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    Plenarprotokoll 13/204 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 204. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. November 1997 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, für die Aktuelle Stunde sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 24. November 1997 18431 A Erweiterung der Tagesordnung 18494 C Tagesordnungspunkt 17: a) - Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten (Drucksachen 13/7163, 13/8586, 13/8989, 13/ 9062) - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der Gesellschaft vor gefährlichen Straftätern (Drucksachen 13/ 7559, 13/8989, 13/9062) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Uwe-Jens Heuer und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines .. Strafrechtsänderungsgesetzes - Sicherungsverwahrung (Drucksachen 13/2859,13/8989, 13/9062) . . 18431 B b) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Gerald Häfner, Halo Saibold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Maßnahmen zur wirksameren Verfolgung der sexuellen Ausbeutung von Kindern durch Deutsche im Ausland - zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Rita Grießhaber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Den Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt verbessern - zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Schmidt (Aachen), Dr. Jürgen Meyer (Ulm), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: 30-PunkteProgramm: Gesamtkonzept zum Schutz unserer Kinder vor sexueller Gewalt - zu dem Antrag der Abgeordneten Christina Schenk, Heidemarie Lüth, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Zur Prävention sexualisierter Gewalt an Kindern (Drucksachen 13/5139, 13/7087, 13/ 7092, 13/7166, 13/8989, 13/9062) . . 18431 C c) - Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (Drucksachen 13/7164, 13/8587, 13/8991, 13/9064) - Zweite und dritte Beratung des von Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bereinigung des Strafgesetzbuches und zur Reform der Strafvorschriften gegen Kinderhandel (Drucksachen 13/6038, 13/ 8991, 13/9064) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - 174 c StGB (Drucksachen 13/8267, 13/8991, 13/9064) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Strafrechtsänderungsgesetzes - 174 c und 174 d StGB (Drucksachen 13/8548, 13/8991, 13/9064) - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (Drucksachen 13/ 2203,13/8991,13/9064) - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Totengedenkstättenschutz (Drucksachen 13/3468, 13/8991, 13/ 9064) 18432 C d) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht zur Frage gesetzgeberischen Handlungsbedarfs bei Schutz vor sexuellem Mißbrauch in Abhängigkeits- und Therapieverhältnissen - zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Entkriminalisierung des Ladendiebstahls, Schwarzfahrens und der Fahrerflucht bei Sachbeschädigung (Drucksachen 12/8336, 13/725 Nr. 42, 13/2005, 13/8991, 13/9064) 18432 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Gerald Häfner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Reform des Straf- und des Sanktionenrechts (Drucksache 13/8957) 18432 D in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 17 e: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung (Gesetz zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren; Zeugenschutzgesetz) (Drucksachen 13/7165, 13/8990, 13/ 9063) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Dr. Eckart Pick, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von Deliktopfern und zum Einsatz von Videogeräten bei Zeugenvernehmungen in der Hauptverhandlung (Drucksachen 13/3128, 13/ 8990, 13/9063) - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung (Gesetz zum Schutz kindlicher Zeugen) (Drucksachen 13/ 4983, 13/8990, 13/9063) 18432 D Norbert Geis CDU/CSU 18433 B Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/ CSU 18435 C, 18455 B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 18436 B Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18439 A Jörg van Essen F.D.P. 18440 C Christina Schenk PDS 18442 C Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 18444 B Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 18444 D Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . . . 18446 D, 18451B, 18458 D Hanna Wolf (München) SPD . 18447 B, 18458 A Erika Simm SPD 18448 B Franz Peter Basten CDU/CSU 18450 D Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18453 A Dr. Ulrich Goll, Minister (Baden-Württemberg) 18454 B Hermann Leeb, Staatsminister (Bayern) 18457 A Norbert Geis CDU/CSU 18458 C Anni Brandt-Elsweier SPD 18459 A Maria Eichhorn CDU/CSU 18460 D Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 18462 A Tagesordnungspunkt 16: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Drucksachen 13/8012, 13/8653, 13/8794, 13/ 8994) 18465 D Heinz Schemken CDU/CSU 18466 A Adolf Ostertag SPD 18467 B Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18468 D Dr. Gisela Babel F.D.P 18469 D Dr. Heidi Knake-Werner PDS 18470 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 18471 B Namentliche Abstimmung 18472 D Ergebnis 18476 A Tagesordnungspunkt 18: a) - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (Drucksachen 13/1439, 13/8917) - Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (Drucksachen 13/422, 13/8917) . . . 18473 A b) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann und der weiteren Abgeordneten der PDS: Senkung der Promille-Grenze im Straßenverkehr auf 0,0 Promille - zu dem Antrag der Abgeordneten Gila Altmann (Aurich), Albert Schmidt (Hitzhofen), Rainder Steenblock und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Senkung der Promille-Grenze im Straßenverkehr auf 0,0 Promille (Drucksachen 13/612 (neu), 13/694, 13/ 8917) 18473 B c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (Drucksachen 13/3764, 13/8979) 18473 C d) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 13/6914, 13/7888) . 18473 D e) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und anderer Gesetze (Drucksachen 13/5418, 13/8655) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Alfred Hartenbach, Dr. Herta Däubler-Gmelin, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, des Straßenverkehrsgesetzes und der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (Drucksachen 13/3691, 13/ 8655) 18473 D Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/ CSU 18474 A Elke Ferner SPD 18478 B Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18480D, 18489 D Horst Friedrich F.D.P. 18482 A Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18483 B Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18484 A Dr. Dagmar Enkelmann PDS . . 18484 B, 18485 D Monika Ganseforth SPD 18448 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 18485 C Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 18486 A Günter Oesinghaus SPD 18486 D Michael Jung (Limburg) CDU/CSU . . 18487 D Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18488A, 18491 D Alfred Hartenbach SPD 18490 B Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 18491 A Zusatztagesordnungspunkt 11: Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages hier: Widerruf der Genehmigung zur Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen gegen das Mitglied des Deutschen Bundestages Dr. Erich Riedl (München) gemäß Artikel 46 Abs. 4 des Grundgesetzes (Drucksache 13/9045) 18494 C Tagesordnungspunkt 19: a) Antrag der Abgeordneten Winfried Nachtwei, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stopp der deutschen Beteiligung am Eurofighter (Drucksache 13/8150) . 