Rede von
Dr.
Theodor
Waigel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abschlußberatungen zum Nachtragshaushalt 1997 und zum Haushalt 1998 fallen in eine Zeit, in der wichtige Konjunkturindikatoren und Wirtschaftsdaten klar aufwärts zeigen: Die Lage bei den Auftragseingängen ist weiterhin stabil; die Produktion wächst; die Stimmungslage in der Wirtschaft ist seit längerem günstig; die Preissteigerungsrate liegt unter 2 Prozent; die Zinsen sind anhaltend niedrig, und für 1997 können wir mit einem Realwachstum von zweieinhalb Prozent rechnen. 1998 rechnen wir in Übereinstimmung mit allen in- und ausländischen Experten mit zirka 3 Prozent. Der Welthandel wächst; der Export bleibt der deutsche Konjunkturmotor. Erfreulich ist: Der Exportboom wirkt sich zunehmend auch positiv auf die Investitionen und die Binnennachfrage aus.
Im Zeichen der Globalisierung, eines beschleunigten und vertieften Strukturwandels der Weltwirtschaft und einer zunehmenden Standortkonkurrenz haben wir unsere Hausaufgaben gemacht.
Der Standort Deutschland muß attraktiv bleiben. Es geht um Vorfahrt für den Markt, um Vorfahrt für Wachstum und Beschäftigung.
Meine Damen und Herren, wir stellen die Weichen für einen Abbau der Staatsquote und für einen schlanken Staat. - Sie von der Opposition haben zum Abbau der Staatsquote noch keinen einzigen Beitrag geleistet. -
Das bedeutet - da hat der Kollege Metzger recht -:
Konsolidierung der Staatsausgaben, Überprüfung
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
von Staatsaufgaben, Senkung von Steuern und Lohnnebenkosten sowie Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt, im System sozialer Sicherheit und im Steuersystem. Niemand kann bestreiten, daß die Staatsausgabenquote nach ihrem Gipfelpunkt von über 50 Prozent schon jetzt wieder bei 49 Prozent liegt. 1998 wird sie 48 Prozent erreichen, und bis zum Jahr 2000 werden wir mit 46 Prozent wieder den Stand von 1989 erreicht haben.
Wenn es uns gelingt, meine Damen und Herren, angesichts der gewaltigen Belastung durch die Erblast, die die SED uns hinterlassen hat, die Staatsquote in einem Zeitraum von 10 Jahren wieder auf den Stand zu bringen, auf dem sie 1989 war, wenn wir bei gleicher Gelegenheit, was die Zahl der Bundesbediensteten anbelangt, etwa im Jahr 2000 oder kurz danach wieder den Stand an Bediensteten erreicht haben werden, den die Bundesrepublik Deutschland hatte, bevor 17 Millionen Menschen hinzugekommen sind, dann zeigt dies unsere konsequente Politik der Konsolidierung und der Reduzierung der Staatsausgaben.
Wir haben, wie Kollege Weng es vorhin dargestellt hat, wichtige Steuerreformschritte getan: Mit der Verbesserung des Existenzminimums und dem neuen Familienleistungsausgleich wurden insbesondere kleine und mittlere Einkommen um rund 20 Milliarden DM entlastet. Mit der Vermögensteuer und der Gewerbekapitalsteuer haben wir zwei Steuern abgeschafft, die Investitionen verhindert und Arbeitsplätze vernichtet haben. - Meine Damen und Herren, es ist geradezu abstrus, was die letzte Rednerin der PDS in ihrem Beitrag gesagt hat. Denn die Betriebe, die jetzt in den neuen Bundesländern in Schwierigkeiten sind, könnten es sich am wenigsten leisten, wenn sie künftig Vermögensteuer oder Gewerbekapitalsteuer bezahlen müßten. -
Zum 1. Januar wird der Solidaritätszuschlag um 2 Prozentpunkte gesenkt. Das sind 7 Milliarden DM netto für Investitionen und Konsum.
