Rede von
Roland
Sauer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Schweizer Volksabstimmung über die Fortsetzung der kontrollierten Heroinabgabe an Schwerstabhängige kann für die Bundesrepublik keine Auswirkungen haben
- Herr Schlauch, hören Sie zu, bevor Sie schreien -, da die drogenpolitische Situation beider Länder nicht vergleichbar ist. Die Schweiz ist durch ihre liberale Drogenpolitik neben den Niederlanden zum Eldorado und zum Magnet für Drogenabhängige in Europa geworden.
Ich erinnere nur daran, wohin diese tolerierende Politik geführt hat. Halten Sie sich einmal die Schlagworte Letten und Platzspitz vor Augen.
In der Schweiz hat die Zahl der Drogenkonsumenten und Drogentoten ständig zugenommen.
Deutschland dagegen hat mit seiner abstinenzorientierten Drogenpolitik nach Norwegen die niedrigste Zahl an Drogenabhängigen im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Das nehmen Sie alles nicht zur Kenntnis. Sie tun so, als ob unsere Drogenpolitik gescheitert wäre. Wir stehen mit unserer Drogenpolitik in Europa hervorragend da.
Der gesamte Schweizer Versuch stand von vornherein unter erheblichem politischen Druck. Ein Experiment auf rein wissenschaftlicher Basis war dieses Programm zu keiner Zeit. Es gab keine Kontrollgruppe, die, mit den gleichen finanziellen Mitteln ausgestattet, eine drogenfreie Therapie gemacht hat. Erst dann kann man wissenschaftlich evaluieren, was besser ist. Wenn man diese Mittel, diese Millionen von Franken, in eine drogenfreie Therapie gesteckt hätte, hätte man in noch viel größerem Maße eine soziale und gesundheitliche Stabilisierung erreicht, als das bei diesem Heroinabgabeprogramm geschehen ist.
Bereits vor Versuchsende warben Projektleiter wiederholt für diese Heroinversuche. Von vornherein war klar: Dieser Versuch hatte den Beweis für die Richtigkeit einer liberalen Drogenpolitik zu liefern.
- Das Ergebnis stand schon vorher fest, Frau Leutheusser-Schnarrenberger.
Lassen Sie mich einige Punkte kurz darstellen. Die Ergebnisse dieses Modellversuches sind zweifelhaft, und sie sind auch enttäuschend.
Erster Punkt: Schwerstdrogenabhängige - Herr Schlauch, Sie haben gar nicht alles gelesen - waren die ursprüngliche Zielgruppe. Sie wurde deutlich verfehlt. So waren mehr als drei Viertel der Gesamtteilnehmer in einem guten körperlichen Allgemeinzustand. Diese wären noch am ehesten für eine drogenfreie Therapie zu gewinnen gewesen.
Zweiter gravierender Mangelpunkt: Über 60 Prozent der Teilnehmer kamen aus Methadonprogrammen. Durch die staatlich organisierte Heroinabgabe wurden paradoxerweise Abhängige aus dem Methadonprogramm, einem höherschwelligen Programm, herausgelockt und auf den Irrweg des Heroinkonsums geführt. Der Staat - das sage ich ganz bewußt - leistet also Hilfestellung zum Kick.
Dritter Punkt: Sicher hat die Delinquenz der Teilnehmer durch die nahezu kostenlose Abgabe von Heroin abgenommen. Das ist klar. Wenn man Heroin nahezu kostenlos bekommt, muß man nicht mehr beschaffungskriminell werden. Allerdings - das übersehen Sie völlig - kam es 1996 in Zürich zu einer Heroinschwemme mit Niedrigpreisen und mit der Beschlagnahme von Rekordmengen. Die Dealer haben versucht, ihre Verluste, die sie durch die staatliche Heroinabgabe erlitten haben, mit einem verstärkten Heroinangebot an Nichtabhängige auszugleichen. Der massive Anstieg der Beschaffungskriminalität in Zürich ist das Ergebnis davon.
Herr Schlauch, dies können Sie natürlich alles ändern, indem Sie an alle Heroinabhängigen Heroin abgeben.
Das ist so ähnlich wie die Ausgabe von Freibier an Alkoholiker. Das ist Ihre Politik. Aber das ist keine verantwortungsvolle Drogenpolitik. Sie wird mit uns so nicht geschehen.
Durch die Heroinabgabe haben sich somit die Verfügbarkeit und die Fremdgefährdung außerhalb der Programmteilnehmer erschreckend erhöht. Lediglich 83 Abhängige von 1146 Programmteilnehmern haben sich für eine abstinenzorientierte Behandlung gewinnen lassen. Dies ist wirklich keine beeindrukkende Erfolgsquote.
Sehen Sie dagegen zum Beispiel das Ergebnis von Baden-Württemberg, Herr Schlauch, wo wir einen niederschwelligen Drogenentzug mit großem Erfolg praktizieren: Hier sind nach einer nur vierwöchigen Behandlung über 70 Prozent - in der Schweiz sind es 7 Prozent - zu einer Weiterbehandlung bereit.
Roland Sauer
Wir sagen ganz kurz, Herr Schlauch: Wir halten an unserer bewährten Drogenpolitik mit den drei Säulen Prävention, Therapie und Repression fest. Mit uns wird es, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, die vierte Säule, die Drogen akzeptierende Überlebenshilfe, nicht geben.
Herzlichen Dank.