Rede von
Dr.
Wolfgang
Weng
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Kollegin Matthäus-Maier, ich habe die Zurückweisung, ehrlich gesagt, bisher nicht gehört. Ich nehme das zur Kenntnis, wenn Sie es so sagen.
- Sie wissen, daß wir in den letzten Tagen in den Zeitungen vieles zu lesen hatten.
Sie wissen, wie Politik gestaltet wird: Ein Minenhund läuft vor, und man selbst wartet auf Reaktionen. Wenn sie einem gefallen, dann vertritt man diese Position. Gerade in diesen Fragen der Steuererhöhungen, bei denen der Bundesrat nach meiner festen Überzeugung nur darauf lauert, daß die Koalition über den Zuschuß zur Rentenversicherung hinaus Zugeständnisse macht, weil man nicht bereit und
Dr. Wolfgang Weng
zum Teil auch gar nicht in der Lage ist, notwendige Einsparungen vorzunehmen, ist dieses Vorgehen nicht überraschend. Das war schon ein Vorpreschen.
- Ich war noch bei der Antwort. Sie stellen immer so intelligente Fragen, da braucht man für die Antwort etwas länger.
Wenn das nicht in der Parteispitze koordiniert war, nehme ich das zur Kenntnis. Wir warten einmal ab, Frau Matthäus-Maier, was Ihre Partei am Schluß, wenn es zum Schwur kommt, tatsächlich fordern wird. Ich warne Neugierige; denn ich bin sicher, daß Sie schon lange darauf warten, mehr beim Bürger holen zu können.
Meine Damen und Herren, der dritte Teil eines öffentlichen Etats betrifft die Ausgaben, die direkt durch das Haushaltsgesetz zu beeinflussen sind. Da hierzu zum Beispiel ein Großteil der öffentlichen Investitionen gehören, sind - aus naheliegenden Gründen - nicht beliebige Einsparungen möglich. Aber im Bereich des öffentlichen Konsums hat die Koalitionsmehrheit im Haushaltsausschuß erneut Einschnitte in wesentlichem Umfang beschlossen. Wenn wir das vorliegende Zahlenwerk heute als vertretbar bezeichnen können, dann sicher deshalb, weil wir seit langen Jahren in diesem Bereich der öffentlichen Ausgaben gebremst haben, weil wir keine Ausgabensteigerungen erlaubt haben und damit voll der Auffassung wirtschaftspolitischen Sachverstands gefolgt sind.
Bequem ist dies nicht, vor allem nicht für die Koalitionsabgeordneten im Haushaltsausschuß. Der Ablauf ist ja alle Jahre wieder gleich: Trotz schwierigster Finanzlage geht sofort nach der Entscheidung des Bundeskabinetts der Sternmarsch von Regierung und Parlamentariern auf die Haushälter los, im Bemühen, zusätzliche Ausgaben lockerzumachen. Selbst Politiker, die Schulden gerne per Verfassung verbieten lassen wollen, glauben plötzlich, daß der Kampf für Mehrausgaben und damit für höhere Schulden der bessere Kampf ist.
Ich will dies nicht weiter vertiefen. Aber dies zeigt, wie schwierig die Arbeit des Haushaltsausschusses ist.
Meine Damen und Herren, die Gesamtbetrachtung des Haushalts zeigt, daß einerseits wesentliche Ausgabensteigerungen auf Grund der Arbeitsmarktsituation zwangsläufig sind und daß andererseits auf der Einnahmeseite trotz ordentlicher wirtschaftlicher Entwicklung - wir wollen das nicht vergessen; denken Sie darüber nach, was wäre, wenn die wirtschaftliche Entwicklung dahinter zurückbliebe - erwartete Steuergelder ausbleiben.