Weitere ordnungspolitisch wichtige und zukunftsorientierte Reformen haben wir umgesetzt. Ich nenne die Gesundheitsreform, die Privatisierungsschritte bei der Telekom und der Lufthansa, die Reformen auf dem Arbeitsmarkt, unter anderem die Anpassung beim Kündigungsschutz, die Verbesserungen für befristete Arbeitsverhältnisse und die Änderungen bei der Lohnfortzahlung. - All dies haben wir gegen den erbitterten Widerstand von SPD und Grünen durchgesetzt.
Sie haben bisher fast keinen Beitrag zu den notwendigen Schritten zur Verbesserung des Standortes Deutschland angesichts der Europäisierung, angesichts der Globalisierung der Wirtschaft geleistet.
Das ist eine Schande für eine Partei, die ursprünglich einmal Fortschrittspartei sein wollte. -
Diesen Kurs bestätigen die nationalen und die internationalen Experten. Dieser Kurs muß in Deutschland entschlossen fortgesetzt werden.
Meine Damen und Herren, richtig ist - das ist von einigen Rednern, so von Adolf Roth und anderen, vorhin angesprochen worden -, daß sich das Wachstum, die wirtschaftliche Entwicklung a) von der Beschäftigung und b) von der Steuereinnahmebasis abkoppelt. Um so wichtiger sind Strukturreformen, wie sie OECD, IWF und andere internationale Institutionen oder - in Deutschland - Sachverständigenrat und Bundesbank anmahnen, also Reformen bei der Sozialversicherung, auf dem Arbeitsmarkt und im Steuersystem.
Das Problem ist, daß Sie sich bisher in den entscheidenden Punkten verweigert haben. Stellen Sie sich - wie die sozialdemokratischen Parteien in den Niederlanden, in Österreich oder auch in Schweden - endlich den realen Problemen!
Lesen Sie das Sachverständigengutachten, und zwar nicht nur, wenn es grundsätzlich um Politik geht. Politik hat einen konkreten Namen. Wir haben Reformen vorgeschlagen. Wir wollten mehr konsolidieren. Wir wollten eine Steuerreform. Wir haben eine Rentenreform vorgelegt. Wir haben eine Gesundheitsreform durchgesetzt. Wir haben in bezug auf den Arbeitsmarkt im letzten Jahr etwas getan. Sie haben sich dem verweigert. Nicht die Politik hat versagt, sondern Sie, meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben versagt!
Seit 20 Jahren ist wirklich nichts Dümmeres mehr verkauft worden als die Massenkaufkrafttheorie Ihres Parteivorsitzenden.
Man muß sich einmal vorstellen, wohin das in der gegenwärtigen Situation führen würde. Wir vergönnen doch wirklich jedem Arbeitnehmer einen höheren Lohn. Wenn er aber den höheren Lohn damit bezahlt, daß letztlich sein Arbeitsplatz oder der Arbeitsplatz des Nachbarn wegfällt,
dann macht dies deutlich, daß mit dieser unsinnigen und falschen Theorie niemandem gedient ist; vielmehr wird damit der deutschen Volkswirtschaft und den Arbeitnehmern geschadet.
Meine Damen und Herren, was die Steuerpolitik und die Sozialpolitik anbelangt, so fordere ich Sie
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
auf: Kehren Sie an den Verhandlungstisch zurück. Wir könnten in 24 Stunden eine Steuer- und Rentenreform beschließen, die ein Investitionsfeuerwerk auslösen würde. Wir brauchen keine Kommissionen mehr. Wir brauchen keine Hearings mehr. Wir brauchen keine Vorarbeiten. Wir brauchen keinen Datenabgleich. Das alles liegt vor. Es fehlt lediglich am Willen der SPD, besser gesagt, am Willen Ihres Parteivorsitzenden. Nur daran fehlt es!
Schließen Sie gemeinsam mit uns einen Kontrakt mit der Zukunft. Alle Parteien, die Politik und unsere Demokratie würden davon profitieren. Politik - das müssen wir alle wissen - ist nicht nur Machtkampf. Politik ist vor allem Verpflichtung für das Gemeinwohl unseres Vaterlandes.
