Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die erneute Reduzierung des Agraretats um weitere 1,8 Prozent ist eine bittere Pille für die Landwirtschaft. Die F.D.P.-Fraktion bekennt sich aber dazu; denn die Konsoli-
Günther Bredehorn
dierung der Staatsfinanzen hat für uns Priorität. Sie muß Priorität haben, wenn wir unser Land zukunftsfähig halten wollen.
Sparzwänge können ja bei allem Ärger und aller Kritik darüber auch etwas Positives haben. Sie zwingen uns, Schwerpunkte zu setzen und zu fragen, ob wir die nicht unbeträchtlichen Mittel im Agraretat immer effektiv genug einsetzen, ob wir für die Zukunftsgestaltung der modernen unternehmerischen Landwirtschaft genug tun.
Leider beantwortet der vorliegende Etatentwurf diese Frage in einem Bereich unbefriedigend.
Es wird ein falscher Schwerpunkt gesetzt, wenn rund 200 Millionen DM in der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz gekürzt werden. In Wirklichkeit sind es ja gegenüber dem Haushaltsansatz 1997 sogar über 500 Millionen DM.
Dies kann und wird die F.D.P. so nicht mittragen.
Es ist nicht zu verantworten, daß 1998 in den meisten Bundesländern überhaupt keine neuen Bundesmittel für die einzelbetriebliche Förderung zur Verfügung stehen. Schon jetzt beträgt der Antragsstau teilweise zwei bis drei Jahre. Statt unsere Betriebe fit zu machen für den europäischen Wettbewerb, besteht die Gefahr der Resignation. Statt in der Gemeinschaftsaufgabe zu kürzen, sollten wir vorhandene Haushaltsmittel in die investiven Bereiche umschichten. Die F.D.P. ist bereit, alle Titel unvoreingenommen zu prüfen. Für uns ist kein Titel sakrosankt.
Ich habe mit Interesse gehört, daß Sie, Herr Sielaff, für die SPD erklärt haben, Sie seien bereit, an dieser Arbeit mitzuwirken. Wir sollten gemeinsam versuchen, hier noch etwas für unsere Bauern zu erreichen.
Wir sollten jedenfalls nicht unbedingt mit Geldern aus dem Bundeshaushalt neue Modellregionen schaffen, wie es in Bayern gemacht wird.
Auch die erheblichen Mittel, die wir für den Küstenschutz zur Verfügung stellen, müssen erhalten bleiben, und wir sollten sie möglichst effektiv einsetzen.
Der Agrarausschuß - viele von Ihnen waren ja dabei - konnte sich im Juli an der niedersächsischen Nordseeküste von der Notwendigkeit sicherer Deiche zum Schutz von Leib und Leben, Hab und Gut der Menschen überzeugen.
Wir mußten aber auch feststellen, daß für den eigentlichen Deichbau immer weniger Mittel eingesetzt werden können, weil immer mehr für Ausgleichsmaßnahmen verbraucht werden. Zwar erklärten uns die Vertreter der Niedersächsischen Landesregierung, daß sie für Ausgleichsmaßnahmen nur rund 5 Prozent der gesamten Mittel einplanen, aber in den Gesprächen mit den Vertretern der Deichverbände wurde uns an Hand des konkreten Beispiels einer Deichverstärkungsmaßnahme dargestellt, daß von den rund 70 Millionen DM Gesamtkosten 14 Millionen DM für Ausgleichsmaßnahmen ausgegeben werden müssen. Hier müssen wir einmal überprüfen, ob der erhebliche Anteil an Bundesmitteln, immerhin 70 Prozent, wirklich sinnvoll und effektiv verwendet wird.
Unsere Landwirte brauchen Wahrheit und Klarheit. Sie müssen ihre unternehmerischen Entscheidungen langfristig planen und finanzieren. Der Agraretat sollte daher im wesentlichen aus drei Blöcken bestehen.
Als ersten möchte ich die investive Förderung nennen, die ich mit der Gemeinschaftsaufgabe hier schon angesprochen habe. Die Hilfe zur Selbsthilfe für landwirtschaftliche Betriebe und Vermarktungsunternehmen muß verstärkt werden. Für die F.D.P. sind die Förderung von Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit, die Stärkung der Unternehmerlandwirtschaft sowie Marktorientierung die wichtigsten Aufgaben einer ausgewogenen Agrarpolitik.
Der zweite wichtige Ausgabenblock ist die landwirtschaftliche Sozialpolitik, die bereits ein sehr großes Volumen erreicht hat. Für 1998 sind das 7,94 Milliarden DM, 68,5 Prozent des Einzelplans 10. Damit werden der sich fortsetzende Strukturwandel sozial abgefedert und die Risiken des Strukturwandels vom Bundeshaushalt übernommen und damit auch unternehmerische Spielräume für die aktiven Betriebe geschaffen.
Der dritte Ausgabenblock muß in Zukunft stärker auf Erwerbs- und Einkommensalternativen außerhalb der Landwirtschaft ausgerichtet werden. Wir brauchen eine aktive Politik für den ländlichen Raum. Hierzu müssen auch die EU-Strukturfonds genutzt werden.
Wahrheit und Klarheit für unsere Landwirte - das muß auch für die EU-Agrarpolitik gelten. Diese muß langfristig angelegt und verläßlich sein. Die jetzt von der EU-Kommission vorgelegten Reformvorschläge im Rahmen der Agenda 2000 verändern die Agrarpolitik erheblich. Die Politik der Preissenkungen gegen Einkommensausgleich soll verstärkt fortgesetzt werden. Die Mengenbegrenzungen sollen aufgehoben werden. Die EU-Kommission will sich mit dieser Politik auf die Osterweiterung der EU und die kommenden Welthandelsrunden einstellen und die Überschüsse vermindern.
Auch wenn die Agrarvorschläge der Kommission in den Verhandlungen der Agrarminister und der Regierungen noch erheblich geändert und verbessert werden, sollten wir aber die zukünftigen Entwicklungen sehen, nämlich eine weitere Liberalisierung und
Günther Bredehorn
Globalisierung, eine stärkere Entkoppelung von Preis- und Einkommenspolitik, die gezielte Entlohnung ökologischer und landschaftspflegerischer Leistungen und den weiteren Strukturwandel. Das Zusammenspiel einer so gestalteten europäischen Agrarpolitik mit einer nationalen Agrarpolitik, bei der die staatlichen Aufwendungen in der von mir beschriebenen Weise ausgerichtet sind, wird der deutschen Landwirtschaft die Zukunft sichern.
Ich danke Ihnen.