Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat gibt es in der heutigen Debatte eine Reihe von Übereinstimmungen im umweltpolitischen Bereich. Es handelt sich ja auch um eine sehr grundsätzliche Arbeit, die die Enquete-Kommission zu leisten hat. Ich will jetzt nicht auf alle Punkte eingehen, die wir im Laufe der Zeit besprochen haben. Ich will Schwerpunkte setzen und bei dem einen oder anderen Punkt sagen, wo ich mir etwas anderes oder ein bißchen mehr vorstellen könnte.
Für die F.D.P. ist zunächst einmal die wichtigste Aufgabe dieser Enquete-Kommission, eine integrative Politik der Nachhaltigkeit anzustoßen,
die gleichermaßen die natürlichen Lebensgrundlagen erhält, wirtschaftlichen Wohlstand sichert und für sozialen Ausgleich sorgt. Es muß jetzt auch allen klarwerden, daß hinter diesem Konzept der Nachhaltigkeit mehr steckt als nur traditionelle Umweltpolitik. Aus dieser Erkenntnis müssen natürlich auch konkrete Schritte erfolgen.
Wenn es bisher Aufgabe der Umweltpolitik war, sich als eine Art Mainstream-Politik zu etablieren, so ist jetzt wichtig, daß wir die Integration ökologischer Aspekte in alle anderen Politikbereiche schaffen und daß wir die Integration ökologischer, ökonomischer und sozialer Fragen zusammen in allen Politikbereichen vornehmen.
Das birgt natürlich auch Brisantes. Das heißt nämlich, Umweltpolitik ist demnach nicht nur unter Nachhaltigkeitsaspekten zu beleuchten, sondern eben auch in alle Politikbereiche zu integrieren. Das ist eigentlich das Wichtige. Das heißt, auch Finanz- und Sozialpolitik müssen unter Nachhaltigkeitsaspekten betrachtet werden.
Die Enquete-Kommission hat sich bisher im wesentlichen - das hat die Vorsitzende schon erläutert - mit Umweltpolitik und vor allen Dingen mit Umweltzielen beschäftigt. Wir haben dabei lediglich Umweltziele für Deutschland im Bereich Böden, Ressourcen und Stoffeinträge formuliert. Die Einigung auf Umweltziele ist aber nur ein erster Schritt, um eine nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung zu erreichen. Das ist schon der erste Punkt, in dem man über diese grundsätzliche Sache hinausgehen muß; denn nur zusammen mit ökonomischen und sozialen Zielen wird daraus nachher auch eine nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung.
Der Streit, ob und wie diese Integration ökologischer, sozialer und ökonomischer Ziele konkret vorgenommen werden soll, lähmt im Augenblick, wie ich finde, ein Stück weit die Arbeit der EnqueteKommission. Ich finde es bemerkenswert, daß die Integration der drei Dimensionen, auf die wir uns schon verständigt hatten, die klar war, die wir auch einmal gemeinsam in einem Bericht festgelegt haben, auf seiten der SPD eigentlich nur noch von einem einsamen Rufer verlangt wird, während die anderen ausschließlich die ökologische Dimension betrachten.
Die Enquete-Kommission ist nicht dafür eingesetzt, sich mit allgemeinen umweltpolitischen Fragestellungen zu beschäftigen. Vielmehr sollen von dieser Enquete-Kommission neue Impulse für die Umweltpolitik ausgehen. Ökologische Ziele sollen in Bereiche integriert werden, die diese Ziele bisher nicht berücksichtigt haben. Ich hoffe sehr, daß es uns in der verbleibenden Zeit gelingt, konkrete Vorschläge für eine Integration ökologischer, ökonomischer und sozialer Ziele zu erarbeiten.
Das Leitbild einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung kann und darf allerdings nicht von einzelnen Gruppen vorgegeben werden. Darüber besteht auf jeden Fall Einigkeit; ich denke, darüber haben wir lange genug gesprochen. Am Ende eines gesellschaftlichen Diskussionsprozesses muß die konkrete Formulierung von Zielen erfolgen. Diese Formulierung muß die Bedürfnisse der Menschen mit den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung verknüpfen.
Teile der SPD und ein Stück weit die Grünen - dafür waren Sie, Herr Kollege Rochlitz, gerade wieder beispielhaft - würden gerne ab und an Ziele von oben vorgeben. Dazu gab es schon ein paar Beispiele. Es ist natürlich einfach, den Bürgern die eigenen Vorstellungen von einem nachhaltigen Konsumoder Produktionsstil zu verordnen.