Trotz der Beratung von zwei Haushaltsentwürfen und der damit verbundenen zahlreichen schwierigen Einzelfragen konnten Zeitplan und Ziele eingehalten werden. Ich möchte mich - wie der Kollege Roth - bei den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, seinem Vorsitzenden und allen Beteiligten sehr herzlich bedanken. Die Koalition hat für den Nachtragshaushalt 1997 und den Haushalt 1998 ein tragfähiges Konzept erarbeitet. Wir haben dabei eine Reihe von Zielkonflikten lösen können: keine höhere Neuverschuldung trotz der erheblichen Mehrbelastungen des Haushalts durch Steuern, durch Arbeitsmarkt und durch Rente.
Es gibt keine Steuererhöhungen. Das gilt auch für die Absenkung des Solidaritätszuschlages ab Januar 1998. Das Geld fließt in voller Höhe in die Taschen der Bürger. Der Bundeshaushalt leistet seinen Beitrag zur Einhaltung des Maastricht-Defizitwertes 1997 und 1998. Die wesentlichen haushaltspolitischen Eckwerte stellen sich gegenüber den Regierungsentwürfen sogar etwas günstiger dar. Das nominale Ausgabenwachstum bleibt sehr moderat.
Die Gesamtausgaben des Jahres 1998 liegen nur 0,3 Prozent über den Ausgaben des Jahres 1996. Die Ausgabenentwicklung im Bundeshaushalt unterschreitet damit erneut deutlich die Prognosen für das Wirtschaftswachstum in diesem und im nächsten Jahr. Die Nettokreditaufnahme liegt sowohl beim Nachtrag 1997 als auch beim Haushalt 1998 unter den Zahlen der Regierungsentwürfe. Das ist uns, Herr Kollege Diller, trotz Ihrer Kassandrarufe gelungen.
Forderungen nach Mittelaufstockungen, die es überall gab, haben wir nicht nachgegeben, sondern wir haben alle Entlastungsspielräume konsequent zur Ausgabensenkung genutzt. Das Haushaltsmoratorium wurde weiterhin strikt eingehalten. Alle haushaltswirtschaftlichen Einsparungspotentiale wurden genutzt und alle ordnungspolitisch richtigen Privatisierungsmöglichkeiten ebenso konsequent ausgeschöpft.
Dennoch - darin haben die Vorredner recht - sind die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gestoßen. Die
Budgetspielräume sind durch hohe Grundlasten weitgehend ausgeschöpft. Allem die Sozialtransfers decken 1998 mit 176 Milliarden DM fast 40 Prozent der Ausgaben im Bundeshaushalt ab. Die Bundeszuschüsse an die Rentenversicherung und die Bundesknappschaft werden 1998 mit 86,5 Milliarden DM eine Rekordhöhe erreichen. Für die Alterssicherung werden im Bundeshaushalt 1998 insgesamt fast 95 Milliarden DM aufgewendet. Hinzu kommen die Beiträge zur Rentenversicherung für Arbeitslosengeld- und Arbeitslosenhilfeempfänger. Sie betragen im kommenden Jahr rund 25 Milliarden DM.
Diese Zahlen dokumentieren: Die Diskussion um versicherungsfremde Leistungen, die aus Steuermitteln zu finanzieren seien, ist vor dem Hintergrund dieser Bundeszuschüsse zu sehen. Das Gerede vom sozialen Kahlschlag ist falsch und unverantwortlich, weil es unbegründete Ängste hervorruft und eine sachliche Debatte über den notwendigen Umbau unseres Sozialstaates behindert.
Die Zukunft muß Vorfahrt haben. Für prioritäre Felder muß der Staat Handlungsspielraum schaffen. Das sind vor allem die öffentlichen Investitionen im Bereich der Infrastruktur, bei Forschung und Bildung. Das zwingt bei knappen Kassen zu Posteriori-täten an anderer Stelle: beim öffentlichen Verbrauch, bei den strukturkonservierenden Subventionen und auch bei den Sozialtransfers. Hier müssen wir uns auf das Wesentliche, die wirklich Bedürftigen, konzentrieren. Wer hier nicht zu einer Diskussion bereit ist und überhaupt nicht willens ist, Wichtiges und weniger Wichtiges zu trennen, landet unweigerlich bei höheren Schulden, Steuern und Abgaben.