Dieses Gesamtbild ergibt sich vor folgendem Hintergrund: Die Koalition hat schon vor längerer Zeit den Versuch gemacht, die steuerlichen Rahmenbedingungen in Deutschland zu verbessern und damit stärkere Investitionen sowohl der eigenen als auch der ausländischen Wirtschaft in unserem Land zu ermöglichen. Denn wenn trotz guten wirtschaftlichen Wachstums die Arbeitslosigkeit viel zu hoch bleibt und wenn die Steuereinnahmen hinter den Erwartungen zurückbleiben, dann ist klar, daß die Rahmenbedingungen des Standorts verbessert werden müssen und daß in diesem Bereich unbedingt umgesteuert werden muß. Leider ist das Koalitionskonzept, das ja die F.D.P. ganz wesentlich beeinflußt hatte, der Blockadehaltung der Opposition zum Opfer gefallen.
Wer deshalb mangelnde Dynamik beklagt - wie es zum Beispiel der Sachverständigenrat tut -, wer die hohe Belastung künftiger Generationen durch die wachsende Verschuldung beklagt - wie es uns die Deutsche Bundesbank in der letzten Woche vorgehalten hat -, der sollte zumindest auch zur Kenntnis nehmen - ich sage dies auch und gerade mit Blick auf die Bevölkerung draußen im Land -, daß hier nicht die Politik insgesamt schuldig ist. Diejenigen, die die notwendigen Schritte verweigern und die nach meiner festen Überzeugung damit den Auftrag der Wähler in den Ländern verfälschen, gehören an den Pranger. Es kann doch in einem föderalen Staat niemals die Aufgabe der Länderkammer sein, mit parteipolitisch motivierter Blockadepolitik den Zentralstaat an den Rand der Handlungsfähigkeit zu bringen.
Die Forderungen der Sachverständigen lesen sich ja beinahe wie ein Parteiprogramm der F.D.P.
Deshalb ist für die Zukunft unseres Landes eine erneute Stärkung der politischen Mitte, eine erneute Stärkung der F.D.P. wichtig.
Rote Verweigerung und grün-bunte Verantwortungslosigkeit bringen Deutschland nicht voran.
- Aber gerne, Herr Kollege Nolting: Rote Verweigerung und grün-bunte Verantwortungslosigkeit bringen Deutschland nicht voran.
Dr. Wolfgang Weng
Daß sich unsere Beratungen so schwierig gestaltet haben, liegt auch an dem Datenkranz, mit dem uns die Regierung ausgestattet hat.
Es ist schon fast fatal zu nennen, daß ausgerechnet in der jetzigen schwierigen Finanzsituation die Ergebnisse der Steuerschätzung total aus dem Ruder laufen.
Über lange Jahre konnten wir mit verläßlichen Daten rechnen. Natürlich stellt man sich als Haushaltspolitiker auch die Frage, ob bestimmte Entwicklungen wirklich mit der nötigen Sorgfalt vorauskalkuliert worden sind. Eigentlich müßten doch die Daten vorhanden oder zumindest zu beschaffen sein, die die hohen Ausfälle bei der Einkommensteuer zum Beispiel durch Verlustrückträge und Sonderabschreibungen voraussagbar gemacht hätten. Hier hat die Regierung eine Bringschuld: Es muß künftig bessere und genauere Zahlen geben, auf die wir uns verlassen können.
Diese Kritik gilt insbesondere auch für die Voraussagen der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, die im wesentlichen das Sozialministerium zu verantworten hat. Daß die rot-grüne Blockadepolitik eine nachhaltige Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt bisher verhindert, kann keine Entschuldigung dafür sein, daß wegen falscher Voraussagen die Haushaltsansätze des Regierungsentwurfs häufig in erheblichem Umfang nachgebessert werden mußten oder daß im Haushaltsvollzug in großem Umfang nachgebessert werden mußte. Klarheit und Wahrheit: Diese Forderung richtet sich auch an das Sozialministerium.