18494 D b) Antrag der Abgeordneten Steffen Tippach, Andrea Gysi, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Keine Beschaffung des Eurofighters 2000 (Drucksache 13/8578) 18494 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18495 A Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär BMVg 18496 B Uta Zapf SPD 18497 C, 18504 A Paul Breuer CDU/CSU 18498 A Kurt J. Rossmanith CDU/CSU . . . 18499 B Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . 18500 B Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 18501 C Hans Raidel CDU/CSU 18502 A Paul Breuer CDU/CSU 18503 B Tagesordnungspunkt 20: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Heuer, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Beendigung der Strafverfolgung für hoheitliches Handeln von DDR-Bürgern und über die Gewährung von Straffreiheit für Handlungen, bei denen der Strafzweck mit Herstellung der deutschen Einheit entfallen ist (Strafverfolgungsbeendigungsgesetz) (Drucksachen 13/1823, 13/4053) . . . 18504 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 18505 A Dr. Michael Luther CDU/CSU 18506 A Hans-Joachim Hacker SPD 18507 B Dr. Uwe-Jens Heuer PDS . . 18507 D, 18510 A Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18509 B Dr. Klaus Röhl F.D.P 18511 A Nächste Sitzung 18511 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 18512* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Zusatztagesordnungspunkt 7 (Entwurf: 3. Verjährungsgesetz), zu Zusatztagesordnungspunkt 8 (Antrag: Wirtschaftskriminalität in Deutschland insgesamt bekämpfen), zu Zusatztagesordnungspunkt 10 (Antrag: Keine Verlängerung der Verjährungsfristen) Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18512* B Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 18513* D 204. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. November 1997 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Berninger, Matthias BÜNDNIS 14. 11. 97 90/DIE GRÜNEN Bindig, Rudolf SPD 14. 11. 97 Böttcher, Maritta PDS 14. 11. 97 Dreßler, Rudolf SPD 14. 11. 97 Hoffmann (Chemnitz), SPD 14. 11. 97 Jelena Hovermann, Eike SPD 14. 11. 97 Janssen, Jann-Peter SPD 14. 11. 97 Kirschner, Klaus SPD 14. 11. 97 Klose, Hans-Ulrich SPD 14. 11. 97 Kriedner, Arnulf CDU/CSU 14. 11. 97 Kurzhals, Christine SPD 14. 11. 97 Lehn, Waltraud SPD 14. 11. 97 Lotz, Erika SPD 14. 11. 97 Marx, Dorle SPD 14. 11. 97 Palis, Kurt SPD 14. 11. 97 Probst, Simone BÜNDNIS 14. 11. 97 90/DIE GRÜNEN Reschke, Otto SPD 14. 11. 97 Dr. Rochlitz, Jürgen BÜNDNIS 14. 11. 97 90/DIE GRÜNEN Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 14. 11. 97 90/DIE GRÜNEN Schultz (Everswinkel), SPD 14. 11. 97 Reinhard Schumann, Ilse SPD 14. 11. 97 Singer, Johannes SPD 14. 11. 97 Terborg, Margitta SPD 14. 11. 97 Wieczorek (Duisburg), SPD 14. 11. 97 Helmut * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Zusatztagesordnungspunkt 7 (Entwurf: 3. Verjährungsgesetz), zu Zusatztagesordnungspunkt 8 (Antrag: Wirtschaftskriminalität in Deutschland insgesamt bekämpfen), zu Zusatztagesordnungspunkt 10 (Antrag: Keine Verlängerung der Verjährungsfristen) (siehe 203. Sitzung, Seite 18404 B) Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Aufarbeitung des in der DDR geschehenen Staatsunrechtes ist und bleibt eine wesentliche Voraussetzung für das Zusammenwachsen Ost- und Westdeutschlands. Damit die innere Einheit unseres Landes auf einem sicheren Fundament steht, kommt der justitiellen Aufarbeitung, neben der politischen und kulturellen, eine zentrale Rolle zu. Nur in einem rechtsstaatlich geführten Prozeß kann die Verantwortung und Schuld, die diejenigen zu tragen haben, die unter dem Schutz des DDR-Regimes Straftaten begangen haben, geklärt werden. Dies war und ist gerade im Bereich der Regierungskriminalität von tragender Bedeutung. Die strafrechtliche Aufarbeitung erfüllt aber noch weitere wichtige Funktionen. Mit Hilfe der Durchführung der strafrechtlichen Ermittlungs- und Gerichtsverfahren wird der pauschalen Vorverurteilung unzähliger Menschen begegnet. Täter werden sichtbar gemacht und bekommen Namen, die Opfer erfahren späte Genugtuung und häufig erst die Möglichkeit, zivilrechtliche Ansprüche geltend zu machen, weil diese Ansprüche in der Regel erst mit Hilfe der im Strafprozeß gesicherten Beweise durchgesetzt werden können. Die strafrechtliche Aufarbeitung liegt aber auch im Interesse der Gesellschaft insgesamt, die es nicht zulassen kann, daß Straftaten von erheblichem Ausmaß einfach hingenommen werden und daß die Täter den Nutzen und die Opfer aber den Schaden dieser Taten davontragen, ohne daß der Rechtsstaat mit allen seinen Mitteln das ihm Mögliche unternimmt, um die Verantwortlichen festzustellen und einer Verurteilung zuzuführen. Allerdings spreche ich von Aufarbeitung im Rahmen des Rechtsstaates. Der aber hat seinen Preis. Nicht immer werden die Urteile der Gerichte die Betroffenen befriedigen. Zum Rechtsstaat gehört zum Beispiel die Unschuldsvermutung ebenso wie das Rückwirkungsverbot, das Prinzip „nulla poena sine lege" oder auch der Grundsatz der Verjährung. Bisher hat der Rechtsstaat sich bei der Aufarbeitung strikt an seine Regeln gehalten. Insbesondere der Grundsatz „nulla poena sine lege", wonach auf von DDR-Bürgern zu DDR-Zeiten begangene Straftaten nicht das damals oder heute geltende Recht anzuwenden ist, hatte zur Folge, daß eine eminent hohe Zahl der Verfahren mit Freisprüchen oder der Einstellung des Verfahrens endeten. So kommen viele Angeklagte aus guten Gründen in den Genuß von sie schützenden Rechts- und Verfahrensgrundsätzen, die sie selbst zum Beispiel bei der Verfolgung von Oppositionellen in der DDR niemals haben gelten lassen. Vorwürfe wie das böse Wort von der „Siegerjustiz" finden daher keinerlei Ansatzpunkt in der Wirklichkeit. Das muß auch in Zukunft so bleiben. Dies bedeutet, daß die Strafverfolgung nicht unter allen Umständen und schon gar nicht unter Nichtachtung rechtsstaatlicher Grundsätze, geführt werden darf. Wir diskutieren heute über die nochmalige Verlängerung der Verjährungsfristen für sogenannte mittelschwere Delikte, also für solche, die mit einem Strafrahmen von ein bis fünf Jahren bedroht sind. Viele Gründe, insbesondere die vielen noch nicht aufgearbeiteten Akten der Staatssicherheit, die erst am Anfang stehenden Untersuchungen über die Funktion und Tätigkeit der Nomenklaturkader etc. sprechen für eine nochmalige Verlängerung der Verjährungsfristen. Aber es gibt auch erhebliche verfassungsrechtliche und rechtsstaatliche Bedenken, über die wir uns nicht leichtfertig hinwegsetzen sollten. Diese schwerwiegenden Bedenken werden nicht nur von der überwiegenden Zahl aller juristisch und rechtspolitisch Sachverständigen, sondern auch von sämtlichen Justizministern der neuen Länder, vom Bundesminister der Justiz, vom zuständigen Generalstaatsanwalt in Berlin und von der Bundesbeauftragten für die Unterlagen der ehemaligen Staatssicherheit geteilt. Besonders ernste Fragen sind hier im Hinblick auf eine mögliche Ungleichbehandlung etwa von im Osten und im Westen begangener Vereinigungskriminalität angebracht. Es kann nicht, wie es Folge des vorliegenden Entwurfes wäre, richtig sein und verstieße auch gegen das Gleichheitsgebot, wenn ein Täter, der beispielsweise einen Betrug zu Lasten der Treuhand