretens ist der zweite Schritt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn wir uns darauf einigen, können wir uns ein Stück weit entgegenkommen.
    Aber Sie werden mit einer Senkung der Sätze - beispielsweise, wie Sie es vorgeschlagen haben, des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent - das Problem nicht lösen. Wenn Sie zu kurz springen, brauchen Sie erst gar keinen Anlauf, dann bleiben Sie gleich sit-

    Dr. Wolfgang Schäuble
    zen. Wenn wir nicht eine deutliche Senkung der Steuersätze, und zwar aller, zustande bringen, wird eine Steuerreform nicht zur notwendigen wirtschaftlichen Belebung und damit zu einer Verbesserung auf der Einnahmeseite führen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn wir das nicht zustande bringen, dann werden wir weiter daran zu leiden haben, daß die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht in der Geschwindigkeit auf den Arbeitsmarkt durchschlägt, wie wir es alle miteinander vor eineinhalb Jahren erwartet haben. Das war ja auch die Grundlage für die gemeinsamen Erklärungen von Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften.
    Wir dürfen uns nicht damit abfinden, daß wir ein so hohes Maß an Arbeitslosigkeit haben. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, daß wir zwar wirtschaftliches Wachstum haben, die Arbeitslosigkeit aber trotzdem nicht zurückgeht. Wir müssen wissen, daß die Veränderungen am Arbeitsmarkt viel dramatischer sind und daß wir mehr Bewegung und mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen müssen, wenn wir auf dem Weg zu einem Arbeitsmarkt, der stärker durch die Dienstleistungsgesellschaft geprägt sein wird, das Ziel „Arbeit für alle" nicht aus dem Auge verlieren wollen.
    In einer Zeit, in der die gesamtwirtschaftlichen Erträge ja nicht gering sind, in der die Vermögenswerte, die in Aktien stecken - wie die Kurszettel jeden Tag ausweisen -, in kurzer Zeit überall auf der Welt schnell zunehmen - manchmal nehmen sie auch wieder ab -, in einer solchen Zeit, in der sich die Fragen des sozialen Ausgleichs ganz anders und neu stellen als in der Vergangenheit, dürfen wir ja nicht sagen, daß die Frage des sozialen Ausgleichs weniger wichtig ist als in der Vergangenheit. Sie erfordert möglicherweise neue Antworten, wenn man auch in der Zukunft soziale Gerechtigkeit mit wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit verbinden will.
    Deswegen dürfen wir nicht bei den alten Besitzständen stehenbleiben. Deswegen ist auch alles, was wir unternehmen, um die Tarifpartner stärker in die Verantwortung zu nehmen, richtig. Deswegen, Herr Bundeskanzler, war es richtig, bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu sagen: Die Mindestregelung durch den Gesetzgeber wird zurückgenommen; den Rest regeln die Tarifpartner in eigener Verantwortung. - Es hat ja auch funktioniert.
    Deswegen ist es ebenfalls richtig, für mehr Flexibilität zu sorgen. Meine Fraktion hat in der vergangenen Woche in Berlin einen großen Kongreß veranstaltet zu dem Spezialthema - es ist eines von vielen Themen-: neue Möglichkeiten der Beschäftigungsförderung. Der Bundeskanzler hat das Leipziger Modell erwähnt. Es geht um Möglichkeiten, wie wir für eine Übergangszeit - von mir aus auch mit unkonventionellen Mitteln -

    (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Sehr gut!)

