Rede von
Margareta
Wolf-Mayer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion und ich finden den Gesetzentwurf der SPD, der heute zur Beratung ansteht,
ausgesprochen gut.
Ich will Ihnen zwei Argumente nennen, warum wir ihn ausgesprochen gut finden: Er sieht erstens eine weisungsunabhängige Übernahmekommission vor, die nicht beim Bundesaufsichtsamt, sondern beim BMF angesiedelt ist. Der zweite Punkt, den ich ausgesprochen interessant und bestechend finde, ist die Ausgestaltung der Übernahmekommission. So sieht die SPD, wie ich finde, eine gute Mischung aus Staat und Markt vor. Nach den Vorstellungen der SPD bestellt das BMF Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gleichberechtigt in diese Kommission.
Herr von Stetten, wenn Sie sich an den 19. März 1997 erinnern, dann muß ich sagen, daß der hier vorgelegte Gesetzentwurf tatsächlich ein Instrument ist, das uns zur Sicherung der sozialen Marktwirtschaft an die Hand gegeben wird. Ich sage Ihnen auch, warum ich dieser Meinung bin.
Ich war mit meinem Kollegen Fischer diese Woche Dienstag bei Krupp/Thyssen. Wir haben dort mit dem Gesamtbetriebsrat und auch dem Vorstand geredet. Der Gesamtbetriebsrat und die Belegschaft stehen heute noch unter dem Trauma dieser mißglückten feindlichen Übernahme aus dem März dieses Jahres.
Ich möchte Ihnen sagen, wie der Gesamtbetriebsrat bei Thyssen eingestellt ist, nämlich ausgesprochen modern. Herr Funke, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende sagte mir: Wir begreifen uns in erster Linie als Ko-Manager; wir machen Druck auf die Unternehmensleitung in Richtung Fusion; wir machen Druck zur Nutzung von Synergieeffekten und in Richtung technologischer Innovation. - Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Wenn dieses Gesetz im März dieses Jahres schon gegriffen hätte, hätte man eine Verständigung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gehabt. Man hätte damals die Fusion gehabt, und man hätte das Land nicht in Schrecken versetzt. Ich denke, wenn Sie, Herr Funke und Herr Minister Rexrodt, diesen Ansatz in Anlehnung an die Erfahrungen in anderen Ländern frühzeitig gewählt hätten, hätte dieses Land tatsächlich etwas gewonnen.
Nun zu dem Satz von Herrn Waigel, den er heute morgen gesagt hat - Zitat -: Ich verwahre mich dagegen, die Politik für den Reformstau verantwortlich zu machen. - Verehrter Herr Staatssekretär, seit November 1996 liegt der Referentenentwurf zur Novellierung des Aktienrechts vor. Herr Rexrodt hat, als er diese Arbeitsgruppe, der ja auch Sie angehören, eingerichtet hat, gesagt, daß die Kumulation der Einflußmöglichkeiten der Banken in dieser Republik ein wettbewerbliches Gefährdungspotential darstellen.
Die Fraktion von Herrn Kohl und Ihre Fraktion haben in ihren Koalitionsvereinbarungen geschrieben, daß das kumulierte Einflußpotential der Banken reduziert und die Macht der Banken zurückgedrängt werden muß. Warum lassen Sie sich mit Ihrem Gesetzentwurf so fürchterlich viel Zeit? Ich habe folgende Äußerung von Ihnen, Herr Funke, in der FAZ vom 21. April 1997 gelesen - Zitat -:
Spätestens vor der Sommerpause soll das Kabinett über die Aktienrechtsreform entscheiden.
Was ist passiert? Nichts ist passiert, vermutlich weil
Sie noch im Schatten der Krupp/Thyssen-Geschichte
standen und mit Ihrem unzureichenden Entwurf, der
Margareta Wolf
im Prinzip überhaupt nichts ändert, nicht vor die über diesen Fall empörte Öffentlichkeit treten konnten.