im Westen begangen hat, wegen der dort einsetzenden Verjährung straffrei bleibt, während derjenige, der eine vergleichbare Straftat im Osten begangen hat, noch bis zum 2. Oktober 2000 verfolgt und verurteilt werden kann. Dies wäre eine Ungleichbehandlung, die nicht nur verfassungsrechtlich untragbar erscheint, sondern auch eine Ungleichbehandlung, die die innere Einheit und das Zusammenwachsen des Landes in höchstem Maße schädigt. Ein Rechtsstaat kann nicht nach seinem Belieben die Verjährungsfristen für Straftaten verlängern. Wer die Verjährungsfristen pauschal verlängern will, muß dafür sehr schwerwiegende Argumente angeben. Es schwächt aber unsere Argumentation und ist im übrigen auch ein Skandal, daß die strafrechtliche Verfolgung zum Teil deshalb nicht zügig vorangehen konnte, weil von den Ländern nicht genügend Personal- und Sachmittel zur Verfügung gestellt worden sind, ein Mißstand, den wir hier regelmäßig beklagt haben, der aber gleichwohl nicht behoben wurde. Dies bedeutet, daß wir über den vorliegenden Gesetzentwurf und denkbare Alternativen in den Ausschüssen noch sehr gründlich beraten müssen. Eine Verfassungsbeschwerde gegen ein solches Gesetz wird so sicher kommen wie das Amen in der Kirche. Die Folge eines Scheiterns beim Bundesverfassungsgericht wäre ein immenser Vertrauensverlust in die rechtsstaatliche Aufarbeitung der DDR-Diktatur. Deshalb wäre es klug, wenn hier im Hause eine differenzierte Regelung verabschiedet werden würde, die den verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung trägt und gleichwohl, zumindest für die wichtigsten noch offenstehenden Deliktsbereiche eine praktikable, hieb- und stichfeste Lösung bietet. Ich selbst habe dazu seit Monaten in unzähligen Gesprächen und Runden mit den Kollegen aus den anderen Fraktionen Vorschläge gemacht. So ist im Bereich der vereinigungsbedingten Wirtschaftskriminalität einzelnen, aber auch dem Gemeinwesen erheblicher Schaden entstanden. In diesem Bereich befindet sich die größte Dunkelziffer unaufgeklärter Taten. Auf Grund der Komplexität konnte die zuständige Ermittlungsbehörde vielfach auch noch keine verjährungsunterbrechenden Maßnahmen ergreifen. Die Aufklärung im Bereich der Wirtschaftsdelikte erweist sich ganz grundsätzlich als höchst schwierig, und jeder verstrichene Monat erhöht die Wahrscheinlichkeit, für Taten wie Steuerhinterziehung, Betrug, Subventions-und Kreditbetrug nicht belangt zu werden, da solche und vergleichbare Delikte erst spät und häufig nur zufällig entdeckt werden und, wenn sie entdeckt wurden, nur schwierig auszuermitteln sind (Wirtschaftswoche vom 6. November 1997, S. 238). Das gilt im übrigen für alle Wirtschaftsdelikte, und es gilt in Ost und West gleichermaßen, nicht nur für solche, die im Zusammenhang mit dem Vereinigungsprozeß begangen wurden. Hier böte sich eine zielgenaue Regelung an, deren verfassungsrechtliches Risiko ich für weit geringer halte als bei einer pauschalen Verlängerung der Verjährungsfristen. Aber darüber wird noch zu reden sein. Die Zeit ist äußerst knapp, viel wertvolle Zeit ist verstrichen. Jetzt bleiben im Grunde nur noch zwei Sitzungswochen, damit ein funktionstüchtiger und wasserdichter Gesetzentwurf verabschiedet wird. Nur eine verfassungsrechtlich einwandfreie, saubere Lösung wird dem Anliegen der juristischen Aufarbeitung der DDR-Diktatur nicht schaden sondern vielmehr nützen. Darum sollten wir uns nun alle bemühen. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 718. Sitzung am 7. November 1997 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 Grundgesetz nicht zu stellen: - Gesetz zur Senkung des Solidaritätszuschlags - Gesetz über den deutschen Auslandsrundfunk - Gesetz zu dem Übereinkommen vom 26. Juli 1995 auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts (Europol-Gesetz) - Gesetz zu dem Protokoll vom 24. Juli 1996 auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung (Europol-Auslegungsprotokollgesetz) - Gesetz zu dem Vierten Protokoll vom 15. April 1997 zum Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 5. November 1997 ihren Antrag „Unterstützung der Europäischen Union für die Hochwasseropfer in Polen und Tschechien" - Drucksache 13/8728- zurückgezogen. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 11. November 1997 ihren Änderungsantrag zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze - Drucksache 13/7906 - zurückgezogen. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Innenausschuß - Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ihre Maßnahmen zur Förderung der Kulturarbeit gemäß § 96 BVFG in den Jahren 1993 und 1994 - Drucksache 13/6796- - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ihre Maßnahmen zur Förderung der Kulturarbeit gemäß § 96 BVFG in den Jahren 1995 und 1996 - Drucksachen 13/8096, 13/8507 Nr. 1.2- Ausschuß für Wirtschaft - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht zum Entwurf eines OECD-Übereinkommens zur Bekämpfung der Bestechung im internationalen Geschäftsverkehr - Drucksache 13/8683- Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über das Programm zur Bürgschaftsübernahme - insbesondere für den Erwerb von Wohnungen zur Eigennutzung aus dem Bestand in den neuen Bundesländern - - Drucksachen 13/8297, 13/8507 Nr. 1.12- Verteidigungsausschuß - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Entwicklungsstand des Jagdflugzeuges 90 - Drucksachen 11/7533, 12/210 Nr. 139, 13/725 Nr. 140 - Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung - Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Reformprojekt Berufliche Bildung - flexible Strukturen und moderne Berufe - Drucksache 13/7625- Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Finanzausschuß Drucksache 13/8269 Nr. 1.5 Drucksache 13/8508 Nr. 2.13 Drucksache 13/8615 Nr. 2.100 Drucksache 13/8615 Nr. 2.102 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/7867 Nr. 1.4 Drucksache 13/7867 Nr. 1.5 Drucksache 13/7867 Nr. 1.7 Drucksache 13/7867 Nr. 2.4 Drucksache 13/7867 Nr. 2.13 Drucksache 13/7867 Nr. 2.15 Drucksache 13/7867 Nr. 2.16 Drucksache 13/7867 Nr. 2.17 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 13/6766 Nr. 1.2 Drucksache 13/7867 Nr. 1.9 Drucksache 13/8106 Nr. 2.2 Drucksache 13/8106 Nr. 2.15 Ausschuß für Gesundheit Drucksache 13/6129 Nr. 1.4 Drucksache 13/7867 Nr. 1.1 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 13/8508 Nr. 2.34
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    Rede von Elke Ferner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Lassen Sie mich zu Beginn außerhalb meiner Redezeit noch eine Korrektur zu der Beschlußempfehlung zum Straßenverkehrsgesetz vortragen, auf die wir uns einvernehmlich geeinigt haben, weil der gleiche Sachverhalt auch im Ordnungswidrigkeitengesetz enthalten ist. In der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Drucksache 13/7888, zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze, Drucksache 13/6914, haben in Art. 1 Nr. 14 die Buchstaben b - das betrifft § 25 Abs. 2 a neu StVG - und f - das betrifft § 25 Abs. 8 StVG - zu entfallen, da die betreffenden Regelungen in der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, Drucksache 13/8655, zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und anderer Gesetze, Drucksache 13/5418, ihrerseits getroffen worden sind.
    Das ist die Korrektur der Beschlußempfehlung, Frau Präsidentin.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Das mußte einmal gesagt werden!)

