Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister, das Bild, das Sie in Ihrer Eingangsrede gebrauchten und uns eine angebliche Erfolgsstory weismachen sollte, gleicht sehr den Werbetexten Ihrer Hochglanzbroschüren,
hat für mich irgendetwas von Beschwörungsformeln, von Pfeifen im Walde, aber mit der Realität hat das wohl wenig zu tun. Die Vorschläge, die Sie uns immer wieder machen, betreffen nicht in erster Linie Ihr Ressort, sondern die Länderhaushalte. Da ist es natürlich trefflich leicht, Vorschläge zu machen.
Ihre Erfolgszahlen in Sachen Biotechnologie erinnern mich ein wenig an meine Schulzeit in Ostdeutschland. Da lernten wir vom postrevolutionären Rußland auch immer, daß die Stahlproduktion jährlich 1000 prozentige Steigungsraten aufwies. Irgendwie kommt mir das sehr bekannt vor.
Die Frage ist doch, wessen Gesetzentwurf die Firmen, deren Rückkehr Sie jetzt feiern, vor 1995 vertrieb? - Ein Gesetzentwurf dieser Bundesregierung.
Da Sie sich mit Ihren Erfolgen bei der Absprache mit den Ländern zum Hochschulrahmengesetz brüsten, muß ich sagen: Sie haben in Ihren Entwurf ja nur das aufgenommen, was in verschiedenen sozialdemokratisch geführten Ländern längst Alltag, längst Praxis ist.
Ich möchte Sie davor warnen, daß das Verfahren - ich höre immer wieder, es sei ein Schnellverfahren - so weiterläuft wie bisher. Ich denke, wir haben die hohe Pflicht, einen solch wichtigen Gesetzestext in aller Ruhe und Gründlichkeit zu beraten. Das, was auf dem Tisch liegt, ist ein interessanter Ausgangspunkt für die Debatte, aber die Debatte wird hier im Parlament, und zwar in aller Gründlichkeit, zu führen sein.
Der Haushalt des Ressorts, den wir heute zu besprechen haben, ist nicht besser und kann nicht besser sein als der Haushalt dieser kraft- und phantasielosen ausgebrannten Bundesregierung.
Der sogenannte Zukunftsminister, seinerzeit mit vielen Vorschußlorbeeren vom Kanzler ins Rennen geschickt, hat es bis heute nicht einmal geschafft, die Vergangenheit seines Hauses zu bewältigen, geschweige denn, ernstzunehmende Akzente zu setzen.
Tilo Braune
Der Anteil des BMBF am Bundeshaushalt sank von 1982 auf 1998 von 4,7 auf 3,2 Prozent. Preisbereinigt liegt er im Jahre 1998 um 15,7 Prozent unter den Ausgaben von 1982. Das ist doch die wirkliche Bilanz dieses Ministers und dieser Bundesregierung.
Die SPD dagegen will eine Innovationsoffensive in Staat und Wirtschaft auslösen. Wir werden in diesen Bereich mehr Geld investieren, wir werden wichtige Impulse für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands setzen.
Das, was wir heute in die Köpfe der Menschen, in Bildung und Forschung investieren, sichert morgen den Wohlstand des einzelnen und unserer Gesellschaft. Die ausgelaugte Bundesregierung hat das scheinbar immer noch nicht begriffen. Sie verspielt leichtsinnig die Zukunft unseres Landes.
Wir Sozialdemokraten stehen für eine verläßliche, zukunftsoffene Politik ohne ideologische Barrieren. Wir sichern den Aufbruch ins neue Jahrtausend.
Sie, Herr Rüttgers, behaupten, das Budget Ihres Haushalts würde um 132 Millionen DM steigen. Richtig ist aber, daß die Haushaltsansätze um 36 Millionen DM sinken und Sie lediglich über eine geringere globale Minderausgabe im Vergleich zum Vorjahr einen gewissen Aufwuchs haben. In Wirklichkeit stehen 1998 rund 700 Millionen DM weniger zur Verfügung als bei Ihrem Amtsantritt 1994.
Was sind diese 132 Millionen DM?