Zum Nachtragshaushalt 1997: Die Gesamtausgaben des Bundes steigen durch den Nachtragshaushalt 1997 gegenüber dem bisherigen Soll um 5 Milliarden DM auf 444,8 Milliarden DM. Die Nettokreditaufnahme konnte gegenüber dem Entwurf vom Sommer leicht abgesenkt werden. Ich halte es für eine große Leistung der Haushaltspolitik, daß es uns gelungen ist, die Steuermindereinnahmen und das, was auf dem Arbeitsmarkt durch erhöhte Arbeitslosenzahlen auf uns zugekommen ist, nicht mit einer Erhöhung der Nettokreditaufnahme oder mit Steuererhöhungen finanzieren zu müssen.
Es gibt Entlastungen bei der Bundesanstalt für Arbeit im Bereich der Schätzansätze. Auch die globale Minderausgabe hat sich gelohnt.
Beim Erblastentilgungsfonds wird die Bundeszuführung in diesem Jahr in Höhe von 6 Milliarden DM herabgesetzt.
Nun war die Kritik des Kollegen Diller an dieser Stelle relativ gemäßigt.
- Wieso? Können Sie härter sein? Wie auch immer - dann warte ich auf Ihren Stoß am Freitag.
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Herr Kollege Diller, hat das vielleicht damit zu tun, daß von seiten der Länder, auch von seiten der SPD- regierten Länder, beim Fonds Deutsche Einheit an das gleiche Instrument gedacht wird?
- Entschuldigung! Was heißt denn das? Dann müssen Sie schon Ihre SPD-regierten Länder fragen, warum sie mit dem gleichen Ansinnen zu uns kommen. Ich lasse mich von Ihnen jedenfalls nicht wegen einer Praxis kritisieren, die Ihre Länder selber wollen. Das müssen Sie sich gut überlegen.
Übrigens sind, was den Erblastentilgungfonds anbelangt, in dem kurzen Zeitraum von 1995 bis 1997 bereits rund 25 Milliarden DM der Erblastschulden getilgt worden. Die geplante Tilgung der Erblastschulden innerhalb einer Generation ist ohne weiteres möglich.
Zum Haushalt 1998: Auch hier ist es gelungen, gegenüber dem Regierungsentwurf aufgetretene Mehrbelastungen in vollem Umfang aufzufangen. Die Eckwerte können gegenüber dem Haushaltsentwurf sogar merklich verbessert werden.
Die Gesamtausgaben liegen bei 456,8 Milliarden DM. Sie steigen damit gegenüber dem Soll 1997 um 2,7 Prozent. Die Nettokreditaufnahme liegt bei 56,4 Milliarden DM. Sie unterschreitet die Investitionen von 58,1 Milliarden DM und damit die Verschuldungsgrenze des Art. 115 des Grundgesetzes deutlich. Auch hier ist es gelungen, Steuermindereinnahmen und Zusatzbelastungen in einer Größenordnung von insgesamt etwa 14 Milliarden DM so zu behandeln, daß ein Einhalten des Art. 115 des Grundgesetzes möglich war. Auch dies ist, wie ich meine, eine richtige, notwendige und beachtliche Anstrengung.
Dabei ist es völlig legitim, wenn wir aus der Veräußerung der ersten Tranche der Telekom-Aktien 1998 zusätzliche 8 Milliarden DM vereinnahmen. Das Instrumentarium, dies über die KfW zu tun, hat sich als sehr Segens- und hilfreich erwiesen. Es ist für uns fast risikofrei. Dann, wenn es zu Kursänderungen kommt, sind wir jedenfalls auf einem guten Pfad. Dies ist sowohl im letzten Jahr richtig gewesen als auch künftig richtig.
Im Bereich der Treuhand-Nachfolgeeinrichtungen ergeben sich gewisse Entlastungen. Gleichwohl können die BvS und die anderen Nachfolgeeinrichtungen der Treuhand ihre Aufgaben ungeschmälert erfüllen.
Im Bereich der Zinsausgaben führt die Optimierung des Kreditmanagements zu Entlastungen von rund 1 Milliarde DM. Da, meine Damen und Herren, kommt wieder die gleiche Unwahrhaftigkeit zum Tragen. Mit dem begrenzten Einsatz von Zins-SwapGeschäften nutzen wir moderne Finanzinstrumente, die nicht nur in anderen Staaten und Wirtschaftsunternehmen, sondern auch in einigen Bundesländern erfolgreich eingesetzt werden.