    Nun eine Vorbemerkung zur heutigen Debatte. Wir sollen heute in einer Stunde - zunächst war nur eine halbe Stunde vorgesehen - vier höchst komplexe Themen behandeln, die für die Verkehrssicherheit und die künftige Verwaltungs- und Gerichtspraxis von entscheidender Bedeutung sind. Aber, meine Damen und Herren von der Koalition, über Peinlichkeiten sprechen Sie natürlich nicht gerne.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Zur Umsetzung des EU-Führerscheins kann ich deshalb nur wenige Bemerkungen machen. Die nationale Umsetzung war schon 1994 fällig. Man mußte sich aber zuerst über die letzte Bundestagswahl und dann noch über verschiedene Landtagswahlen retten, bevor man mit der Umsetzung begonnen hat. Im März haben wir Berichterstatter begonnen, die parlamentarische Beratung aufzunehmen, und waren vor der Sommerpause soweit, daß man darüber hätte eigentlich abstimmen können. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal ausdrücklich beim Ausschußsekretariat und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums für die gute Vorbereitung bedanken.
    Die Mehrheit dieses Hauses war dann aber zu feige, über einen Änderungsantrag meiner Fraktion abzustimmen, und hat den ganzen Gesetzentwurf schlicht und ergreifend abgesetzt. Jetzt haben Sie ein Vertragsverletzungsverfahren der Kommission am Hals.