Meine Damen und Herren, die Finanzenge des Haushalts hat auch positive Seiten, weil sie Auslöser für ordnungspolitisch notwendige, aus liberaler Sicht wünschenswerte politische Entwicklungen ist. Die Klagen von seiten der Opposition machen es um so deutlicher, daß es hier Unterschiede in den politischen Auffassungen gibt. Ich meine den Bereich der Privatisierungen. Die erfolgreiche Privatisierungspolitik der Bundesregierung und der Koalition hätte niemals die jetzige Dimension erreicht, wenn nicht der Druck leerer Kassen auch in den Amtsstuben der Ministerien die Bereitschaft zum Handeln gesteigert hätte.
Daß der sparsame Haushaltsvollzug des Jahres 1997 es ermöglicht, durch Verlagerung von Privatisierungseinnahmen in das Jahr 1998 die Verfassungsmäßigkeit des Haushalts leichter zu erreichen, ist eine gute Nachricht, für die der verantwortliche
Finanzminister Waigel durchaus gelobt werden kann.
- Wenn ich daran denke, daß Sie die Haushaltssperren beklagt haben, daß Sie immer und überall gefordert haben, beim Vollzug doch mehr Geld zur Verfügung zu stellen, dann ist klar, daß Sie nicht der gleichen Meinung sind wie wir. Wir sind froh, daß hierdurch Gelder in einer Größenordnung von bis zu 5 Milliarden DM im laufenden Jahr gegenüber dem, was die ursprüngliche Planung vorsah, eingespart wurden und so Handlungsspielräume eröffnet werden konnten.
Der Finanzminister hat - den Haushältern im Parlament vergleichbar - in der Regierung den undankbarsten Job. Wo andere verteilend und segnend durchs Land ziehen, muß er verweigern. Was der Welt Lohn ist, sagt ein altes Sprichwort in großer Deutlichkeit.
Die Enge des Haushalts hat - das will ich lobend erwähnen - die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlamentsmehrheit in Haushaltsfragen verbessert. Wir von seiten der F.D.P. haben begrüßt, daß der Finanzminister schon vor der Kabinettsentscheidung die Fraktionen der Koalition und auch die Öffentlichkeit über die Grundzüge des Regierungsentwurfs zum Haushalt 1998 informiert und hierdurch eine aktive Mitsprache des Parlaments ermöglicht hat. Noch mehr haben wir - Herr Kollege Roth hat das lobend erwähnt - zu schätzen gewußt, daß es eine flankierende Unterstützung unter Einbeziehung der Fraktionen in dem engen Zeitraum zwischen den Ergebnissen der Steuerschätzung und der abschließenden Beratung im Haushaltsausschuß in der letzten Sitzungswoche gegeben hat. Da ist sogar den eifrigsten Lautsprechern der Opposition kurzzeitig das übliche Wehgeschrei im Halse steckengeblieben.
- Mit dem Beifall sind die Kollegen etwas sparsam.
Sie sehen sich ja so selten, daß ich Verständnis habe, wenn sie ihre Erfahrungen austauschen. Seit es die „Pressespiegel" im kleinen Format gibt, ist dies nicht mehr so auffällig. Man muß die Zeit für viele andere Dinge nutzen; dafür habe ich Verständnis.
Meine Damen und Herren, im Bundeshaushalt wird erneut die Zahl der öffentlich Bediensteten kegelgerecht um 1,5 Prozent abgesenkt. Wir sind der Meinung, Herr Finanzminister, daß dies auch in Zukunft fortgesetzt werden muß, weil die Zahl der öffentlich Bediensteten und die Besoldungsstruktur im öffentlichen Dienst der absehbaren Haushaltssituation Rechnung tragen müssen. Dies gilt im Bereich der Länder und der Kommunen noch stärker als beim Bund.