In den Diskussionen darüber kommt immer wieder heraus, daß unter dem Stichwort Nachhaltigkeit nichts anderes als alte Vorstellungen zu bestimmten Bereichen verborgen sind, die die Frage betreffen: Was soll eigentlich vorgeschrieben werden in bezug darauf, wer was wo und wann zu verwenden und zu verwerten hat? Dies ist zum Beispiel im Bereich Produktdesign der Fall. Da kommen manchmal alte Diskussionen hoch, die in die Enquete-Kommission eigentlich nicht hineingehören, die ich in dieser Enquete-Kommission nicht erwarte.
Wir fordern auch die Zusammenstellung der Ziele in einem Umweltplan, den die Enquete-Kommission „Nationale Nachhaltigkeitsstrategie" nennt. Es existieren viele verschiedene Ziele, die nicht alle gleichzeitig realisiert werden können, weil dazu nur begrenzt ökonomische Kräfte zur Verfügung stehen.
Der Umweltplan setzt die verschiedenen Ziele zueinander in Beziehung. Er zwingt zu Entscheidungen und - das ist das Wichtige - über Zielhierarchien und damit über Prioritäten, welche Ziele wann verwirklicht werden sollen. Ziel ist es also, durch den Umweltplan einen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen. Ich verspreche mir davon, daß wir von dieser Stoff-des-Monats-Politik wegkommen. Bei Umweltproblemen, die gerade eines nationalen Handelns bedürfen, kann der Umweltplan verläßliche Angaben für den Staat, aber auch für die Unternehmen und die Menschen bieten.
Deswegen ist wichtig, daß wir auf diesem Gebiet weiterkommen. Deswegen setzt auch die F.D.P. sich weiter dafür ein, daß in der Enquete-Kommission unter Aspekten der Nachhaltigkeit Kriterien für einen Umweltplan erarbeitet werden. Wir werden es nicht
Birgit Homburger
schaffen, das alles zu bewerten; aber die Kriterien sind wenigstens zu erarbeiten.
Die Enquete-Kommission will in der verbleibenden Zeit die Auswirkungen zusätzlicher Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke unter Nachhaltigkeitsaspekten untersuchen. Wir haben mehrfach betont, daß jetzt geklärt werden muß, mit welchen Instrumenten eine effektive und effiziente Zielerreichung möglich ist.
Konkret soll erarbeitet werden, mit welchen Instrumenten die Umsetzung des Ziels einer Reduktion des Flächenverbrauchs zu realisieren ist. Schwerpunkt der weiteren Arbeit der Kommission muß es sein, Wege aufzuzeigen, wie man den Flächenverbrauch senken kann, ohne ganz auf Neubau zu verzichten, und wie man dieses Ziel auch mit ökonomischen und sozialen Zielen vereinbaren kann.
Für mich steht die Frage im Zentrum, mit welchen Instrumenten man möglichst effektiv und möglichst effizient ökologische Ziele erreichen kann; daran arbeiten wir gerade. Aber wir müssen uns anstrengen, daß wir dazu etwas liefern, weil das einer der entscheidenden Punkte ist.
Um eine Politik der Nachhaltigkeit in die Entscheidungsabläufe zu integrieren, sind Innovationen erforderlich. Für die F.D.P. ist dabei klar, daß zur Erreichung des Zieles einer nachhaltigen, zukunftsverträglichen Entwicklung auch die Chance des technologischen Fortschritts genutzt werden muß. Ohne diesen technologischen Fortschritt ist nachhaltige Entwicklung nicht realisierbar. Auch darüber müssen wir uns noch einmal unterhalten.
Das geht insbesondere an die Adresse der Grünen. Wenn einem in Diskussionen über Chancen und Risiken neuer Technologien manchmal als Antwort entgegengehalten wird, es wäre besser, wenn es diese Neuerungen nicht gäbe, dann ist das völlig ignorant. So kann man damit nicht umgehen. Wir müssen uns darüber im klaren sein - das ist das Wesentliche, was ich von dieser Enquete-Kommission noch erwarte -, daß jede Chance, die wir mit neuen Technologien besitzen, immer auch ein Risiko beinhaltet. Wir müssen davon wegkommen, daß wir immer nur Angst vor allem und jedem haben, und wir müssen hin zu einer vernünftigen Abwägung von Risiken und Chancen kommen. Darin sehe ich eine der ganz wesentlichen Aufgaben der Kommission auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Entwicklung, auf ein Umdenken der Gesellschaft in Deutschland. Dazu kann die Enquete-Kommission noch eine wichtige Arbeit leisten, und ich hoffe, daß wir das schaffen.