    (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: So ist es!)

    Das ist die Quittung für Ihre taktischen Spielchen, die Sie auch mit anderen Gesetzen permanent treiben.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Der Gesetzentwurf selber enthält in wesentlichen Teilen wichtige und positive Neuregelungen, die wir ausdrücklich begrüßen. Aber Sie schütten natürlich wieder einmal das Kind mit dem Bade aus. Die Verkehrssicherheit wird durch zahlreiche Regelungen wie mit einer Dampfwalze plattgemacht, zum Beispiel durch die Begünstigung von Amokfahrern im Punktesystem. Wer also innerhalb kürzester Zeit rote Ampeln überfährt, zu schnell und mit kurzem Abstand fährt, soll im Ergebnis dann besser dastehen als diejenigen, die ihre Punkte langsam angesammelt haben.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Was? Das darf doch nicht sein!)

    Ein anderes Beispiel ist der Einstieg in eine freiwillige zweite Fahrausbildung. Sie wird vom Minister

    Elke Ferner
    gewollt, von Experten gefordert, von Union und SPD unterstützt und von der F.D.P. blockiert.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Na, wie immer!)

    Ich hätte mir gewünscht, daß die Koalition die notwendigen Konsequenzen aus der Anhörung „Junge Fahranfänger" zieht, Herr von Stetten. Aber Sie sind überhaupt nicht mehr in der Lage, ein einziges Problem in dieser Republik positiv zu regeln.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Das Ganze gipfelt darin, daß dieses Parlament aus der Zeitung weitere Schritte des Ministeriums und der Koalition gegen die Verkehrssicherheit erfahren muß. Der Ministerpräsident kündigt nämlich an, Raser für ihren Nervenkitzel damit zu entschädigen, daß im Wiederholungsfall einer Überschreitung zwischen 26 und 31 km/h innerorts beispielsweise kein Fahrverbot mehr verhängt werden soll. Die Koalition entblödet sich auch nicht, diesen Vorschlag in ihrem Entschließungsantrag aufzugreifen.
    Damit ist es aber noch nicht genug. Tempo-30-Zonen behindern die Raser. Also ändern Sie kurzerhand die Regeln, damit die Kommunen, in denen bereits Tempo-30-Zonen eingerichtet wurden, diese wieder raserfreundlicher gestalten. Da kommt bei Eltern kleiner Kinder und sicherlich auch bei den Kolleginnen und Kollegen in den Stadt- und Gemeinderäten richtiggehend Freude auf.
    Sie können aus unserem Änderungsantrag und auch aus unserem Entschließungsantrag ersehen, welche konkreten Vorschläge wir zum Führerschein und zur Verkehrssicherheit haben. Aber Sie werden das wahrscheinlich wie immer blockieren, weil der Schwanz wieder einmal mit dem Hund wedelt.
    Bei den Änderungs- und Entschließungsanträgen scheint der Koalition und auch den Grünen weitgehend der Überblick dafür verlorengegangen sein, zu welchem Gesetzentwurf man welche Änderungsanträge stellt.