    die Bereitschaft, Arbeit anzubieten und Arbeit anzunehmen, verbessern. Wenn wir auf diesem Weg nicht
    weiter voranschreiten, werden wir die Probleme
    nicht lösen. Aber auch dann, wenn es uns nicht gelingt, die Unterschiede zwischen einem geringeren Einkommen aus Arbeit und Transferleistungen ohne Arbeit so zu korrigieren, daß jeder, wenn er arbeitet, mehr hat, als wenn er nicht arbeitet, werden wir das Problem nicht lösen. Deswegen, Herr Fischer, ist Ihre Idee mit der Grundrente falsch; sie ist grundfalsch.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Deswegen ist der Weg, den Bundesgesundheitsminister Seehofer bei der Weiterentwicklung der Sozialhilfe beschreitet, richtig und findet unsere Unterstützung. Deswegen müssen wir diesen Weg weitergehen.
    Deswegen suchen wir nach Lösungen für den Bereich der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse. Wir müssen diese Entwicklung, die so nicht hingenommen werden kann - das hat der Bundeskanzler zu Recht gesagt -, so korrigieren, daß nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird und die betreffenden Jobs vollständig wegfallen oder nur als Schwarzarbeit angeboten werden. Das ist schwierig. Deswegen muß man mit unverstelltem Blick und ohne Scheu, Tabus zu brechen, nach Lösungen suchen. Man muß wissen, was man will und in welche Richtung man gehen will.
    Wir brauchen eine Stärkung der politischen Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Wachstum, eine Weichenstellung für technischen Fortschritt und ein leistungsfähigeres Bildungssystem.
    Lassen Sie mich zu dem letzten Punkt auch etwas sagen. Der Bundeskanzler war zu vornehm, um daran zu erinnern, mit welcher für mich unerträglichen Haltung die Länder den Vorschlag der Bundesregierung von Mitte der 80er Jahre zurückgewiesen haben, auf einem Bildungsgipfel zwischen Bund und Ländern darüber zu reden, wie unser Bildungssystem modernisiert werden kann.

    (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Ja, ja, ja!)

    Ich muß selbstkritisch sagen, daß es sich dabei nicht nur um SPD-regierte Bundesländer handelte. Die Länder haben mit einer - wie ich glaube - nicht angemessenen Sturheit gesagt: Das ist Sache der Länder; wenn der Bund mehr Geld geben will, ist es recht, aber den Rest machen die Länder.
    Unser Bildungssystem leidet nicht nur unter einem Mangel an Geld; vielmehr leidet es an einem Mangel an Reformfähigkeit in der Bildungspolitik der Länder. Die Länder sollten sich ein bißchen mehr bewegen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es ist wahr: Mit Panikmache und Katastrophenmeldungen über die Ausbildungsplätze wird nichts besser. Besser wäre, wir sagen den jungen Menschen: Nehmt die Ausbildungsplätze an, die euch angeboten werden!
    Ich habe es zuerst nicht geglaubt, und ich sage das jetzt in aller Ausführlichkeit: Vor drei Wochen ist mir beim Arbeitgeberverband Nordmetall - das ist die Metall- und Elektroindustrie der Länder Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vor-

    Dr. Wolfgang Schäuble
    pommern - gesagt worden, man habe im Bereich der Metall- und Elektroindustrie die Ausbildungsplätze in diesem Jahr nicht besetzt bekommen. In der vergangenen Woche hat mir der Präsident der Handwerkskammer Reutlingen gesagt - Staatsminister Pfeifer war dabei -, man habe dort im Bereich des Elektro- und Metallhandwerks die Ausbildungsplätze nicht besetzt bekommen. Ich habe noch immer gezweifelt. - Am Donnerstagabend der vergangenen Woche wurde mir vom Ortenauer DGB-Kreisverband - das ist mein Wahlkreis - gesagt, es stimme, im Metall- und Elektrobereich habe man auch im Ortenaukreis die Ausbildungsplätze im Jahr 1997 nicht besetzt bekommen.
    Wenn das so ist, liebe Kolleginnen und Kollegen,

    (Brigitte Baumeister [CDU/CSU]: Das ist so!)

