Rede von
Dr.
Graf
Otto
Lambsdorff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident, vielen Dank.
Herr Kollege Schwanhold, Sie haben mit Recht gesagt: Wir brauchen Arbeitsplätze am Markt. Aber die Arbeitsplätze im Bergbau sind wahrlich keine Arbeitsplätze am Markt. Man kann darüber diskutieren, ob diese Subventionierung notwendig und richtig ist. Aber Arbeitsplätze am Markt sind dies nicht.
Sie haben mir vorgeworfen, ich hätte die Gewerkschaften kritisiert. Ich habe sie heute gar nicht erwähnt. Aber es gehört zu Ihrem Bild von mir, daß ich die Gewerkschaften kritisiere.
- Das ist nicht absolut falsch. Zwar nicht so total, wie Sie es meinen; aber jeder hat sein Bild und seine Vorstellungen.
Sie meinten, die Gewerkschaften hätten konjunkturgerechte Lohnabschlüsse vertreten. Ich erinnere an den Metallabschluß 1995, der zur Stärkung der Arbeitslosigkeit gewaltig beigetragen hat.
Heute wissen wir doch - niemand bestreitet das mehr -, daß die Lohnpolitik in den neuen Bundesländern mit dazu beigetragen hat, daß der Anschluß nicht gefunden worden ist. Es nutzt doch nichts, Frau Fuchs, wenn Sie darauf hinweisen - übrigens, wir sind uns doch hoffentlich einig, daß es die DDR nicht mehr gibt -,
daß die Löhne dort so niedrig sind, wenn Sie nicht gleichzeitig erwähnen, wie niedrig die Produktivität noch immer ist und daß die Wettbewerbsfähigkeit auf diese Weise nicht zustande kommen kann.
Wir brauchen Risikokapital; da bin ich mit Ihnen einig, Herr Schwanhold. Aber dann müßten Sie diese primitive Art der Shareholder-Value-Kritik bleiben lassen. Denn Aktionäre sind diejenigen, die Risikokapital zur Verfügung stellen. Wenn Sie das von denen brauchen, können Sie sie nicht gleichzeitig beschimpfen.
Sind Sie bereit, bei der Steuerpolitik dafür zu sorgen, daß zum Beispiel Veräußerungsgewinne bei Venture-Capital-Gesellschaften nicht mehr besteuert werden? Dann sind Sie einen guten Schritt weiter.
Ich sehe da bisher keine Zustimmung bei Ihnen. Sie haben, glaube ich, beim zweiten und dritten Finanzmarktförderungsgesetz zugestimmt. Das können Sie nicht einfach unter den Tisch fallen lassen und so tun, als sei für die Verbesserung der Rahmenbedingungen des Risikokapitals nichts geschehen.
Mittelständische Wirtschaft und Steuern: Richtig, viele Großunternehmen zahlen heute auf Grund verschiedener Umstände niedrigere Steuern. Aber dann sorgen Sie bei mittelständischen Unternehmen - das sind häufig Kommanditgesellschaften, Einzelkaufleute und offene Handelsgesellschaften - endlich dafür, daß diese unsinnige Debatte der Rechtsformneutralitätsverweigerung bei Ihnen aufhört. Das geht so nicht. Sie können nicht sagen: Die GmbH und die AG besteuere ich, und sonst helfe ich mir mit der Krücke der gewerblichen Einkünfte.
Ich habe überhaupt vermißt, daß Sie ein paar Fragen, die ich gestellt habe - Sie haben ja behauptet, ich hätte gar nichts gesagt -, nicht beantwortet haben.
- Sie sagen, ich hätte hier nichts vorgeschlagen. Frau Fuchs kritisiert, daß die Thesen, die ich aufgestellt habe, alle falsch seien. Nur einer von Ihnen kann recht haben.
Letzte Bemerkung. Ob, verehrter und lieber Herr Kollege Schwanhold, meine Ausführungen heute „erbärmlich" waren, schaue ich morgen in der Presse nach und werde versuchen, das nachzulesen. Aber wenn Sie schon das Wort „erbärmlich" benutzen, liegt das nahe bei christlichem Erbarmen, und für diese Absicht bedanke ich mich.