    (Gila Altmann [Aurich] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)

    Was hat beispielsweise der Gesetzentwurf zu Drogen im Verkehr mit Tempo-30-Zonen zu tun? Bei dem Änderungsantrag der Grünen zur Senkung der Promillegrenze auf 0,0 Promille wird die Zahl „0,8" lediglich durch „0,0" ersetzt, aber alles, was dahinter kommt, die Koalitionsregelung zu 0,5 Promille und die Regelung zur Atemalkoholanalyse, wird unangetastet gelassen. Insofern werden wir dieses ganze Sammelsurium an Änderungsanträgen ablehnen.
    Jetzt zur unendlichen Geschichte der Absenkung der Promillegrenze. Unsere Vorschläge liegen seit mehr als fünf Jahren auf dem Tisch. Mit dubiosen Verfahrens- und Geschäftsordnungstricks blockiert die Koalition seit Jahren jede Abstimmung. Herr Kollege von Stetten schreibt in einem Brief an seinen Parteifreund Wissmann, daß er seit Jahren „immer
    wieder bei den Verzögerungen zur Verhinderung der Abstimmung aktiv mitgewirkt" hat.

    (Zurufe von der SPD: Oh! Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Na, so was!)

    Das zeigt die Blockadehaltung dieser Koalition insgesamt.
    Die gesamte Verkehrswissenschaft, die Autoversicherer, die Verkehrssicherheitsverbände, der Verkehrsgerichtstag und nicht zuletzt die große Mehrheit der Bürger und Bürgerinnen schütteln ihre Köpfe über die Selbstblockade der Koalition.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Dagmar Enkelmann [PDS])

    Wenn es eine freie Abstimmung gegeben hätte, wäre die Promillegrenze längst nach unseren Vorschlägen abgesenkt.

    (Ingrid Mätthäus-Maier [SPD]: Völlig richtig!)

    Wir wissen alle, daß schon ab 0,5 Promille die Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit so deutlich herabgesetzt ist, daß das Unfallrisiko nicht mehr tolerabel ist.

    (Dr. Dionys Jobst [CDU/CSU]: Wir führen doch die 0,5-Regelung heute ein!)

    Die jetzige 0,8-Promille-Grenze ist eindeutig zu hoch. Schon ab 0,5 Promille treten regelmäßig gefährliche Ausfallerscheinungen auf.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht hier um das Leben und die Unversehrtheit von Menschen, um nicht mehr, aber auch um nicht weniger.

    (Beifall bei der SPD und der PDS) Ihre Gegenargumente ziehen einfach nicht.


    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Zwar wird die Mehrzahl der schweren Verkehrsunfälle bei Werten weit oberhalb von 0,8 Promille begangen, aber die Absenkung der Promillegrenze führt dazu, daß man sich nicht mehr so schnell an die höheren Werte herantrinkt. Sie setzt außerdem ein eindeutiges politisches Signal, das von der großen Mehrheit der Bevölkerung mit Sicherheit auch richtig verstanden wird.

    (Horst Friedrich [F.D.P.]: Da ist aber sehr viel Hoffnung und wenig Wissen dabei!)

    - In den Niederlanden, lieber Kollege Friedrich, ist nämlich nach Einführung der 0,5-Promille-Grenze die Zahl der alkoholbedingten Unfälle deutlich zurückgegangen. Sie stieg dann zwar wieder etwas an, hat aber nie mehr das Niveau erreicht, das sie vor der Gesetzesänderung hatte. Sie schreiben in Ihrem Entschließungsantrag, jeder Verkehrstote sei einer zuviel. Handeln Sie endlich danach, statt die Probleme auszusitzen!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Elke Ferner
    Auch viele unserer europäischen Nachbarn haben die Grenzwerte abgesenkt, zuletzt Frankreich. Aber Sie begeben sich lieber wieder einmal in die internationale Isolation.

    (Dr. Dionys Jobst [CDU/CSU]: Wir senken doch auch ab!)

    Noch eine kurze Anmerkung zum absoluten Alkoholverbot. Das scheint zunächst logisch, wirft aber in der Praxis Probleme auf. 0,0 Promille wäre sicher eine Idealregelung. Wir als Gesetzgeber verordnen aber kein Idealverhalten, sondern ahnden schuldhaftes, vorwerfbares Verhalten. Das ist bei 0,5 Promille auch klar nachweisbar. Bei 0,0 Promille hingegen würden sonst weitgehend gesetzestreue Bürger kriminalisiert. Das verstieße gegen das Verfassungsgebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel, und ein solches Verbot würde auch weitgehend nicht beachtet werden. Dabei spielt dann oft nicht einmal der Vorsatz eine Rolle. So wäre etwa bei geringem Restalkohol am Morgen, den der Fahrer gar nicht bemerkt und der sich auch nicht negativ auswirkt, bereits eine Bestrafung angesagt. Der Gesetzgeber müßte also von vornherein massenhafte Übertretungen dieser Vorschrift in Kauf nehmen oder sogar tolerieren. Damit stünde aber seine Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Insofern können wir diesen Anträgen auch nicht zustimmen.
    Ich fasse zusammen: 0,5 Promille ist der wissenschaftlich akzeptierte und geforderte Grenzwert. Er setzt sich europaweit immer mehr durch und ist zur Wahrung der Verkehrssicherheit auch dringend notwendig.