- Herr Kollege Diller, ich nehme an, Sie wissen es.
- Dann sollten Sie aber wenigstens ernsthafter schauen. Zu diesen Bundesländern gehört Schleswig-Holstein; hier müssen Freunde von Ihnen am Werke sein.
Nordrhein-Westfalen: Ihre Freunde! Niedersachsen: Dort ist der Havanna-rauchende Freund von Joschka Fischer, der gestern beachtliche Erklärungen abgegeben hat.
Schade, daß Herr Scharping jetzt nicht da ist; denn ich kann mir vorstellen - man merkt es auch an seiner Miene -, daß er immer zufriedener wird. Er hat auch recht, weil es seinem Nachfolger genauso geht, wie es früher ihm gegangen ist. Der Störenfried läßt also keine Ruhe.
Aber Niedersachsen hat auch Zins-Swap-Geschäfte gemacht, ebenfalls das Saarland und Hessen. Es grenzt schon an politische Unverfrorenheit, mir dies hier vorzuhalten, während in Hessen, im Saarland, in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein das gleiche gemacht wird. Das ist doch politische Verlogenheit.
Mit dem in dieser Woche im Bundesrat zu beratenden Haushaltsrechts-Fortentwicklungsgesetz schaffen wir den gesetzlichen Rahmen für eine effizientere öffentliche Haushaltswirtschaft ohne Beeinträchtigung des parlamentarischen Budgetrechts. Wesentliche Punkte sind die Ausweitung der sachlichen und zeitlichen Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln, die Flexibilisierung der Mittelbewirtschaftung durch erweiterte Deckungsmöglichkeiten, verstärkte Anreize zur Erzielung von Mehreinnahmen und die Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung sowie die Neugestaltung und Straffung der Finanzkontrolle. Ich appelliere an die Länder, der Modernisierung des Haushaltsrechts am Freitag im Bundesrat zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, wir werden das Maastricht-Defizitkrietrium von 3 Prozent 1997 und 1998 einhalten. Das ist die Botschaft der Haushaltsbeschlüsse; das ist auch die Botschaft der vorliegenden Schätzungen nationaler und internationaler Institutionen. Noch im Vorjahr hat der Defizitwert 3,4 Prozent des BIP betragen. Bund, Ländern und Kommunen gelingt es, die neuerlichen Steuerausfälle und die Mehrbelastungen durch den Arbeitsmarkt aufzufangen.
Die Sozialversicherungsträger werden zugleich günstiger als im letzten Jahr abschließen. Die Beitragserhöhung 1997 bei der Rentenversicherung und
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Einsparungen bei der Krankenversicherung führen zu einer Verbesserung der Finanzen der Sozialversicherung um knapp 0,5 Prozent des BIP. 1998 wird sich die Finanzlage der Sozialversicherungen weiterhin günstig entwickeln. Auch die Gebietskörperschaften werden ihre Defizite 1998 weiter verringern.
Am vergangenen Montag, gestern vor einer Woche, hat sich der Ecofin-Rat auf einen Zeitpunkt zur Veröffentlichung der Defizitergebnisse von 1997 verständigt. Den Mitgliedstaaten wird danach empfohlen, ihre finanzwirtschaftlichen Daten 1997 für den Maastricht-Entscheidungsprozeß erstmals in der letzten Februarwoche 1998 bereitzustellen. Die Mitgliedstaaten werden daher entsprechend der einschlägigen EG-Verordnung in der letzten Februarwoche Defizit- und Schuldenkriterium 1997 an die EG-Kommission melden, damit die Daten der Kommission und dem Europäischen Währungsinstitut für die zu fertigenden Berichte zur Verfügung stehen. Das Statistische Bundesamt hat das bereits zugesagt. Vor diesem Zeitpunkt kann es in keinem Land offizielle Verlautbarungen dazu geben.
Die Vorteile des Verfahrens sind: Ende Februar herrscht größere Datensicherheit. Es liegen vollständigere Ergebnisse über den Haushaltsablauf auf allen Ebenen vor. Die Vorkehrungen für eine Beschleunigung der Datenbereitstellung durch die Meldestellen sind in vollem Gange. Die Werte für die Kriterien werden ein hohes Maß an Zuverlässigkeit aufweisen.