Dr. Wolfgang Weng
Wenn neue Aufgaben neues Personal erfordern, wie auch in diesem Haushalt, dann muß um so mehr eine ständige Aufgabenkritik innerhalb der Regierung unnötig gewordene Verwaltung reduzieren. Die Aufforderung an die Regierung bleibt - ich sage dies auch mit Blick auf die Übergangsregelungen, die im Zusammenhang mit dem Umzug nach Berlin kommen werden -: Die Zahl der Bediensteten des Bundes muß entsprechend einer Festlegung der Bundesregierung und der Koalition wieder auf den Stand von 1989 gebracht werden.
Wir wissen, daß dies Engpässe bedeutet. Es ist aber kraft ihrer Organisationsgewalt Sache der Regierung, dafür zu sorgen, daß für die notwendigen Aufgaben das erforderliche Personal ausreichend zur Verfügung steht, aber trotzdem durch Abbau überzähliger Stellen insgesamt eine Reduzierung erreicht wird. Wir haben - ich sage das, ohne daß wir eine förmliche Beschlußlage dafür hätten herbeiführen müssen - überhaupt nichts dagegen, wenn es auch innerhalb der Regierung in Bereichen, wo überzähliges Personal vorhanden ist, zu Einsparungen kommt und an anderen Stellen, wo dies notwendig ist, gegebenenfalls zu Zuwächsen. Aber das Gesamtbild muß aus den genannten Gründen stimmen.
Das Wirtschaftsministerium - das will ich hier ausdrücklich und lobend erwähnen - hat durch Sachverständige eine Analyse seiner Organisationsstrukturen durchführen lassen. Dies kann als Vorbild dienen und auch Basis von Entscheidungen der Regierung über ihre eigene Organisationsstruktur werden.
Ich sage mit Blick auf die Zahl öffentlich Bediensteter und auch mit Blick auf die Demonstrationen von Studierenden, die wir im Augenblick haben, Demonstrationen, die von der Sache her natürlich begründet sind - junge Menschen wollen für ihren Lebensweg Aussichten haben -: Wenn junge Hochschulabgänger in Zukunft nicht mehr in den öffentlichen Dienst drängen, sondern sich wieder verstärkt auf sich selbst verlassen, eine berufliche Selbständigkeit anstreben, dann ist dies eine gute Entwicklung.
Meine Damen und Herren, die F.D.P.-Fraktion begrüßt erneut, daß die Koalition über Senkung der Steuerlast neue Dynamik zu erreichen versucht. Verbesserung des Familienlastenausgleichs - schon fast vergessen und konsumiert -, Verzicht auf Kohlepfennig-Ersatzsteuer, Wegfall von Gewerbekapitalsteuer - nach langem Hinhalten und Widerstand der SPD -, Wegfall der Vermögensteuer und im kommenden Jahr die Absenkung des sogenannten Solidarzuschiags, einer von Anfang an problematischen Sondersteuer, zeigen einen im Grundsatz richtigen Weg. Trotzdem wird die Politik in Deutschland an einer großen Reform der Lohn- und Einkommensteuer, verbunden mit Steuervereinfachung, nicht vorbeikommen. Die SPD wird ihre dahin gehende Blockade aufgeben müssen, wenn sich die wirtschaftliche Situation in unserem Lande im weltweiten Wettbewerb
nicht noch weiter verschlechtern und die Arbeitsmarktsituation nicht noch bedrohlicher werden soll. Folgen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, endlich den notwendigen und richtigen Vorschlägen von Union und F.D.P.!
Die Koalition hat in diesem Haushalt auf Wahlgeschenke verzichtet, obwohl ein Wahljahr bevorsteht. Das war, wie Sie wissen, nicht immer so. Aber in der gegebenen Haushaltssituation wäre das unverantwortlich gewesen, und wir stellen uns der Verantwortung. Wir gehen in geordnetem Verfahren und mit vertretbarem Haushalt in das Wahljahr 1998.
Die Bundestagsfraktion der F.D.P. stimmt dem Nachtragshaushalt 1997 und dem Haushalt 1998 in zweiter Lesung zu.
Vielen Dank.