    (Beifall bei der SPD)

    Ihr fauler Kompromiß, meine Damen und Herren von der Koalition, wird diesem Anspruch nicht gerecht, sondern dient lediglich dem inneren Frieden der Koalition.

    (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Aber das ist doch auch etwas! Lachen bei der SPD)

    Außerdem vergrößert er die Verwirrung. Sie führen eine fünfte Promille-Grenze ein, deren Überschreitung mit 200 DM und zwei Punkten in Flensburg geahndet wird. Den Autofahrern wird damit quasi augenzwinkernd signalisiert, zwischen 0,5 und 0,8 Promille sei das alles gar nicht so schlimm. Das einzig wirksame Mittel, nämlich das Regelfahrverbot, droht nach wie vor erst ab 0,8 Promille. Das ist inkonsequent, meine Kollegen und Kolleginnen.

    (Dr. Dionys Jobst [CDU/CSU]: Nein, das ist ein erster Schritt!)

    Wenn ab 0,5 Promille die Unfallwahrscheinlichkeit drastisch höher ist, dann muß man auch die Konsequenzen ziehen. Wenn wir ein Verhalten als gefährlich für Leib und Leben Dritter erkennen, dann müssen wir Verstöße gegen gesetzliche Verbote auch mit spürbaren Konsequenzen ahnden. Polizei und Ordnungsbehörden wissen, wovon ich spreche. Das einzig wirksame Mittel ist das Fahrverbot.
    Außerdem haben wir, wenn sich Ihr fauler Kom- promiß durchsetzt, fast ein halbes Dutzend verschiedener Promille-Grenzen: 0,3, wenn es zu einem Unfall oder zu schweren Fahrfehlern kommt, 0,5, ohne daß irgend etwas Großartiges passiert, 0,8 mit Fahrverbot und hohem Bußgeld, 1,1 mit Gerichtsverfahren und Führerscheinentzug und 1,6 mit der Konsequenz einer MPU vor Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Ein Durcheinander!)

    Wer soll das eigentlich überhaupt noch verstehen?

    (Zustimmung bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Die Wahrheit steht in Ihrer Pressemitteilung, wo es heißt: „Die 0,8-Promille-Grenze wird beibehalten." Das wollen Sie eigentlich. Sie wollen das Thema nach der Melodie „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß" vom Tisch haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Deshalb appelliere ich an Sie: Machen Sie wenigstens einmal Nägel mit Köpfen,

    (Detlev von Larcher [SPD]: Das können die doch nicht!)

    springen Sie einmal in dieser Wahlperiode über Ihren eigenen Schatten und zeigen Sie ein einziges Mal Rückgrat. Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu! Ihr Vorschlag ist kein Beitrag zur Lösung der Probleme.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Michaela Geiger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Gila Altmann, Bündnis 90/Die Grünen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gisela Altmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Elke, wenn es da Verwirrung gibt, dann hat es damit zu tun, daß man bei dieser Antragslage schon im nüchternen Zustand besoffen wird. Allerdings werden wir noch klären, wer den Überblick verloren hat.
    Heute fällt also der letzte Vorhang im absurden Theater um die Promille-Grenze.

    (Dr. Dionys Jobst [CDU/CSU]: Haben Sie heute schon was getrunken?)

    Es ist eine Chance vertan worden, Herr Jobst, fraktionsübergreifend die Mehrheit der Vernünftigen zu organisieren und wenigstens den ersten Schritt in die richtige Richtung zu tun und eine echte Absenkung der Promille-Grenze zu erreichen. Genau davon rede ich. Leider haben sich diese Abgeordneten wieder von der Alkohollobby innerhalb der Koalition einfangen lassen, die den Thekenstandort Deutschland in Gefahr sieht.

    (Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch des Abg. Horst Friedrich [F.D.P.])


    Gila Altmann (Aurich)

    Übriggeblieben ist ein fauler Kompromiß, der das Wort nicht wert ist:

    (Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS Zuruf von der SPD: Das stimmt!)

    ein erhobener Zeigefinger statt konsequenten Handelns. Herr von Stetten, wir sind sicherlich kein Volk von Alkoholikern. Aber die Alkoholiker sind in erster Linie Männer. Vielleicht wird ja deshalb diese Nachsicht geübt.

    (Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS Dr. Dionys Jobst [CDU/CSU]: Das glaube ich nicht!)

    Jetzt gibt es also zwischen 0,5 und 0,8 Prozent zwei magere Punkte in Flensburg,

    (Horst Friedrich [F.D.P.]: Promille!)

    und es kostet schlappe 200 DM. Weil eben etwa 90 Prozent derer, die erwischt werden und ihren Führerschein loswerden, Männer sind, gibt es diese zweite Chance. Ich frage Sie: Wer gibt eigentlich den Unfallopfern eine zweite Chance?

