Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Aufführung des Beckschen Musicals „New York, New York" war eindrucksvoll, aber rechtlich, rechtspolitisch und kriminalpolitisch kolossal wenig ergiebig.
Auch hilft es nicht, wenn Sie andere Leute beschimpfen, die sich der unglaublich schwierigen Aufgabe stellen, zu erkennen, daß der Bürger genauso ein Recht auf seine Garantien in gerichtlichen Verfahren, ein Recht auf ein faires Verfahren, auf die Unschuldsvermutung bis zur Verurteilung hat, wie er auch ein Recht auf Sicherheitsgewährung durch den Staat hat. Auf Grund sich ständig wandelnder Umweltverhältnisse in ständig neuer Abwägung dazwischen einen fairen Weg zu finden, das ist eine Aufgabe, bei der man wenig Freunde erwerben kann, bei der man viele Risiken läuft, insbesondere die, in der Gunst des Bürgers zu sinken, der man sich aber, wenn man verantwortliche Rechtspolitik machen will, immer wieder stellen muß.
Es nützen keine Musicalaufführungen, sondern man muß sich der Sache stellen, anstatt andere Leute einfach so mir nichts, dir nichts zu beschimpfen.
Ich komme bei den Haushaltsdebatten immer wieder auf die Idee, wir würden über diesen Haushalt sprechen, es ginge um Geld und darum, wie Geld ausgegeben werden soll. Das habe ich heute von wohlmögenden und großartigen Rednern schon ganz anders vernommen. Es wäre überhaupt die Stunde für eine Debatte über die Lage der Nation, hat einer gesagt. Aber das ist eine andere Abteilung.
Es geht darum: Wie geht der Bundesjustizminister mit dem Geld der Bürger um? Prozentual - das haben wir schon gehört - ist es ein ganz erstaunlich kleiner Betrag, der in diesem Lande für die Rechtspflege aufgewendet wird. Es ist noch kleiner, wenn man den Bund betrachtet, der allerdings zugegebenermaßen die geringsten Lasten für die tatsächliche Durchführung der Rechtsgewährung zu tragen hat.
Aber es ist im Lauf der Jahre immerhin eine stabile Tatsache geblieben, daß hier sehr wenig Geld ausgegeben wird - im Bund sowieso. In den Ländern kann man schon eher sagen: leider.
In den Ländern hören wir immer wieder, daß eine Instanz genügt. Von Herrn Kolbe habe ich zu meinem Mißfallen gehört, daß man den Einzelrichter fördern muß.
Wenn alles ganz anders würde - auch das Thema hatten wir schon -, wenn wir einen anderen Zugang zum Richteramt hätten und wenn daraus eine andere Art von Vertrauen in die Richterpersönlichkeiten erwachsen würde, dann könnten wir mehr Einzelrichter haben.
Die Kunst wird sein, einen Übergang zwischen Kammer und Einzelrichter dergestalt zu finden, daß man sagt: Dieser oder jener ist besonders befähigt, als Einzelrichter tätig zu sein. Er wird auch anders besoldet - allerdings nur ein wenig anders; mehr läßt das System ohnehin nicht zu; da bin ich schon ganz sicher -, damit man vielleicht auch von außen zusätzliche, besonders lebenserfahrene Kräfte gewinnen kann. Dann kann man auf dem Weg zum Einzelrichter weiterkommen.
In unserem jetzigen System wird die Mehrheit der Anwaltschaft davon abraten, daß man den Einzelrichter fördern muß. Wir möchten schon gerne noch eine zweite Chance haben. Wenn uns der eine nicht zuhören mag, dann hört vielleicht der vorhin erwähnte Beischläfer zu - ein hartes Wort. Ich würde eher sagen: „fleet in being" . So ein Mann sitzt da und sieht fast etwas müde aus. Aber wenn die Herausforderung kommt, wird er wieder wach und dann hallo.
Dadurch kann er dann sein Gehalt verdienen.
Detlef Kleinert
Diesen Möglichkeiten sollten wir uns nicht leichtfertig verschließen, und wir sollten schon gar nicht Vergleiche zu Japan anstellen. Die Zahlen sind zutreffend. Reisen bildet bekanntlich, obwohl immer wieder schlecht darüber gesprochen wird. Frau Däubler-Gmelin weiß genau, was jetzt kommt. Auch sie war dabei.
Als wir uns einmal der Mühe unterzogen haben, an viel zu kleinen Tischen Platz zu nehmen, um herauszufinden, wieso sie in Japan mit so wenigen Richtern auskommen, stellten wir fest: Sie lassen das Ganze einfach vollaufen, und dann gibt es eben kein Urteil. Das Verfahren dauert eben 10 oder 15 Jahre und erledigt sich unter Umständen dadurch, daß die Parteien, ich sage einmal höflich: aus welchen Gründen auch immer kein Interesse mehr an der Sache haben. Das ist natürlich nicht die Lösung, die wir für unser Land anstreben sollten. Ich kenne hier auch niemanden, der das ernsthaft vertreten würde.
- Herr Kolbe muß auch einmal reisen. Dann ändert sich seine Einstellung zu der vorbildhaften Natur des Rechtssystems in Japan. - Das mag für die dortigen Verhältnisse so richtig sein, aber nicht für uns.
Ich möchte noch ganz kurz sagen: Es gibt praktische Möglichkeiten, auch hier Geld zu sparen, ohne den genannten Interessen der Bürger zu widerstreiten. Wir werden in Kürze den Entwurf der Bundesregierung für eine Änderung der Zwangsvollstrekkungsordnung im Rechtsausschuß zu beraten haben. Wir haben interfraktionell - es ist immer wieder das Gute und Schöne in unserem Bereich, daß die Freude an der Sache durchschlägt - eine Lösung über den Entwurf der Bundesregierung hinaus erdacht, die dazu führen wird, daß die Verfahren wesentlich schneller, wesentlich preiswerter und viel effizienter werden. Darüber unterhalten wir uns dann zu gegebener Zeit.