Zweite Situation. Herr Bury, Herr Gres, Sie und ich waren Mitte Juni bei der IG Metall in Frankfurt. Bei dieser Gelegenheit haben Sie, Herr Funke, auf die Frage der interessierten Aufsichtsräte der IG Metall, wann dieser Referentenentwurf eingebracht wird, gesagt: nach der Sommerpause; nach meiner Erinnerung am 23. September. - Heute haben wir den 2. Oktober. Nichts ist geschehen.
Letzte Woche wurde ich wie auch Sie vom Südwestfunk interviewt. Auf meine Frage „Was hat Herr Funke Ihnen gesagt, wann der Referentenentwurf eingebracht wird?" antwortete der Redakteur: Herr Funke hat Anfang Oktober gesagt. - Ich bin wirklich gespannt, wann es zur Verabschiedung dieses Referentenentwurfs im Kabinett kommt.
Ich bin noch mehr darauf gespannt, welche Positionen noch hineinfließen werden. Was ist denn mit der Position von Lambsdorff, die Bankenbeteiligung auf 5 bis 10 Prozent zu begrenzen? - Sie ist gecancelt. Was ist mit der Position des F.D.P.-Wirtschaftsministers aus Rheinland-Pfalz, der mit einem eigenen Entwurf in den Bundesrat gegangen ist? Dieser Entwurf ist sehr weitgehend; er wird von uns unterstützt. Was die Übernahmeregelung und die wechselseitigen Beteiligungen angeht, zeigt er allerdings Defizite. Mich würde interessieren, was Sie zu diesem Entwurf sagen. Wir würden uns sehr wünschen, daß gerade die Positionen von Brüderle in Ihren Referentenentwurf Eingang finden.
Eine weitere Frage drängt sich mir auf: Was ist denn mit der Position von Dieter Wolf? Seit einem Jahr sagt er unablässig, daß es dringend notwendig sei, in diesen Referentenentwurf ein Verbot der Wahrnehmung von Aufsichtsratsmandaten in konkurrierenden Unternehmen aufzunehmen, und zwar sowohl auf Personen als auch auf entsendende Unternehmen bezogen. Wird die Position von Dieter Wolf, der immerhin der Präsident des Bundeskartellamtes ist, von Ihnen aufgegriffen?
Das sind alles Fragen über Fragen. Ich habe den Eindruck, Sie sitzen das einfach aus. Man wartet auf einen Zeitpunkt, an dem es vermeintlich niemanden mehr interessiert. Ich kann nur wiederholen, was Herr Bury gesagt hat: Das geht zu Lasten des Finanzplatzes Deutschland. Das wissen auch Sie genau. Wenn ausländische Investoren sagen, es handele sich hier um eine von Banken- und Versicherungen abgeschottete Marktstruktur, so ist das sicherlich kein Anreiz für die Etablierung von Investmentgesellschaften und kleinen Wertpapierhandelshäusern hier in Deutschland.
Erlauben Sie mir noch eine letzte Bemerkung. In der „Woche" von vor zwei Wochen stand unter dem Stichwort „Macht der Banken - Wir brauchen mehr Transparenz" - jetzt zitiere ich -:
Das gerade erst durch den Börsengang der Telekom entfachte Interesse der Deutschen am Aktienmarkt könnte schnell wieder erlahmen, wenn die Spielregeln der Hochfinanz auf Dauer zu undurchsichtig blieben. Die neuen Aktionäre wollen mehr wissen, besser durchblicken, schneller informiert sein.
Diesem Tatbestand, den wir in diesem Haus seit Jahren beklagen, wird Ihr Referentenentwurf nicht gerecht. Wir brauchen mehr Transparenz, mehr Demokratie und mehr Wettbewerb und nicht ein kleines Aktienrechtsreförmchen, das im Prinzip überhaupt nichts an der jetzigen Situation ändert.
Danke schön.