Rede von
Dr.
Hans-Hinrich
Knaape
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jede Sucht ist eine Krankheit. Sie zerstört eine Persönlichkeit, einen Menschen. Eine hundertprozentige Drogenabstinenz ist ein , nicht das Therapieziel der Behandlung. Im Vordergrund jeder Therapie steht der Mensch als Persönlichkeit, als ein Subjekt, dessen Würde der zwischenmenschlichen Solidarität in der Gesellschaft bedarf.
Aus dieser Sicht ist eine repressive Drogenpolitik realitätsfern und starrsinnig, wenn sie bestimmendes Element ist. Sie widerspricht außerdem den humanistischen Anschauungen unserer christlichen Gesellschaft.
Insofern kommt der Versuch der ärztlich kontrollierten Verschreibung von Betäubungsmitteln in der Schweiz - das Heroin möchte ich besonders hervorheben - zu einem Ergebnis, das, auch im Vergleich zu anderen Therapien, für die Eignung in der Behandlung bislang wenig zugängiger Heroinabhängiger spricht.
Die Versuchsdurchführung erbrachte den Beweis, daß schwerstabhängig Heroinsüchtige durch die ärztlich kontrollierte Verordnung von Heroin an ein therapeutisches Team über einen längeren Zeitraum gebunden werden können. Über die Indikation sollte noch gesprochen werden; sie ist sehr eng zu stellen.
Die Heroinsüchtigen sind während dieser Zeit therapiefähig und therapiebereit. Somatisch und psychosozial bessert sich ihr Zustand erheblich, und deliktisch, in bezug auf die Beschaffungskriminalität, zeigt sich eine Abnahme ihres Handelns.
Insgesamt liegt ein therapeutischer Ansatz vor, der den Ausstieg aus der Drogenabhängigkeit erleichtern kann. Alles spricht dafür, daß nun der Bundestag diese Therapiemöglichkeit auch für die Bundesrepublik an ausgewählten Standorten gesetzlich ermöglichen sollte. Eine Aktuelle Stunde ist sicher der richtige Ort, sich wortgewaltig vorzuführen, aber nicht der Zeitpunkt, in dem diese wichtige, von der Vernunft bestimmte Entscheidung gefällt werden sollte.
Nach wie vor steht die Drogentherapie auf vier Standbeinen: erstens der Prävention, die im Kindes-und Jugendalter einsetzen muß; zweitens der Bekämpfung des illegalen Drogenhandels - hier sind Konsequenz und Härte gefordert -; drittens den Therapien, die nunmehr um die ärztliche Therapie Schwerstabhängiger mit Heroin erweitert werden sollten und viertens der besonderen Hilfe für Drogensüchtige, sowohl durch psychosoziale Betreuung auf der Straße und zu Hause als auch durch freie Abgabe von sterilen Spritzen und durch Bereitstellung von sauberen Drogenzimmern an besonderen Standorten.
Eine Drogenpolitik kann in eine Sackgasse geraten, scheitern kann sie nicht; denn das Idealziel einer Drogenabstinenz aller Menschen ist eine Illusion, die der Wirklichkeit nicht entspricht.
Insofern müssen neue therapeutische Ansätze, auch wenn sie nur Teilgruppen der Süchtigen erfassen, aufgegriffen und verfolgt werden. Darüber sollten wir im Gesundheitsausschuß streiten, um den optimalen Weg unter Einbeziehung aller Bedenken für eine geringe Anzahl unserer Mitmenschen, die aber unserer Hilfe in der Gesellschaft bedürfen, zu finden.
Schließen möchte ich mit abgewandelten Worten aus der Debatte am Vormittag: Denn mit Waigels Worten werden politische Typen wie Sie der Verweigerung einen Namen geben, wenn Sie nicht mit Schäuble ein vernünftiges Wort sprechen. Nur dann haben Sie die Zeichen der Zeit erkannt, damit auch die Rücksichtslosigkeit nicht neu in unserer politischen Erfahrung wird. - Weiter nach Schäuble: Machen Sie im Parlament einen besseren Eindruck auf mich! Handeln Sie nicht wirklich verantwortungslos, sondern lassen Sie uns mutig auf diesem Weg vorangehen; denn Strukturreformen Ihrer Drogenpolitik sind erforderlich.
Ich danke Ihnen.