Entscheidungsträger, Öffentlichkeit und nicht zuletzt die Finanzmärkte können darauf bauen, daß die Beitrittsentscheidungen auf der Grundlage zuverlässiger Zahlen getroffen werden, für Deutschland wie für die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Ich gebe jedem den Rat, sich auf einen konvergenzgerechten Beginn einzustellen. Das ist meines Erachtens die große Leistung, die in vielen Staaten Europas in diesem und in den letzten Jahren zustande gekommen ist.
Konvergenz, Stabilität, Konsolidierung und Vertrauen auf den öffentlichen Märkten sind genau das Ergebnis des Prozesses von Maastricht. Mit einer solchen Konvergenz haben die Vereinigten Staaten einen großartigen Erfolg letztlich auch bei der Beschäftigung gehabt. Ich bin davon überzeugt: Wenn wir diesen Prozeß fortsetzen und die strukturellen Probleme lösen, auf die uns auch der Europäische Rat letzte Woche nochmals aufmerksam gemacht hat, dann haben wir die besten Voraussetzungen, um das größte Problem unserer Volkswirtschaften lösen zu können, nämlich die Arbeitslosigkeit zu senken. Das haben wir entscheidend vorangebracht; das muß fortgesetzt werden. Dann werden wir die Früchte dieser schwierigen Konsolidierung ernten. Davon bin ich zutiefst überzeugt.
Die große, umfassende Reform der Einkommensbesteuerung ist notwendig für den Standort Deutschland, für Investitionen, für Innovationen und damit für zukunftsfähige Arbeitsplätze. Die jüngste Steuerschätzung hat uns erneut vor Augen geführt: Die
Steuereinnahmen haben sich derzeit vom Wirtschaftswachstum abgekoppelt. Der Zusammenhang zwischen Haushalts- und Steuerpolitik ist offensichtlich.
Die Steuerquote in Deutschland ist auf niedrigem Niveau. Seit 1995 ist sie um zwei Prozentpunkte gesunken. Unternehmen und Arbeitnehmer holen sich ihre Steuersenkung selbst. Sie weichen dem Steuerdruck - zumeist legal - aus.
Wissen Sie, was das Problematischste ist? Die Nettosenkung, die wir durchführen wollten und wollen, findet statt, aber bei anderen Adressaten als denjenigen, die wir eigentlich im Auge haben.
Wer sich der Senkung der Steuersätze widersetzt und das Petersberger Steuerreformkonzept nicht mitträgt, darf sich nicht wundern, wenn eine weitere Nettosenkung stattfindet, aber wiederum so, wie wir sie nicht wollen und wie sie für die öffentlichen Hände, Bund, Länder und Gemeinden, nur nachteilig ist.
Wichtig ist es jetzt, daß das Geld bei den Richtigen ankommt. Nicht die Steuerjongleure, sondern die Leistungsträger unserer Gesellschaft müssen belohnt werden. Das Geld gehört in die Taschen der hart arbeitenden Facharbeiter, der Handwerker, der Mittelständler und der Selbständigen. Dazu ist eine durchgreifende Reform unabdingbar notwendig.
Die Leitlinie muß bleiben: niedrigere Sätze bei weniger Ausnahmen. Zugleich stärken wir in diesem Steuersystem den internationalen Wettbewerb.
Meine Damen und Herren, deutliche Senkung der Steuersätze über den gesamten Tarifverlauf, konsequente Einschränkung von Steuervergünstigungen und steuerlichen Sonderregelungen, schrittweise Verbesserung der Steuerstruktur in Richtung zu den weniger leistungsfeindlichen indirekten Steuern durch Entlastung bei direkten Steuern und mittelfristig eine Senkung der Steuer- und Abgabenlast insgesamt - genau das ist mit den Petersberger Reformvorschlägen und mit dem, was der Bundestag mit Mehrheit beschlossen hat, zu erreichen.