    (Beifall des Abg. Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Wohlgemerkt: Bei jedem zweiten Unfalltoten ist Alkohol im Spiel.
    Notwendig wäre zumindest der konsequente Entzug der Fahrerlaubnis ab 0,5 Promille. Ich möchte einmal ganz deutlich sagen: Die 0,5-Promille-Grenze ist ein gesellschaftlicher Kompromiß. Es wäre notwendig, ein absolutes Alkoholverbot am Steuer auszusprechen, ein klares Signal zu setzen: Alkohol und Autofahren passen nicht zusammen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Wir wissen: Ab 0,2 Promille ist die Fahrtüchtigkeit eingeschränkt. Ab 0,3 Promille beginnt der Tunnelblick. Ich weiß nicht, ob Sie gestern die „Tagesthemen" gesehen haben. Da wurden schon bei 0,5 Promille im Simulator die Rehe angefahren und Strichmännchen im Protokoll gezeichnet. Herr Eylmann hat in seinem Selbstversuch bei 0,7 Promille ähnliches erlebt. Ich möchte hier einmal erleben, wie bei diesem Grenzwert eine zusammenhängende Rede gehalten werden kann. Ich glaube, das ist nur wenigen Kollegen in diesem Hause vergönnt. Und der, dem das gelänge, fehlt gerade.
    Statt dessen wird verharmlost und bagatellisiert. Es ist, wie Herr von Stetten sagte, ein „Fehltritt". Das ist in der Tat entlarvend. Von Problembewußtsein, Imageänderung und Aufklärungsarbeit keine Rede - und das, wo doch die Gesellschaft weiter ist: 50 Prozent sind für ein absolutes Fahrverbot nach Alkoholkonsum.
    Die Zauberwaffe heißt statt dessen „Atemalkoholanalysen" . Damit soll alles besser werden: Die Blutprobe wird ersetzt, die Kontrolldichte erhöht. Dabei ignorieren Regierungskoalition und leider auch SPD
    jede Kritik und alle Bedenken von Rechtsmedizinern. Ich finde es positiv, daß Sie inzwischen eingeräumt haben, wenigstens darüber nachzudenken. Bezeichnend ist auch, daß unsere Kleine Anfrage zu diesen Lücken nicht beantwortet wird und genau in diesem Punkt die neue Langsamkeit geübt wird.
    Das, was bei der Volksdroge Alkohol in unverantwortlicher Weise versäumt wird, holt man dann an anderer Stelle nach: Stichwort „andere Drogen". Obwohl es keine klaren Nachweismethoden gibt und das größere Problem, nämlich der Medikamentenmißbrauch, weiterhin ausgeblendet wird, wird hier stigmatisiert und kriminalisiert, der Kiffer am Steuer zum Popanz aufgebaut. Wer zukünftig mit einem Stück Shit erwischt wird, läuft Gefahr, wegen charakterlicher Mängel den Führerschein zu verlieren. Bezogen auf die Droge Alkohol hieße das: Wer zu Hause mit einer Kiste Bier angetroffen wird, ist charakterlich nicht geeignet, ein Auto zu führen.

    (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU ]: Das ist ein ganz dummer Vergleich!)

    Darüber können wir ja mal reden.
    Aber als ob das alles nicht reichen würde, setzt Herr Wissmann noch einen drauf; denn er hat seine Autofahrer lieb.

    (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU ]: Da hat er auch recht!)

    Weihnachten und Wahlkampf stehen vor der Tür, da ist es Zeit für ein paar milde Gaben an die gebeutelte Bevölkerung. Drei Dinge braucht der schnelle Bürger: flotte Autos, hohes Tempo, freie Fahrt. Also: Weg mit den Tempo-30-Zonen! Nachts darf wieder vor den Schulen gerast werden, weil keine Kinder auf den Straßen unterwegs sind. Dafür fallen sie dann eben durch den Lärm aus dem Bett. Auch die Fahrverbote werden in Zukunft toleranter gehandhabt. Es wurde hier schon angesprochen: 31 km/h innerorts und 41 km/h außerorts, bei 10 Prozent Meßtoleranz mehr kosten dann freundliche 3 000 DM. Und das nennt man dann Verwaltungsvereinfachung.
    Der jahrelange Kampf der Elterninitiativen, ihre Kinder zu schützen, das Wohnumfeld zu verbessern, weniger Lärm und bessere Luft zu bekommen, wird mit einem Federstrich einfach so vom Tisch gewischt.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Monika Ganseforth [SPD])

    Über 350 getötete und 12 000 verletzte Kinder pro Jahr sind anscheinend kein gewichtiges Argument.
    Ganz im Gegenteil: Im Gegenzug werden die Sanktionen im neuen Gesetz geringer. Ein wahrer Ablaßhandel wird da angezettelt: Geldbußen werden ausgeweitet. Dafür wird die Gefahr, den Führerschein loszuwerden, geringer. - Und das alles nur für eine kleine Minderheit von Rasern; denn die Mehrheit der Autofahrer fährt selbst bei dieser Politik immer noch vernünftig.
    Notwendig wäre jetzt ein deutliches Signal zu mehr Verantwortungsbewußtsein, eine grundlegende Umkehr in den Verkehrsleitbildern: Weg vom Fetisch Auto und vom Geschwindigkeitswahn!

    Gila Altmann (Aurich)

    Das heißt auch: Weg von dem positiven Image des Alkohols als Gewinnerdroge! Hin zu einer menschenfreundlichen und umweltschonenden Mobilität für alle!
    Aber von dieser Idee ist die Koalition leider meilenweit entfernt. Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür. Wir lehnen ihn ab, und zwar kategorisch.
    Danke.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Das Einfachste wäre, das Auto abzuschaffen!)