Rede von
Horst
Sielaff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „So kann es nicht weitergehen" - diese Titelüberschrift des ,,Spiegel"-Gesprächs der Woche mit Altbundespräsident Richard von Weizsäkker
trifft, wie ich meine, voll und ganz auf die Agrarpolitik dieser Bundesregierung zu.
Wenn man die vielen, teilweise sogar schönen Reden des verantwortlichen Landwirtschaftsministers liest oder hört, sieht das ganz anders aus. Natürlich werden da die Verdienste des Ministers hervorgehoben und großgeschrieben.
Es scheint dann teilweise sogar so, als wäre Borchert der Erfolgsgarant überhaupt.
- Nur, in Bayern hat man das offensichtlich noch nicht ganz gehört, lieber Kollege Michels, denn die Realität ist natürlich ganz anders. Das wissen auch die Bäuerinnen und Bauern. Wo sollten sie auch Erfolge feststellen, wenn sie auf ihrem Rindfleisch sitzenbleiben, die Auszahlungspreise für Milch immer geringer werden, ein Fleischskandal den anderen ablöst und Kontroll- bzw. Qualitätssicherungssysteme erst dann eingeführt oder verbessert werden, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist?
Meine Damen und Herren, über weite Strecken ist diese Politik Ideen- und konzeptionslos. Das zeigt auch dieser Haushalt. Offene konzeptionelle Pionierarbeit ist Fehlanzeige.
Herr Borchert, ich habe den Eindruck, Sie entwikkeln sich zum bockigen Neinsager innerhalb der EU.
Schon 1991/92 wollte diese Bundesregierung die EU- Agrarreform verhindern. 1997 blockieren Sie, wenn es um die Agenda 2000 geht. Heute wie damals wird alles abgelehnt, was die EU-Kommission vorschlägt.
So zu tun, als ob durch einen Verzicht auf Reformen alles beim alten bliebe, kommt einer Lüge gleich.
Horst Sielaff
So schrieb Kommissar Fischler in der FAZ vom 27. August dieses Jahres.
Eigene Vorstellungen, wie die Zukunft der Landwirtschaft zu bewältigen ist, hat der verantwortliche Minister nicht. Auch heute ist dazu nichts Konkretes gesagt worden. Er sagt nicht, wie die sichtbaren Fehlentwicklungen der Agrarreform von 1992 korrigiert werden sollen. Er hat kein tragfähiges Konzept für die bevorstehenden WTO-Verhandlungen, wie wir auch heute wieder spürten. Er hat kein Konzept für die bevorstehende, von allen politischen Kräften befürwortete Osterweiterung der Europäischen Union.
Meine Damen und Herren, natürlich stehen die Ergebnisse der WTO-Verhandlungen noch nicht fest. Aber man muß doch ein eigenes Konzept haben, und man muß es doch im Parlament und im zuständigen Ausschuß diskutieren. Auch da weigert sich diese Bundesregierung, so daß man davon ausgehen muß, daß sie kein Konzept hat.
Natürlich wollen wir gleiche Umweltstandards. Das haben wir immer gefordert. Auch wir wollen, daß die Ökologie gleichermaßen Standardwert in der WTO wird. Aber wir hören nicht, daß Sie dies deutlich wollen und einbringen.
Meine Damen und Herren, heute wie auch schon vor der Agrarreform 1992 hält diese Bundesregierung an der Mengensteuerung fest. Sie ist gegen Stützpreissenkungen. Sie setzt weiterhin vorwiegend auf Mengenbegrenzungen. Sie setzt im Grunde auf Planwirtschaft.
Sie mißtraut marktwirtschaftlichen Kräften.
Sie mißtraut den unternehmerischen Landwirten. Herr Borchert, trauen Sie den Landwirten eigentlich gar nichts mehr zu? Mir scheint, Sie unterschätzen den Willen der Landwirtschaft, den Weg hin zu einer umweltverträglichen und marktorientierten Produktion zu gehen. Unterstützung von Ihrer Seite ist nicht erkennbar.
Ein ganz trauriges Spiel treibt die Bundesregierung hinsichtlich der Auswirkungen der Agenda 2000 auf die Einkommen der Landwirtschaft - so sie denn umgesetzt wird. Am 17. Juli 1997 prognostizierte Herr Borchert auf einer Pressekonferenz 15 bis 20 Prozent Einkommensverluste für die deutsche Landwirtschaft. Am 11. August 1997 teilte er dem Parlament jedoch auf Grund einer Anfrage mit, hierzu keine Aussagen machen zu können. Seitdem wiederholt er seine Unkenrufe über die 15- bis 20prozentigen Einkommensverluste bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit.
Nun pfeifen es allerdings die Spatzen vom Dach, daß der Einkommensrückgang in Deutschland bei Inkrafttreten der Agenda 2000 nach anderen Berechnungen glücklicherweise im Durchschnitt lediglich 2 bis 4 Prozent betragen soll. Allerdings gibt es zum Teil starke betriebsgruppen- und regionsspezifische Unterschiede. Wissenschaftler, die auf der Lohnliste des BML stehen, haben das berechnet.