Wir haben seit Februar 1997 unermüdlich versucht, einen gemeinsamen Nenner zu finden: 24. Februar erster Steuergipfel, 15. April zweiter Steuergipfel, 23. April dritter Steuergipfel, 10. Juli bis 4. August erstes Vermittlungsverfahren, zweites Vermittlungsverfahren am 18. und 25. September, ein wiederholter Datenabgleich mit den SPD-Ländern. Wir haben versucht, alle Möglichkeiten zum Kompromiß mit Ihnen auszuloten.
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Die von der SPD ins Spiel gebrachte Lösung, nur unten mit dem Grundfreibetrag etwas zu tun, beseitigt die Probleme des Arbeitsmarkts ganz sicher nicht.
Das Dümmste und Falscheste ist, jetzt noch einmal mit der Vermögensteuer zu kommen. Lassen Sie das bleiben! Das führt nur zu Investitionen im Ausland, ganz sicher nicht in Deutschland.
Der, worüber wir uns alle freuen, wiedergenesene oder auf dem Weg der Gesundung befindliche Finanzminister Schleußer hat uns in den letzten Wochen und Monaten sehr gefehlt; denn er konnte in der Steuerpolitik - jedenfalls früher - eine vernünftige Linie vertreten. Leider war die Stimme Nordrhein-Westfalens in den letzten Monaten nicht zu hören. Letzte Woche hat er eine sehr interessante Bemerkung gemacht, indem er gesagt hat, an einer Nettoentlastung von 7 bis 8 Milliarden DM dürfe eine Steuerreform letztlich nicht scheitern.
Meine Damen und Herren, wir alle verlieren ohne Steuerreform jedes Jahr mehr an Einnahmen, als eine Nettosenkung ausgemacht hätte.
Es wird höchste Zeit, daß Sie das endlich begreifen. Noch wäre die Zeit nicht vertan, so etwas 1997 und 1998 in Angriff zu nehmen, damit wir nicht ein Jahr versäumen und eine solche Steuerreform erst zum 1. Januar des Jahres 2000 kommt. Wir werden diese Reform auf jeden Fall nach der Bundestagswahl durchsetzen.
Sie hätten es in der Hand, die Reform mit uns gemeinsam ein Jahr früher zu verabschieden. Die Verantwortung dafür, wenn es nicht dazu kommt, tragen allein Sie. Das ist eine Verantwortung, die Sie eigentlich nicht übernehmen können.
Nicht nur die Steuerreform muß kommen, auch die Lohnnebenkosten müssen herunter. Der Faktor Arbeit ist in Deutschland zu teuer. Unsere Arbeitsplätze müssen wettbewerbsfähig werden und bleiben.
Mit dem Rentenreformgesetz 1999 soll die gesetzliche Rentenversicherung einen höheren Bundeszuschuß zusätzlich zu den Haushaltsmitteln in Höhe von 86,5 Milliarden DM erhalten. Damit kann der Beitragssatz dauerhaft gesenkt werden. Dieser zusätzliche Bundeszuschuß soll dem Mehraufkommen eines um 1 Prozentpunkt von 15 auf 16 vom Hundert erhöhten allgemeinen Umsatzsteuersatzes entsprechen. Wichtig: Der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 Prozent für den existentiellen Grundbedarf bleibt unverändert.
Es wird höchste Zeit, daß die SPD einmal erklärt, ob sie bereit ist, dabei mitzugehen. Mir helfen die Wochenendmeldungen eines Ministerpräsidenten, der eine Erhöhung um 3 Prozentpunkte ansetzen will, nicht, wenn Sie noch nicht einmal erklärt haben, ob sie bei 1 Prozentpunkt mitwirken wollen, was meines Erachtens notwendig und sinnvoll ist.
Eines will ich allerdings an die Adresse von Ministerpräsident Beck klar sagen: Die Mehrwertsteuer kann nicht die Reservekasse für die Sozialversicherungen sein, ohne daß dort die entsprechenden Strukturreformen stattfinden, wofür wir eintreten und kämpfen.
Meine Damen und Herren, in einer offenen Volkswirtschaft müssen steuerpolitische Entscheidungen auch im internationalen Kontext gesehen werden. Das gilt erst recht für Europa, den gemeinsamen Binnenmarkt und vor allem für die dritte Stufe der Währungsunion, wenn der Wechselkurspuffer entfällt. Standortnachteile lassen sich nicht mehr durch eine Abwertung verdecken.