    dann ist es vielleicht notwendig, den jungen Menschen zu sagen: Vertraut nicht in allem nur auf den Staat!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wartet nicht darauf, daß euch alles angeboten wird! Guckt auch, wo eure Chancen sind!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Deswegen, Herr Ministerpräsident Lafontaine, Herr Kollege Scharping, ist es vielleicht besser, wir täten bei aller notwendigen Auseinandersetzung und Schuldzuweisung nicht so, als sei an allem nur die Politik schuld. Wenn wir das, was in unserem Land notwendig ist, um Zukunft zu gewinnen, zustande bringen wollen, müssen die Menschen, müssen alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppen mitmachen.
    Deswegen, meine Damen und Herren, ist es besser, daß der Bundeskanzler die Probleme nicht verschweigt, sondern sagt: Es gibt eine Menge Probleme in unserem Land. Aber es gibt auch Grund zur Dankbarkeit und Zuversicht. Wir haben alle Chancen. Wenn wir uns anstrengen, haben wir die Chance, für unser Land eine gute wirtschaftliche Zukunft und eine Zukunft in sozialer Sicherheit zu ermöglichen. Dafür wird die CDU/CSU-Fraktion weiter arbeiten.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Michaela Geiger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Heiner Geißler das Wort zu einer Kurzintervention.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heiner Geißler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Lafontaine, Sie haben mich vorhin in Ihrer Rede wegen des Buches, das ich geschrieben habe, angesprochen. Es ist wahr: Wir haben den Namen „Gott" in unserer Verfassung, und die CDU hat das „C" in ihrem Parteinamen. Dies verkörpert einen Anspruch, der nicht immer erfüllt wird; dies ist wahr.
    Wenn Sie das Buch gelesen haben, dann werden Sie festgestellt haben, daß ich nachhaltig dafür plädiert habe, diesen Anspruch nicht aufzugeben, weil
    wir sonst Ziel und Fundament unserer Politik verlören. Wir brauchen gerade heute, in einer Zeit der Globalisierung dieser Welt, auch der ökonomischen Globalisierung, diesen Anspruch, zum Beispiel um zu erkennen, daß wir die soziale Marktwirtschaft, die meine Partei im Nachkriegsdeutschland eingeführt und durchgesetzt hat, nicht durch puren Kapitalismus ersetzen dürfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Beifall bei der SPD)

    Wir brauchen diesen Anspruch, weil eine Weltwirtschaftsordnung, die in den Augen der Bevölkerung so aussieht, daß die Aktienkurse nach oben rasen, große Unternehmen Milliardengewinne machen, gleichzeitig aber Tausende von Menschen entlassen werden, unmoralisch ist und nicht die Wirtschaftsordnung meiner Partei darstellt.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich habe aber auch gesagt, daß es gehaltene Versprechen gibt, zum Beispiel die Freiheits- und Friedenspolitik in den 80er Jahren. Sie hat ein biblisches Fundament; darüber haben wir schon einmal diskutiert.
    Es gehört als Folge dieses Anspruchs aber auch dazu, daran zu erinnern, daß in diesem Land nach 1949 ein Sozialstaat aufgebaut worden ist: Betriebsverfassungsgesetz, Mitbestimmung, Kriegsopferversorgung, die bruttolohnbezogene dynamische Rente, die reformiert werden muß, das Gesetz zur Absicherung der Arbeiter im Krankheitsfall aus dem Jahre 1961, das Bundessozialhilfegesetz, das Jugendwohlfahrtsgesetz, das Arbeitsförderungsgesetz und in den Legislaturperioden, in denen wir seit 1982 regiert haben, das Erziehungsgeld, der Erziehungsurlaub, der Kündigungsschutz für Frauen, die ein Kind bekommen, die Anerkennung von Erziehungsjahren, der Lastenausgleich für 12 Millionen Heimatvertriebene und Flüchtlinge und die großartige solidarische Leistung nach der deutschen Einheit, daß Millionen von Menschen in den neuen Ländern eine sichere und ausreichende Rente bekommen haben. Das sind Ansprüche, die wir erfüllt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dieser Sozialstaat, den wir heute haben, muß zwar reformiert werden, aber der Anspruch, von dem ich gesprochen habe, zwingt uns auch, den Sozialstaat in der Zukunft zu erhalten, damit die neue Welt der Technologie, die wir nicht ändern und nicht zurückführen können, ein menschliches Gesicht behält. Dafür ist dieser Anspruch da. Nicht zuletzt deswegen habe ich dieses Buch geschrieben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)