Diese Summe - man führe sich das vor Augen - von 132 Millionen DM entspricht gerade mal den Kosten eines Eurofighters, und zwar ohne Bewaffnung. Das ist die Rüttgerssche Weichenstellung, das ist die Zukunftsgestaltung dieser Bundesregierung.
Auch heute haben Sie wieder versäumt klarzustellen, daß Sie entgegen vollmundigen Erklärungen über die Notwendigkeit von Bildung und Qualifikation bei den ausgewiesenen Bildungsausgaben 2,6 Prozent kürzen. Der Titel für berufliche Bildung - eine der dringendsten Aufgaben - wird gekürzt.
Die Einsparungen beim BAföG für Studierende sind mit 83 Millionen DM der größte Negativposten Ihres gesamten Haushalts. - Ich merke, wie brennend der Minister an der Debatte zu seinem Haushalt interessiert ist. Er hört wie üblich nicht zu.
Die Kürzungen beim BAföG für Studierende sind absolut unangemessen. - Ich merke, der Minister ist nun bereit, der Debatte zu folgen.
Die Kürzungen beim BAföG sind für uns nicht hinnehmbar und stehen für uns als ein weiteres typisches Zeichen unerträglicher Umverteilungspolitik dieser Bundesregierung. Teile des unterfinanzierten
BMBF-Haushalts quasi von den Studierenden bezahlen zu lassen und ihnen, da sie dann zuarbeiten müssen, im Gegenzug noch zu lange Studienzeiten vorzuwerfen, halte ich für unredlich. Hier werden Aufgaben von heute nicht angepackt.
In der Forschungspolitik sind ebenfalls keine Prioritätensetzungen zu sehen; denn sie manifestieren sich nicht in appellierenden Hochglanzbroschüren. Vom antizyklischen Investieren in die Zukunft ist keine Rede. Nicht umsonst, Herr Minister, gelten Sie in der wissenschaftlichen Community als Ankündigungsminister.
Mit Ihren Buchungstricks und dem Verschieben von Haushaltstiteln setzen Sie keine neuen Akzente. Das ist lediglich Etikettenschwindel, und auch den glaubt Ihnen mittlerweile keiner mehr.
Wir Sozialdemokraten fordern eine schrittweise Anhebung der Bildungs- und Forschungsaufgaben. Das betrifft vor allem den Hochschulbau, die erneuerbaren Energien, Umwelttechnologien, die Klimaforschung, F- und E-Sonderprogramme in den neuen Ländern, eine grundlegende Reform der Ausbildungsförderung für mehr Fördergerechtigkeit, die Wiedereinführung der steuerlichen F- und E-Förderung und Stärkung der mittelstandsorientierten F- und E-Förderung, die Reform der Organisationsstrukturen, mehr Flexibilität und Eigenverantwortung, Innovationsverbünde von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft, Verbesserung des Transfers und von Forschungsergebnissen, Verbesserung der administrativen und gesetzgeberischen Rahmenbedingungen für innovative Technologieentwicklung.
Der Haushalt dieses Ministeriums ist keine Weichenstellung in die Zukunft. Er ist keine Weichenstellung für mehr Innovation und eine Modernisierung unserer Volkswirtschaft. Ihr Haushalt, Herr Rüttgers, ist keine Weichenstellung für mehr Beschäftigung, keine Antwort auf die Herausforderung der ostdeutschen Entwicklung.
Als Chef im Stellwerk für Bildung und Forschung taugen Sie meiner Meinung nach nichts. Vor einem Jahr, am 12. September 1996, erläuterten Sie zum gleichen Thema - übrigens an dieser Stelle sehr richtig - die Notwendigkeit zur Innovation: Nur für die besten Produkte kann man auch hohe Preise nehmen.
Schaut man sich unter diesem Aspekt Ihr Produkt Haushalt 1998 an, so kann man nur sagen: Ihr Produkt ist unverkäuflich. Gehen Sie nach Hause, und überlassen Sie dieses wichtige Feld denen, die mit Herz und Verstand gestalten können und wollen: uns, den Sozialdemokraten.
Tilo Braune
Wie sagte doch einst unser Kollege Cato im römischen Senat: Ceterum censeo Carthaginem esse delendam. Oder auf die heutige Situation übersetzt: Diese Bundesregierung muß weg.
Ich danke Ihnen.