Die Steuern sind ein wichtiger Standortfaktor. Wir haben europäische Initiativen wieder auf den Weg gebracht. In Kürze wird in der Ecofin-Kommission darüber beraten und entschieden, wie der Kodex für einen fairen Steuerwettbewerb in Europa aussehen soll.
Auch was die Besteuerung der Zinsen anbelangt, haben wir Chancen, unser Ziel auf der Grundlage des Koexistenzmodells, das wir bereits 1994 vorgelegt haben, zu erreichen. Nunmehr wünscht eine große Mehrzahl der Mitgliedstaaten eine rasche Einigung.
Wer morgen die finanzielle Handlungsfreiheit als Grundlage für gestalterische Politik erhalten will, muß heute die Kraft für die Senkung der Staatsquote, für die substantielle Konsolidierung der Staatsfinanzen und die Strukturreformen im Sozial- und Steuersystem aufbringen. Ein solcher Kontrakt mit der Zukunft bringt Kapital, Know-how und vor allem Arbeit nach Deutschland.
Die mit der Globalisierung verbundenen Basisinnovationen, das rasche Wachstum der Weltmärkte und der Binnenmarkt mit einer gemeinsamen Währung in Europa eröffnen alle Aussichten für einen neuen langfristigen Wachstumszyklus. Die Zukunftsmärkte entwickeln sich rasch. Es geht jetzt darum, ob Deutschland auf diesen Zukunftsmärkten mithalten kann oder nicht.
Peter Norman, der Deutschlandkorrespondent der „Financial Times" schrieb am 18. November 1997:
Die Wirtschaft demonstriert, daß Deutschland fähig ist, sich zu ändern. Die große Frage bleibt, ob sich die Politik und die Bevölkerung ebenfalls an eine sich rasch ändernde Welt anpassen und gleichzeitig Deutschlands beneidenswerte Bilanz sozialer Stabilität erhalten können.
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
An einer anderen Stelle der ausführlichen kritischen Analyse der Situation in Deutschland lesen wir: „Es ist niemals weise, Deutschland abzuschreiben.'' Davon bin ich überzeugt.
Wir haben nach dem Krieg den Wiederaufbau geschafft; das Wort „Wirtschaftswunder" ist in viele Sprachen eingegangen. Wir haben die deutsche Einheit bisher mit großer finanzieller Anspannung, aber ohne Gefährdung unserer finanziellen und sozialen Stabilität bewältigt. Wir werden auch die Folgen der Globalisierung meistern.
Dafür brauchen wir nicht mehr, als uns auf unsere Tugenden zu besinnen: Pionier- und Erfindungsgeist, Kreativität und Anpassungsfähigkeit, Beharrlichkeit und Gründlichkeit. Der Staat kann das nicht verordnen, er kann aber für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen, diese Talente zu fördern und ihren Erfolg zu honorieren.
Dazu gehören eine offene Gesellschaft und eine soziale Marktwirtschaft, die die Chancengleichheit sichert. Dazu gehört ein schlanker Staat, der der privaten Initiative den Vorrang einräumt. Die Grundbedingung des „Wohlstands der Nationen" ist seit Adam Smith die Verfolgung des eigenen wirtschaftlichen Vorteils. Das ist nicht verwerflich, das ist nicht unchristlich und auch nicht unsozial.
Unsozial wird es erst, wenn dieses Grundprinzip der Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt wird. Dafür haben wir eine Fülle von Beispielen: Wo Mangel und Armut herrschen, kann sich kein Sozialstaat entwikkeln.
Bei allen Paradigmenwechseln und der schöpferischen Zerstörung im Zeichen der Globalisierung bleibt das Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft in Kraft. Wer für die soziale Gerechtigkeit eintritt, der muß auch für eine Wirtschafts- und Finanzpolitik eintreten, die private Initiative und Leistung belohnt.
Meine Damen und Herren, der Nachtragshaushalt 1997 und der Haushalt 1998, unsere Vorschläge für die Reform des sozialen Sicherungssystems und des Steuersystems stehen dafür. Wir werden damit unsere Politik mit Erfolg fortsetzen.
Ich danke Ihnen.